GeisteskrankheitMittelMordSchockierendes Ende

Stereotypen

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

„Und? Sag schon, wie findest du es?“
Aufgeregt rutsche ich auf der alten Holzbank hin und her; beobachte Jelenas Gesichtsausdruck, die neben mir gerade den Stapel Blätter sinken lässt, den ich ihr vor wenigen Minuten überreicht habe. Ihre Mine wirkt angespannt, als müsse sie erst überlegen, was sie antworten soll, und ich merke, wie sich ein unangenehmes, flaues Gefühl in meinen Eingeweiden breitmacht.
Seit meiner frühesten Kindheit war es mein größter Traum, Autor zu werden. Und seit ich die einfachsten Regeln der Rechtschreibung beherrsche, versuche ich auch, diesen Traum in die Tat umzusetzen. Wenn andere Kinder in den Pausen Fußball spielten oder Seil sprangen saß ich an einem der Picknicktische, die unter der großen, alten Buche mitten auf dem Schulhof standen und schrieb. Kindliche Ideen mit simplem Satzbau und sich immer wieder wiederholenden Satzanfängen, und dennoch glaubte ich, dass es gut war, was ich da fabrizierte. Das war es nicht; oh nein, natürlich nicht. Es war grauenhaft. Schlecht geschrieben und dumm. Doch was sollte man von einem Grundschüler schon anderes erwarten?
Doch wie auch immer, ich schrieb weiter. Immer wieder kurze Geschichten, selten länger als eine Seite, und ich wurde besser. Wirklich. Mein Satzbau wurde vielfältiger, ich nutzte mehr Synonyme, verband kurze Sätze miteinander, verwendete fachlichere Wörter. Tatsächlich bewunderten mich viele derer, denen ich meine Werke zu lesen gab, für meinen Schreibstil. Sagten mir, dass ich Potenzial hätte.
Und dass es da nur eine einzige Sache gäbe, die sie störte.
Die Ideen. Die Handlungen meiner Geschichten.
Sie seien nichts Besonderes, sagten sie. Schon hundertfach dagewesen, in zumindest ähnlicher Form. Ich schrieb gut, wirklich, doch mit diesen klischeehaften Ideen würde ich nicht weit kommen…
Ich muss zugeben, das traf mich. Sehr sogar. Es gab Zeiten, in denen ich wochenlang überhaupt nicht schrieb, in denen mein Geist von dem Gedanken beherrscht war, dass es nichts bringen würde, dass nichts von dem, was ich schreiben würde, Erfolg haben würde; dass nichts davon neu war, sondern lediglich als hundertster Abklatsch angesehen werden würde, langweilig, ausgelutscht und vorhersehbar…
Und dennoch habe ich nicht aufgegeben. Habe mich zusammengerissen, weitergemacht…Verschiedene Genres ausprobiert. Comedy. Krimi, Thriller. Und letztendlich…Horror.
Horror. Die Welt messerschwingender Irrer und mit Kettensägen Leute massakrierender Psychopathen. Das ist wohl das, an was die Leute zuerst denken, wenn sie das Wort „Horror“ hören, und das, glaubte ich, könnte ich mir zu nutzen machen. In dem ich etwas Anderes schrieb. Etwas, das zwar nicht nur, aber auch auf psychologischer Ebene funktionierte. Etwas, das es bisher eben nicht bereits unzählige Male gegeben hatte.
Ich las Unmengen an Büchern, um mir Inspirationen zu holen, aber auch, um Ideen vorab zu verwerfen, wenn ich sie in ganz ähnlicher Form darin wiederfand. Ich überlegte wochenlang jeden Abend bis spät in die Nacht, stellte Konzepte auf, verbannte sie wieder in die Tiefen meines Gehirns, begann von vorne mit den Planungen; immer und immer wieder. So unbedingt wollte ich etwas Neues kreieren; etwas, das es wert war, gelesen zu werden, dass meine Anstrengungen, dies zu erreichen, nahezu manische Ausmaße Annahmen. Ich war geradezu besessen davon.
Und dann, eines Tages, praktisch von einer Sekunde auf die andere, kam mir die meiner Meinung perfekte Idee geradezu zugeflogen.
Sie faszinierte mich. Schockierte mich gleichermaßen, und ich wusste, wenn ich es richtig anstellte, es schaffen würde, die Gefühle von Angst und Schrecken und Panik so rüberzubringen, dass der Leser sie selbst würde spüren können…Dann konnte das etwas wirklich verdammt Gutes werden.
Ich schrieb. Ich schrieb die ganze Nacht, ungeachtet dessen, dass ich am nächsten Tag in die Schule musste; ich schrieb und schrieb, meine Gedanken schienen sich wie von selbst auf das Papier zu brennen, ich merkte kaum, wie ich die Buchstaben mit meinem Füller schrieb…
Es glich beinah einer Art Rausch.
Elf Seiten waren es am Ende; das längste, was ich bisher überhaupt jemals zu Papier gebracht habe.
Und das Ergebnis dessen, was ich zu kreieren versucht habe, hält nun meine beste Freundin in den Händen, die sich immer noch nicht im Klaren zu sein scheint, was sie auf meine Frage erwidern soll.
Ich schlucke. Meine Nervosität steigt ins Unermessliche, meine Innereien fühlen sich an, als würden sie brennen und langsam, ganz langsam, kriecht ekelerregende, bittere Übelkeit in mir hinauf.
Es gibt niemanden, dessen Meinung mir so viel bedeutet wie Jelenas. Nicht bloß, weil sie meine beste Freundin ist, seit wir uns vor vier Jahren kennengelernt hatten; nein, Jelena hatte bereits mit 15 Jahren einen Schreibwettbewerb, bei dem neben ihr noch 19 weitere Schüler unterschiedlichen Alters aus dem ganzen Bundesstaat teilgenommen hatten, gewonnen. Sie hat Erfahrung in diesem Bereich. Wenn sie etwas für gut hält, dann bedeutet das wirklich etwas.
Ebenso, wie wenn sie es für schlecht befindet.
„Jelly!“ Ich stupse sie an, will endlich eine Antwort, einen Kommentar zu dem, was ich dort zu Papier gebracht habe; diese Ungewissheit macht mich krank.
„Hm?“ Endlich hebt sie den Kopf. Blickt mich an. Lächelt. Und ich merke, wie mir ein eisiger Schauer über den Rücken läuft.
Ich kenne diese Art von Lächeln. Habe es schon so oft gesehen, bei nahezu jedem, den ich nach seiner Meinung zu meinen Werken gefragt habe. Es ist dieses „Eigentlich-ja-ganz-gut-aber“-Lächeln.
Mein Herz fühlt sich an, als würde es einen guten Meter nach unten rutschen und ich spüre, wie meine Augen anfangen, zu brennen, wie Tränen versuchen, sich ihren Weg zu bahnen…doch ich reiße mich zusammen. Ich werde hier nicht weinen; nein, ganz sicher nicht, schon gar nicht, bevor ich nicht gehört habe, was Jelly mir zu sagen hat…
„Also…eigentlich ist die Geschichte echt gut!“
Ihre Worte reißen mich aus meinen Gedanken, erschrecken mich so sehr, dass ich beinahe zusammenzucke, doch es gelingt mir gerade noch, mich zusammenzureißen; neugierig blicke ich sie an. Mein Hals fühlt sich mit einem Mal unglaublich trocken an, rau wie Sandpapier, ich bringe das folgende, eigentlich doch so kurze Wort kaum über die Lippen: „…Aber?“
Sie ignoriert meine Frage. Lehnt sich zurück, noch immer lächelnd… „Die Idee fand ich wirklich gut! Vielleicht nicht unbedingt vollkommen neu, aber wirklich ziemlich gut umgesetzt. Und heutzutage ist es nahezu unmöglich, wirklich etwas zu schreiben, das noch nie dagewesen ist! Aber es war trotzdem nicht klischeehaft oder so, und du hast das wirklich gut beschrieben! Diese…Verzweiflung der Mutter, die so vollkommen überfordert mit allem ist! Zwei kleine, ewig schreiende Kinder und ein Mann, der sich ständig verpisst… Aber auch die Gefühle des Mädchens, als es zusieht, wie die Mutter den Vater erschlägt, und als sie sich später mit ihrem Bruder im Schrank versteckt und hofft, nicht entdeckt zu werden…Ich hatte wirklich Gänsehaut! Oder als sie das Fleisch ihrer eigenen Kinder in die Suppe gemacht hat! Richtig widerlich! …Also…im positiven Sinne, wenn du verstehst. Und dieser Satz am Ende…so ein richtiger…What-The-Fuck-Moment!“ Sie schüttelt sich, verzieht das Gesicht zu einer seltsamen Grimasse. „Du hast dich wirklich extrem verbessert!“
„Danke.“ Mehr sage ich nicht. Ich warte. Warte darauf, dass sie mir sagt, was ihr nicht gefallen hat. Irgendwas gibt es da, das habe ich doch vorhin an ihrem Blick gesehen; wieso sagt sie es mir nicht? Hat sie Angst, dass es mich zu sehr verunsichert? Vielleicht tut es das, aber diese Ungewissheit ist so viel schlimmer…
Doch sie sagt nichts mehr. Schweigt, rafft die Blätter zu einem ordentlichen Stapel zusammen und reicht sie mir zurück. Ich nehme sie entgegen, hole tiefe Luft, dann, mit noch trockenerer Kehle als zuvor, frage ich: „Was fandest du denn diesmal schlecht?“
Gleich darauf will ich mir am liebsten die Ohren zuhalten. Will es nicht hören…nein…doch…wie gesagt…diese Ungewissheit ist noch viel, viel schlimmer. Sie würde mich vom Schlafen abhalten und mich stundenlang daliegen und darüber nachdenken lassen, was es hätte sein können, ohne jemals zu einem Ergebnis zu können…das habe ich bereits einige Male erlebt.
Also widerstehe ich der Versuchung. Blicke einfach in Jellys Gesicht, versuchend, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen.
Wieder scheint sie zu überlegen. Die richtigen Worte zu suchen. Öffnet den Mund, schließt ihn wieder. Denkt weiter nach. Dann endlich, stößt sie ein langes Seufzen aus, um dann letztlich doch ihre Kritik hervorzubringen. „Es ist nichts Schlimmes. Wirklich nicht. Wie gesagt, dein Schreibstil ist super und die Idee hat mir auch gefallen! Bloß…“ Sie verstummt. Beißt sich auf die Unterlippe. Und ich habe das unfassbar starke Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen.
„Die Charaktere. Sie…sie sind einfach…ich weiß nicht…so…eindimensional.“ Wieder eine Pause. Ich spüre wie das Brennen in meinen Augen stärker wird; verdammt, wieso reagiere ich bloß immer wieder so empfindlich.
„Ich meine…Das Mädchen heult praktisch die ganze Zeit nur rum…Der Junge ist ein richtiger kleiner Macho…Und der Vater verbringt den Großteil seiner Zeit mit Bier trinken und Fußball gucken…Sie sind halt…richtige Stereotypen.“
Nun ist es an mir, zu seufzen. Ich habe es nun also geschafft, eine halbwegs akzeptable Geschichte aufs Papier zu bringen, mit einem offensichtlich ziemlich guten Schreibstil; und trotzdem gibt es wieder etwas, das ich, um es deutlich auszudrücken, verkackt habe.
Stereotypische Charaktere…Wie kann das sein? Über meine Charaktergestaltung hat sich bisher noch nie jemand beschwert…
„Wie gesagt, es ist wirklich nichts Großartiges.“ Jelly hat wieder angefangen, zu lächeln, blickt dann auf die Uhr und erhebt sich von der Bank. „Du hast wirklich Talent! Wenn du magst, kann ich auch versuchen, dir Tipps bei der Ausarbeitung der Charaktere zu geben, aber ich muss jetzt erst Mal los, mein Kurs fängt gleich an…“ Sie beugt sich zu mir, umarmt mich zum Abschied. Ich erwidere ihre Umarmung, bleibe jedoch sitzen. Lächle ebenfalls. „Würde mich freuen! Und danke für deine Kritik! Und schön, dass es dir sonst gefallen hat…“
„Sehr sogar!“ Sie greift nach ihrer Tasche, winkt noch einmal zum Abschied und dreht sich dann um. „Das Problem mit klischeehafter Idee hattest du diesmal zumindest nicht…“
„Freut mich…“
Dann ist sie weg. Und ich sitze eine ganze Zeitlang einfach nur da. Allein mit meinen Gedanken. Es ist furchtbar, dass ich mich immer so auf das Negative konzentriere. Eigentlich hat es ihr doch ganz gut gefallen…Und trotzdem hat sich dieses kleine Aber tief in den innersten Windungen meines Gehirns festgesetzt wie eine Zecke, die bei dem kleinsten Versuch, sie zu entfernen ihr von Krankheiten verseuchtes Sekret hineinspritzt. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich heute Nacht erst sehr spät werde einschlafen können…

„Bin wieder zuhause!“
Es ist bereits halb sieben, als ich die Haustür hinter mir zufallen lasse und meine Schultasche in die Ecke des Flures werfe. Mein Magen knurrt, ich habe seit heute Morgen nichts mehr gegessen und umso mehr erfreut mich der Duft, der aus der Küche zu mir gezogen kommt; nach frischen Kräutern, Kartoffeln und Knoblauch…Ich folge eben diesem Duft, umarme meine Mutter zur Begrüßung, setze mich dann an den bereits gedeckten Küchentisch.
„Wie war dein Tag?“, fragt sie, während sie zwei Teller aus dem Schrank holt, sie neben den Herd stellt und mit dem Kochlöffel in dem großen Topf herumrührt. Sie sieht müde aus, abgespannt, um einiges älter, als sie in Wirklichkeit ist…und dennoch umgibt sie etwas, das nur schwer in Worte zu fassen ist, wie eine zwar blasse, aber dennoch strahlende Aura.
Ich zucke bloß mit den Schultern. „Ganz ok, denke ich.“
„Das freut mich! Das Essen ist gleich fertig. Holst du schon mal das Besteck aus dem Schrank.“
Ich nicke und stehe auf, hole zwei Löffel aus der Schublade sowie die Suppenkelle, die ich meiner Mutter reiche.
Zwei Minuten später sitzen wir uns schweigend gegenüber, jeweils genüsslich unsere Suppe löffelnd. Es schmeckt wirklich gut, doch kann ich mich kaum auf den Geschmack konzentrieren; meine Gedanken sind noch immer bei Jellys Worten…“Eigentlich ist die Geschichte echt gut!“. Und dann dieses gottverdammte Aber…
„Ist irgendwas?“
Ich hebe den Blick, sehe zu meiner Mutter, die mich besorgt mustert; schnell schüttele ich den Kopf. „Nein nein! Nichts Besonderes.“ Senke den Kopf wieder, stochere in der braungrünlichen Suppe herum, schiebe die Fleischstücke darin von links nach rechts und wieder zurück.
Dann, nach einer Zeitspanne, die sich für mich wie eine Ewigkeit angefühlt hat, hole ich tief Luft, lasse den Löffel sinken und frage, augenscheinlich im Grunde eher zu meinem Teller als zu meiner Mutter: „Sag mal…Wieso waren Dad, Maggie und Jake solche…Stereotypen?“

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