Meine Aufgabe
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ich habe Angst. Mir ist kalt.
In meinen schweißnassen Händen halte
ich den Briefumschlag, den ich nur dann öffnen darf, wenn ich
überhaupt nicht mehr weiter weiß.
Der Bus, in dem ich sitze, ruckelt vor
sich hin. Er hört sich altersschwach an, quietscht und riecht alt
und staubig. Die anderen Fahrgäste versinken in den Schatten. Nur ab
und zu mal – durch eine Laterne – erhasche ich einen Blick auf
sie. Mich schaudert es dann. Sie wirken düster und reden nicht.
Still ist es im Bus – bis auf die
Geräusche, die das Fahrzeug macht.
Ich schaue auf meine Uhr. Es ist mitten
in der Nacht.
Noch einmal rufe ich mir die letzten
Worte meiner Eltern ins Gedächtnis, bevor ich den Bus bestieg.
Sie sagten, sie danken mir.
Sie sagten, ich wäre ihre letzte
Hoffnung.
Sie würden auf mich zählen.
Ich solle tapfer sein. Sie wüssten,
dass ich das könne.
Und wenn es gar nicht mehr ginge oder
ich am Zielort angekommen sei, dann dürfe ich den Brief öffnen.
Ihre Worte hatten mich verwundert und
ich vermutete, es bezöge sich auf unser Grundstück, das sie zu
verlieren drohten. Unheimlich aussehende Personen hatten sich vor
einiger Zeit als Makler vorgestellt und beanspruchten das Haus und
den großen Garten am dunklen Wald.
Meine Eltern aber sind bekannt dafür,
niemals einfach so nachzugeben.
Nun sitze ich also im Bus und habe
etwas zu erledigen, von dem nur sie wissen, was es ist.
Ich schaue wieder auf den schon
zerknitterten Brief in meinen kalten Händen und überlege, ob ich
ihn nun öffnen darf. Doch weiß ich nicht, wie lange wir noch fahren
werden.
Und so beschließe ich, noch etwas zu
warten.
Neben mir auf dem Sitz liegt ein
kleiner abgewetzter Koffer. Meine Mutter hatte ihn mir gepackt und in
die Hand gedrückt. Ich solle gut darauf aufpassen. Er dürfe nicht
verloren gehen.
Ein Fahrgast weiter hinten im Bus
hustet laut. Ich zucke zusammen und kann gerade noch so verhindern,
dass ich mich reflexartig umdrehe.
Der Husten klingt eher wie ein Bellen.
Rau und düster.
Ich schaue aus dem Fenster. Dunkel ist
es und die Straße uneben, als führen wir auf einem Feldweg.
Ich kneife die Augen zusammen und
starre in die Nacht. War da etwas?
Unruhig rutsche ich auf meinem Sitz
herum und zucke erschrocken zusammen, als ein lautes Klicken ertönt.
Es kommt von den Bustüren, so als wenn ein Schloss eingerastet wäre.
Hat der Fahrer die Türen verschlossen?
Gibt es einen Grund für diese Maßnahme?
Ich werde panisch und meine Nerven sind
zum Zerreißen gespannt. Ich will raus!
Wir biegen ab und fahren in einen Wald.
Steif sitze ich auf meinem Platz und
starre nach draußen. Dann öffne ich den Koffer. Ich muss irgendetwas tun. Muss mich ablenken. Ich brauche etwas, dass meine Nerven
beruhigt und hoffe, meine Eltern hatten mir etwas eingepackt, was mir
helfen wird.
Fassungslos starre ich in den Koffer.
Es befinden sich keinerlei Kleidungsstücke darin. Auch keine Speisen
oder Getränke finde ich vor.
Statt dessen liegen dort drei große
Glasampullen nebeneinander. Die Flüssigkeit wirkt in der Dunkelheit
rötlich.
Es wird eine Sinnestäuschung sein,
vermute ich, doch es läuft mir ein Schauder den Rücken herunter.
Neben mir höre ich hektisches
Rascheln. Die Fahrgäste werden munter. Sind wir bald da?
Von der anderen Seite ertönt ein
Schnüffeln. Leckt sich da Jemand die Lippen? Ein Schmatzen ist zu
hören.
Ich wage nicht, aufzuschauen und greife
statt dessen zu einem der Gefäße im Koffer. Zaghaft halte ich es
fest und wundere mich über die Wärme, die davon ausgeht. Leichter
metallischer Geruch steigt mir in die Nase und ich schnüffel an der
Flüssigkeit. Durch den Verschluss hindurch erahne ich einen Geruch.
Huch!
Ich fahre zusammen. Der Bus bremst
plötzlich hart und kommt zum Stehen.
Erschrocken schaue ich auf, um zu
sehen, was passiert ist. Da bemerke ich erst, dass viele der
Fahrgäste zu mir aufgerückt sind und mich anstarren. Ich kann sie
nicht erkennen, es sind nur Schemen. Aber ihre Augen glühen.
Mir entfährt ein kleiner Schrei, dann
verstumme ich.
Hektisch suche ich nach dem Brief, den
ich in den Koffer gelegt habe und lasse dabei das Fläschchen fallen.
Es zerspringt sofort auf dem Boden.
Laut schreie ich auf, schnelle vom Sitz
hoch und renne in den Gang. Der Bus steht und ich erreiche außer
Atem die Türen.
Sie gehen nicht auf!
Sie sind verschlossen.
Im selben Moment ertönt hinter mir ein
Geräusch und ich drehe mich um. Dabei verliere ich das Gleichgewicht
und stürze zu Boden. Etwas springt auf mich zu, verfehlt mich aber,
da ich nun unten bin und fliegt durch das Glas der Bustür.
Scherben regnen auf mich herunter,
verletzen mich aber nicht ernsthaft.
Ich bin wie erstarrt, doch dann kommt
wieder Leben in meine Glieder. Mit letzter Kraft springe ich durch
das Loch, das der Körper eben verursacht hat und rolle mich auf der
anderen Seite auf hartem Boden ab.
Mein Atem geht stoßweise, meine Rippen
schmerzen und ich sehe fast nichts.
Blind rappel ich mich auf und stolpere
in die Dunkelheit. Als ich nicht mehr kann, breche ich hinter einem
Baum zusammen. Zitternd liege ich da. Doch dann bemerke ich etwas
neben mir. Ich greife danach und kann es nicht fassen. Es ist der
Brief, den ich verloren geglaubt hatte!
Wie in Trance greife ich danach und
öffne ihn. Im Dunkeln sind die Buchstaben schwer zu entziffern, doch
ich schaffe es trotzdem, bevor ich das Bewusstsein verliere:
„Sei tapfer, wir danken dir!“