
Wald ohne Blätter
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Verloren.
Sie hatten verloren.
Das riesige, gewaltige, unbesiegbare Heer hatte seinen Lebensdunst ausgehaucht. Vor diesen Hängen.
Vor diesen unendlich, unergründlich dunklen, mehr schwarz denn grünen Wäldern aus bedrohlich, ja tödlich wirkenden Tannen. War dagegen gebrandet wie ein riesiger Brecher auf einen gigantischen Granitblock treffen würde, seiner Kraft beraubt, im Meer vergeht.
Der Winter nahte bereits und hier in diesen unwirtlichen, unmenschlichen Bergen sah man schon den ersten Schnee um die Baumkronen tanzen, das Leben verschlingen, obschon der Herbst noch nicht gänzlich seinen Tribut gefordert hat.
Wilde Schönheit nennen es manche, wahnsinnige Hysterie manch anderer, der durch die Tore jener herrschaftlichen Burg geht und dem Wald entgegen blickt, der sich unweit der letzten Mauern wie eine undurchsichtige Wand auftürmt.
Kaum einen Steinwurf vom Rande des Waldes entfernt war ein prunkvoller Tisch herbeigetragen worden und eine einsame, fürstlich gekleidete Gestalt saß auf einem goldenen Thron, den Blick unverwandt auf den Wald gerichtet, ein herzhaftes Mahl zu sich nehmend. Bei jedem seiner Bissen spielte ein genießerisches Grinsen um seine Mundwinkel, welches selbst über größere Entfernung noch zu sehen war.
Es fror ihn ganz erbärmlich. Trug er doch nichts weiter als einen alten Leinensack am einstmals muskulösen Körper. Nun ausgezehrt durch lange Monate peinigender Gefangenschaft. Brot und Wasser… Brot und Wasser… Brot und…
Er wurde aus der Burg gezerrt, hatte kaum mehr die Kraft seinen Blick zu heben, obschon er wusste was er sehen würde. Hatte es gehört, gerochen und geschmeckt. Ein Soldat an seinem rechten Arm, ein Soldat an seinem Linken.
Beide trugen sie lange Breitschwerter an ihren Hüften mit dem Zeichen. Drache!
Sie ignorierten ihn. Es kümmerte sie nicht, dass seine aufgewetzten Zehen über die mit Dreck verkrusteten Kopfsteine schleiften. Es kümmerte sie nicht, dass der einst stolze Mann nach Krankheit und Zerfall stank. Genauso wenig wie sie sein Schicksal kümmert.
Er wurde vor den Tisch bugsiert. Sie zwangen ihn sich einigermaßen gerade hin zu stellen.
Er sah dem Tod in die Augen, als er den Kopf hob. Drache…
Weiterhin zuckten seine Lippen neckisch, während er sein Mahl nicht einmal unterbrach, trotz der armselig stinkenden Gestalt dort vor seinem Tisch. Sein kastanienbraunes Haar wehte sanft im umherziehenden Wind des sich aufbäumenden Herbstes, während seine Krone kurz ruckte, als er den Kopf eine Winzigkeit senkte.
Sie drehten ihn herum. Hin zum Wald. Ein Wald ohne Blätter… schoss es ihm durch den Kopf. Sein Verstand nahm kaum mehr auf, welch Anblick sich ihm bot. Sperrte die Tatsachen aus, während sie ihn zu einem der letzten freien Bäume in vorderster Front brachten.
Der blanke Stamm rußgeschwärzt gen Himmel gerichtet, nur die Krone ein wenig spitz zulaufend, ja abgerundet und glänzend im Licht des unstet schimmernden Lichtbündels, das sich kaum durch die grauen Wolken zu kämpfen vermochte.
Zu beiden Seiten des Baumstammes gab es kurze Trittleitern, gerade hoch genug. Sie hatten ihn noch immer in ihrer Mitte, nun jedoch zeigte sein Gesicht zu jenem Fürsten, der sich dort unten den Wanst voll schlug.
Sein Körper war nicht länger schwer und zäh wie einst, wurde beinah wie eine Stoffpuppe in die Höhe gehoben. Der Geruch von faulendem Fleisch umwehte ihn, gurgelnde Schreie bohrten in seine Ohren, ungesehen, ungehört konzentrierte er all seine Gefühle ein letztes Mal. Wissend, seinem Schicksal nicht entrinnen zu können, während er höher und höher gehoben wurde, ehe sie ihn oben auf setzten und er mit aller Macht spürte wie es ihn aufspreizte. Durch das Öl rutschig geworden, das Eindringen erleichtert krachte sein Beckenknochen schon jetzt bedrohlich.
„Zum Teufel sollst du fahren! Vlad Tepes!“, schrie er mit aller Kraft, ehe ihn der unvergleichliche, bohrende Schmerz den Verstand raubte, seine Welt in reiner, gleißender Agonie verging und er zu einem weiteren Baum unter Zehntausenden wurde.
Und er aß vergnügt weiter, der Drache.
Genoss den Ausblick.
Auf seinen Wald ohne Blätter.