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DN-AGE Erinnerungen IV – Gerettet

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Hier die chronische Auflistung aller Pastas, die zu dieser Reihe gehören.

DN-AGE Erinnerungen (2270)

DN-AGE Erinnerungen I – Beauftragt
DN-AGE Erinnerungen II – Missbraucht
DN-AGE Erinnerungen III – Gebrochen
DN-AGE Erinnerungen IV – Gerettet
DN-AGE Erinnerungen V – Gefunden
DN-AGE Erinnerungen VI – Psychopaten Lachen Nicht

Containment Project 1 (2270)

Containment Project I – Dies sind die Worte von Publius Septimus Tertio
Containment Project II – The Greasemonkey Diaries
Containment Project III – EXIT
Containment Project IV – Gedanken

Containment Project 2 (2290)

CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 1: Nora
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 2: Alexis
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 3: Caelia
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 4: Bromios
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 5: Lavender

 

„Er
wacht auf!“ hörte ich eine kindliche Stimme sagen, als ich langsam aus meinem
Schlummer erwachte. Benommen schaute ich aus dem Fenster und sah, dass es
dämmerte. Dann sah ich um mich und merkte, dass ich in einem relativ großen
Raum war, zusammen mit den…Lifern aus Babelsberg! Nun ja, mit einigen von
ihnen. Barbie war nirgendwo zu sehen. „Wo…wo bin ich hier?“  fragte ich mich und hielt mir meinen
brummenden Schädel. „Das wissen wir auch nicht, Mister Applewhyte“, sprach der
Lifer, den man in Babelsberg als Alice bezeichnet hatte: „Scheinbar hat man uns
unter Drogen gesetzt und dann verschleppt.“

„Was?
Applewhyte? Nein“, versuchte ich zu berichtigen während ich Aufstand. Ich
erklärte ihnen daraufhin, dass mein Name nicht Applewhyte war. Dass ich kein
reicher Bonze, sondern Privatermittler war und zusammen mit Marmalade geholfen
hatte, die vier im Raum von ihrem weiteren Schicksal zu bewahren. „Und wo sind
wir hier?“ fragte ich erneut, woraufhin Alice meinte: „Nun ja, wir scheinen auf
einer Art Anwesen zu sein. Sieht jedenfalls vom Fenster so aus.“ Ich lief zu
einem der großen Fenster hinüber und sah einen großen Garten mit Springbrunnen.
Doch dann beschlich mich ein mulmiges Gefühl. Was, wenn wir alle immer noch
gefangen waren? Was, wenn Marmalade und die anderen Beiden im Auftrag von
jemandem handelten? Dies wurde durch die Tatsache bestärkt, dass im Garten des
Anwesens zahlreiche junge Mädchen arbeiteten und herumliefen –
höchstwahrscheinlich Lifer.

Diese
Vermutung wurde jedoch entkräftet  , als
die Tür des Raumes aufflog und Marmalade eintrat: „Aha. Unser edler Ritter ist
auch endlich wach. Hat auch lang genug gedauert.“

„Warum
hab ich das Gefühl, dass Lavender wieder was damit zu tun hat?“ fragte ich
frech, was zu meiner Verwunderung von Marmalade auch bestätigt wurde: „Ja, tut
mir Leid. Ich wusste nicht, dass sie dir eine höhere Dosis verpasst hatte.“

„Was
soll das eigentlich mit ihr? Erst bekomm ich ihr Gewehr in die Fresse, dann den
Lauf ins Gesicht gehalten und jetzt werde ich fast in ein Koma versetzt?!“

„Wie
gesagt, tut mir echt leid! Pat…Lavender ist etwas…speziell.“

„Pat?
Wie Patricia? Ist das ihr echter Name?“

„Ja.
Und wenn dir dein Leben lieb ist, wirst du ihn schnell wieder vergessen“,
erwiderte Marmalade in einem ernsten Ton und fügte dem hinzu: „Und das gilt
auch für die anderen Vier von euch.“

„Und
wo sind wir jetzt hier?“ fragte Mary: „Und wo ist das andere Mädchen. B…Barbie,
oder wie auch immer sie hieß.“ Marmalade antwortete: „Das hier ist Aleridge
House. Es gehört zur Ortschaft Wyndon. Und Barbie ist tot.“

Tot?! Wieso? Warum?!“ rief Alice.

„Wie
ich euch bereits erklärt habe, haben wir euch alle unter Narkose gestellt,
damit ihr nicht wisst, wie man hierher kommt. Was Barbie angeht – ich weiß
nicht, was man ihr sonst noch so alles eingeflößt hat, aber sie hat die Narkose
nicht überlebt.“

„Wie
traurig“, sprach Katy betroffen, während Mary fragte, was wir hier machten.
„Wyndon kann euer neues Zuhause werden, wenn ihr es wünscht. Wir, das heißt,
die anderen hier lebenden Lifer, befreien unsere Schwestern und bringen sie
hierher.“

„Und
dann?“ fragte Tamika skeptisch. „Wir haben eine Technologie gestohlen, die es
uns erlaubt, Erinnerungen zu rekonstruieren“, erklärte Marmalade: „Wir können
euch diese zurückgeben und ihr erfahrt vielleicht, wer ihr wirklich wart. Oder
ihr lasst es, akzeptiert nun, wer ihr nun geworden seid, und lebt so in
Wyndon.“ In diesem Moment brach Vanilla in den Raum und rief: „Natürlich gibt
es noch eine dritte Möglichkeit.“ Sie hatte, ihr Gewehr und einen kleinen
Lederbeutel bei sich. „Schließt euch den Helix Töchtern an und kämpft gegen
die, die uns wie Dreck behandelt haben.“

„Mädchen,
Vanilla. Vanilla, die Mädchen aus Babelsberg“, stelle Marmalade die zwei
Parteien vor. Vanilla legte ihr Gewehr auf ihre Schultern und umkreiste die
vier mit kritischem Blick und sprach dabei: „Die Ausbildung ist hart und ich
verschone niemanden! Wer zurückbleibt, wird zurückgelassen!“

„Wer
zum Henker bist du?!“ fragte Tamika und man konnte sowohl Erstaunen wie auch
Verwirrung in ihrer Stimme hören. „Die Helix Töchter stellen sich dem Kampf
gegen unsere ehemaligen Unterdrücker. Unser Leben stellen wir in den Dienst der
Waffen mit dem Ziel, so viele Lifer zu retten, wie nur möglich.“

„Du
baust also eine Armee auf?“ folgerte Tamika und grinste dabei etwas. Vanilla
erwiderte das Grinsen und sprach: „Wir sind uns also einig.“ Daraufhin langte
sie mit der rechten Hand in den Lederbeutel, in dem sich das gleiche blaue
Puder befand, das ich bereits kannte, und strich mit der blauen Hand über
Tamikas Gesicht, sodass sich fünf blaue Striche darüber ausbreiteten.

„Komm
morgen um Punkt zwölf Uhr mittags zu den Steinen. Lavender wird dir den Weg
zeigen.“ Tamika nickte, von dem Moment des Augenblickes völlig mitgenommen, ehe
Marmalade sprach: „Das…gilt auch für die Anderen von euch. Bis morgen zwölf Uhr
möchten wir eine Entscheidung von euch haben. Ich wünsche euch noch einen
schönen Abend.“ Dann gestikulierte sie mir, dass ich mit ihr und Vanilla
mitgehen sollte. Ich war zunächst verwirrt. Was wollten sie mir zeigen? Was gab
es noch zu bereden? Erst nachdem mich Vanilla fragend ansah, nickte ich, sagte
den vier Mädchen gute Nacht und verließ mit Marmalade und Vanilla den Raum.

*          *

„Ich
muss zugeben“, sprach Marmalade, nachdem wir zwei Stockwerke tiefer waren:
„dass ich dich angelogen habe.“

„Angelogen?
Inwiefern?“ fragte ich: „Lass mich raten: ihr habt gar keine derartige
Technologie, oder?“

„Doch,
die haben wir“, gab Marmalade zu meinem Erstaunen zurück: „ich meine was Barbie
angeht.“

„Dann
lebt sie noch?!“ rief ich erstaunt: „Warum ist sie dann nicht bei den Anderen?“

„Weil
wir dir etwas zeigen wollen“, gab Vanilla in ihrer bekannten, kühlen Art
zurück. Mich überkam ein mulmiges Gefühl, welches noch dadurch bestärkt wurde,
als wir in den Keller des Anwesens gingen und ich anfing, Schreie zu hören.
Diese wurden lauter und lauter, je weiter wir in die Kellerräume vordrangen und
sie waren am lautesten, als wir vor einer weißen, Stählernen Tür standen.

„Ich
hoffe, du bist bereit für das, was wir dir gleich zeigen werden“, warnte
Marmalade mich vor. Ich hatte ja keine Ahnung, WAS sie mir zeigen wollten,
weswegen ich machohaft erwiderte: „Ich habe schon einiges gesehen. Mach schon die
Tür auf.“

Das
sollte sich jedoch als Irrtum herausstellen. Marmalade nickte, öffnete die Tür
und wir traten in einen stählernen Raum, in dem bereits zahlreiche Helix
Töchter mit gezückten Waffen standen – und im Zentrum Barbie. Sie war immer
noch nackt, doch diesmal nicht gefesselt. Wie gesagt, ich habe schon einiges
gesehen, doch das überstieg wirklich alles.

Sie
schrie wild herum und langte wie ein Tier nach den Anwesenden. Dieses Geschrei
wurde hin und wieder von sexuellen Handlungen Nachahmungen solcher
unterbrochen. Mal schrie sie, dann stellte sie sich auf allen Vieren während
sie sich ihre Finger wahlweise in ihre Vagina oder ihren Arsch steckte. Dann
schrie und schlug sie wieder um sich, nur um dann auf dem Boden zu sitzen und
mit einem kranken Gesichtsausdruck vor allen zu masturbieren. „Was haben die
mit ihre gemacht?!“  fragte ich voller
Entsetzen. „Shaggy, Alkohol, physische und psychische Gewalt. Gehalten wie ein
Tier, über Jahre hinweg“, erklärte Marmalade. Sie sagte mir, so etwas wäre
selten, doch es würde immer mal vorkommen. „Vor allem unter der ersten Lifer
Generation ist so etwas sehr häufig“, erklärte Vanilla: „aber es gibt kaum noch
Lifer, die so alt sind.“

„Und
was macht ihr jetzt mit ihr?“ fragte ich, wobei ich mir die Antwort schon
denken konnte. Und so kam es auch. Ohne ein Wort zu sagen, sah Vanilla eines
der Mädchen an, welche dann mit einem Gewehr auf Barbie zielte und abdrückte.
Doch anders als ich erwartet hatte, zersprang ihr Kopf nicht in tausend Teile.
Stattdessen bekam sie eine Art Pfeil in den Hals geschossen. „Was ist das?“
fragte ich Marmalade, welche antwortete: „Schlaftabletten. Eine Dosis ist so
hoch, dass man damit selbst ein Nashorn einschläfern könnte.“

„Und
dann?“ fragte ich weiter. Marmalade sagte mir, dass Barbie beerdigt werden
würde, doch dass dies eine streng geheime Veranstaltung war.

„Also,
Herr Privatermittler“, meinte Vanilla dann zu mir: „Sie haben genug gesehen, um
eine gute Story zu bekommen und die Welt zu verbessern. Was soll’s also sein?
Rein? Oder raus?“

Hatte
ich wirklich eine Wahl?

*          *

Bevor
ich mit dem Rest meiner Geschichte fortfahre, möchte ich gewisse Aspekte näher
erläutern. Auf diese Weise ist es einfacher, das Erlebte zu strukturieren.

WYNDON

Der
kleine Ort Wyndon liegt irgendwo zwischen London und Leicester. Mehr wurde mir
nicht gesagt, als ich danach fragte. Hier leben an die 500 Menschen – die
meisten davon Lifer. Daneben leben hier noch die sogenannten Lads und einige
ältere Menschen, die hier schon wohnten, lange bevor es verlassen wurde.

Wyndon
wird von einer riesigen Mauer umringt, welche sowohl von den Lads, wie auch den
Helix-Töchtern bewacht wird. Jeder, der auch nur irgendwie verdächtig wirkt
wird angeschossen und zur weiteren Befragung innerhalb der Mauern gebracht. Wer
glaubhaft versichern kann, dass er nichts im Schilde führt, wird verarztet. Wer
die Helix‑Töchter allerdings nicht überzeugen kann…nun ja, sagen wir es mal so:
die Helix-Töchter haben ihren ganz eigenen Kodex und eigene Regeln, wie weiter
mit solchen Menschen zu verfahren ist.

Das
Zentrum von Wyndon bildet eine recht große Anlage aus Steinen, alle mit
Symbolen versehen. Diese wurden in den Stein geritzt und mit der gleichen,
blauen Farbe bemalt, die ich zuvor schon beschrieben hatte. Doch erst aus der
Luft erkannte ich, dass es sich bei der Anordnung der Steine um einen riesigen
Helix, also DNA-Strang handelte!

Es
gibt nur zwei Wege aus Wyndon heraus: den, durch den ich hierher gebracht wurde
und den anderen zu Aleridge House. Nun ja…streng genommen gibt es noch einen
Dritten, markiert durch eine Aneinanderreihung kleiner, runder Steine, die sich
von der zentralen Anlage durch Wyndon bis zur Mauer schlängelt. Allerdings wird
der Ausgang von den Helix-Töchtern strengstens bewacht. Selbst Marmalade (von
der ich zu Recht annahm, dass sie die Anführerin war) durfte nur zweimal durch
die Mauer.

Ich
nehme mal an, ich werde es wohl nie dürfen.

DIE
LADS

Wenn
es eine Gruppe gibt, die meiner Meinung nach den größten Respekt verdient, sind
es die sogenannten Lads. Das sind vor allem die festen Freunde und zum Teil
schon Ehemänner der geretteten Lifer. Einige Andere kommen auch aus dem
benachbarten Aleridge Town und wieder Andere sind sogar Brüder oder Cousins der
geretteten Lifer. Aber ich werde mich in diesem Eintrag auf die ersten beiden Gruppen
beziehen.

Wie
gesagt, vor diesen Männern habe ich nichts als den größten Respekt übrig. Man
muss bedenken: viele Lifer haben vor ihrer Ankunft in Wyndon fürchterliche
Dinge erlebt. Dinge, welche ich bereits beschrieben habe und noch beschreiben
werde. Und neben dem offensichtlichen, physischen Schaden gesellen sich eine
ganze Reihe psychische Erkrankungen dazu. Persönlichkeitsstörungen, Paranoia
und  Schizophrenie sind nur einige der
Auswirkungen der oftmals jahrelangen Tortur. Sich mit einer solchen Person auch
nur platonisch einzulassen, erfordert schon eine große Opferbereitschaft. Wie
groß muss also die Aufopferung sein, wenn man sich mit einer solchen Person auf
einer romantischen Ebene einlässt?

Nun,
wie man sich denken kann, bleibt das nicht ohne Folgen. Physische, verbale,
psychische Gewalt gehören in einer Boy/Lifer Beziehung fast schon zum Alltag –
und es sind nicht die Lads, die er Urheber dieser Gewalt sind. In meinen
Gesprächen, die ich nach einem Monat Aufenthalt in Wyndon führte, erzählten mir
Daryll und Vanilla, wie auch andere Lads und Lifer zahlreiche derartige
Geschichten. Etwa als Daryll und Vanilla mit einander schliefen und sie auf einmal
anfing, ihn zu würgen, woraufhin er sie anketten musste.

Ja,
ich habe gesagt, miteinander schlafen. Sicher, die Vorstellung, dass eine
äußerlich Zwölfjährige mit einem Mann Mitte zwanzig eine romantische Beziehung
eingeht ist durchaus gewöhnungsbedürftig. Und würde ihr Körper auch ihrem Alter
entsprechen, würde ich natürlich sofort die Polizei verständigen – doch man
vergisst sehr schnell, dass es sich bei allen Lifern in Wyndon um Frauen Mitte
zwanzig, zum Teil sogar Anfang dreißig handelt. Frauen, die trotz ihres
Aussehens eine romantische Beziehung eingehen wollen.

Mit
allem was dazu gehört – und dazu gehört auch Sex.

DIE
HELIX-TÖCHTER

Wie
fange ich am besten mit diesem Thema an? Vielleicht damit, dass sie überall in
Wyndon sind. Und ich meine ÜBERALL. Von den circa 500 Einwohnern sind circa 350
davon Teil dieses merkwürdigen Kultes.

Am
besten sollte ich mich auch mit dessen Ursprung befassen, denn begonnen hat
alles mit dem sogenannten Containment Project. Die Idee eines Wahnsinnigen namens
Doctor O‘ Callaghan und mit Unterstützung von DN-AGE. Soweit es die
Öffentlichkeit angeht, sind die vier Kuppeln lediglich ein gigantisches
Experimente in Sachen experimentelle Archäologie und Historie. Ziel sollte es
sein, eine Zeitepoche unendlich lang aufrecht zu erhalten. Eine davon war die
Jungsteinzeit.

Woher
weiß ich so viel darüber? Wayde – Darylls Bruder. Er hatte es geschafft, sich
in das Projekt einzuschleusen und sich so Zugang zur bereits erwähnten
Technologie zur Erinnerungsrekonstruktion verschaffte. Da Wayde schon durch
sein Spezialgebiet (Jungsteinzeit) mit der Materie vertraut war, hatte er ein
entsprechendes Vorherwissen über die Zeit. Von den Nutztieren, den Häusern, den
Technologien. Das Einzige, das er lernen musste, war eine fiktive Sprache,
welches das C.P. entwickelt hatte und sich an indogermanische Sprachwurzeln
orientierte. Wayde gehörte zu den sogenannten Rangern. Eingeschleuste
Mitarbeiter, welche aufpassten, dass alles mit rechten Dingen zuging. So war es
die Aufgabe der Ranger zu verhindern, dass irgendwelche bahnbrechenden
Erfindungen gemacht wurden, die das Leben in den Kuppeln maßgeblich verändern
und so das Projekt gefährden könnten.

Der
eigentliche Kult, der in der Kuppel vorherrschte, war animistisch geprägt.
Getrieben von der Idee, dass alles in der Natur heilig und alles beseelt ist.
Und so wie der Himmel oder das Wasser blau ist, so ehren die Bewohner dieser
Kuppel alles mit der gleichen, blauen Farbe, wie man sie auch bei den
Helix-Töchtern vorfindet. Gewonnen wird der blaue Stoff von einer Pflanze mit
blauen Blüten. Diese werden gesammelt, zerstoßen und mit Tierfett vermengt,
damit er haften bleibt. Wie konnte das also an die Außenwelt gelangen? Ganz
einfach: keine Kameras. In keiner der Kuppeln gibt es irgendwelche Kameras, um
weder die Ranger, noch die Insassen misstrauisch oder paranoid zu machen. Daher
war es für Wayde einfach, Dinge in seine Kleidung zu nähen. Etwa die Samen der
blauen Pflanze oder Skizzen der heiligen Steine, auf denen jene in Wyndon
basieren.

Die
Helix-Töchter verehren den von ihnen erschaffenen Gott Helix, die
Personifikation des Lebens an sich. Laut Vanilla seien die bereits bestehenden
Religionen zu verworren und undurchsichtig geworden und daher sahen sie ihr
spirituelles Heil nur in der Rückkehr zu den spirituellen Wurzeln der
Menschheit. Teil dieses Kultes ist auch die Akzeptanz der Eigenen Makel –
physische, wie psychische. Aufgrund ihres Zustands sehen Sie sich alt etwas
Besonderes, als eine Art Auserwählte. Und wie Frankensteins Monster zum
gleichnamigen Wissenschaftler sehen sie sich als missglücktes Produkt von
DN-AGE, das sie in der nahen Zukunft zu zerstören hoffen – allein hierfür
trainieren sie. Sie haben nur zwei erklärte Ziele: ihre Schwestern aus der
Knechtschaft der Banden zu befreien und die Welt das Gräuel, das sie erlitten
haben, wie einen Spiegel vorzuhalten.

PATRICIA ‚LAVENDER‘ LANGLEY

Unter
allen Lifern ist sie mir ein ständiges Rätsel gewesen. Sie sprach kaum ein
Wort, äußerste sich vorrangig in Blicken und Gesten. Vor allem aber Gewalt. Ein
falscher Blick, ein falsches Wort und schon bekommt  man eine geknallt, eine Gabel durch die Hand
oder einen Einschnitt am Oberarm oder Unterschenkel.

Falls
ihr es noch nicht erraten habt, ich rede natürlich von Lavender. Das Mädchen,
das mir den Gewehrkolben gegen den Kopf geschmettert und den Lauf dessen mir
ins Gesicht gehalten hat. Meine erste Interaktion meinerseits mit ihr, fand an
einem Abendessen statt, zu dem ich eingeladen worden war. Ich hatte bereits
einen Gedanken gefasst und an diesem Abend sprach ich ihn aus, indem ich Pat
geradeheraus gefragt, ob sie denn autistisch sei. Der ganze Raum wurde still als
Lavender sich erhob, mich ansah und mir dann ihr Küchenmesser in die linke Hand
rammte und ging.

Auf
was danach kam, war ich noch weniger gefasst. Es geschah mitten in der Nacht
als ich in dem für mich bereitgestelltem Zimmer schlief. Dort wachte ich aufgrund
eines Geräusches auf und drehte mich in Richtung Tür, ehe ich zusammenfuhr, als
ich sie in voller Helix-Montur und mit weit aufgerissenen Augen neben meinem
Bett stehen sah. Ich fragte sie, was sie wollte, doch sie sagte nur einen
einzigen Satz zu mir, ehe sie wieder verschwand: „Ich hätte von jemand wie dir
mehr Feingefühl erwartet!“

Falls
ich es noch nicht erwähnt habe: Vanilla und Lavender, also Cat (Catherine) und
Pat (Patricia) sind Geschwister. Zwillinge, um genau zu sein. Geboren wurden
sie 2235 und wuchsen in einem mittelständigem Viertel von London auf. Bevor sie
zum Lifer wurde, hatte Pat Psychologie studiert. Um ihr Studium jedoch
finanzieren zu können, hatte sie sich, zusammen mit ihrer Schwester, 2253 dem
Lifer Programm verschrieben. Und wie Marmalade, wurden die beiden kurz nach dem
gesetzlichen Verbot von ihrer „Familie“ verstoßen und auf die Straße geworfen.
Und wie für Marmalade und zahlreiche andere Lifer, begann für sie daraufhin ein
langer Leidensweg. Doch während Vanilla irgendwann in eine der zahlreichen
Fabriken landete, landete Lavender in einer der berüchtigten „Fick-Fabriken“,
oder auch „Dildo-Farmen“, wie sie genannt werden.

Neben
den Wegwerfkleidern werden im Babeland natürlich allerhand Sexspielzeuge
verkauft, so auch Dildos – alle zugeschnitten auf die „minderjährigen“
Konsumenten. Und wie jedes anständige Produkt, so müssen auch diese getestet
werden, ehe sie auf den Markt kommen. Hier kommen die „Farmen“ ins Spiel. Dort
werden Lifer in zweier Reihen und sich gegenseitig ansehend auf allen vieren
angekettet, ehe sie tagtäglich von Dildos vaginal und anal penetriert werden.
Gefüttert und versorgt werden sie von Robotern, welche jeden Lifer sofort
erschießen, der sich zu lange mit seinen Nachbarn unterhält. Ihre…Abfälle werden
mittels Rohre und Einläufe entsorgt und das eigentliche Personal kommt nur in
die Räume, wenn ein Lifer entweder beinahe tot ist oder aufgrund der
tagtäglichen Penetration das Bewusstsein verliert.

Ist
dies der Fall, dann gibt es für das Personal mehrere Wege, ihn zu entsorgen.
Entweder, man erschießt ihn gleich an Ort und Stelle mit einem
Bolzenschussgerät. Ist ein Lifer noch einigermaßen am Leben, wird er entweder
an einen der zahlreichen Sklavenmärkte verkauft oder in den sogenannten
„darkroom“ geworfen – ein lichtloses Kellergewölbe, in dem die Lifer dann ihrem
Schicksal überlassen werden. Ist ein Lifer tot, wird er fast immer an die
bereits beschrieben Meat Crew übergeben, welche die Leiche zur
Weiterverarbeitung an die bereits erwähnten Pastetenfabriken geben.

„Catherine“,
war ihre Antwort, als ich sie gefragt hatte, was sie die ganzen Jahre über am
Leben hielt: „egal, was um mich herum passiert. Egal wie viele Lifer neben mir
getötet wurden, egal, wie hart man die Maschinen zur Penetration einstellte –
die Hoffnung, dass mich Catherine eines Tages finden und retten würde, was das
einzige, was mich am Leben helt.“ Und sie sollte recht behalten. Organisiert
wurde die Rettungsaktion natürlich von Catherine, Marmalade und Darryl.
Allerdings konnten sie nicht einfach in die Fabrik stürmen, die Wachleute
erschießen und alle Lifer befreien. Anders als die regulären Fabriken, waren
die Dildo-Farmen viel schwerer bewacht und das Personal würde jeden Lifer auf
der Stellte töten, würde ein Sicherheitsverstoß bemerkt werden. Daher mussten
Marmalade und Catherine subtiler vorgehen, was im Endeffekt bedeutete, dass sie
Patricia kaufen mussten. Dies gestaltete sich in etwa so, wie unserer Aktion
bei den Golden Boyz. Darryl verkleidete sich als reicher Pinkel, während
Catherine und Marmalade seine minderjährigen Gespielinnen mimten. Dies war vor
allem für Erstere besonders schwer, da sie sich nicht anmerken lassen durfte,
dass zwischen ihr und Patricia eine Verbindung bestand. Ansonsten würde die
Charade auffliegen und nicht nur Patricia, sondern auch alle Lifer, Marmalade,
Catherine und Darryl getötet werden. Glücklicherweise hatten sie jedoch erfolg
und schafften es, Patricia, wie auch einige andere Lifer aus dieser Hölle
freizukaufen.

Wie
ihr auch bestimmt denken könnt, war Patricias psychische und physische
Verfassung komplett im Arsch. Kurz gesagt, sie befand sich in einem ähnlichen
Zustand wie Barbie, nachdem sie nach Wyndon gebracht worden war. Und wie bei
Barbie, sahen Marmalade und Darryl keine andere Möglichkeit, als Patricia von
ihrem Leiden zu erlösen. Doch Catherine hielt dagegen, drohte Marmalade und
Darryl sogar an, sie zu töten, sollten sie hinter Catherines Rücken irgendetwas
Anderes unternehmen. Es dauerte fünf ganze Jahre, ehe Patricia wieder einigermaßen
„normal“ war – und selbst danach war sie nieder so, wie vor der Zeit als Lifer.

In
Catherines Worten wurde sie…dunkler. Gewaltbereiter. Und als Darryl ihr von der
Religion, welche in der neusteinzeitlichen Kuppel herrschte, erzählte, sog sie
es auf und erschuf dadurch den Glauben an Helix – die göttliche Verkörperung
der Bausteine eines jeden Menschen und der Grund für ihren Zustand. Sie
gründete die Helix-Töchter und schwor Rache and DN-AGE – der Konzern, der ihr
und das Leben zahlreicher junger Frauen ruiniert hatte und der dem Missbrauch
in den Fabriken, den Gangvierteln und den Dildo-Farmen tatenlos und
gleichgültig gegenüberstand.

Auf
die Frage, warum sie nie ein Wort sagte, meinte sie nur: „Worte haben
Bedeutung. Und je weniger Worte man sagt, desto mehr Bedeutung haben sie.“

*          *

Es
sind nun drei Wochen vergangen, nachdem man mich nach Wyndon gebracht hatte. In
dieser Zeit wollte ich mehr über Lavender erfahren und dieser weg führte über
ihre Schwester. Es dauerte etwa zwei Wochen, bis sie sich mir öffnete und mir
von ihrem früheren Leben erzählte. Zugegeben, ich erfuhr in dieser Zeit so manches,
allerdings möchte ich hier eine besondere Begebenheit wiedergeben, die sie mir
erzählte.

Einfach
ausgedrückt, hatte Lavender, welche uns während unserer Unterhaltung auf
Schritt und Tritt verfolgte, unter dem Verdacht gestanden, ihrem damaligen,
ersten festen Freund umgebracht zu haben, als sie dreizehn war. „Sie und Jason
waren zu dem Zeitpunkt etwa sechs Monate zusammen gewesen“, berichtete sie mir:
„Die beiden hatten auf einem verlassenen Industriegelände herumgetollt, als er
von einem Dach viel.“ Vanilla fügte hinzu, dass es nicht der Fall gewesen war,
der Jason umgebracht hatte (dafür war das Dach zu niedrig gewesen), sondern
vielmehr Lavenders unterlassene Hilfeleistung. „Dann hat sie ihn also sterben
lassen“, folgerte ich, doch Vanilla wies dies zurück: „Laut offizieller Aussage
wusste sie nicht, wie man erste Hilfe betreibt und hat die Mund- zu Mundbeatmung
halt so gemacht, wie man es immer in Filmen sieht. Und dabei hat sie ihn
unabsichtlich erstickt.“

„Aber
das lernt man doch in der Schule, oder nicht?“ hackte ich nach und sie seufzte:
„An dem Tag hatte sie die Schule geschwänzt.“

„Glück
gehabt“, dachte ich mir und fragte sie, wie Lavender es geschafft hatte, aus
dieser Sache herauszukommen. Vanilla erzählte mir, dass ihr Vater ein Anwalt
aus der oberen Mittelschicht gewesen war und es geschafft hatte, die Polizei
dazu zu bringen, die Untersuchungen einzustellen, da er sich sonst mit der
Presse in Verbindung setzen würde. „Außerdem war sie dreizehn“, fügte Vanilla
hinzu: „und er war ihr erster, fester Freund. Ich glaube niemand konnte oder
wollte den Mordnarrativ glauben.“

„Wollte?“
bohrte ich nach: „dann glaubst du, dass sie es wirklich getan hatte?“ Vanilla
sah zu Lavender, welche uns immer noch verfolgte, sah mich wieder an und
meinte: „Ich denke, das wird nur sie wirklich wissen“

*          *

In
diesen drei Wochen habe ich vor allem Marmalade kennen gelernt.  Wir redeten Tag und Nacht, über alles
Mögliche. Ich erzählte ihr von meinen Erfahrungen mit DN‑AGE und si erzählte
mir von ihrer Zeit davor. Natürlich war Lavender nie weit von uns entfernt. Wie
ein Falke beäugte sie uns wenn wir draußen zusammen liefen und uns
unterhielten. Sie setzte sich beim Essen direkt gegenüber und starrte uns
unentwegt an. Ich hatte sie natürlich darauf angesprochen, sie gefragt, warum
sie es tat. Nie erhielt ich eine Antwort. Nicht einmal ein Schlagen oder Boxen
oder dergleichen, das mich wissen ließ, dass Lavender unsere platonische
Beziehung nicht guthieß. Aber da sie nichts zu uns sagte und uns auch sonst
nicht behelligte, machten wir uns nichts daraus.

Ich
denke, ich sollte hier einige Worte zu Marmalades Vergangenheit sagen. Geboren
wurde sie 2230 als Henrietta Chapman (aber ich werde sie trotzdem als Marmalade
bezeichnen). Sie war eine der ersten Frauen, die sich 2250 als Lifer beworben
und ein Jahr später eingeschrieben worden. Nachdem
man die Lifer-Praxis jedoch gerichtlich verboten hatte, geschah mit ihr das,
was mit zahlreichen anderen Lifern geschah. Sie wurde auf die Straße gesetzt,
verfiel dem Alkohol und wurde zum Spielball der zahlreichen Banden. Und
schließlich führte sie ihr Martyrium in eine der zahlreichen Fabriken, in der
sie (zusammen mit zahlreichen anderen Lifern) Kleidungsstücke für das Babeland
nähte.

Ihre
Rettung erfolgte 2260 als in der Fabrik ein Brand ausbrach. Ihr müsst wissen,
die Kleidung der Loli-Dolls ist mehr oder weniger billige  Einwegware – angezogen, drin gefickt worden,
vollgewichst und weggeschmissen. Und weil sie so billig verarbeitet ist, ist
die Kleidung sehr leicht entflammbar. Brände sind in solchen Fabriken keine
Seltenheit. Und um das Verbrechen an den Lifern zu vertuschen, ist es unter den
Banden gängige Praxis, entweder erst alle Lifer zu töten oder sie einfach in
der Fabrik einzusperren und zum Sterben zurückzulassen.

So
wäre es auch mit Marmalade und Vanilla passiert, welche mit ihr in der Fabrik
eingesperrt worden war. Doch gab es in der Fabrik einen Jungen, der wohl doch
ein Gewissen hatte. Dieser hatte sich den Generalschlüssel der Fabrik
geschnappt, Marmalade befreit und mit ihr alle die anderen Lifer, woraufhin er
mit ihnen in die Kanalisation abtauchte und floh.

Allerdings
hatte dieser Junge angst, ergriffen und für seine Selbstlosigkeit getötet zu
werden. Daher trennten sich ihre Wege und Marmalade und Vanilla übernahmen
geistesgegenwärtig die Truppe bestehend aus circa zehn Lifern, welche nicht im
Rauch erstickt worden waren. Panisch und planlos rannten sie durch die
Kanalisation, ehe sie durch irgendeinen Gulli wieder zur Oberfläche
zurückkehrten. Dort entdeckten sie einen alleinstehenden Van, dessen Fahrer sie
überwältigten und davon fuhren.

„Wir
sind einfach nur geradeaus gefahren“, berichtete sie mir während meiner
Recherchen für ‚The voices of Wyndon‘: „Einfach immer weiter. weiter und
weiter. Weg von der Stadt, weg von den Banden, weg von allem. Mir war egal, wie
weit uns der Wagen brachte, ob wir es überleben würden und wohin uns unsere
Reise führte. Wir wollten einfach nur weg!“

Ihr
Weg brachte sie zwar außer Reichweite der Banden und der Stadt, jedoch nicht so
weit, wie sie erhofft hatten da der Van circa fünfzig Kilometer außerhalb von
London abschmierte.

„Da
standen wir also und auf einmal sah ich ein Licht von hinten kommen. Und jetzt
stellen Sie sich mal vor: Sie sind gerade aus einer Hölle geflohen, haben zehn
hungrige, kranke, erkältete Mädchen in Ihrer Ladefläche und Sie stehen mitten
im Nirgendwo – was machen Sie? Vor allem, wenn der Wagen an Ihnen vorbeifährt,
dann den Rückwärtsgang einlegt und neben Ihnen zum stehen kommt.“

Glücklicherweise
nahm diese Begegnung für Marmalade und Vanilla ein gutes Ende. Es waren weder
Landstreicher, noch Bandenmitglieder, die ihnen gefolgt waren. Es waren Wayde
und Darryl, wovon ersterer Urlaub hatte und von Darryl abgeholt worden war.
Zunächst wollte dieser Marmalade und Vanilla nicht helfen und verwies dabei auf
die Beziehungen, die DN-AGE mit dem Containment Project unterhielt. Doch Darryl
bestand darauf und so brachten die zwei das Dutzend nach Wyndon und in
Sicherheit.

*          *

Soviel
zu Marmalades Vergangenheit. In letzter Zeit beschäftigt mich jedoch eine Frage
immer öfter. Sweetcheeks war zuletzt bei Professor Dellinger gewesen – doch
Professor für was eigentlich? Ich suchte diesbezüglich meinen Freund bei der
Polizei auf, welcher den Mordfall übernommen hatte. Es stellte sich heraus,
dass Professor Dellinger Genetiker war. Und nicht nur das: dreimal dürft ihr
raten, woran er beteiligt war! Ich schreibe nur drei Worte: DN und AGE.

Ganz
recht. Professor Dellinger war einer der Wissenschaftler gewesen, die
herausgefunden hatten, wie man den Alterungsprozess verlangsamen oder umkehren
konnte. Doch weshalb musste er sterben? Die Sera und das Lifer-Programm waren
Produkte von DN‑AGE – und dieser Konzern gründete sich erst nach dieser Entdeckung. Die Dokumente,
welche mein Freund gefunden hatte, sahen für mich nur wie Chinesisch aus.
Zahlen, Formeln, Genstränge und so weiter. Glücklicherweise gab es in Wyndon
jemand, der mir dabei helfen konnte. Allerdings wurde ich von Marmalade und
Vanilla gewarnt, welche meinten, dass der Lifer, den wir treffen würden,
etwas…speziell war.

Hierbei
handelte es sich um ein Mädchen namens „Buttercup“, welche vor ihrer
Verwandlung als Fiona Baker bekannt war. Das Spezielle an ihr? Sie hatte eine
fünf-jährige, leibliche Tochter! Jetzt werdet ihr euch fragen, wie das möglich
war, wenn doch alle Lifer steril waren. Nun, anders als alle anderen Lifer,
wurde ihr während einer Bluttransfusion versehentlich das Blut eines Lifers
namens „Fiona Backer“ verabreicht. Backer mit einem C. Und dies hatte dann zur
Folge, dass ihre Brüste während des darauffolgenden Jahres kleiner wurden, ihre
Knochen schrumpften und ihre Stimme sich etwas in die Höhe hob.

Die
Ironie dahinter? Miss Baker hatte zu dieser Zeit die Hypothese aufgestellt, ob
Lifer-Blut den Zustand dieser „Mädchen“ übertragbar machte, oder nicht.

Natürlich
blieb dieses Versehen nicht unbemerkt. Nachdem sie sich nach und nach von ihren
Freunden, ihrer Familie und der Welt abgeschottet hatte, fand DN-AGE Fiona und
entführte sie. Und wie bei allen anderen Lifern, warf man sie auf die Straße;
den Banden zum Fraß vor; in die Fabriken, bis sie (wie zahlreiche andere) von
Marmalade und Vanilla gerettet worden war.

*          *

Bevor
ich ihre Wohnung beschreibe, muss ich sagen, dass ich in den Jahren, seitdem
ich das hier mache, schon einiges miterlebt und gesehen habe. Familiendramen,
Schießereien, wie Menschen (teilweise sogar Klienten) in meinen Armen starben.
Doch nichts hatte mich auf Buttercups Wohnung vorbereitet, als wir eintraten.
Die Wände! Großer Gott, die Wände! Glaubt mir, wenn ich euch sage, dass jede
Wand übersät war mit Polaroids von jungen Mädchen – wohl allesamt Lifer. Jeder
einzelnen von ihnen waren entweder die Augen ausgeschnitten, der Mund mit rotem
Filzstift „zugenäht“ worden, die Ohren abgeschnitten, oder der Hals mit
dunkelrotem Filzstift „aufgeschlitzt“ worden! Allein dieser Anblick hatte mich
zunächst davon abgehalten, die Wohnung überhaupt zu betreten – doch ich wollte
Antworten bezüglich der merkwürdigen Zahlen und Symbole und Buttercup war die
einzige Genetikerin in Wyndon.

Marmalade,
Vanilla und ich stiegen langsam die Treppe zu ihrem Labor hinauf und schon als
wir die ersten Stufen betraten, hörten wir Buttercup schreien. „Du kleine,
dämliche, nutzlose Schlampe! Hau ab! Verpiss dich, oder ich mach dich kalt!“
Daraufhin öffnete sich eine Tür im Obergeschoss und ein Lifer kam weinend und
schluchzend auf uns zu, fiel Marmalade in die Arme und weinte: „Ich hab’s
versucht! Ich wollt‘ sie nicht enttäuschen! Es tut mir so leid!“ Marmalade
tröstete sie, ehe sie wutentbrannt nach oben rannte, mich und Vanilla im
Schlepptau. Sie rannte zur offenen Tür, das zu Buttercups Labor führte, und
fuhr diese an: „Verdammte Scheiße, was hab‘ ich dir gesagt, Buttercup?!“ Daraufhin
warf diese eine gläserne Teströhre in Marmalades Richtung und fuhr diese an:
„Jedes Verschissene mal! Es ist immer das Gleiche! Jedes. Verschissene. Mal!“

„Aber
die Mädchen fertigmachen bringt dir auch nichts!“ rief Marmalade verärgert,
aber nicht in Rage. „Ach ja?!“ schrie Buttercup: „Dann sag‘ mir doch mal, was
zum Fick ich noch tun soll?! Soll ich
etwa bei DN-AGE selbst einbrechen, oder wie stellst du dir das vor?!“

„Das
wird nicht nötig sein“, sprach ich ruhig und stellte mich vor: „ich glaube, ich
habe etwas, dass Sie sich ansehen sollten.“

„Und
du bist wohl unser „Erlöser“, nehm ich an?“ fragte sie mich, immer noch etwas
in Rage: „Was zum Fick hätten Sie, dass Sie mir anbieten könnten?“

An
diesem Punkt sollte ich kurz anschneiden, was Buttercup hier eigentlich machte.
Seht ihr, sie suchte gewissermaßen nach einem Heilmittel. Einem Heilmittel, um
Lifer wieder in ihre wahre, körperliche Form zurückzuverwandeln. Ihre
Schlussfolgerung war folgende: nach ihrer Logik musste es zumindest einen Lifer geben, bei dem DN-AGE
gepatzt hatte. Bei dem das Serum selbst defekt war, oder bei dem es nicht ganz
anschlug. Ein Lifer also, der zwar alterte, aber so derartig langsam, dass man
es erst nach vierzig Jahren oder so bemerken würde. Und die vielen Polaroids an
den Wänden? Das waren gewissermaßen ihre…gescheiterten Experimente. Lifer,
deren Blut „normal“ war und keinerlei Anomalien aufwies.

Ich
gab ihr also die Dokumente, welche ich von meinem Freund bekommen hatte und sie
fing an, sie sich durchzusehen. Ich wollte sie fragen, ob sie draus etwas
folgern konnte, doch meine Frage hatte sich erledigt, als Buttercup auf einmal
anfing hysterisch zu lachen. Sie sah sich die Seiten und Dokumente des toten
Professors an und fing an, wie eine wahnsinnige, hysterische Irre an zu lachen.
„Ich glaub’s einfach nicht! All die Jahre! Ich hab’s das all die Jahre nicht
bemerkt! Verdammte Scheiße, es ist so einfach!“ Ich fragte sie, was sie damit
meine und sie gab an, dass es sich bei einigen der Dokumente um die
Zusammensetzung des Lifer-Serums handelte. Laut Buttercup brauchte man
lediglich ein weibliches Hormon, dass sich zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr
bildet, um den Quantenzustand wieder zu öffnen und den Alterungsprozess wie
gewohnt fortführen zu können.

Ich
fragte sie, wie es denn sein konnte, dass die Lösung so simpel wäre. Daraufhin
entgegnete sie (nun weniger in Rage): „Erstaunlicher- und paradoxerweise
brauchen die einfachsten Ideen und Lösungen die meiste Zeit. Was glauben sie,
wie lange es gedauert hat, bis die Menschheit einen Faustkeil auf einen Stock
gebunden und daraus einen Speer gemacht hat?“

Aber
das alles ergab für mich trotzdem keinen Sinn! Wenn diese Dokumente einfach so
beim Professor herumlagen, warum wurde er ermordet? „Ich schätze mal“, meinte
Vanilla sarkastisch: „diese…Sweetcheeks hat nach einem Zettel gesucht, auf dem
wortwörtlich ‚Geheime Lifer-Formel‘ draufstand.“ Aber dann stellte sich für
mich die Frage: was wollte eine Loli-Doll mit der Formel für das Lifer-Serum?
Wie bereits erwähnt, lässt die Wirkung der Loli-Sera nach einiger Jahren nach,
da sich diese nur vorrübergehend zu einer derartigen Existenz verpflichten.
„Ist es denn nicht offensichtlich“, sprach Marmalade, als ich meinen
Gedankengang mit ihnen teilte: „Diese Sweetcheeks, oder wie sie heißt, ist ein
Lifer!“ Zunächst hielt ich es für unsinnig, doch dann erinnerte ich mich
daran,  in wessen Auftrag ich eigentlich arbeitete: Robert Maxwell. Ein Mann
mit genügend Einfluss, Geld und Beziehungen, um einen Lifer von der Straße
bewahren zu können. Ein Lifer, der wohl keine Lust mehr auf dieses Leben hatte
und einen Weg suchte, ihren Zustand zu ändern.

Ich
nahm daher an, dass Sweetcheeks Professor Dellinger aufgesucht und versucht
hatte, diesen zu bezirzen, um die ‚geheime Formel‘ zu erfahren. Als ihr das
nicht gelang, hatte sie ihn umgebracht und das Büro nach der Formel durchsucht,
aber nichts gefunden. Eine zweite Möglichkeit wäre, dass Sweetcheeks das Büro
durchstöbert hatte, als der Professor zwar noch am Leben, nur nicht im Büro
war. Dort musste er sie wohl auf frischer Tat ertappt haben und es kam zum
Kampf, während dessen Verlaufs der Professor erdrosselt wurde.

Ich
wusste, dass es für mich nur eine Möglichkeit gab, dies herauszufinden. DN-AGE
besaß von jedem Lifer eine Art Steckbrief, in dem der eigentliche, echte Name
und der Deckname stand. Und mit meinen Kontakten zur Polizei und mit Maxwell
als meinen Auftraggeber, konnte ich mir gewiss sein, dass man mir bei DN-AGE
die benötigten Informationen aushändigen würde. „Wir gehen mit dir“, meinte
Marmalade mit sicherem Ton und Vanilla nickte zustimmend, als wir uns darüber
in Cat und Pats Haus unterhielten. „Was immer ihr vorhabt“, kam es dann von
Lavender: „ich werde mitkommen.“ Wir alle starrten sie an, da es fast nie
vorkam, dass sie irgendetwas sagte. Und…zugegeben, ironischerweise hatte sie
eine ziemlich schöne, melodische Stimme und es schien mir fast so, als war
jedes Wort von ihr in dieser Runde wohl und absichtlich gesetzt und gewählt
war.

„Das
halte ich für keine so gute Idee“, meinte Marmalade schroff, woraufhin Lavender
sie kalt ansah und meinte: „Nur weil ich aussehe, wie eine Zwölfjährige, lass‘
ich mich  nicht so behandeln. Ich komme
mit, ob es dir passt, oder nicht.“

„Dann
versprich uns“, mischte Vanilla sich ein, um die Lage zu entspannen: „dass du
wenigstens keine Dummheiten machst. Wir wollen da ja auch lebend wieder
rauskommen.“ Lavender verschränkte die Arme, rollte die Augen und starrte
genervt an die Decke, ehe sie sich geschlagen gab: „Na gut. Ich werd‘ mich
zurückhalten. Aber das Blau behalte ich an.“

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