Schuld ist Subjektiv
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Zugegeben – Ich hab schon einigen
Scheiß in der Vergangenheit veranstaltet. In diesem Fall darf die
Bezeichnung sogar wortwörtlich genommen werden, denn ich hab Hasch,
umgangssprachlich Shit, und Koks nach Österreich geschmuggelt und
hier verkauft. Die Strafe für mich als Ersttäter lautete drei
Jahre, von denen ich zwei absaß. In Österreich wird man bei einem
Drogenvergehen übrigens auch der Körperverletzung schuldig
befunden, obwohl ich niemandem je ein Haar krümmte. In jedem Fall
wunderte es mich nicht, dass ich nur wegen einer Aussage irgendeines
Idioten, einige Jahre nach meiner Entlassung, direkt wieder für eine
Woche in den Knast musste. Die Behörden wollten so ihre Untersuchung
sichern und sich vor allzu laut zwitschernden Vögelchen schützen.
Eine Woche nach fünf Jahren Freiheit und zuvor zwei Jahren Vollzug,
ist höchsten ein Urlaub, dachte ich mir. Aus diesem Grund beschwerte
ich mich kaum, nahm eine Woche Urlaub von der Arbeit und machte mich
auf in die Haftanstalt.
Ich kam in eine Abteilung mit sehr
lockeren Sicherheitsmaßnahmen. Schließlich befand ich mich nicht im
Fokus der Ermittlungen und ich hatte mich während meinem früheren
Vollzug auch sehr ordentlich benommen. Die anderen Insassen waren
eindeutig kriminelle Leichtgewichte. Einer hatte für seinen Bruder
Wohnungen angemietet und in diesen Räumen waren Prostituierte tätig.
Er musste nur Abwarten bis alle Beweise gegen seinen Bruder gesammelt
waren und wurde dann, ähnlich zu meinem Fall, wieder in die Freiheit
entlassen. Ein anderer werkelte eigentlich nur in der Küche, bis er
von 1.500 Euro dazu überredet wurde, Drogen zu schmuggeln. Schon
direkt bei seiner ersten Fahrt wurde er erwischt und nun darf der
Koch für sechs Monate den Kochlöffel hinter Gittern schwingen. Ein
dritter Mithäftling muss eindeutig als der dümmste Verbrecher aller
Zeiten angesehen werden. Simon brach in einen Supermarkt ein, um dort
rund 700 Euro zu stehlen. Dafür bekam er bescheidene zwei Jahre.
Während seinem ersten Ausgang wiederholte er den Einbruch und wurde
sofort wieder gefasst. Seine Strafe wurde auf fünf Jahre angehoben.
Der erneut erste Ausgang spielte sich ein drittes Mal wie erwartet
ab. Seine Strafe wurde auf zehn Jahre erhöht – einfach nur wegen
unbeschreiblicher Dummheit, muss ich annehmen.
Nur bei einem war ich mir sicher, dass
er weiterhin Dreck am Stecken hatte. Auch das meine ich wieder
wortwörtlich. Hias (die Kurzform von Matthias) war immer schon ein
Psychopath. Während meiner letzten Haft sprang er immer wieder
einmal plötzlich auf und boxte dann stundenlang gegen die Schränke.
Als wir dann einen Typen auf unsere Zelle bekamen, der kein Geld von
außen erhielt, legte er so richtig los. Als der neue Mithäftling in
der ersten Nacht ein wenig schnarchte, flog einer der hölzernen
Hausschuhe den halben Meter bis zu seinem Bett und traf ihn knallend
hart im Gesicht. Ich glaub der Typ hieß Stefan oder Bernhard oder so
ähnlich. Er wachte direkt auf, schaute in die Richtung aus der sein
Schmerz geflogen kam und starrte in die verrückten Augen von Hias.
Sein Mund, der zum Protest geöffnet war, schloss sich sofort wieder.
Er ging langsam und mit gesenktem Haupt zum Waschbecken. Dort spuckte
er eine Stunde lang Blut und dem Klang und seinem Anblick am nächsten
Morgen nach, auch ein paar Zähne. Das brachte Hias auf noch mehr
Ideen.
Von diesem Tag an war sein Name nicht
mehr bedeutend. Er war nur mehr die Sklavin. Während die anderen
stundenlang „paschten“ (Yahtzee spielten) befand er sich unter
dem Tisch und diente ganz nach Bedarf der Spieler als kleiner oraler
Zeitvertreib. Die Sklavin machte noch zusätzlich den Fehler im Hof
zu verlautbaren, dass ihm diese Beschäftigung gefiel. So wurde er
für ein wenig Tabak in andere Zellen ausgeliehen. Nach einiger Zeit
fand ich das sogar langsam normal, nur als ich einmal im Besuchsraum
seine ehemalige Freundin weinend an der Scheibe sah, realisierte ich
seinen schleichenden oder vielleicht doch eher rapiden Verfall. Er
hatte nur mehr Backenzähne im Mund. Sein Gesicht war von
verheilenden blauen Flecken total unförmig geworden und kahle
Flecken zierten sein Haupt dort, wo starke Fäuste seinen oralen
Bemühungen etwas Nachhilfe gaben. Dabei saß ihm solch ein hübsches
Mädchen gegenüber, nur von einer Scheibe mit einigen Zentimeter
Dicke getrennt, aber doch in einer ganz anderen Welt.
Es verwundert also kaum, dass ich mich
in der Nähe von Hias absolut unwohl fühlte. Im Knast lernt man
nämlich schnell, dass die Männer mit einer lose sitzenden Sicherung
die gefährlichsten sind. Nachdem diese einmal raus gefallen ist,
kann alles passieren und selbst die Verunstaltung hin zum Sexsklaven,
wirkt dann nur mehr als logische Fortführung. Trotzdem suchte er
während der einwöchigen Untersuchungshaft immer wieder meine Nähe,
sprach von Plänen nach unserer Entlassung. Ich hoffte dabei nur,
dass er schuldig sein würde und bejahte einfach jede dumme,
drogenverseuchte Idee.
Am letzten Tag wurden wir dann alle in
einen offenen Vollzug überführt und wegen Platzmangel auch nicht
weit weg von den Frauen, die in den Fall involviert waren. Da nahm
mich Hias beiseite. Er hatte etwas Koks aufgetrieben und wollte es
unbedingt mit mir teilen. In der Ecke einer Zelle präsentierte er
das kleine Papierbriefchen und ich nahm einen Minizug um einer
Diskussion mit dem Verrückten zu entgehen. Noch auf dem Rückweg in
den vorderen Zellenbereich steckte er mir etwas mit den Worten „für
später“ in die Tasche. Ich schaute gar nicht nach, was da in meine
Tasche wanderte, denn wir sollten immerhin bald zu unserer Befragung
abgeholt werden – und zur Entlassung am nächsten Tag. Von den
Frauen waren wir in diesem Trakt nur mehr durch eine Tür mit
Sicherheitsglas getrennt.
Nacheinander tauchten Kripo-Beamte auf
und holten einzelne Personen zur Befragung ab. Trotz ihrer
detektivischen Talente handelte es sich dabei nicht um Justizbeamte
und vermissten folglich deren angelernte Gründlichkeit. So blieb die
Trenntür während der stundenlangen Befragungen einige Zeit
unverschlossen. Eine unglaubliche Nachlässigkeit, denn so hätten
wir unsere Aussagen noch besser abstimmen können, wenn wir etwas
verbrochen hätten. Zumindest ich wusch meine Hände in Unschuld und
die meisten anderen Befragten kannte ich nicht. Wegen diesen beiden
Fakten reizte mich nur ein kurzer Schwatz mit einer Exfreundin, die
dort aus dem gleichen Grund wie ich, auf der anderen Seite der
Sicherheitstür in Untersuchungshaft saß. Aber schon nach fünf
Minuten brachen wir ab, um unsere morgige Entlassung nicht zu
gefährden. Im Nachhinein darf dies auch als Glück bezeichnet
werden, denn es dauerte nicht lange bis die Kripo ihre Nachlässigkeit
entdeckten und die Tür wieder verriegelten.
Die Zeit verging und selbst nach
Stunden wurde ich immer noch nicht zur Befragung abgeholt. Langsam
wurde ich nervös und die Aufregung, welche plötzlich auf der
anderen Seite der Sicherheitstür herrschte war alles andere als
Balsam auf meinen angespannten Nerven. Es wurde langsam dunkel auf
der anderen Seite der Gitterstäbe und die Kripo-Beamten verließen
uns und Justizbeamten übernahmen erneut. Zurück in meiner Zelle
beruhigten mich meine dortigen Genossen, dass meine Aussage wohl gar
nicht mehr notwendig war und so packte ich meine Sachen in Erwartung
der Entlassung am nächsten Tag.
Morgens stand ich bereit vor der
Zellentür. Als die Beamten kamen um Richard (der Bruder des
Zuhälters) aus seiner Gefangenschaft zu befreien, wollte ich mich
anschließen, doch der Beamte hielt mich zurück. Du bleibst hier.
Nun setzte die Panik endgültig ein. Eine Woche im lockeren Vollzug
war noch erduldbar. Doch ich musste zurück zu meiner Arbeit – was
war hier los? Ich hatte ja wirklich nicht verbrochen. Ich ging,
nein rannte in der Zelle auf und ab, wie ein eingesperrtes Tier –
was ich zum Erschrecken meines Bewusstseins auch war. Da setze auch
die Paranoia ein und ich dachte an alle Möglichkeiten, wer mir etwas
angehängt haben könnte – Hias, natürlich, das war doch klar! Ich
holte die Anstaltshose von gestern aus dem Wäschesack, der zur
Abgabe bereit war. Was hatte er mir in die Tasche gesteckt? In der
Verwirrung mit der offenen Tür zu den Frauen, hatte ich es ganz
vergessen. Ich kramte und suchte. Dann spürte ich etwas Komisches.
Ich holte es hervor und war wie erstarrt. Es handelte sich um ein
Büschel Haare an dem noch ein Stück blutverschmierte Kopfhaut hing.
Ich weiß nicht wie lange ich da stand, gefühlsmäßig eingefroren,
gefühlsmäßig ewig. Da tauchte die Begründung wie ein langsam
verklingendes Echo in meinem Hinterkopf auf. Doch im Gegenteil zu
einem Echo wurde diese Stimme immer lauter: Hias konnte nicht
ertragen, dass du wieder frei kommst!
Ich wollte mich umdrehen, nach den
Beamten läuten und meine Unschuld beweisen. Als ich mich der
Zellentür zuwenden wollte, sah ich nur Schwarz. Mein gesamtes
Sichtfeld wurde von dem Einsatzkommando in ihrer schwarzen
Kampfmontur eingenommen. Ich hatte immer noch die Haare inklusive
Kopfhaut in der Hand – auf frischer Tat ertappt. Ich konnte nicht
einmal meinen Mund öffnen, bevor ich mit mehr Gewalt als notwendig
überwältigt wurde.
In einen Trakt mit höherer
Sicherheitsstufe überstellt, klingelte ich immer und immer wieder
nach den Beamten. Ich wollte die ganze Geschichte aufdecken. Doch
jeder Diensthabende verneinte nur mit ähnlichen Aussagen: „Das
darfst du einem Richter erklären!“ Nach einiger Zeit reagierte
niemand mehr auf meine Signalversuche. Die Verzweiflung nahm in
meiner Einzelzelle mehr und mehr zu. So verging der ganze Tag und
selbst mein Mittagessen wurde einfach nur durch die Klappe
geschmissen und ich konnte nur das Brot zu mir nehmen, während der
Rest kein Essen, sondern viel mehr eine Reinigungspflicht darstellte.
Es fühlte sich so an, als ob ich das
erste Mal hinter Gittern sitzen würde. Damals wusste ich was ich
verbrochen hatte und welche Strafe mich erwarten würde. Dieses Mal
wusste ich, dass ich nichts verbrochen hatte, aber ich hatte keine
Ahnung welche Strafe meine Unschuld nach sich ziehen würde.
Nachts wurde es plötzlich noch
schlimmer. Von den anderen Zellen her wurde an meine Wände geklopft
und Schreie betitelten mich als Schwein, als Perverser und als
wandelnden Toten. An Schlaf war nicht zu denken und als es absolut
unerträglich wurde, landete plötzlich ein Stück Papier über eine
Schnur und das bekannte „Angeln“ oder „Fischen“ in meiner
Zelle. Ablenkung konnte mir nur gut tun. Ich hatte mich nur mehr, dem
Wahnsinn näher kommend, damit beschäftigt Papierkügelchen aus
Klopapier auf die Kaffeetasse aus Plastik zu werfen. Der gesamte
Zellenboden, war von meinen weißen, kugelrunden Fehlwürfen bedeckt,
als ob eine ganze Horde von Albino Nagetieren der Angst ihre
Exkremente mir zu Füßen gelegt hätten.
Zu diesem Zeitpunkt kam jede Ablenkung
recht und so öffnete ich den kriminell-kreativ zugestellten Brief.
Die Überschrift besagte nur „Auge
um Auge – Zan um Zan!“ Diesen gravierenden Rechtschreibfehler
ignorierend las ich gebannt weiter:
„Wenn wir dich erwischen, dan
nehmen wir ein Stulbein und rammen es in deine fresse bis alle Zäne
auf dem Boden ligen, pakken deine Haare und rammen dein Gesiecht
weiter in das Bein bis es bis zum Anschlag in dir stekkt. Danach
dekorieren wir deinen Körper mit den ausgerissenen Haarbüscheln!
Lisa wird deine Reise in die Hölle mit Lachen begeleiten!“
Ich begann zurück zu schreien, dass
ich es nicht gewesen war. „Es war Hias!“ Die Antwort aus
den benachbarten Zellen bestand nur aus Gelächter, welches mein
erschöpftes Einschlafen begleitete. Doch meine Beteuerungen gingen
am nächsten Tag direkt weiter, als Beamten meine Zelle aufsperrten.
Die kurze Antwort lautete nur „Duschen, dann darfst du zum
Richter!“
Auf dem Weg zu den Nasszellen ging ich
im Geiste die Geschichte genau durch, damit meine Geschichte ja keine
Fehler aufweisen würde. Dabei merkte ich gar nicht, dass auch andere
Zellentüren offen standen. Erst als ich die Dusche betrat, merkte
ich, dass ich mich dort keineswegs allein befand. Die anderen
Insassen warteten dort schon.
Als die Tür zu den Nasszellen
geschlossen wurde, spürte ich einen stechenden Schmerz in meiner
Kniekehle. Ich schlug hart auf dem Boden auf. Metallstangen wurden
aus den Duschapparaturen gerissen. Entgegen der Androhungen drangen
die Stangen nicht nur in meinen Mund ein, sondern fanden noch eine
weitere Körperöffnung. Ich spürte wie die scharfen Eisenkanten
mein Inneres und meine Luftröhre zerrissen. Mein letzter Anblick
sollte mein persönlicher Teufel sein. Mit satanistischem Grinsen
stand Hias über mir: „Jetzt bist du frei!“ Meine Unschuld sollte
still und leise im Dunkeln verschwinden, wie das Rinnsal aus meinem
Blut im Abfluss der Haftanstalt.
Der Zuhörer an der Bartheke blickte
misstrauisch und meinte nur „Die Geschichte kann nicht wahr
sein, sonst könntest du sie hier nicht erzählen, dafür zahl‘ ich
gar nichts!“ Da erschallte ein Schrei von der Eingangstüre
her: „Hias komm, das Taxi ist da!“ Der Erzähler grinste und
meinte im Aufstehen: „Doch!“
Autor: [http://www.pb-internetdienstleistungen.at/externe-referenzen/ Patrick yung Berger]