GeisterLange

Persecuted – Kapitel 1

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

“Passt das so?”

Dies war der erste Satz, den Keith am nächsten Morgen von sich gab, als er, trotz der unangenehmen Unterbrechung seines Schlafes während der letzten Nacht, ausgeruht, perfekt gestylt und elegant gekleidet die Küche betrat und die Zeitung, die er soeben hereingeholt hatte, auf die Arbeitsfläche legte.

Kelso, sein Mitbewohner – Keith nannte ihn immer beim Nachnamen, seinen Vornamen konnte er sich irgendwie nie merken, verwechselte ihn ständig -sah mäßig interessiert von seiner Kaffeetasse auf, musterte ihn oberflächlich und gähnte dann.

“Ganz, ganz klasse. Also ich würde sofort mit dir ausgehen, wenn du mich fragen würdest.” Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören, er nahm einen Schluck Kaffee und stellte die nun leere Tasse zwischen sich und die Herdplatte. “Im Ernst, wieso fragst du mich das? Seh ich aus wie ein Modeberater?”

Diese Frage konnte Keith eindeutig verneinen. Wenn man Kelso so ansah, dann war er wahrscheinlich der Letzte, den man nach Tipps für ein gelungenes Outfit fragen sollte.

Von Modegeschmack schien er wirklich keine Ahnung zu haben; an diesem Morgen trug er eine verblichene ehemals schwarze Jeans, ein Shirt von irgendeiner Band, die Keith absolut nichts sagte, mit kaum mehr erkennbarem Aufdruck und eine Strickjacke, die ihm eigentlich viel zu groß war.

Wie jemand so herumlaufen konnte war Keith ein Rätsel, er hätte sich so niemals vor die Tür gewagt, kleidete sich stattdessen ausschließlich in Markenklamotten, die er aufgrund des beträchtlichen Vermögens seiner Familie problemlos erstehen konnte.

Kelso hingegen schien es nicht sonderlich zu kümmern, wie er aussah, und nicht selten verspottete Keith ihn innerlich für sein oftmals geradezu skurriles Erscheinungsbild.

Aber eigentlich war die Frage an sich bereits unnötig gewesen.

Keith wusste, dass er gut aussah, das tat er immer, und das würde ihm auch oft genug gesagt, wenn er durch die Gänge der Schule oder die Innenstadt ging.

Fast jedes Mädchen in seinem Jahrgang himmelte ihn an, und wäre wahrscheinlich beinah an einem Herzinfarkt gestorben, hätte er sie einmal angesprochen.

So sah er das Ganze zumindest, inwieweit diese Annahme tatsächlich der Wahrheit entsprach sei hier nun einmal dahingestellt.

Ohne eine Antwort auf Kelsos zuvor gestellte Frage zu geben schob Keith sich an ihm vorbei, öffnete die Kühlschranktür und inspizierte den Inhalt mit einem prüfenden Blick, dabei ganz nebenbei sagend: „Ich bin heute Nachmittag übrigens nicht zuhause. Ich bin verabredet. Mit einem Mädchen.“ Insgeheim hoffte er, dass Kelso gereizt reagieren würde, vielleicht eifersüchtig darauf, dass es Keith so leichtfiel, ein Date zu bekommen, doch zu seiner Enttäuschung erwiderte der nur trocken: „Kannst du dich nicht an Tagen verabreden an denen ich nicht arbeiten muss? Heute hab ich ja gar nichts von deiner Abwesenheit!“

Das war genau die Art von Verhalten, die Keith auf den Tod nicht ausstehen konnte. Leute, die sich nicht so einfach provozieren ließen, wenn er es wollte. Die nicht so reagierte, wie er wollte.

Er war ein Kontrollfreak, und zwar ein ziemlich extremer, das gehörte zu seinen schlechtesten Eigenschaften – und ganz objektiv betrachtet besaß er viele schlechte Eigenschaften.

Die meisten Leute gaben diesem Kontrolldrang auch nach, und wenn sie es nicht taten konnten sie sich in den meisten Fällen auf etwas gefasst machen.

Doch Kelso hatte sich von Anfang an weder von Keith herumkommandieren noch sich von ihm beeindrucken lassen – und das konnte dieser ganz und gar nicht leiden.

„So wie du drauf bist brauchst du dich echt nicht zu wundern, dass du keine Freunde hast!“ Keith hatte ruhig und gefasst klingen wollen, doch zu seiner Überraschung zitterte seine Stimme sogar ein wenig vor Gereiztheit, was nicht gerade dazu beitrug, dass die langsam in ihm aufsteigende Wut verschwand. Er merkte, wie sich seine rechte Hand wie von selbst zur Faust ballte.

Wenn Kelso ihn weiter provozierte dann könnte er was erleben – Keith hatte schon ganz andere Leute als seinen dürren Mitbewohner aus ähnlich banalen Gründen krankenhausreif geschlagen.

Womöglich könnte der am Ende froh sein, dass er noch lebte…

„Meine Güte, komm mal wieder runter!“ Ohne eine Miene zu verziehen wandte Kelso sich der Kaffeemaschine zu – einem Artefakt aus der Zeit des ersten Weltkrieges (wahrscheinlich nicht ganz, aber sie sah so aus) – schüttete fünf Löffel Kaffee in das vorsintflutliche Ding und schlug dann auf die entsprechenden Knöpfe, die unter dem normalerweise für Knöpfe angebrachten Kraftaufwand nie reagierten.

Ein lautes Blubbern erfüllte die Küche, das momentan einzige Geräusch, das eine komplette Stille verhinderte.

Eine gefühlte Ewigkeit stand Keith einfach bloß da und lauschte dem kochenden Wasser, noch immer vor dem geöffneten Kühlschrank stehend, und langsam fröstelte es ihn ein wenig.

Also griff er nach dem Paket mit der Schinkenwurst, atmete tief durch, in der Hoffnung, dass seine Anspannung sich so ein wenig von ihm lösen würde und Schlug die Kühlschranktür dann mit einem solch heftigen Knall zu, dass die Teller in den Schränken leise Klirrten.

Kelso war ein Idiot. Ein Idiot, der ihn an diesem Morgen, der doch recht gut begonnen hatte, gehörig die Laune verdorben hatte.

Nicht, dass besonders viel dazu gehörte, Keith Lewis die Laune zu verderben.

Er gehörte nicht umsonst zu den Leuten am Uni, die am häufigsten in Schlägereien verwickelt waren, ihn zu reizen war nicht besonders schwierig. Und hätte sein Vater nicht so gute Beziehungen zum Direktor – genauer gesagt nicht das nötige Geld – wäre er wohl längst der Uni verwiesen worden.

Doch so störte ihn nicht weiter, dass ihm immer wieder gesagt wurde, er könne sich nicht so benehmen; solange er keine Konsequenzen fürchten musste sah er auch keinen Grund etwas zu ändern.

Schließlich lief momentan alles bestens für ihn, er hatte genügend Freunde, ging oft feiern und auch an potentiellen Freundinnen mangelte es ihm nicht.

Alles in allem ein durchaus erstrebenswertes Leben, wie er fand.

An eben diese Tatsache denkend und dabei lächelnd setzte er sich an den Küchentisch, nahm sich eine Scheibe Toast aus dem Korb und verzog dann den Mund als er sah, dass es geradezu verbrannt war.

„Ich weiß ja, dass du nicht kochen kannst“, begann er mit höhnischer Stimme. „Aber Toast zu machen ohne ihn in Flammen aufgehen zu lassen? Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt!“

Kelso antwortete nicht.

Er hatte die Zeitung aufgeschlagen und las konzentriert einen der Artikel, schien Keith überhaupt nicht zu hören, ebenso wie das penetrante Piepen der Kaffeemaschine. Reagierte erst dann, als Keith ihm gegen das Schienbein trat.

„Hallo! Ich rede mit dir!“

„Hm?“

Endlich sah er auf, wirkte ein wenig verwirrt, als wäre er gerade aus einem tiefen Schlaf gerissen worden und müsse sich erst orientieren – ganz ähnlich wie es Keith in der letzten Nacht ergangen war.

Er drehte sich um und Schlug auf den Aus-Knopf der Kaffeemaschine, welche nun endlich ihr nerviges Gepiepse einstellte.

„Was hast du gesagt?“

„Nicht so wichtig! Sag mir lieber was da so Interessantes in der Zeitung stand.“

Keith kicherte. „Flirttipps für Vollversager?“

„Deine dämlichen Sprüche werden auch beim fünfzigsten Mal nicht witziger und sind immer noch genau so lustig wie eine Magendarmgrippe. “ Noch immer klang Kelso nicht gereizt, eher geradezu gelangweilt, während er den Kaffee aus der Kanne in seine Tasse kippte gähnte er wieder einmal. „Erinnerst du dich noch an dieses Mädchen, das letzten Monat verschwunden ist? Joyce Swanson?“

Natürlich erinnerte Keith sich an Joyce.

Sie hatten denselben Geschichtskurs besucht, und sie waren ein paar Mal miteinander ausgegangen – bis sie von einem Tag auf den anderen verschwunden war.

Die Polizei glaubte, sie sei weggelaufen, das sei nicht allzu ungewöhnlich für Mädchen in ihrem Alter, ihre Eltern hingegen waren der unumstößlichen Meinung, dass sie entführt worden war. Jedoch hatte es niemals eine Lösegeldforderung oder etwas anderes gegeben, das diese Vermutung unterstützen würde – es hatte einfach nichts gegeben.

Nicht die geringste Spur von Joyce.

Langsam nickte er. Bis sich auf die Unterlippe, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein, straffte die Schultern. „Ja. Klar. Warum?“

Hatte die Polizei nun vielleicht doch einen Hinweis gefunden? Ihre Leiche womöglich? Gab es jetzt in der Zeitung einen seitenlangen Bericht über die endlich erfolgreichen Ermittlungen oder…

„Ihre Mutter hat Selbstmord begangen.“

Diese Worte durchbrachen seine wirren Gedanken, er hob den Blick, sah Kelso überrascht an, runzelte die Stirn. „Echt jetzt?“

“Nein, das hab ich mir grad ausgedacht, weil mir so langweilig war.“

Die Augen verdrehend pflückte Kelso den bis eben betrachteten Teil der Zeitung heraus und reichte ihn Keith, wobei er beinah seine Kaffeetasse umgerissen hätte, die neben ihm gefährlich nah am Rand der Küchentheke stand.

Geradezu gierig griff Keith danach, studierte die in großen schwarzen Lettern gedruckte Schlagzeile über der Collage aus Bildern, die die Seite zierte, schluckte.

Er begann leise murmelnd, mehr zu sich selbst als zu seinem Mitbewohner, zu lesen:

„Carol Swanson von eigenem Ehemann tot aufgefunden. “ Eine recht schwammige Überschrift, wie er fand, doch direkt darunter: „Die 45-jährige erhängte sich nach Angaben der Polizei auf ihrem eigenen Dachboden – wenige Wochen nach dem Bis heute ungeklärten Verschwinden ihrer 19-jährigen Tochter.“

Langsam ließ er die Zeitung sinken. Atmete tief durch. Die Augen noch immer auf die Zeilen geheftet merkte er nicht, dass Kelso ihn aufmerksam musterte, als versuche er, seine Gedanken zu erraten.

„Einem Gespräch mit den Nachbarn der Swansons zufolge litt die Mutter sehr unter Joyce‘ Verschwinden, vermutlich wurde sie sogar psychologisch betreut. Einer der Anwohner berichtete, sie habe nachts oftmals laut und panisch geschrien; der Ehemann äußerte sich bisher nicht weiter…“

Er brach ab. Betrachtete noch einige Sekunden lang die Bildercollage; bestehend aus Familienfotos von Joyce, ihren Eltern sowie ihren Beiden Geschwistern, dann faltete er das Blatt zusammen, knallte es auf den Küchentisch und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich versteh das nicht!“

„Hm? Was jetzt?“ Obwohl Kelso nicht wirklich sonderlich interessiert klang, eher so, als hätte er eine rhetorische Frage gestellt, antwortete Keith ihm dennoch.

„Ich verstehe nicht, wie man sich einfach so umbringen kann! Das ist doch…dumm!“ Ein verächtliches Schnauben. „Meine Güte, das Leben geht doch weiter…“

Kelso, der bis jetzt den ganzen Morgen über so gewirkt hatte, als hätte er das Gefühlsspektrum eines Kühlschranks, ließ nun den Teil der Zeitung, den er behalten hatte, sinken und sah Keith mit einem Blick an, der irgendetwas zwischen Verwirrung, Verachtung und Wut ausdrückte.

„Wie kannst du das so einfach sagen?“

In seiner Stimme lag ein seltsamer Unterton, den Keith noch nie zuvor bei ihm gehört hatte; wie eine unterschwellige Drohung.

Irritiert und – obgleich er sich das niemals eingestanden hätte – ein wenig erschrocken zog Keith die Augenbrauen hoch, wäre beinah zusammengezuckt, konnte sich jedoch gerade noch beherrschen. Das hätte ja den Eindruck erweckt, dass er Respekt, womöglich sogar Angst vor seinem Mitbewohner hätte…was für ein unfassbarer Schwachsinn!

„Hä? Was?“

“Wie kannst du von einer Person, die gerade ihr Kind verloren hat, sagen, dass ihr Verhalten dumm war?! Du weißt doch überhaupt nicht…“

“Klar kann ich das!“ Ein verächtliches Schnauben. „Ich meine es war ja noch nicht mal klar ob ihre Tochter wirklich tot ist…“

“Oh. Natürlich.“ Keith zu unterbrechen war etwas, das niemand, dem an seinem guten gesundheitlichen Zustand etwas lag, tun sollte, doch schien Kelso dies nicht im Geringsten zu kümmern; seine Augen funkelten als er seinen Mitbewohner musterte, doch seiner Stimme war nichts von seiner offensichtlichen Wut anzuhören.

Sie klang eisig und schneidend, als er fortfuhr: „Und du weißt natürlich genauestens über sowas Bescheid! Ich bin mir sicher, mit deiner in vielen Jahren angesammelten Erfahrung zu solchen Themen kannst du genauestens beurteilen…“

„Halt dein Maul!“ Verächtlich den Kopf schüttelnd wandte Keith sich ab, wieder seinem Frühstück zu, schmierte Butter auf das verkohlte Toastbrot und schnaubte erneut. „Ernsthaft! Wer sich umbringt ist doch selbst schuld, ich versteh diesen ganzen Aufruhr nicht…Eine ganze Seite in der Zeitung…“

“Du bist ein Vollidiot.“

Ein Knistern von Papier, als Kelso die Zeitung zusammenfaltete und auf die Arbeitsplatte legte, ein leises Klacken, als er seine Tasse in die Hand nahm, leise Schritte, als er den Raum verließ und ein Knall, als er die Tür hinter sich schloss.

Keith sah nicht auf. Er dachte nach.

Dachte an Joyce, daran, wie sie an ihrem letzten Date in diesem angesagten Café in der Innenstadt gesessen und Eiscafé getrunken hatten…und natürlich auch an die Dinge, die sie zuvor getan hatten.

Auch an ihre Mutter dachte er, an die arme, arme Carol, die nun tot in der Leichenhalle lag, mit Würgemalen am Hals, Spuren des Todes, für die sie selbst verantwortlich war. Stellte sich vor, wie all die Reporter die verbliebenden Familienmitglieder bedrängen, um Interviews und Fotos bitten würden…

Doch bald schon schweiften seine Gedanken ab.

Zu einem anderen, seiner Meinung nach wichtigeren Thema. Seinem heutigen Date.

Das kleine Café war zum Bersten gefüllt, als Keith es um zehn nach drei betrat; das war nicht weiter überraschend, es war schließlich Wochenende und noch dazu hatte das Schuljahr gerade erst begonnen, sodass noch niemand Großartig für irgendwelche Klausuren zu lernen hatte.

Suchend blickte er durch den hellen Raum, der in der durch die große Fensterfront scheinende Nachmittagssonne von einem orangenen Licht erfüllt war, sein Blick wanderte über die Tische und die dort sitzenden Menschen, bis er sie endlich sah.

Sie saß ganz hinten, in der Ecke unter dem Gemälde irgendeines berühmten Künstlers, dessen Name Keith nicht kannte, ihr glattes, honigfarbenes Haar fiel ihr über die Schulter, es sah aus wie Gold in diesem Licht…

Ein Lächeln erschien auf Keiths Gesicht. Langsam, ohne den Eindruck zu erwecken, es sonderlich eilig zu haben – sie würde ihm schon nicht wegrennen – machte er sich auf den Weg, ging vorbei an den anderen Gästen, dabei betont auf sein Handydisplay blickend und erst dann den Blick hebend, als er direkt vor ihr stand.

“Hey!“

“Hey.“ Sie lächelte, strich sich die Haare zurück, sah einen Moment lang aus, als wolle sie aufstehen und ihn umarmen, überlegte es sich dann jedoch anders. „Ich dachte schon, du kommst nicht mehr…“

„Ich musste noch was erledigen.“ Sein Lächeln wurde breiter, er setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber, griff nach der Karte.

Sie sah aus, als wäre sie ein wenig beleidigt, sagte jedoch nichts.

Natürlich. Sie sagten nie etwas. Nicht bei ihm. Dazu waren sie viel zu glücklich darüber, dass er sich überhaupt mit ihnen verabredet hatte.

Während er die Karte studierte fragte er, nicht wirklich sonderlich interessiert: „Und, wie geht’s dir?“

“S…super! Fantastisch!“ Sie senkte den Blick, biss sich auf die Unterlippe. „Und dir?“

“Ja. Auch.“

Dann schwiegen sie.

Schwiegen bis der Kellner nahm, gaben ihre Bestellungen auf, schwiegen wieder.

Ein irgendwie unangenehmes Schweigen. Keith war es gewohnt, dass seine potentiellen Freundinnen redeten wie ein Wasserfall, ihn kaum zu Wort kommen ließen – so waren doch eigentlich alle Mädchen. Doch sie war anders, zurückhaltend, schüchtern…und das irritierte ihn.

Nach einigen Minuten, in denen sie nervös auf die Tischplatte gestarrt hatte, hob sie den Blick, murmelte „Ich geh kurz auf Toilette.“ und stand auf.

Keith nickte nur.

Er hatte keine Ahnung, was er von dem Mädchen halten sollte. Sie war vollkommen anders als all die anderen, doch nicht unbedingt auf eine negative Art und Weise…nein…vielleicht…würde es dieses Mal…

„Keith? Was machst du denn hier?“

Die Stimme überraschte ihn vollkommen. Sie kam von hinten, hatte einen seltsam rauen Klang und kam ihm ziemlich bekannt vor…doch er konnte nicht genau sagen woher.

Eines der Mädchen vom College wahrscheinlich…

Genervt verdrehte er die Augen; konnte sie denn nicht sehen, dass er beschäftigt war? Gehörte es sich, einfach so Leute in der Stadt anzusprechen? Hatte man denn überhaupt keine Privatsphäre mehr?

“Was ist denn?“, fragte er gereizt, drehte sich augenrollend zu der Stimme um – und erstarrte.

Sein Unterkiefer klappte herunter, fassungslos starrte er auf die Gestalt, die dort vor ihm stand, ihn mit einem Blick anstarrte, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Ihr Mund verzerrte sich zu einem Grinsen als sie erwiderte: „Sehe ich das richtig? Du hast ein Date?“

Er versuchte, eine Antwort herauszubringen, schaffte jedoch nichts weiter als ein seltsames heiseres Krächzen, kniff die Augen zusammen, riss sie wieder auf…Sie stand immer noch dort.

Grinste, schüttelte langsam den Kopf. „Hast du mich so schnell ersetzt? Wirklich? Du verdammter…“

“Was tust du hier?“ Seine Stimme klang schrill, ängstlich, und dafür hasste er sich, doch immerhin gelang es ihm, leise zu sprechen. „Ich dachte, du…“

Sie antwortete nicht. Lächelte nur. Und langsam begann sie, sich zu verändern.

Ihr dunkelbraunes Haar, eben noch seidig und glänzend, wurde matt, fettig und zerzaust, ihre Augen verloren jeden Glanz, wirkten nun beinah wie tote Fischaugen und ihr Porzellangleiche Haut bekam Risse, Flecken, begann aufzuquellen…

Sie riss den Mund auf, weiter, als es bei einem normalen Menschen jemals möglich gewesen wäre und mit Entsetzen erblickte Keith das verfaulte, nahezu schwarze Zahnfleisch, auf dem sich unzählige dicke, weiße Maden tummelten.

„Wie in meinem Traum“, schoss es ihm durch den Kopf, während er fassungslos dasaß, wie hypnotisiert auf das ekelhafte, widerliche Bild starrte das sich ihm bot und langsam merkte, wie Übelkeit in ihm aufstieg…Übelkeit und das Bedürfnis, zu schreien. Doch kein Laut kam aus seiner Kehle.

Ja. Der Anblick glich dem in jenem Alptraum, der ihn heute Nacht aus dem Schlaf gerissen hatte. Doch einen unterschied gab es.

Sie.

Im Traum war es jemand anders gewesen. Nicht sie.

Nicht Joyce.

Und noch während er dies dachte, noch immer darum bemüht war, einen Laut hervorzubringen, zu schreien, spürte er wie sich ihre klammen Finger um seinen Hals legten und fest zudrückte, so lange, bis ihm langsam schwarz vor Augen wurde.

„Keith? Keith! Ist alles in Ordnung?“

Die Stimme riss ihn aus dem Zustand vollkommender Dunkelheit, er riss die Augen auf, schloss sie sofort wieder, geblendet von dem plötzlichen grellen Licht, hielt sich eine Hand vors Gesicht.

Jemand packte ihn an der Schulter, schüttelte ihn.

„Keith!“

Verärgert schüttelte er sich, schüttelte die Hände ab wie eine lästige Fliege und setzte sich ein Stück auf. „Was…wo…“

Er ließ seine Hand sinken, hatte sich ein wenig an die Helligkeit gewöhnt, desorientiert blickte er sich um…

Was zur Hölle war passiert?

„Geht es dir gut?“ Wieder diese Stimme, er wandte sich zu ihr, blickte dem Mädchen ins Gesicht das dort vor ihm hockte und ihn besorgt musterte, ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht als sie sah, dass mit ihm soweit alles in Ordnung war. „Ich bin’s! Rebecca! Du…du warst ohnmächtig…“

Langsam kamen die Erinnerungen zurück, die Erinnerungen an das, was vor der Schwärze gewesen war; dieses…Ding…diese widerwärtige Zombieartige Version von Joyce die ihn gepackt hatte, gewürgt, wie das Mädchen in seinem Traum…

Nur hatte er nicht geschlafen. Er war hellwach gewesen. Doch wie…

Verärgert schüttelte er den Kopf, was er sofort bereute als ein stechender Schmerz ihn durchzuckt.

Das war unmöglich. Wahrscheinlich hatte er sich den Kopf angeschlagen und nun reimte sich sein Gehirn irgendeinen Schwachsinn zusammen – das, an was er sich erinnerte, konnte einfach nicht sein!

Dennoch blickte er sich um, suchend, und wie nicht anders zu erwarten gab es keine Spur von diesem…Ding.

Das einzige was er sah waren andere Gäste des Cafés, die sich alle zu ihm umgedreht hatten und ihn anstarrten als wäre er irgendeine Attraktion im Zoo.

„Was?“, fauchte er, selber erstaunt, wie fest und laut seine Stimme klang, seine Kopfschmerzen ignorierend, stand er auf, verschränkte die Arme vor der Brust.

„Was glotzt ihr denn so blöd?“

Ein lautes Murmeln war die Antwort, die meisten drehten sich wieder weg und wandten sich ihrem eigenen Kram zu, und auch Keith wandte sich von ihnen ab, wieder seiner Begleitung zu.

Rebecca war ebenfalls wieder aufgestanden, betrachtete ihn jedoch noch immer mit diesem besorgten Blick. „Alles in Ordnung?“, fragte sie unsicher, spielte dabei an ihren Haaren herum. Keith nickte. „Ja!“, erwiderte er gereizt, setzte sich wieder auf seinen Stuhl. „Alles super! Wahrscheinlich hab ich bloß zu wenig geschlafen!“

Das war eine Lüge; er hatte mehr als genug geschlafen und das wusste er genau, dich was sollte er schon sagen?

Dass der Geist eines toten Mädchens ihn heimgesucht und gewürgt hatte? Was für ein Schwachsinn! Das konnte es nicht geben!

Rebecca schien ein wenig beruhigt zu sein, sie setzte sich ebenfalls, senkte wieder den Blick.

„Ok…ich hab mir wirklich Sorgen gemacht…“

Keith verdrehte bloß die Augen. Was für ein furchtbares Date…

Der Rest des Nachmittags verlief ohne weitere Zwischenfälle. Obwohl Keith sich keinesfalls vollkommen von der Tatsache überzeugen konnte, dass er sich Joyces Auftauchen bloß eingebildet hatte, verlor er kein Wort darüber, versuchte, sich normal zu verhalten, was ihm augenscheinlich auch gelang.

Doch nachdem er sich um kurz nach 8 schließlich von Rebecca verabschiedet hatte, nachdem diese ihm versichert hatte, dass ihr die Verabredung sehr gut gefallen habe, und er nun allein durch die wenig befahrenen Straßen auf dem Weg nach Hause war, war es längst nicht mehr so einfach, diese beängstigenden Gedanken zurückzuhalten.

Er sah das verwesende, von Maden befallene Gesicht seiner Ex-Freundin vor sich, sobald er die Augen schloss, konnte beinah ihre kalten starren Finger auf seiner Haut spüren…und nun konnte er sich nicht mehr so einfach einreden, dass das bloß das Produkt einer leichten Gehirnerschütterung oder von zu viel Stress und zu wenig Schlaf war.

„Das ist doch vollkommen bescheuert!“

Selbstgespräche zu führen machte das Ganze nicht wirklich besser, doch ihm fiel nichts anderes ein, was er hätte tun können.

Schließlich war er nun allein.

Und womöglich im Begriff den Verstand zu verlieren, wie ihm in diesem Moment durch den Kopf schoss.

„Schwachsinn! Ich brauche Schlaf, sonst nichts! Vielleicht werde ich auch Krank…“

Obgleich ihm keine Krankheit einfiel, bei der man unter derartigen Halluzinationen litt – allerdings kannte er sich mit Krankheiten auch nicht sonderlich gut aus – beruhigte ihn dieser Gedanke eigenartigerweise.

Ja…Bloß eine Grippe mit seltsamen Nebenwirkungen oder…

Eine laute, schrille Melodie zerschnitt seine Gedanken. Erschrocken zuckte er zusammen, worüber er gleich darauf wütend schnaubte; er zog sein Handy aus der Tasche, blickte auf das Display… und erstarrte.

Las den Namen auf dem Display noch einmal, nochmals, wieder und wieder.

Das konnte nicht sein. Das war genauso unmöglich wie diese Halluzination vorhin… was zur Hölle war hier los?

Der Name…dieser Name…

Lindsey Malcoy.

Ehemaliges Mitglied des Cheerleader-Teams.

Wie Joyce eine von Keiths Ex-Freundinnen.

Und was das Wichtigste war:

Sie hatte sich vor fünf Monaten das Leben genommen.

Das…das war ein Scherz. Ein Scherz oder…einfach ein harmloser Irrtum…

Vielleicht hätte nach Lindseys Tod jemand anders das Handy bekommen. Ihre Schwester womöglich. Und diese Personen rief ihn nun an um…um was? Ihm einen Streich zu spielen? Ihm Angst zu machen?

Und das ausgerechnet heute, wo er doch bereits einen…seltsamen Zwischenfall hinter sich hatte?

Konnte es solche Zufälle geben?

Das musste es, denn was sollte es sonst sein? Etwa eine Art Spuk?

Vor Nervosität so sehr zitternd, dass er kaum das Handy festhalten könnte strich er über den Bildschirm um den Anruf anzunehmen, auch wenn er das eigentlich gar nicht wollte, hielt dich das Smartphone ans Ohr und fragte mit furchtbar leiser und fast schon ängstlicher Stimme: „Hallo? Wer ist da? Was soll das?“

Er bekam keine Antwort. Alles, was zu hören war, war ein seltsames, statisches Rauschen.

Keiths Herz schlug ihm Bis zu Hals, seine Finger verkrampften sich, verzweifelt versuchte er, langsam zu atmen, sich zu beruhigen, doch das schien in diesem Augenblick unmöglich.

Am liebsten hätte er geschrien, nur mit Mühe konnte er sich beherrschen, doch wie lange noch wusste er nicht, Panik breitete sich in ihm aus, grauenhafte, unkontrollierbare Panik…

Und dann begann am anderen Ende der Leitung jemand, zu sprechen.

Es war bloß ein einziges Wort, doch es reichte, um Keith das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.

„Warum?“

Dann ein Klicken.

Aufgelegt.

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