KonversationenLangePsychologischer Horror

Schuldbekenntnis Wolkentief – Dritter Akt

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

DRITTER AKT

ERSTE SZENE

Rechte Bühnenhälfte: Kerkerzelle der nunmehr noch zwei Gefangenen. Linke Bühnehälfte liegt im Dunklen.

Johann und August

JOHANN:

(rüttelt und schüttelt an den von Öffnungsversuchen zerkratzten Gittern) Ein Elendes ist diese Tür, gerüstet gegen jeden Grade menschlichen Gewaltvermögens … der Erbauer dieser Zelle hatte es wohl im Sinn, hierin ganze Bärenhorden festzuhalten. O, wie hoffnungslos mein Mühen …

AUGUST:

(auf dem Boden kniend und leise betend, schaut auf) Habt Ihr es nun endlich begriffen? Es ist genauso, wie ich es Euch geschildert habe. Nichts weiter tun können wir beide hier als uns mit unserem verdammten Schicksal abzufinden, unsere letzten Momente in Ruhe zu verbringen und uns in Reue zu üben, loslassend die abstrusen Gedanken von Hoffnung wie Uneinsichtigkeit … es wird nur umso härter schmerzen, je mehr wir uns dagegen wehren.

JOHANN:

(genervt) O bitte, verschont mich doch nun endlich mit eurem Untergangsgeschwätz, ennuyiert doch bitte diese kalte Wand dort drüben anstelle meiner armen Wenigkeit. Die wird eurer Meinung gegenüber bestimmt aufgeschlossener sein als ich und diese Teufelstür aus härt’stem Eisen …

AUGUST:

Nun gut, dann frönt nur weiter der Vergeblichkeit. (kehrt zum Beten zurück)

JOHANN:

(zum Publikum, im Fokus) O diese Ungewissheit und diese beengende Gefangenschaft, sie bringen noch um, ehe es diese zwei blutgetränkten Folterknechte tun… und diese apathische Gesellschaft ist dabei auch keine große Hilfe. Sturer als ein Stein, und hoffnungsloser als ein Patient im Seuchenhaus, vollkommene Einsamkeit wäre bessere Gesellschaft. Doch Moment, was seh ich dort? Der Gottesbückling trägt ein Kreuz in seinen Händen, massiv metallisch, und so wohlgeformt auch noch dazu! Diese kleinen Schnörkel an den Seiten könnten flugs das Schlösslein weiten und den Ausweg mir bereiten. Entrissen aus den Händen des apathischen Sermonisten wird es zu einem feinen Dietrich werden und die Tür im Fluge öffnen … doch wie komme ich bloß an das Kreuz heran? Es zu stehlen wäre töricht; sitzen wir doch beide in einem viel zu schmalem Raum, er wüsste es schneller als ich greifen könnte … doch würde er es mir freiwillig überlassen? Ich sollte es versuchen, nichts ist wichtiger als meine Flucht. (manisch grinsend zum Publikum, flüsternd) Und ist er nicht willig, wird die Gewalt von der Lösung zur Frage … deren Antwort lautet „Ja!“.

(zu August) Vielleicht könnt Ihr mir und Euch selbst doch noch mal von Nutzen sein, einen großen Teil zu unserer baldigen Freiheit leisten. Und selbst wenn Ihr diese Freiheit ablehnt und der Gefangenschaft die Füße küsst, so könnt ihr dennoch mir dazu verhelfen, ebenso meinen Willen durchzusetzen wie Ihr es mit dem eurem tut.

AUGUST:

(müde aufblickend) Was habt ihr im Sinn, zerschlissener Soldat? Soll ich ebenfalls wie eine tobsüchtige Katze an den Wänden kratzen? Mit meinen Nägeln den Rost von den Gitterstäben herabkratzen, damit die Zelle bei der Ankunft uns’rer Peiniger formidabel ausschaut? Oder euch mit aller Kraft durch die zerranzten Gitter drücken?

JOHANN:

(genervt) Nein, keins von diesen Dingen ihr elender Zyniker. Ich hatte just einen Einfall zum Öffnen des Schlosses an unserer Tür … das Christuskreuz in eurer Hand ist wohlgeformt und schön … die Verzierungen daran machen es zu einem funktionalen wie notgeborenem Dietrich. Gebt es mir, und ich werde damit die Türe knacken wie alte Herren Hühner köpfen!

AUGUST:

(entrüstet) Niemals verleihe ich dies heilige Objekt für solch ein profanes wie närrisches Unterfangen! Dieses Symbol steht für meinen Glauben, meine Liebe zu Christus .. ein Quell des Sorgenfalls und Schmerzenslinderung in diesem Vorhof zur Verdammnis. Ich werde es an meinem Hals behalten bis Momente zur Ewigkeit und Winde zu Flammen werden!

JOHANN:

(wütend) Ihr mit eurer elenden Apathie. Gebt mir dieses Kreuz, und ich erette auch eure uneinsichtige Wenigkeit aus diesem nassen Kerker. Ansonsten werde ich es euch entreißen und allein die Flucht antreten.

AUGUST:

(ruhig) Ihr Narren seid doch alle eins … nichts verstanden habt Ihr, trotz meiner geduldigen Erklärungen und der ganzen Welt um Euch herum. Sie haben Wilhelm bereits ins Fegefeuer hinabgeworfen, und werden sich bald auch unserer annehmen. Wir haben gesündigt; unsere Strafe ist zuerst die Ungewissheit, und danach die nagenden Flamnmen. Ich warne euch, aus guter Seele: tut Ihr mir ein Leid an, wird es euer eigenes Leiden nur noch verschlimmern. Die Chance zur Sünde vergeht nicht mit dem Tod. Übt Euch in Demut und seht eurem Schicksal akzeptierend entgegen … oder lasst euch noch mehr verzehren als ihr es verdient hättet.

JOHANN:

(wütend) Ihr elender Wurm … flüchtet Euch nur in Phantasie und Hirngespinst, und verrottet in eurem eignen Blut und Stuhl … wenn Ihr mir partout keine Hilfe sein wollt, seid Ihr nichts Anderes als ein Hindernis für mich, das es aus dem Weg zu räumen gilt.

AUGUST:

(apathisch) Wir beide sind dem gleichen Untergang geweiht; nichts ist mehr ein Hindernis, wenn es in Bälde nur noch steil nach unten geht. Der Rauch der Hölle kriecht schon seit Stunden von dort herauf, direkt in unsere Seelen. Und wie ich sehe, hat Euch der Rauch bereits vollkommen eingenommen.

JOHANN:

(bedrohlich)Was für eine Sinnesgabe, das Odeur der ewigen Verdamnnis erschnüffeln zu können … sagt mir, Pfaffe, was ist der Geruch des Überlebens?

AUGUST:

(verwundert) Ich … weiß es nicht. Vielleicht die Luft der Freiheit und des Lebens?

JOHANN:

(kalt) Nicht ganz. Es ist das Blut der Notwendigkeit. (greift August kämpferisch und kreischend an)

(Alle Lichter gehen aus)

ZWEITE SZENE

Karger Korridor, in der Nähe der Zelle

Friedrich und Agrippa

FRIEDRICH:

(hält weiterhin seine Wange und grummelt vor sich hin)

AGRIPPA:

(schweigt, und beobachtet das Publikum für eine Weile eindringlich und finster grinsend)

FRIEDRICH:

Und nun, Agrippa? Was ist euer nächster Schritt in eurem Totentanz von Plan?

AGRIPPA:

(seufzend) Wie bereits erwähnt, ist es nicht mein Plan, sondern der des Barons. Auch wenn ihr es mir nicht glauben wollt, Und unser nächster Schritt beginnt erneut mit der Abholung eines anderen Gefangen.

FRIEDRICH:

Und welchen holen wir als Nächstes? Und was habt Ihr mit ihm vor?

AGRIPPA:

(grinsend) Etwas, wofür Ihr mich wieder so lieblich tadeln werdet wie vorhin. Eine gerechte Bestrafung für jemanden, dessen Seele tausend Kerben zieren. (kichert) Es geht dabei um den in schwarz gehüllten Greis, der stetig auf dem Boden sitzt und gen Himmel stiert, im Glauben daran, Gott werde seinem elenden Geiste Gnade schenken. O wie betörend diese Einfältigkeit … und wie fabulös sein Niedergang. Ein Klassiker der Lebenslöschung, so viel ist sicher.

FRIEDRICH:

Aha, der alte Greis also … könnt Ihr mir auch verraten, weshalb er hier unten sitzt und eine eurer Bestrafungen verdient?

AGRIPPA:

Das ist ganz einfach. Er ist nicht nur ein simpler Gläubiger, sondern ein ganz profesioneller Gottesdiener, ein Priester der heiligen Dreifaltigkeit. Jahrzehnte lang predigte er die Floskeln jüdischer Propheten und die Erzählungen antiker Heidenchristen, und belehrte das Volk über Gottesfurcht und Glaubenskraft. Ein großer Bewunderer des Königs … er hat großen Respekt davor, wie jemand eine Nation wie unser Preußen schlussendlich siegreich durch die Kämpfe gegen Napoleon führen konnte. Seine Taschenuhr enthält ein Bild von seiner Majestät Friedrich Wilhelm III. … schließlich sieht die Kirche ihre Diener ungern der Familie frönen. Wollt ihr sie mal sehen? (reicht Friedrich eine goldene Taschenuhr mit Kette).

FRIEDRICH:

(mustert die Uhr aufmerksam, und gibt sie Agrippa zurück)

AGRIPPA:

Wie sein Aufenthalt unter unserer Aufsicht hier bereits vermuten lässt, ist dieser Mann allerdings kein Heiliger; oder besser gesagt, eine Schande für sein Priesteramt, und den Glauben in Christus. Er arbeitete lange Zeit in einem katholischen Kinderheim, über dreißig Jahre lang, und frönte triebberauscht dem Missbrauch hunderter Jungen im Knabenalter. Die Keuschheitspflicht des Zölibats hat ihm wohl Verstand wie Vernunft abgeschnürt und diese kläglich ersticken lassen … sehr tragisch, solche Dinge. Abschaum aus dem Bilderbuch … wollt ihr tapferer Recke auch hier für ihn in die Bresche springen?

FRIEDRICH:

(entrüstet) Nein, mitnichten, solche Taten sind, allein vom Hören, schon sehr schwer zu ertragen, und auch hier muss verdiente Strafe den Schuldigen treffen. Bei dem anderen Gefangenen verhielt es sich ebenso; ich hatte lediglich etwas gegen den Charakter eurer Bestrafungen; ich hatte etwas gegen das massige, unschuldige Blut, dass Ihr dabei scheinbar allein zu eurem persönlichem Vergnügen vergossen habt.

AGRIPPA:

(selbstsicher) Nun Friedrich, seid versichert: bei der Bestrafung dieses Gefangenen wird außer uns zweien kein anderer Mensch zugegen sein. Diese Bestrafung wird einen ganz anderen Charakter haben als die letzte … sie wird symbolischer sein, man könnte bald sagen, ästhetischer.

FRIEDRICH:

(spöttisch) Wenn Hinrichtungen für Euch Kunst darstellen, hat wahrlich der Wahnsinn in eurem Kopfe schon Wohnung bezogen.

AGRIPPA:

(schüttelt den Kopf und geht mit Friedrich von der Bühne ab)

DRITTE SZENE

Studierzimmer des Barons

Baron, Diener mit Violine und ein Sänger

BARON:

(sitzt nachdenklich in seinem Stuhl)

DIENER:

(spielt Mozarts „Vogelfänger“)

SÄNGER:

Der Vogelfänger bin ich ja,

Stets lustig, heissa, hopsassa!

Ich Vogelfänger bin bekannt

Bei Alt und Jung im ganzen Land.

Ein Netz für Mädchin möchte ich,

Ich fing sie dutzendweis für mich!

Dann sperrte ich sie bei mir ein,

Und alle Mädchen wären mein.

BARON:

(springt plötzlich auf und deutet den Musikern an, mit dem Spielen aufzuhören). Da ist er, der Faden, den ich schon verloren glaubte! Schnell zur Feder, schnell zum Papier! (greift nach Tinte und Feder und kramt das bereits beschriebene Papier aus seinem Schreibtisch)

Dabei greife ich auf Techniken zurück, die andere Gelehrte als unorthodox bezeichnen würden. Doch, so sage ich: Was ist schon ein Beweis, wenn keiner vom Versuche weiß? Um logisch zu forschen, ist es erforderlich, die Erkenntnisse nicht allein aus dem Verstand, sondern ebenfalls und noch viel mehr aus der Umwelt selbst herzuleiten, Schließlich wird auch kein Romanleser durch die Magie des Lesens zum standhaften Soldaten. Wie die Humanisten der Rennaissance Leichen sezierten, um über den Bau des menschlichen Körpers zu lernen, arbeitete ich mit lebendigen Probanden und erforschte die Anpassungsfähigkeiten ihres Geistes, um über die Natur des Menschengeschlechtes zu lernen. Die Experimente eines klassischen Naturforschers.

Zu Beginn meiner Forschungen drehten sich diese um bewusst-veränderten Verstand. Dabei beobachtete ich Schauspieler, sprach mit ihnen und experimentierte dahingehend, wie weit die gespielte Rolle sowie deren Glaubwürdigkeit von der tatsächlichen Persönlichkeit des Darstellers abdriften konnte. Dabei kam ich zu dem Ergebnis, dass eine wirkliche Glaubhaftigkeit der gespielten Rolle erst dann entsteht, wenn sich der Darbietende im Entferntesten damit identifizieren kann. Beispielsweise vermochte es ein brennender Verächter des Judentumes nicht, einen überzeugenden Shylock in Shakespeares Kaufmann darzustellen; es verschwamm lediglich zu einer grotesken Karikatur, selbst nach mehreren Hinweisen von mir. Ein badischer älterer Herr verweigerte sich mit den Worten „Keine Huldigung dem Feinde!“ sogar dem Hineinschlüpfen in die Rolle Napoleon Bonapartes.

Der Grund für die Unfähigkeit des Verstandes dieser Menschen, sich in jedweder Rolle authentisch und glaubwürdig einzufinden, ist dementsprechend ihr Verstand selbst, oder besser gesagt: ihre Persönlichkeit. Und was ist die Grundlage jedweder Persönlichkeit? Erfahrung. Und wo werden Erfahrungen gelagert? Im Gedächtnis. Daher meine These: Ohne Gedächtnis kann eine Person jedwede Rolle annehmen, selbst, wenn sie gar kein Schauspieler ist. Wichtig ist nur, dass sie ihrer Rolle Glauben schenkt, und wirklich davon überzeugt ist, die Rolle zu sein. Sie überschreitet dabei den Rahmen des Spielens, eines bewusst-veränderten Verstandes, und tritt dabei über ins Reich des passiv-veränderten Verstandes. Dieser ist passiv, da er allein durch äußere Reize erzeugt wie geformt wird und dabei keine bewusste Anpassung wie beim Schauspiel stattfindet.

(hebt seinen Kopf von seinem Schreibtisch) Wohlan Musikus, mehr Musik!

DIENER:

(beginnt erneut auf der Vioine zu spielen)

SÄNGER:

(singt die obige Strophe erneut)

VIERTE SZENE

Kerkerzelle der Gefangenen

Johann und August (bewusstlos und mit zerschundenem Gesicht), später Friedrich und Agrippa

JOHANN:

(sitzt zentral auf der Bühne, und schmiert seine blutigen Hände an seinem Gewand ab. Daraufhin hebt er vom Boden das zersplitterte Kreuz von August auf und wirft es zornig von der Bühne)

Mit Blut bezahlt und doch so nutzlos … ich elender Narr!

(geht stampfend und sichtlich wütend umher und grummelt leise Flüche)

(beruhigt sich, einsichtiger werdend) So wie mein Blut im Zorne brennt, könnte man glatt glauben, ich sei tatsächlich wegen Mordes hier eingekerkert. So schnell wie mir der Kampf aus den Fäusten floss habe ich in meiner nebelhaften Vergangenheit womöglich damit mein Brot verdient. Vielleicht hatte dieser Phlegmakloß dort unten doch nicht so ganz unrecht … vielleicht bin ich wirklich ein Sünder, die sich verzweifelt gegen die unausweichliche Strafe stellt. In Rage schimpfte ich ihn einen Narren, doch nun; wer ging durch Blut und steht trotzdem genauso wie zuvor? Ein Dämlack mit zerschlissener Uniform, der nichtmal seinen Namen weiß. Jemand, dem die Dämpfe der Hölle schon den ganzen Geist verfinstert haben.

(schaut zu August hinunter, dann auf seine Hände) Wahrlich, sollten dies nicht von Beginn an die Hände eines Mörders und Gewalttätigen gewesen sein, so sind sie nun befleckt und in Blut getränkt. Und sollten sie von Anfang an schon befleckt gewesen sein, so hat sich just nur meine wahre Natur gezeigt, die sich stürmisch durch die Amnesie peitscht und die Kontrolle übernimmt. (schlägt sich selbst, impulsiv wütend) Ach, was rede ich denn! Ich fange ja schon an, wie dieser alte Pfaffe dort zu spintisieren. Es ist mir egal, was ich war, gerade bin und hier noch werde, irgendwie werde ich noch einen Ausweg finden, und wenn ich dafür durch ganze Flüsse von Blut waten muss! (reißt lautstark und erfolglos an den Gitterstäben herum)

FRIEDRICH UND AGRIPPA:

(treten auf, vor der Zelle stehend)

AGRIPPA:

(betrachtet August) Oh, was haben wir denn hier?

JOHANN:

(weicht zurück) Gar nichts … lediglich eine kleine Auseinandersetzung

AGRIPPA:

Aber natürlich. (bedrohlich höflich) Hättet Ihr vielleicht die Güte, mich über den Zustand seiner Lebendigkeit zu informieren? Meine Arbeit bedarf der Lebenden; mit Kadavern habe ich ohnehin schon viel zu viel zu tun.

JOHANN:

Er dürfte bestimmt noch am Leben sein, so ein paar offene Wunden am Schädel bringen doch niemanden um …

AGRIPPA:

Hört auf, eure Worte in Möglichkeiten zu kleiden und sagt mir, wie es um ihn steht. Ansonsten erledige ich es selbst.

JOHANN

(zu sich selbst; zum Publikum) Ja ja, so komm nur herein …

(übertrieben künstlich) Ich glaube nicht, dass ich dermaßen gut über die Lebenskraft dieses Mannes urteilen kann wie ein Mann eures Schlages, so kommt doch herein!

AGRIPPA:

(schelmisch grunzend) Gut. Friedrich, bleibt hinter mir und blockiert die Tür. (schließt die Tür auf und tritt ein.

JOHANN:

(springt brüllend auf Agrippa los und versetzt ihm einen Haken)

AGRIPPA:

(knackt mit seinem Nacken und visiert Johann fanatisch grinsend an) Oh, will es tanzen? Gar kein Problem … auch ich bin ein großer Verehrer des Baletts. Wie wäre es mit ein wenig französischem Barock? (greift Johanns Hals mühelos und schlägt ihm mehrmals fest in die Magengrube)

JOHANN:

(lautes Atmen, Keuchen)

AGRIPPA:

(lässt immer mehr Schläge folgen) Oder seid ihr doch eher ein Romantiker? Etwas Beethoven vielleicht? (schlägt ihm dreimal schnell in den Magen, und noch einmal fest ins Gesicht)

JOHANN:

(fällt keuchend zu Boden, mit blutiger Nase, und blickt grimmig zu Agrippa auf)

AGRIPPA:

(hämisch) Das war die Fünfte Sinfonie in C-Dur, zumindest derer erster Takt. Wollt ihr noch mehr davon oder lasst Ihr mich nun in Frieden?

JOHANN:

(rollt ächzend auf die Seite)

AGRIPPA:

Wie wundervoll. Dann schauen wir doch einmal … (überprüft Augusts Atmung) Ja, er ist auf jeden Fall am Leben. Aber dieses blutgurgelnde Röcheln gefällt mir überhaupt nicht. Friedrich, kommt her! (dreht August auf den Bauch)

FRIEDRICH:

Ja, was soll ich denn tun?

AGRIPPA:

(grimmig) Ihr Puderwichser, mit anpacken natürlich! Alleine trage ich diesen alten Schänder nicht, unser Weg mit ihm wird kein Kurzer sein. Itzo los, packt Euch seine Füße! (greift August unter die Achseln und hebt ihn an)

FRIEDRICH:

(hebt August an den Füßen hoch) Und wohin mit ihm?

AGRIPPA:

(drigiert Friedrich, August aus der Zelle zu tragen) Erstmal natürlich holen wir ihn aus dieser Zelle heraus. Und für den Rest überlasst ihr einfach mir die Führung. (legt August unsanft ab und schließt die Zellentür ab)

FRIEDRICH:

Also muss ich nach wie vor die Klette in euren Haaren spielen?

AGRIPPA:

(lachend, trägt August mit Friedrich zum Bühnenrand) Mein lieber Friedrich, falls Ihr es noch nicht bemerkt haben solltet: Ihr seid nichts Anderes als eine Klette in meinen Haaren, und nicht besser als die Läuse an meinem Hinterteil (kräftiges hämisches Lachen, geht mit Friedrich von der Bühne ab)

FÜNFTE SZENE

Lagerraum voller Folterwerkzeuge

Friedrich, Agrippa, bewusstloser August

FRIEDRICH UND AGRIPPA:

(tragen August, treten von links auf die Bühne auf)

FRIEDRICH:

(legt Augusts Füße auf dem Boden ab und streckt sich) Wieviel Masse doch noch in einem so eingefallenem Faltenbündel stecken kann …

AGRIPPA:

(legt August ab) Ach, das ist noch gar nichts. Ihr Bückling seid nur das harte Arbeiten nicht gewohnt, vermögt es nicht, Dinge zu tragen, die schwerer sind als Teeservice und Federkiel. Seid doch froh, dass ich es Euch ermögliche, eure Ärmchen zu trainieren.

FRIEDRICH:

Lieber ein gepuderter Bückling als ein triefender Folterknecht. (sieht sich um) Was wollen wir hier?

AGRIPPA:

(kichernd) Ihr solltet Euch nach diesen letzten Stunden einmal die Frage stellen, wieviel des triefenden Folterknechtes schon in den gepuderten Bückling eingeflossen ist. Auch an euren Händen klebt nun Blut mein Lieber. Aber genug davon, dieses Thema mit Euch zu diskutieren bin ich müde. Und was hier wollen? Das ist einer meiner wohlausgestatteten Lagerräume, bis zum Rande angefüllt mit Utensilien, die mir bei meiner Arbeit hilfreich sind. Für die Behandlung des alten Priesters benötigen wir einige Dinge von hier. Schaut Euch ruhig mal um.

FRIEDRICH:

Dieses Inventar gefällt mir überhaupt nicht … alles hier schreit nach Leiden und Pein.

AGRIPPA:

Nun, das ist der Sinn dahinter. Das solltet ihr mittlerweile doch schon verstanden haben … ich hab ein Rätsel für Euch, um euren Verstand vertrauter mit diesem Metier zu machen. Welche zwei Dinge glaubt Ihr benötigen wir zur Abrechung mit dem Gefangenen?

FRIEDRICH:

(schaut sich grübelnd um) Ich habe keinen blassen Schimmer. Zum Großteil daher, das ich nicht weiß, wie all diese Dinge funktionieren. Und ob ich das will …

AGRIPPA:

(grunzendes Kichern) Nun denn, so lasst mich Euch herumführen. Dort hinten steht eine große Kiste voll mit kleineren Apparaten. (kramt eine Daumenschraube hervor) Kennt ihr das Gefühl, wenn ein verbrannter Finger Euch kleinlich schmerzlich den nächtlichen Schlafe raubt? Ein kleiner Schmerz hält den ganzen Körper in Wallung, und dies Prinzip macht sich auch diese kleine Dame hier zunutze. Ihr Name ist Daumschraube; sie vermag es, durch immer stärkeren Druck Finger zu zermalmen und aus einem ganz kleinen Körperteil viele Schmerzen empor zu beschwören. Davon habe ich sehr viele; die verlieren schnell an Griff und Wendigkeit. Daneben stehen einige imposante Klingenwaffen; im Volksmund nennt man sie Henkersbeile. Man schwingt sie, und trennt mit einem Mal ein großes Stück vom Menschen ab. Darunter steht ein Eimer, zum Auffangen der abgeschlagenen Teile. Direkt zu dessen Linken befindet sich eine sogenannte Judaswiege; der Gefangene wird dabei mehrmals von oben mit entblößtem Hinterteil auf die Spitze der Pyramide fallengelassen. Wie meine selige Schwester sagen würde: Ihm wird dabei der Arsch aufgerissen. Die zwei ranzigen Boote dahinter sind nicht mehr zu gebrauchen. Man schließt darin eigentlich einen Gefangenen ein, mästet ihn, bis der ganze Raum mit Fäkalien gefüllt ist, und lässt ihn dann irgendwo in der Sonne liegen. Die kleinen Insekten erledigen dann den Rest. Ferner nutze ich oftmals dieses pompöse Gestell hier drüben, um Informationen aus Gefangenen herauszuzerren. Arme und Beine werden hier festgekettet, und mit jeder Rotation des Rades werden ihre Gliedmaßen gestreckt, immer weiter, immer lauter das Geschrei. Streckbank nennt man dieses Gerät. Außerdem haben wir zu eurer Rechten noch einen ganzen Haufen …

FRIEDRICH:

Gut, es reicht, ich brauche keine Führung durch eure Folterwerkzeuge, und die Lösung eures Rätsels erschließt sich mir nicht. Sagt mir doch einfach, was wir brauchen, damit wir es erledigen können.

AGRIPPA:

(etwas grimmig) Hm, nun gut. Wir benötigen einmal den Eimer, und dazu noch das Henkersbeil. Ihr seid wohl kein Spieler, was?

FRIEDRICH:

(verwundert) Ihr wollt ihn also nur enthaupten? Im Gegensatz zum vorherigen Opfer scheint mir dies ein wahrlich milder Tod zu sein.

AGRIPPA:

(lachend, nimmt sich das Beil und den Eimer) Greift Euch den Gefangenen unter den Schultern und zieht ihn hinter Euch her, ich trage unsere Geräte.

FRIEDRICH:

(greift August und zieht ihn von der Bühne)

AGRIPPA:

(an Friedrich, bedrohlich lachend) Mein lieber Friedrich … Ihr solltet wahrlich besser meinen Worten lauschen. Wer hat denn je vom Tod dieses schlafenden Pfaffen gesprochen? (Gelächter, geht von der Bühne ab)

SECHSTE SZENE

Kerkerzelle der Gefangenen

Johann

JOHANN:

(richtet sich unter Schmerzen auf und nimmt auf einem der Betten Platz, atmet schwer und röchelt lautstark, hält sich den Bauch)

Was für eine Made … meinen ganzen Magen hat er zersch unden, als hätte er einen stählernen Hammer in der Hand. Wie kann ein so kümmerlich anmutendes Wesen so eine Stärke an den Tag legen? Und wieso war ich nicht dazu in der Lage, dem etwas entgegenzusetzen? Nichts konnte ich, nicht einmal parieren! Nichts war ich als ein Sandsack, dem unaufhörlich Schmerzen eingeprügelt wurden … und ich hatte noch so hochtrabende Gedanken von Flucht wie Überwältigung. Alles hinfort, ich habe mich wahrlich überschätzt. Und nun hocke ich hier, mit meinem Blut zwischen den Zähnen, einem beißenden Magen und starre nach wie vor auf diese verschlossene Tür. Verflucht soll sie doch sein, diese elende Gefangenschaft … blutig schlug ich einen Greis, für nichts. In falscher Hoffnung stahl ich sein Kreuz, hoffte auf die Freiheit, doch fand dabei nichts Anderes als brennenden Zorn. Nichts Anderes habe ich seit meinem jähem Erwachen in diesen feuchten Kavernen gefühlt, nichts hat mich stärker genährt als diese innere Flamme … doch nun, wie mir scheint, hat mir der grässliche Kerkermeister diese Flamme durch den Mund herausgeprügelt; denn nun fühle ich keinerlei Zorn mehr. Und je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr wird es mir klar: die ganze Zeit über war ich niemals wirklich zornig, oder angespannt; ich hatte einfach nur Angst. Und um ehrlich zu sprechen … das habe ich noch immer, wahrscheinlich mehr als je zuvor.

Ich will nichts weiter als einfach nur von hier fort, heraus aus diesem Schreckensdunkel, zurück dorthin wo das Licht vom Himmel und nicht von den Wänden scheint. Ich will den Klang der Freiheit hören, will den Geruch der Gräser fühlen … ich will wissen, wer ich wirklich bin und mein Leben zurück. Die Luft in diesem Kerker ist geschwängert von Ungewissheit, Hilflosigkeit und es stinkt nach Verzweiflung; das ist es, was mich mit jeder Minute mehr an den Rand des Wahnsinns schiebt. Diese Ungewissheit über mich, über diesen Ort, über die Anderen und was noch passieren wird … ein Schwarm von Ratten zernagt meinen Verstand und lässt nichts zurück außer Ungewissheit und Angst. Stumme Stimmen singen von Hoffnungslosigkeit, meine Seele schreit in Leidenszungen, und ich will einfach nicht mehr, nicht mehr nicht mehr!

Sie haben Wilhelm getötet und tragen August bestimmt gerade durch seine letzte Stunde. (weinerlich) Oh August! Wie sehr wünschte ich mir doch jetzt seine Gesellschaft … seine Worte waren stumpf und dumm, und ich habe ihn im Zornesrausch das Bewusstsein aus dem Körper geschlagen … doch trotzdem hatte seine Gesellschaft etwas Beruhigendes an sich. Sein Phlegma nahm mir etwas von meiner Angst, und seine Anwesenheit wirkte der Einsamkeit entgegen. Was würde ich nur dafür geben, ihn jetzt wieder an meiner Seite zu wissen? Ein kleines Lichtlein in der Dunkelheit kann Wunder wirken … doch nun sitze ich hier, in undurchdringlicher Dunkelheit, umringt von tausenden glimmenden Augen, die gierig auf mein Elend starren, und klage durch die leere Schwärze …

(schreit einige Male weinend auf, bis er sich das Gesicht mit seinem Ärmel wischt, sich auf den Boden kniet und eine Gebetshaltung einnimmt)

Herr, hier knie ich voller Furcht

Ersuchend deine Liebe, deine Hilfe

Qualen umfangen mich, Tod umschließt mich

Mein Beten ist Flehen

Nimm diese Not von meinen Schultern

Lass der Pein ein Ende werden

Lass mich viel von deiner Güte kosten

Gib mir die Gerechtigkeit, die mir gebührt

Ich kann nicht bereuen, denn mein Geist ist leer

Habe Mitleid mit mir armer Seele

Und sollte ich hier wirklich sterben

So hebe mich zu dir empor, oder wirf mich nieder

Doch rette den Mann, der dir so treu gedient

Den ich mit Zornesfäusten schlug

Denn er verdient all dieses nicht

Herr, zu dir flehe ich, befreie mich

SIEBENTE SZENE

Waldstück außerhalb der Burg, ein Holzstumpf auf der linken Bühnenhälfte

Friedrich, Agrippa, August

FRIEDRICH:

(zieht August hinter sich her und legt ihn zentral auf der Bühne ab) Ihr glaubt gar nicht, wie wundervoll sich diese frische Luft hier anfühlt. Dieser Odem der Natur erweckt meine Lebensgeister wieder, die ich in der Stickigkeit eurer Verliese schon verloren dachte.

AGRIPPA:

Nun, sodann genießt die frische Luft, solange wir noch hier sind. Lange wird es nicht dauern, diesem alten Priester Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

FRIEDRICH:

Wenn Ihr das sagt.

AGRIPPA:

Ganz genau. Hier, macht euch nützlich, und flößt dem Eimer etwas Kälte ein; füllt ihn an dem kleinen Teich dort drüben auf; denn ich glaube, allein mit lieben Worten werden wir den Gefangenen nicht aus seinem Schlummer erwecken können. Da wirkt die Kälte frischen Wassers belebender als so mancher heißer Kaffee … dem Wasser fehlt nur die Gemütlichkeit, doch das ist ganz in unserem Sinne.

FRIEDRICH:

Benötigen wir allein dazu diesen Eimer? Für einen kalten Schauer des Erwachens?

AGRIPPA:

(lachend) Wenn Ihr es vermögt, könnt Ihr ihn euch auch einfach packen, fest am Schopfe greifen und einmal tief ins trübe Wasser tauchen. Bloß nicht zu lange, ansonsten sitrbt er uns ohne Luft davon.

FRIEDRICH

(ablehnend) Nein, wahrlich steht mir danach nicht der Sinn. Ich habe dieses Häufchen Elend von eurer Lagerhalle bis in diesen Wald gezerrt, und bin nicht willens, noch mehr meiner Kraft zu opfern, sofern es nicht zwingend nötig ist. All diese Treppen, der gewundene Horror … und selbstredend konnten wir nicht den regulären Weg des Schlosses gehen, sondern mussten uns durch unzählige verworrene geheime Gänge hangeln, aus deren Wänden uns schon alte Baumeswurzeln entgegenlächelten, die dort schon länger ihr Dasein fristen als ich das meine auf der Erde.

AGRIPPA:

(spöttisch) Nun gut, dann eben nicht. Dann macht es halt mit dem Eimer, wenn eure hohlen Ärmchen nichts Besseres vermögen.

FRIEDRICH:

(genervt) Mockiert Euch nur ruhig weiter über mich; mittlerweile ist es mir wirklich nicht mehr wichtig, aus welchem Stoff ihr euer Gelächter formt. Dass Ihr krank seid, habe ich schließlich schon längst begriffen und schere mich nicht mehr darum. Lediglich zur Erfüllung meiner Pflichten verweile ich noch zu eurer Assistenz.

AGRIPPA:

(sarkastisch) Ach wie schade … und ich hatte eure Gesellschaft schon so in mein Herz geschlossen.

FRIEDRICH:

(winkt genervt ab, und geht nach rechts von der Bühne ab)

AGRIPPA:

(wendet sich dem bewusstlosen August zu) Gleich, Priester, gleich beginnt eure letzte Reise. Keine Reise in die noblen Etablissements von Paris, oder die ruhigen Wälder des Ostens … nein. Ihr tretet sogleich die Marterreise an, die man so simpel Agonie getauft, dem Todeskampf seinen Namen gegeben hat. Kein rapider Klingenstoß wird eure dreckige Existenz von dieser Erde tilgen, kein stumpfer Keulenstoß wird eure Seele in den ewigen Schlummer geleiten … ihr werdet dem Tod mit Verzweiflung in die Augen sehen, und um seine Umarmung wie ein stinkender Bettler flehen. Doch er, oh er, er wird sich eurer erst dann annehmen, wenn er eure Taten als gesühnt erkennt. Soviel Zeit mein Lieber, so viel Zeit … seid nur froh, dass eure Ohren mich nicht hören. Doch seid versichert; eure Seele kann es; bereits jetzt wurde sie vollends von Angst und Furcht durchstoßen …

FRIEDRICH:

(kehrt mit einem vollen Eimer Wasser auf die Bühne zurück und stellt ihn neben August ab) Was erzählt Ihr diesem schäbigen Verbrecher? Eine letzte Fabel für einen seligen Schlummer?

AGRIPPA:

(schmunzelnd) Nur die Einleitung für seinen letzten Sermon. Die letzte Predigt, die er jemals vernehmen wird; doch ohne Worte seines Herren, ohne Träume von ewiger Glückseligkeit … nur einige bescheidene Weisheiten von meiner Wenigkeit.

FRIEDRICH:

Ein Priester des Todes also? Spiel Euch nicht so auf, und lasst es uns beenden.

AGRIPPA:

(grimmig) Haltet eure dreckige Zunge hinter euren zerfressenen Zähnen, und tut gefälligst etwas mit Sinn und Verstand. Hier, verbindet ihm die Augen (drückt Friedrich eine lange dunkle Stoffbinde in die Hand)

FRIEDRICH:

Nun gut, wenn Ihr meint. Ich denke zwar nicht, dass ihn eine simple Augenbinde an der Flucht hindern wird, aber …

AGRIPPA:

(bedrohlich) Ich finde euren Mangel an Vertrauen äußerst töricht. Hütet Euch, und bedenkt, zu wem Ihr hier sprecht, Bückling. Glaubt mir und meinen Plänen, und habt Vertrauen in meine Expertise; ich weiß wesentlich mehr als Ihr, und noch erheblich mehr als Ihr mir zutraut.

FRIEDRICH:

Verzeigt mir, dass ich gegenüber einem leidenssüchtigen Folterknecht kein Vertrauen habe, und noch weniger Glauben in ihn setze, excusez-moi. (verbindet August die Augen)

AGRIPPA:

(schelmisch finster) Ihr werdet schon bald an alles glauben, noch mehr als an unseren Herrn im Himmel. Doch jetzt genug davon; helft unserem Freund dabei, die blissvolle Welt der Träume zu verlassen.

FRIEDRICH:

(nimmt sich den vollen Wassereimer und gießt ihn August ins Gesicht)

AUGUST:

(heftiges Zucken, erschrecktes Umschauen) Was … was … wo … (spuckt um sich)

AGRIPPA:

(mit aufgesetzter tiefer, sanfter Stimme, ganz im Kontrast zu seiner richtigen) Seid gegrüßt August Rippak. Priester unseres heiligen dreieinigen Gottes, Verbreiter der frohen Botschaft Jesu Christi, seid willkommen. Lasst die Dunkelheit Euch nicht ängstigen; sie ist nur Ausdruck der Dunkelheit, die Ihr durch euren Tod beschritten habt; bleibt ruhig, und lasst euch vom Willen des Herren durchdringen. (fasst August sanft an und legt ihn auf den Bauch, seine Arme weit nach vorne streckend)

AUGUST

(demütig) Herr, ich bin dein, und war es immer. Ich glaubte dich verloren zu haben, und glaubte daran, bereits im Vorhof der Hölle auf meine Bestrafung zu warten … doch nun …

AGRIPPA:

Still, denn nichts davon ist nunmehr von Bedeutung. Ihr wandelst gerade den Pfad der Gerechtigkeit, und alles wird sich bald für Euch verändern. Lauscht nicht dem pfeifenden Wind und dem raschelnden Gras, fühlt nicht den Tau an euren Fingern … es wird gleich vorüber sein … (greift sich das Henkersbeil) und sogleich neu beginnen …

AUGUST:

(glücklich) Herr, ich ergebe mich deiner Vergebung und Allmächtigkeit. Zeig mir den Weg für mich!

AGRIPPA:

Nur Geduld mein Kind. (holt aus) Itzo verschaffe ich eurer Seele Gerechtigkeit. (lässt die Klinge hinuntersausen und schlägt August den Großteil seiner beiden Arme ab)

FRIEDRICH:

(weicht erschrocken zurück und wendet angeekelt seinen Blick ab)

AUGUST:

(erschrocken, ringt erstarrt nach Luft, flüsternd) Herr … Herr?

AGRIPPA:

(reißt August die Augenbinde herunter und schaut ihm direkt in die Augen) Groß wird eure Belohnung im Paradies sein, alter Mann! (schallendes Gelächter)

AUGUST:

(vom Schock erstarrt; versucht zu schreien, doch bringt keinen Ton heraus)

AGRIPPA:

(gehässig) Ihr studiertet Gott euer Leben lang, kennt die Bibel besser als euch selbst, und doch vermochte es ich, ein bescheidener Kerkermeister, mich zu eurem Herren aufzuschwingen und eure Demut einzufangen. Ihr seid ein törichter Mann August, ein Narr … wiewohl ich auch zugegeben muss, Gefallen an der Rolle Gottes gefunden zu haben. Eure Sünden sind zahlreich, und doch … bestrafe ich Euch nicht mit dem Tod. Das wäre viel zu einfach.

Oh nein, Ihr mein Lieber, werdet eure letzten Stunden in Agonie verbringen, in ständiger Verzweiflung und absoluter Hilflosigkeit. Eure Arme sind nun hinfort, doch hat sich an eurem Wesen nichts verändert; ihr habt Euch in die Apathie verliebt, die Euch der Felsen eures Glaubens gibt. Ihr tut nichts außer euch vor dem Himmel niederzuwerfen, und in allem auf Gott zu vertrauen. Ihr kennt keine Furcht, denn in eurem Herzen tragt ihr Christus. Ihr fürchtet weder Tod noch Teufel, denn Ihr kennt ihre Gesichter. Vielleicht macht Euch dieses Wissen weise.

Doch hier, am Abgrund eurer Existenz, wird euch nichts davon retten, und Ihr werdet als röchelndes Leichentuch dahinsiechen; ihr werdet als das sterben, was Ihr schon euer ganzes Leben wart, doch erst jetzt wird es Euch wahrlich bewusst werden. Ihr werdet handlungsunfähig den Todeskampf erdulden müssen … und glaubt mir, der Schmerz und das Leid wird Euch die Kraft zum Beten rauben. Ihr werdet euer ganzes Wesen verfluchen und in Minuten verabscheuen lernen; euer letzter Gedanke wird ein hilfloses Flehen an den Tod sein, Euch doch endlich zu erlösen.

Eure Strafe ist nicht der Tod. Eure Strafe besteht in der Erkenntnis eures Unwesens, der Zerstörung der steinernen Mauern, die eure Seele zu beschützen suchen. Denn der Tod wäre zu milde für einen Schandtäter wie Euch.

(nimmt Friedrich am Arm und geht mit ihm von der Bühne ab)

AUGUST:

(hilflose Blicke auf zerschundenen Körper, Ausdrücke innigster Verzweiflung)

(nach einiger Zeit wendet er den Kopf zum Himmel, und stößt einen verzweifelten Schrei aus)

(Lichter gehen ruckartig aus, August ist kurz noch zu hören)

– ENDE DES DRITTEN AKTES –

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