GeisteskrankheitMordSehr Lang

The crazy photographer

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Vorwort

Die Geschichte des „crazy photographer“ (zu deutsch – der verrückte Fotograf), ist eine Erzählung von einem anfangs recht normalen Typen, der gerade seine Ausbildung zum Fotografen abgeschlossen hat und Jahrgangsbester seiner Abschlussklasse war. Entsprechend konnte er sich was darauf einbilden, dass jede Menge Leute nach seiner Handwerkskunst fragten. Er beschließt sich selbstständig zu machen und eröffnet inmitten einer Großstadt sein Geschäft. Es scheint alles gut zu gehen, bis eines Tages etwas passiert, was sein ganzes Leben und das Leben seiner Mitmenschen für immer verändern wird. Er wird zum „crazy photographer“

=Folge 01=

#1 – Sehnsucht nach dem Unrealen

Der Morgen erwachte. Es war ein kalter, trister und grauer Morgen. Ich hasste solche

Tage. Meist können sich
Menschen nicht aufraffen etwas zu unternehmen und trauen sich nicht, vor die Tür zu treten, um eben irgendwohin zu fahren. Ebenso solche, die ein Fotoshooting gebucht hatten und mein Studio in der Bismarckstraße aufsuchen wollten. Die Betonung liegt hierbei auf „wollten“. Die Lustlosigkeit überkam meinen Kunden wohl zu schnell und kurz vor dem eigentlichen Termin hatte er nun seinen Auftritt bei mir… abgesagt. Ich hasste es! Nicht, dass die Arbeit interessant gewesen wäre. Es war auch mehr eine alltägliche Handwerksarbeit meiner Portraitfotografie. Meist sind die Menschen, die zu mir kommen eben ältere Herrschaften, die Bilder für ihre jüngeren Verwandten anfertigen ließen. Ich bot alles mögliche an, doch an der Portraitfotografie bin ich hängengeblieben. Es ist die einzige Möglichkeit, noch dauerhaft Kunden an sich zu binden. Meine wahre Leidenschaft lag allerdings in anderen Bildern. Ich kam meist nicht dazu, dem nachzugehen. Vielfach war es so, dass eben diese grauen Tage dafür sorgten, dass ich meine Unternehmung planen konnte. Meine einzige wahre Leidenschaft! Das, was keiner vor mir gewagt hatte. Ein Quell wahrer morbider Kunst in Fotografie. Der Ursprung unserer menschlichen Existenz. Die Offenbarung eines unbekannten bizarren Entsetzens. Bisher waren es nur Phantasien gewesen. Habe sie noch nicht ausleben können. Der Alltag ließ mich immer vergessen; oder zumindest verdrängen. In ruhigen Stunden konnte ich dann entfernt daran denken. Ich wagte es nicht, meine skurrilen Ideen aufzuschreiben. Ein Besucher oder meine Nachbarn könnten diese schnell entdecken und dann wohl mehr oder minder meinen, ich würde ihren eigenen Untergang planen oder Schlimmeres vielleicht….. Es störte mich nicht, dass sie denken, ich sei nur ein harmloser, Mitte Zwanzigjähriger, aufstrebender Fotograf, der hier und da seine vollkommen günstigen Dienste anbietet. Wenn es soweit ist, dann kann es eh keiner verhindern. Wenn es soweit ist, dann habe ich sowieso die Grenzen durchbrochen. Die Grenzen des Ertragbaren, jedenfalls für die meisten Menschen da draußen. Langsam packte ich die Blitzanlage wieder in den Schrank, der mit allen möglichen Gerätschaften gefüllt war. Hier und da einige Kameras, nebst Blitzgeräten und Polfiltern. Dazu einige Stative für jeden erdenklichen Zweck. Outdoor oder Indoor… egal. Ich hatte mich auf vieles vorbereitet. Auch auf meinen Besuch, der wohl heute nicht mehr kommen wird. Gedankenverloren starrte ich auf meine Kamera. Sie war frisch aufgeladen und die Speicherkarte war noch jungfräulich.

So ist die Welt, denke ich bei mir, die Tüchtigen werden eben immer zu kurz kommen. Die Faulen werden sich immer wieder durchmogeln können und die Kranken werden ungehemmt das ausleben, was sie gerade wollen. Krank? Ich? Nein. Ich bin nicht krank. Sagen wir es mal so – ich war „anders“ – auf seltsame Weise zwar anders, aber eben anders. Ich denke selbst meine eigene Familie hatte Angst vor mir. Vielleicht sogar Panik. Ich fing an zu schmunzeln, als ich dies leise vor mich hin ausgesprochen hatte. Wisst Ihr…. ich redete meist mit mir selbst. Auf diese Weise kann ich sichergehen, dass wenigstens einer meiner Gesprächspartner intelligent ist. Ich lachte laut auf. Ja, das ist es! Meine morbiden Gelüste wachten endlich auf. Vielleicht würde es heute etwas mehr sein, als die jammervolle Phantasie, die zwar manchmal nützlich ist, aber dennoch nicht zum Ziel führt. Ich musste es eben wagen und dies werde ich auch. Ich nahm meinen Rucksack, der neben dem Schrank auf dem Boden lag und packte meine Kamera dort ein. Dann schnappte ich mir ein Stativ und zog mir meine Lederjacke an. Der Zeitpunkt war da – und ein geeignetes Motiv wird sich sicher finden lassen.

#2 – Ein Motiv, um es zu knechten

Es wurde langsam Nacht. Eine dunkle Gasse. Regen kam auf. Jeder meiner Schritte hallte durch die dunklen Häuserschluchten. Es ist eines der Viertel, das Menschen beherbergt, die keiner vermissen würde, wenn diese fehlen und nicht mehr zur Arbeit erscheinen, wenn sie überhaupt einer nachgehen. Es ist der sogenannte Abschaum der Gesellschaft. Typen mit Problemen, die in der feinen Gesellschaft nicht vorkommen. Albträume die keine guten Häuser berühren. Gossenkinder, Junkies und Prostituierte. Letzteres wartend in der Kälte, angelehnt an einer Laterne, die ein warmes Licht ausstrahlt. Ihr Gesicht sah traurig aus. Sie hielt eine halb abgebrannte Zigarette in den Händen.
Als sie mich bemerkte, blickte ich in ihre traurigen Augen, die schon seit Tagen keinen Schlaf mehr gefunden zu hatten. Es war ein Gefühl von Freude in mir. Die merkwürdige Mischung aus Euphorie und Anspannung, was mich innerlich zittern ließ. Meine Kamera hatte ich noch im Rucksack, diese sollte später zum Einsatz kommen, wenn mein Werk fast vollendet war. Doch vorerst musterte ich ihre Erscheinung. Sie fragt mich etwas – es drang an meine Ohren nur schemenhaft. Ich sollte vielleicht auf ihre Frage antworten. Ich wartete ab. Vielleicht wirkte ich dadurch interessanter. „Hey Junge! Was starrst Du so?“ „Meinst Du mich?“, fragte ich geistesabwesend. „Ist doch sonst keiner hier. Hast was getrunken?; oder warum hast du so einen müden Blick drauf?“ Ich antwortete nicht auf ihre Fragen. Mir war eigentlich egal was ich Ihr zu sagen habe. Sie ist für mich eher ein Objekt, wo jegliche Menschlichkeit verschwunden war. Einen Schritt näher, sie wich zurück. Ich konnte ihre Angst spüren. Wie ein Raubtier umkreiste ich ihren Körper, der noch immer von der Laterne angestrahlt wurde. Mein Blick wich nicht von ihr. Sie dachte wohl was für ein armer Irrer ich wohl sein mag. Soll sie nur. Es würde das letzte sein, was sie denkt. Es würde der letzte Moment sein, den ich noch vollkommen unschuldig sein werde. Der Moment für mein erstes morbides Motiv.

„Sag mal – Was soll das?!“, sie hatte wirklich Angst. Ein weiterer Schritt näher… Ich legte meine Hände ruckartig um ihren Hals. Ich konnte förmlich ihre Kehle zerdrücken und genieße es, ihre Versuche zu Atmen zu spüren. Ihre Augen traten langsam hervor. Jeder Schrei ging über in einem undefinierbaren, gurgelnden Geräusch. Ihre Zunge trat vor und wenige Augenblicke später erschlaffte ihr wohlgeformter Körper. Ich ließ ihren Hals los; Irgendwie fühlte sich dieser erschlafft nicht mehr so toll an. Es widerte mich förmlich an. Die Schlampe lag nun vor mir auf den vom Regen benässten Asphalt. Ich zog ihren Körper weg von diesem Licht. Keiner sollte es sehen, wenn ich es mache. Ich wollte ungestört sein. Keiner sollte meine Arbeit stören. Keiner sollte meine Kunst unterbrechen. Als ich in einem dunklen Häusereingang alleine mit meinem Motiv war, holte ich meine Kamera aus dem Rucksack und stellte meinen Blitz ein. Noch ein Reflektor und das ganze Set war fertig. Ihre Augen waren noch immer geöffnet – Perfekt! Das Abbild des Todes, geprägt in das Gesicht einer verbrauchten Seele. Ihre ansprechenden Kurven verschönerten enorm die traurige Szenerie. Ich versuchte Ihr Gesicht im kaum vorhandenen Licht einzufangen. Es gelang mir – Der Blitz erhellte den Schauplatz des Todes. Ich war ein wenig stolz auf mich. Schade, dass ich hier so schnell arbeiten musste. Im Studio wäre es angenehmer gewesen. Das dachte ich so bei mir und verstaute schnell meine Kamera in den Beutel und schaltete auch meinen Blitz wieder aus. Ich fing an zu realisieren, was eben passiert ist. Das Foto konnte ich nicht einfach ins Netz laden. Es wäre eine zu gute Spur zum Mörder dieser „Tussi“. Spätestens morgen würde sie jemand finden. Dann sind die Zeitungen und Radiosender voll davon. Ich sah schon die Schlagzeilen vor mir. „Unbekannte Leiche in der Nordstadt gefunden.“ So hatte ich nun meinen ersten Mord begangen. Ich konnte noch das Adrenalin in meinem Körper spüren. Es war ein tolles Gefühl. Noch mehr begeistert war ich von dem Foto, was ich angefertigt hatte. Das Bildnis des Morbiden. Ein Augenblick – für die Ewigkeit festgehalten. Doch leider konnte es noch keiner sehen. Wenn ich dies auf meine Homepage packe, dann werden die Bullen mich bestimmt schnell finden und dann kann ich meine Kunst nicht weitermachen. Es muss was anderes her! Ich dachte das „Deepweb“ wird mir dabei behilflich sein. Ich musste nur noch einen Weg finden, wie ich dort eine neue Homepage integrieren konnte. Ich verwarf meine Gedanken schnell wieder und beschleunigte meine Schritte. Der Regen wurde stärker. Ich knöpfte meine Jacke zu und verließ den Ort des Geschehens. Die Lust ist gestärkt worden – Vielleicht sollte ich diese Eindrücke intensivieren. Ein Donner war in der Ferne zu hören – Eine erfolgreiche, aber verregnete Nacht ging weiter dahin… Eine Nacht meines Schaffensdrangs, der noch mehr erreichen wollte.

=Folge 02 – grausame Vorbereitungen=

Prolog

Ein Kunde der „gute“ Fotos haben wollte. Wie jeder, der zu mir kam. Meist langweilen mich „normale“ Fotos. Es waren eben Werke, die Handwerklich vielleicht weiterbringen – jedoch in der Kunst nichts weiter gewinnbringend waren. Ich wollte den Horror aufs Bild bannen. Das Entsetzen meines eigenen Geistes. Den Alb des Perversen. Das Grauen aus Farbe und Motiv – die Manifestation des absoluten abartigen Entsetzens. All das, was ich in meiner Seele empfand… Doch was war dies genau?
Angst gehört zu meinem Alltag. Angst durchströmte meine Seele. Angst war mein ständiger Begleiter. Manchmal stellte ich mir einen dunklen Schäferhund vor, der mich auf meinem Weg, den man Leben nennt, begleitete und jeden Fehltritt mit einem Knurren beachtete. Die Stunde kam näher – der Kunde kommt…. Ich werde diesmal nicht nur „gute“ Fotos machen – „Gut“ ist was für Anfänger. Diesmal würde es eines meiner Vorstellungen geben – etwas, was das Grauen in den ewigen Schatten stellt. Diesmal würde ich es erschaffen, das endlose Entsetzen meines ängstlichen Geistes.

#1 – Verborgener Ruhm

Ich mochte immer männliche Motive. Wobei auch Frauen gern gesehen waren in meinem Studio. Die letzte Nacht lag mir noch in den Knochen und ich konnte leicht benommen den Lokalteil der Radionachrichten verfolgen.
Man hatte das Mädchen gefunden. Dabei war sie bestimmt schon Anfang zwanzig gewesen. Im Radio hatte man um Mithilfe gebeten. Ich musste dabei leise kichern; in der Nordstadt sind viele Menschen, die sich einen Dreck um ihre Nachbarn, geschweige denn sich um irgendwelche Huren kümmern.
Es ist ein Ort der Anonymität, der Abgeschiedenheit inmitten der Großstadt.
Als ich mir meinen morgendlichen Kaffee machte, überlegte ich eine Kleinigkeit. Zwar war ich dunkel gekleidet gewesen, doch mein Gesicht war noch als solches zu erkennen. Die Schlampe hatte mich als „Junge“ bezeichnet. Es stimmt schon, dass ich jünger aussehe, als ich in Wirklichkeit bin, doch sie erkannte mich zweifelsohne als jungen Mann. Es musste etwas anderes her. Ein Kapuzenpullover würde hier nicht reichen. Außerdem sollte ich, wenn ich es noch einmal machen sollte, vorsichtiger sein. Es hätte mich jemand dabei beobachten können und dann? Die Zeitung hätte fein säuberlich ein Phantombild anfertigen können. Wenn es soweit ist, dann dauert es nicht mehr lange und die Bullen kreuzen auf und dann… Ich verwarf den Gedanken schnell wieder. Es ist gut, versuchte ich mir selbst einzureden, es ist gut, sie werden dich nicht finden und keiner hat etwas gesehen. Eine Stimme, die mir gut zuredet. Na toll. Werde ich nun auch noch verrückt?
Der Kaffee schmeckte mir nicht. Viele Gedanken gingen mir durch den Kopf, keiner davon war sehr erheiternd. Ich hatte es zwar getan, doch wofür eigentlich? Es war nur eine kurze Befriedigung meiner Arbeit. Ein kurzes Vergnügen. Ein kleiner „Snack“ für meine Sinne, die für kurze Zeit in Euphorie gefallen sind.
Vielleicht sollte ich das angefertigte Foto auf meinen Rechner laden. Schließlich habe ich diese Schlampe nur deswegen getötet, weil ich ein Bild von ihr haben wollte, wie sie soeben gestorben ist. Die Ästhetik des Todes ins Bild gebrannt, dafür lohnt es sich zu leben und zu töten.
Mit einem Gefühl der Vorfreude auf das, was da noch kommen mag, schob ich die Speicherkarte in den Rechner und lud meine Bildbearbeitungssoftware.
Das Foto erschien und ich betrachtete es genauer. Eigentlich schon ganz ordentlich. Doch irgendwie sah die Leiche nicht so aus, wie ich es wollte. Die Belichtung war erstklassig. Man konnte alles sehen – ihre geöffneten toten Augen, wie sie ins Leere starrten. Ein schöner Anblick. Wenn man nicht gewusst hätte, dass sie schon tot daliegt, hätte man annehmen können, dass sie gerade in diesem Moment für dieses Bild posiert. Ich kicherte abermals und freute mich so.

Ich war froh, ein Bild des mir so geliebten Todes in Händen zu halten und das Beste war, ich hatte diesen Tod herbeigeführt, um für mich zu Modeln! Ich war der Fotograf, der diese Prostituierte auf dem Gewissen hatte und jetzt liegt ein außergewöhnliches Kunstwerk vor mir! Zwar war sie noch sehr jung, doch ihre Augen verrieten schon, dass sie süchtig war.
Ihre Augenringe waren selbst im Tode noch gut zu erkennen, wenngleich ihre entspannten Gesichtsmuskeln ihr ein gelassenes Aussehen verliehen. Im Grunde konnte sie froh sein, noch zu einem bedeutenden Bestandteil meines Werkes gewesen zu sein.
Die Bearbeitung des Bildes war abgeschlossen und ich blickte auf ein übermächtiges Bildnis einer Leiche. Leider wird es sonst keiner zu sehen bekommen. Es sei denn, ich finde einen Weg es absolut anonym ins Netz zu stellen. Doch vorerst muss ich mich um was anderes kümmern – Etwas, was ich schon letzte Nacht hätte dabei haben sollen.

#2 – Die Maske

In dieser Stadt gab es an jeder Ecke groteske Läden mit allerlei komischen Zeug. Wenn man was in dieser Metropole nicht finden konnte, dann existierte es auch nicht. Bin früher gerne in die Einkaufsstadt gegangen. Viele Leute getroffen – einige hatten sich dann auch in mein Studio verirrt. Flüchtige Bekanntschaften, nichts weiter.
Der Regen von gestern hatte aufgehört. Es war mitten im Oktober und meist waren die trockenen Zeiten nur kurze Augenblicke am Tage. Schnellen Schrittes lief ich durch die Fußgängerzone. Ich hatte ein Ziel; es war mir bekannt.
Der Horrorladen am Ende der Lessingstraße. Der Besitzer sah so aus, als wenn er selbst aus deiner Geisterbahn entsprungen wäre. Halbglatze, große Tränensäcke und eine wulstige Unterlippe, die immer zu zittern schien. Einen langen weißen Rauschebart, dazu eine kleine Nickelbrille, die er immer lässig auf die Nasenspitze trug. Mit einem gekünsteltem Lächeln begrüßte er mich überschwänglich, scheinbar hatte er nicht viele Kunden am Tage. Jedenfalls nickte ich ihm zu und er fing an zu zwinkern:
„Na, junger Mann, suchen Sie was Bestimmtes?“ Er fing wieder an zu lächeln.
„Nein, ich sehe mich nur mal so um.“
„Aha, verstehe“, erwiderte er freundlich, „…Wenn ich ihnen helfen kann, dann lassen Sie es mich wissen, Ok?“
„Ja, werde ich machen. Vielen Dank auch…“, ich machte auf den Absatz kehrt und ging in dem hinteren Teil des Ladens, dort, wo all die Horrormasken zu finden waren.
Freddy Krüger, Jason und dutzende anderen Masken konnte ich entdecken. Das Regal schien nie enden zu wollen und mir fiel die Wahl sichtlich nicht einfach.
Der sonst schon verstaubte Laden offenbarte unter dieser, sagen wir es mal so, „Schmutzschicht“ das eine oder andere Schätzchen. Ich musste meine Maske finden, schoss es mir durch den Kopf. Sie sollte schon ein Massenprodukt sein. Sie sollte auch schon vielfach verkauft worden sein.
Ich wäre ja schön bescheuert, wenn ich mir eine Maske aussuchen sollte, die kaum jemand gekauft hatte. Ebenso wie das Internet, verbirgt sich hier das Risiko, dennoch entdeckt zu werden. Mein Widersacher, die Polizei, könnte schnell herausfinden, wo eine seltene Maske in letzter Zeit gekauft worden ist. Zum Glück hatten wir bald Halloween. Ein Fest, das ich schon als Kind sehr gemocht hatte. Das Verkleiden, die Süßigkeiten, das Makabre und Morbide waren immer schon meine Welt. Ich grübelte weiter. Die Suche schien nie ein Ende zu finden. Es schien mir entweder zu Klischeehaft, Stichwort Horrorclown oder einfach zu aufwendig. Ich möchte auf meiner Jagt nach perversen, morbiden Fotos nicht lange eine Maske anpassen müssen. Sie sollte einfach zu entfernen sein und schnell wieder aufgesetzt werden können.
„Haben Sie noch kein Glück gehabt, junger Mann?“
Ich wirbelte herum. Hinter mir stand der alte Ladenbesitzer. Seine großen Augen blickten mich vergnügt an. Er hatte mich mit voller Absicht aus meinen Gedanken gerissen.

„Was?! Hmmm, oh ja… Die Auswahl ist hier doch sehr groß.“, stammelte ich vor mich hin.
Der alte Mann lachte laut auf und blickte sich freudestrahlend um.
„Ja… Ja, das ist wahr. Die Auswahl. Ein komisches Ding, nicht? Eigentlich suchen Sie eine Maske, doch sie sollte nicht gleich auffallen, oder? Sie sollte leicht sein und leicht wieder abzunehmen sein. Hmmm, nun, auch keine Clownsmaske. Ja, das kenne ich nur zu gut.“
Hatte der Alte meine Gedanken gelesen?! Wenn dem so ist, konnte er auch meine Gedanken davor lesen? Wer oder was war dieser alte Mann? Verflucht… Ich werde schon paranoid. Er kann eigentlich meine Gedanken nicht lesen. Das kann kein Mensch! Oder doch!
„W-woher wissen Sie…“
„…das mit der Maske?“, beendete er meine Frage. „Sie haben mit sich selbst gesprochen, junger Mann. Ich denke, das tun sie schon, ohne es zu merken.“
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Der Alte hatte mich wohl leise sprechen hören, als ich noch auf der Suche war. Er konnte also tatsächlich nicht meine Gedanken hören.

Nach einem kurzen Räuspern fuhr er fort:
„Wissen Sie… Ich habe genau das Richtige für Sie. Eine leichte, nicht klischeehafte und leicht abnehmbare Maske – Sie war schon immer mein Verkaufsschlager.“
Sehr gut – der Alte verstand sein Geschäft. Jedenfalls ging er in einen Nebenraum und ließ mich für kurze Momente alleine. Als er wieder zurück kam, präsentierte er mir eine Gesichtsmaske. Sie war schlicht, aber auch schön anzusehen. Die Grundfarbe war ein schimmerndes Violett, worauf lauter Kreuze abgedruckt waren.
Für Nase, Mund und Augen waren Öffnungen ausgeschnitten. Kein weiterer unnützer Schmuck. Mit einer langsamen Handbewegung legte der alte Ladenbesitzer die Maske in meine Hand.
„Fühlen Sie die Maske?“ Er kicherte leise.
„Sie ist so… ist so leicht… Aus welchem Material ist sie?“

Der Mann nahm seine Brille ab und musterte mich eindringlich.
„Sie ist aus beschichtetem Papier. Doch keine Angst – sie können Sie auch im Regen tragen. Sie ist nahezu unverwüstlich und sicher auch ihr Geld wert.“
Perfekt! Dachte ich bei mir. Es war die Maske, die meine Opfer als einziges und letztes sehen werden. Es war ein diabolisches Symbol für den Mörder, der seine Opfer für die höhere Kunst richten wird. Fast geistesabwesend blickte ich auf meine neue Errungenschaft. Der Alte ging in den vorderen Teil seines Ladens. Ich folgte ihm, wie ein domestizierter Kater, der sich auf sein Fresschen freut.
Als ich den angegebenen Betrag ohne viel Murren bezahlte und mich verabschieden wollte, packte mich der Alte am Arm und zog mich näher zu sich.
Was zur Hölle war jetzt los mit ihm!
Sein stechender Blick traf meine erschrockenen Augen und wir starrten uns gegenseitig an – noch nicht einmal eine Handbreit passte zwischen unseren Gesichtern. Ich konnte seinen Atem auf meinen Lippen spüren und war wie paralysiert. Es schien Minuten zu vergehen, eine halbe Ewigkeit, bis der Ladenbesitzer endlich anfing zu sprechen:
„Pass auf dich auf Junge – hörst du!? Ich habe mehr von dir Gehört, als andere es jemals wissen sollten. Hör mir gut zu, David… Mord ist ein schlimmes Geschäft. Ich bin alt genug, um dies zu wissen. Lass dich nicht erwischen… Hörst Du?!“
Wie gebannt starrte ich dabei in seine stahlgrauen Augen. Seine dicke Unterlippe bebte dabei noch stärker als sonst, als er diese Worte sprach.
Er weiß es! Er weiß viel über mich! Verdammt! War ich wieder zu viel mit mir selbst beschäftigt? Was wird er jetzt tun?
„Sie… Sie sagen es doch keinem, oder? Ich bitte Sie… sagen Sie es keinem!… “
Seine Hand lies meinen Arm los, den ich darauf ruckartig zurückzog. Sein Blick wurde wieder sanfter und er setzte seine Brille wieder auf.
„David. Wenn ich es gewollt hätte, dann wärst du nicht mehr in Freiheit – Mehr musst du jetzt nicht wissen… Und jetzt gehe deines Weges!“
Ich war wie benommen, als ich wieder draußen auf der Straße stand. Eine starke und kalte Brise peitschte mir ins Gesicht. Was war hier geschehen? Wer war dieser alte Mann? Ich hielt noch immer die Maske in Händen. Schnell versteckte ich diese unter meine Lederjacke, als ich mich auf dem Weg in mein Studio machte. Es würde ganz sicher die nächste Nacht kommen und dieses mal bin ich besser vorbereitet.
Eines sollte ich mir jedoch abgewöhnen – Das „mit mir selbst“ zu sprechen, könnte noch mein Untergang sein, der, so hoffe ich, noch lange auf mich warten wird.
Epilog
Wenn ich aus dem Fenster sah, erblickte ich eine Fabrik. Eine einzige Fabrik inmitten der Natur. Abends um diese Zeit waren da meist Arbeiter zu geben, die noch schnell die letzte Schicht des Tages hinter sich bringen wollten. Ich sah ihnen zu und dachte mir dabei, was das ganze eigentlich soll? Einen Tag Arbeit – einen müden Lohn – eine schwere Arbeit – für noch weniger Lohn. Manche gaben sich damit zufrieden; ich wollte mich damit nicht zufrieden geben.
Mein Blick schweifte ab. Wenn ich an die Lage dieser Arbeiter dachte, werde ich nur noch deprimierter. Ich war keineswegs alt, doch alt geworden. Erfahrener? Ja, schon… Reifer? NEIN… Ich wollte meine Jugend bewahren, doch die Jugend verlässt mich. Man wurde eben alt – Sah in den Spiegel und erkannte mich zwar noch, aber mein Aussehen hatte nicht mehr die Frische eines 15-jährigen. Man war älter geworden.
In mir brodelten Ängste. Verflucht mächtige Ängste – merkbar, makaber und immer da, so wie der Tod selbst. Dieser war immer der ständige Begleiter. Er war immer da. Er wird dich beobachten; sehen, was du tust.

Dann gab es das Leben, das immer an dieser Stelle vergänglich ist. Dieses festzuhalten, war meine Aufgabe. Den Übergang festzuhalten. Den Übergang von Leben und Tod. Die Schönheit des Todes, gepaart mit der Frische des Lebens. Der ewige Kreislauf, festgehalten in einem Bild.
Mir war schon klar, dass ich keine Leichen ausbuddeln durfte oder konnte, nur um eben ein Foto davon zu erstellen. Habe mal beim Krankenhaus nachgefragt – Leider haben die wohl gemeint, ich hätte Nekrophilie oder dergleichen.
Doch woher sollte man solche Aufnahmen herbekommen? In diesem Moment, wo man darüber nachdachte und sich tief versunken in die einsamen Stunden flüchtete, merkte man urplötzlich einen unstillbaren Drang danach, etwas vollkommen abnormes zu unternehmen. Das Festhalten den Augenblick des Überganges. Das Herbeieilen eines wichtigen Faktors in meinem Leben.
Ich beobachtete weiterhin diese Arbeiter. In der einfachen Fabrik irgendwo auf dem Lande. Keiner von denen machte sich Sorgen über den nächsten Tag, ob sie diesen noch erleben würden oder ob sie morgen noch Arbeit hatten. Ich lächelte in mich hinein. Meine Gedanken erfreuten sich über ein fiktives Szenario. Wird es fiktiv bleiben? Ich wiederholte leise diese Worte: Keiner von denen machte sich Sorgen über den nächsten Tag, ob sie diesen noch erleben würden… Dann fügte ich noch leise flüsternd, kaum hörbar einen Satz hinzu: … dabei hätten sie allen Grund dazu…

=Folge 03 – Blutiges Shooting=

#1 – Schwierige Models

„Nun halte endlich still verdammt!“, rief ich dem Arbeiter entgegen, der sich momentan auf dem Stuhl in meinem Studio vor Schmerzen krümmte.
„Ich habe sonst viel zu viel Bewegungsunschärfe im Bild, bei der enormen Belichtungszeit!“
Der Arbeiter schien meine Anweisungen zu ignorieren. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass dieses ganze Unternehmen in die Hose ging.
Es war gestern Abend gewesen. Ich hatte mich mit einem Baseballschläger bewaffnet und meine Maske, nebst Kapuzenshirt und dunkler Hose angezogen und mich zu dieser einen Fabrik geschleppt.
Es war gerade die Spätschicht in der Firma und irgendwie hatten alle viel zu tun. Mich hatte man kaum bemerkt, was auch verständlich war, da ich mich meist im Schatten der einzelnen Gebäude befand.
Der eine junge Typ, der gerade den Stapler abgestellt hatte, war so in meinem Alter, das heißt Mitte zwanzig, rauchte genüsslich eine Zigarette und hielt einen kleinen Plausch mit seinem Kollegen, der ihm einen Zettel überreichte, worauf wohl so etwas wie eine Arbeitsanweisung stand.
Als der ältere Kollege dann wieder zurück in das angrenzende Hauptgebäude gegangen war und den jüngeren Kollegen alleine ließ, nahm ich all meinen Mut zusammen und schlich mich nah genug an mein Opfer heran, um ihn mit einem beherzten Schlag auf dem Hinterkopf „auszuschalten“.
Es war nicht sonderlich schwer, ihn zu meinem Wagen zu schleifen, der um die Ecke geparkt war. Ich konnte nur hoffen, dass mich keiner der anderen Arbeiter gesehen hatte. Kurzum – es war das Werk eines Augenblicks. Der bewusstlose Junge mit dem blonden Haaren und tiefliegenden Augen würde nun eines meiner weiteren Models sein. Ihr versteht das sicher, dass ich ihn nicht einfach so fragen konnte. Wie fast jeder, den ich auf der Straße wegen einem Shooting angesprochen hatte, war eher dazu geneigt abzulehnen und Ablehnung konnte ich mir nun nicht mehr leisten.
Das schwerste war eigentlich ihn wieder aus dem Auto zu bekommen, ihn in die Wohnung zu schleppen und auf den Stuhl zu fesseln. Meine Knoten sind nicht die besten und ich stelle mich, zugegeben, etwas dämlich dabei an.
Als ich den Typen dann auf den Stuhl fixiert und mein Studioset aufgebaut hatte, kam mein Opfer langsam aber sicher wieder zu sich.
Ein leichtes Stöhnen und mehr nicht. Scheinbar hatte ich ihn härter mit dem Schläger getroffen, als befürchtet. Aktennotiz: Etwas sanfter zuschlagen.
Es dauerte eine weitere Stunde, bis er überhaupt fähig war meine Worte aufzunehmen.
Die Studioblitze waren eingestellt. Die Kamera aufgebaut. Es konnte eigentlich losgehen. Als er seine Augen öffnete fing mein unfreiwilliger Gast an zu labern.
„Wo bin ich?! Was soll das?? Was zum… mache ich hier?“
Ich trat ins Licht und baute mich direkt vor ihm auf, noch immer meine Maske im Gesicht. Es war eigentlich sinnlos. Lebend würde er diese Räume nicht mehr verlassen. Ich war wohl ein wenig zu vorsichtig, doch sicher ist eben sicher.
„Halt deine Fresse. Du bist hier, damit ich meine Kunst verfolgen kann!“
„Was?“
„Rede ich zu undeutlich? – Du sollst einfach die Fresse halten! Ich versuche hier zu Arbeiten.“
Er starrte mich aggressiv an. Ihm war die ganze Angelegenheit sehr unangenehm. Es war auch verständlich. Gefesselt an einem Stuhl, mit einer Kopfwunde in einer vollkommen unbekannten Umgebung aufzuwachen, war zugegeben, nicht sonderlich schön. Doch nun wurde er vollends wach und beschimpfte mich mit Ausdrücken, die selbst Donald Trump in den Schatten stellen würden.
„Hast Du sie noch alle?! Du Arschloch! Lass mich sofort wieder frei. Verficktes gestörtes Schwein, Wichser!“
Das hätte er wohl gerne. Ich glaube nicht, das er diesen Abend noch überleben wird. Ich hatte mich nämlich schon vorbereitet, ihn mit einigen Gegenständen zu bearbeiten.
Skalpelle, Küchenmesser und Geflügelschere – dreimal dürft ihr raten, wofür das alles ist.
Bei seinen Beleidigungen wäre es wohl am besten ihm seine Wangen einzuritzen, damit er erst einmal nichts mehr sagen kann, ohne endlose Schmerzen zu spüren.
„Wenn du dich nicht beruhigen willst….“ fing ich meinen Satz an, „… muss ich Dir wohl jetzt weh tun.“
Mein unfreiwilliges Arsch von Model wurde bleich, als er sah, dass ich das Skalpell nahm und langsam auf ihn zu schritt. Es war der Moment, wo meine Gefühle einen unendlichen Triumph verspürten. Der Moment des bevorstehenden Schmerzes. Der Tod als Bildnis was ich einzufangen versuchte.

#2 – Blut, Schweiß, Tränen

Es war schon schwierig ihm die Wangen einzuritzen. Ich wollte ein Glasgowsmile ins Gesicht zaubern. Doch dieser Bastard hatte sich immer vor Schreck und Nervosität bewegt, sodass mein Schnitt nicht ganz meinen Vorstellungen entsprach. Hätte ihn am besten wieder bewusstlos schlagen sollen. Ich mag es einfach nicht, wenn mir etwas nicht zu hundert Prozent gelingt. Es stört die Harmonie des Bildes. Das ganze Konzept gerät in Gefahr.
Sein Schreien war ohrenbetäubend, dennoch fing er sich überraschend schnell wieder. Eine Mischung aus Blut und Speichel lief ihm aus den Mundwinkeln. Eigentlich widerlich. Aktennotiz: Zeitungspapier beim nächsten Mal auslegen, bevor es losgeht.
Als nächstes nahm ich mir die Nasenspitze vor – es sollte so eine Mischung aus Clown und verrückter Irrer sein. Ein authentisches Foto; vielleicht so etwas mörderisch, blutiges. In Anbetracht das dieser Typ gerade meinen Teppich einsaut, kann es durchaus vorkommen, dass es schon ins abartige gerät.
Ich schnitt mit dem Skalpell seine Nasenspitze ab. Blutete wie Hölle – keine Ahnung was ich sagen soll. Meine Finger sind jedenfalls von Blut besudelt worden.
„Na toll,“ sagte ich, mehr zu mir selbst „jetzt muss ich mir erst einmal die Hände waschen.“
Er lässt nur ein unverständliches Stöhnen, gepaart mit einem leichten Gurgeln verlauten.
Ich ging ins Badezimmer und wusch mir oberflächlich meine blutenden Hände. Wieder einmal eine Aktennotiz: Benutze Latexhandschuhe beim nächsten Mal.
Das Shooting sollte jetzt losgehen, habe schon viel zu viel Zeit mit den Verstümmelungen verschwendet. Zeit die Kostbar war.
„Nun halte endlich still verdammt!“, rief ich dem Arbeiter entgegen, der sich momentan auf dem Stuhl in meinem Studio vor Schmerzen krümmte.
„Ich habe sonst viel zu viel Bewegungsunschärfe im Bild, bei der enormen Belichtungszeit!“
Der Arbeiter schien meine Anweisungen zu ignorieren. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass dieses ganze Unternehmen in die Hose ging.
„Es hat ja keinen Zweck!,“ stellte ich resigniert fest. „du bist mir viel zu unruhig. Es geht hier um ruhige Stimmung! Du verstehst es nicht! Halte endlich still!!“
Aus seinem Schreien konnte ich nun einige verständliche Worte hören:
„Du krankes Arschloch! Ich bringe dich um! Du bist nicht ganz normal im Kopf, perverses Schwein!“
„Mag sein.“ antwortete ich ruhig. „doch dieses perverse Schwein hat eben die Kamera in der Hand und wir sind in MEINEM Studio. Verstehst Du das? Du armseliges Gewürm.. Ich bin der Boss hier!“
Mit diesen Worten machte ich die ersten Fotos. Sein schmerzverzerrtes Gesicht mit einem Anflug von Erstaunen über meine Sätze, war es mir wert diesen Augenblick festzuhalten. Leider etwas verwackelt. Er hält nicht still, hört mir nicht zu. Was soll ich damit anfangen?
„Jetzt kommt der Moment, wo Du dein Leben verlieren wirst.“, sprach ich so aus, so als wenn es das normalste von der Welt wäre.
Er blieb stumm und starrte mich nur noch fassungslos an. Sein Blutverschmiertes Gesicht mit eingeritzten Wangen und abgeschnittener Nasenspitze blieb das erste mal an diesem Abend starr. Das zweite Foto! Nun war es nicht mehr unscharf. Es zeigte die einmalige Schärfe, die ich erreichen wollte. Ein tolles Bild!
Es hinderte mich nicht, ihm das Küchenmesser in die Brust zu rammen. Natürlich hatte er noch im Moment meiner Tat um sein erbärmliches Leben gebettelt. Doch ich musste es einfach durchziehen. Er sollte nun meinen letzten Akt darstellen. Der Akt des Todes. Ein Festival der bildlichen Sinne. Die bildliche Darstellung einer Leiche, blutverschmiert, gepeinigt und mit einem übergroßem Küchenmesser in der Brust.
Diesmal sind die Augen geschlossen. Beinahe schon friedlich sieht er aus. Seine Verstümmelungen traten in den Hintergrund. Weitere Fotos entstanden.
Ich löste die Fesseln. Er kippte vorne über – ich hielt ihn fest. Es tat mir schon beinahe leid, dass er nun tot vor mir lag. Er sah noch sehr jung aus. Genau mein Typ – doch nun ist er tot. Vergangenheit. Ich machte ein weiteres Foto, wie ich seine Leiche in den Arm legte, stützend, helfend, so als wenn ich einen toten Freund in Händen halte und zu Grabe trug.
War fast schon traurig, dass es schon vorbei war. Ich räumte mein Studio auf und legte die Leiche in einen Schlafsack. Werde sie morgen in den Graben werfen.
Ich machte das Licht aus. War fast teilnahmslos und melancholisch. Es war viel zu schnell vorbei. Die Fotos werde ich morgen bearbeiten. Habe leider noch keinen Weg gefunden eben diese zu veröffentlichen. Der Teppich hatte leider viel Blut abbekommen. Ich denke die Tage mal darüber nach, wie ich damit fertig werden kann; momentan war ich sehr müde und unglücklich. Mein Drang war keinesfalls gestillt. Es war simpel. Zu einfach. Zu unspektakulär. Sei es drum; wenn die Fotos was geworden sind, dann bin ich ja beruhigt.
Aktennotiz: Das nächste mal mehr Zeit mit meinem Opfer verbringen, damit das Shooting vollends ausgekostet werden kann.

=Folge 04 – Vergangenheit und Menschenfeinde=

#1 – Der Tod in der Vergangenheit

Weiß blau sind nicht nur die Farben einer Fußballmannschaft, sondern auch die Farben des Todes. Der junge Arbeiter, ich habe ihn Bob getauft, lag nun im Schlafsack im Garten meines Studios. Im kalten herbstlichen Nachtwind schien es, als wenn seine Leiche immer mehr ins blaue überging. Ich dachte mir nichts dabei und ließ ihn alleine im Garten verrotten. Wenn er dann ein gewisses Verwesungsstadium erreicht hätte, könnte ich wenigstens noch dies mit meiner Kamera festhalten.
Anders als so mancher „Möchtegern Gruftie“ denken mag, ist eigentlich nichts ästhetisches am Tod selbst. Wir verelenden alle gleich, zerfressen von Fliegen und Maden irgendwo im Wald oder auf einem überfüllten Friedhof.
Die Verwesung ist meist davon abhängig wie kalt es ist und ob man noch von irgendwas konserviert wurde. Es würde aber bei Bob nicht so lange dauern, bis die ersten Fliegen ihre Eier in ihm ablegen werden. Spätestens wenn es wieder wärmer wird, könnte es gut sein, dass sein Gestank die Gegend verpesten würde.
Bestimmte Insekten und ihre Larven auf dem verwesenden Körper, würden ihn langsam aber sicher zersetzen. Ihr Entwicklungsstadium lässt einen ungefähren Rückschluss darauf zu, wie lange beispielsweise ein Mordopfer schon in einem Waldstück oder wie in meinem Fall, im Garten gelegen haben könnte.
Meine Gedanken drehten sich nun darum diese Leiche vollends loszuwerden. Doch wie sollte ich das anstellen? Ich hatte weder Chemikalien oder einen Hochofen, der einen Leichnam gänzlich vernichten konnte. Ich brauchte also von irgendwoher Hilfe, um eben Bob loszuwerden.

Mir kam da der alte Kostümladenbesitzer in den Sinn. Er hatte eine Ahnung davon, was ich hier tat und er gab mir irgendwie noch immer Rätsel auf. Es war schon eigenartig, dass er mich so sehr in die Augen starrte und meinen Namen wusste, den ich ihm nie genannt hatte. Etwas diabolisches lag in seiner Stimme und ich konnte das Gefühl nicht loswerden, dass er vielleicht einen Ausweg finden würde. Egal wie lange ich darüber nachdachte und bei jedem Gedanken das „Für“ und „Wieder“ abzuwägen versuchte, ich musste es wagen ihn abermals aufzusuchen.
Bob lag zu meinen Füßen. Sein blanker Oberkörper wurde im fahlen Mondlicht immer bläulicher. Sein verstümmeltes Gesicht war zum Himmel gerichtet. Es war schon bemerkenswert, dass so viel Ruhe in seinem Gesicht lag. Auch wenn wir verwesen werden, eine gewisse Ruhe strahlen alle Leichen aus. Stille, vollkommene Stille; mit einem Hauch von Friedlichkeit, die sich im Mondlicht einer nie zuvor dagewesenen Romantik darbot.
Armer Bob – dachte ich noch, als ich den Reißverschluss seines Schlafsackes betätigte und Seine Leiche vollkommen darin verschwinden ließ.
Ein letzter Blick. Ich mache auf dem Absatz kehrt und gehe zurück ins Haus. Ich muss noch den Teppich reinigen, bevor ich morgen zu den alten Ladenbesitzer gehe. Irgendwie sind meine Vorbereitungen sehr stümperhaft gewesen. Ich sollte schon aufpassen welche Schweinerei ich in meinem Studio veranstalte. Wird eine ganz schöne Arbeit werden. Wie man Blut vom Teppich reinigt, davon hatte ich bisher keine Ahnung gehabt. Muttern konnte das. Sie wusste immer Bescheid, wenn es darum ging, gewisse Gegenstände zu reinigen. Sie war eine tolle Frau gewesen.
Bis mein Vater sie aus einem Anfall von Eifersucht zusammengeschlagen hatte. Er hatte später der Polizei gesagt, dass es ein Unfall war. Ich war damals noch klein, also so zwölf oder dreizehn Jahre alt. Von mir wollte man die Wahrheit nicht hören.
Mein Vater wusste es ebenso wie ich, dass ich die einzig lebende Person war, die die Wahrheit kannte, dass eben ER sie auf dem Gewissen hatte.
Jeden Abend kam er zu mir. Sein Gestank liegt mir jetzt noch in der Nase, denn er trank übermäßig viel Whiskey, fast jeden Tag. Mit einem breiten, überlegenen Grinsen machte er mir jedes Mal klar, dass wenn ER nicht mehr sein wird, ich alleine wäre und wohl ins Waisenhaus müsste. Würde ich jemals ein Wort über diesen folgenschweren „Unfall“ verlieren, dann wüsste ich ja wohl was passieren würde.
Er machte mir absichtlich immer mehr Angst, als ich ohnehin schon hatte. Seine vom Alkohol glasig gewordenen Augen fixierten mich solange, bis ich ihn nicht mehr in die Augen sehen konnte. Ich hasste ihn! Er hatte meine Mutter auf dem Gewissen und das einzige was ihn davon abgehalten hatte, mich zu töten, war dass dies zu auffällig gewesen wäre.
Wenn ich meinen Blick abgewendet hatte fing er an hämisch zu lachen und beschimpfte mich mit den Worten: „Aus dir wird eh nix werden. Du elender Lappen! Kaum zu glauben, dass Du mein Sohn bist!“
Danach verließ er mein Zimmer, mehr taumelnd als richtig gehend – unter meiner Bettdecke liefen Tränen über mein Gesicht. Es waren die Tränen der Vergangenheit, einer schöneren Zeit. Erinnerungen. So wie meine Fotos.

#2 – Der mysteriöse alte Mann

Der Laden war, wie immer, leicht zu finden. Lessingstraße. Letztes Gebäude gleich links. Als ich den Laden betrat, konnte ich noch eine ältere Dame im hinteren Teil des Ladens erkennen. Sie suchte sich wohl was für ihre Kinder aus, die zu Halloween Süßigkeiten sammeln wollten. Der Alte stand neben ihr. Als er die kleine Türglocke hörte, blickte er auf und fing wieder an, dieses komische Grinsen an den Tag zu legen, offenbar erkannte er mich wieder.
Nachdem die fremde Frau ihre Artikel ausgesucht und bezahlt hatte und endlich den Laden verließ, kam der Ladenbesitzer bedächtig auf mich zu.
„Hummeln im Hintern David?“
Er erkannte wohl, dass ich was auf dem Herzen hatte, was mich sehr beschäftigt.
„Sie wissen immer alles wie?“, gab ich spöttisch zurück
„Nur soviel das es reicht, dich in- und auswendig zu kennen.“
Er blickte mir nun ernster in die Augen und ich hatte Schwierigkeiten seinen Blicken stand zu halten.
Nach einer kleinen Weile, für mich schienen die Minuten zu Stunden zu werden, fuhr er fort:
„Du bist schon ein ziemlich dunkler und verschlossener Typ, David. Ich spüre es geradezu, dass Du etwas getan hast, dessen Folgen Du nur allzu gern wieder loswerden willst – stimmt das?“
Mein Herz vollendete einen Extraschlag, als ich diese Worte vernahm, doch ich blieb ruhig und ließ mir nichts anmerken, so dachte ich jedenfalls.
„Ach es ist nichts weiter – ich habe nur ein Problem mit dem Hausmüll und…“
„Lügner!“, sagte der Alte scharf. „Du hast das getan, wovon ich Dir abgeraten hatte Du verdammter Bengel!“
„Wie reden Sie mit mir?!“, gab ich nun etwas lauter zurück. Hatte schon ein wenig Lust verspürt gerade ihn zu töten, warum starrte er mich eigentlich immer noch so an?!
„Ich kenne dich David! Du hast nicht umsonst die Maske gekauft. Du bist kein Typ für Halloweenpartys, dass habe ich gespürt.“
Mit diesen Worten ging er zur Ladentür und verschloss diese mit einem rostigen Schlüssel, den er beiläufig aus seiner Hosentasche zog. Danach drehte er sich zu mir um. Ich hatte jetzt schon wieder ein gewisses Gefühl von Angst in der Magengegend.
„W… was haben Sie jetzt vor?“, stammelte ich.
„Ich?“, er fing an zu lachen.
„…ich möchte mich mit dir Unterhalten mein kleiner Künstler…. Hihi“
„Ich verstehe nicht.“
„Doch das tust Du. Du bist doch Fotograf oder nicht? Jedenfalls hast du ein Gebiet entdeckt, dass deiner Kunst, sagen wir mal, sehr dienlich ist.“
Meine Angst verwandelte sich in eine Art Zorn und ich wurde langsam immer unruhiger.
„Wenn Sie soviel über mich wissen, warum weiß ich nichts über Sie?“
Der alte Mann nahm seine Brille ab und fing an zu lächeln.
„Weil ich deine Gedanken lesen kann, mein Junge.“
„Was?!“ entglitt es mir ungläubig.
„Ja – ich kann deine Gedanken lesen und weiß genau was Du tust. Schon beim ersten Mal, als Du diese Schwelle überwunden hattest, meinen Laden zu betreten. Ich habe Dir gesagt, dass Mord ein schlimmes Geschäft ist und jetzt stehst Du vor eben einem solchen Problem, was mit Mord zu tun hat oder?“
Ich war fast benommen, als er seinen letzten Satz beendet hatte. Ich hatte es bisher vermutet, doch jetzt waren alle Zweifel dahin. Warum er mich nicht verraten hatte, konnte ich mir nicht erklären. Vielleicht war es ihm auch egal gewesen.
„Warum haben Sie mich nicht der Polizei gemeldet?“ , fragte ich, schon beinahe teilnahmslos. Ich konnte mir die Antwort vielleicht schon selbst geben.
Der Alte setzte sich genüsslich auf einen Stuhl der hinter der Ladentheke stand und verschränkte die Arme. In seiner Stimme lag so was wie eine Verbitterung über das, was wir als Gesellschaft kennen: „Ich bin ein alter Mann. Du bist noch sehr jung und hast noch dein ganzes Leben vor dir. Was hätte ich davon Dich zu verraten? Die Menschen haben es eigentlich nicht verdient, so zahlreich auf dieser Welt zu wandeln. Wir sind nichts weiter als ein Krebsgeschwür auf Erden. Ich habe mit der Gesellschaft schon längst abgeschlossen. Im Gefängnis war ich schon, musst Du wissen. Für etwas was ich nicht getan hatte. Erst da merkte ich, dass mich diese Gesellschaft mal am Hintern lecken kann!“
„Jetzt lassen Sie einem Mörder freien lauf?“, warf ich ein.
Der alte Ladenbesitzer lachte leise. „Jeder braucht sein Hobby David. Du vollbringst zudem noch etwas, was vorher noch keiner gewagt hatte. Auch wenn ich die Gesellschaft verachte – Dich mag ich irgendwie, weil Du eben anders bist.“

„Da wir uns nun besser kennen , wie ist Ihr Name?“
Es vergingen einige Augenblicke, bis sich der Alte durchringen konnte, mir seinen Namen zu nennen.
„Man nennt mich den alten Oswald. Merke dir diesen Namen gut, denn ich werde ihn nicht noch einmal über meine Lippen kommen lassen.“
Nach diesen Worten erhob er sich von seinem Stuhl und öffnete mir die Ladentür und wies mich mit einer Handbewegung an, ihn nun alleine zu lassen.
Bevor ich den Laden aber verließ, drehte ich mich noch einmal zu ihm um; etwas brannte noch immer auf meiner Seele:
„… und was ist mit meinem Problem? Können Sie mir helfen, Oswald?“
Er fing an zu schmunzeln und strich bedächtig über seinen Bart.
„Ich werde morgen Abend vorbeikommen. Dann können wir dein Problem beseitigen.“

Das waren die letzten Worte, die ich an diesem Tage von Oswald zu hören bekommen hatte. Der Mann war schon unheimlich. Seine ganze Art war komisch. Doch ich bin ja auch nicht ganz normal oder? Da haben sich wohl zwei Menschenfeinde gefunden, dachte ich noch so bei mir, als auch schon die Nacht hereinbrach und die Lichter der Stadt nun die immer leerer werdenden Straßen beleuchteten.

=Folge 05 – Ein Tag voller Überraschungen=

#1 – …jetzt wird gesägt!

Oswald war ein Mann, der seine Versprechen halten konnte. Wenn er gesagt hatte, dass er mich besuchen kommt und mir helfen würde, dann war dem auch so.
Wie an diesem Abend, indem ich ein Problem hatte “Bob” zu begraben. Ich musste die Leiche irgendwie verschwinden lassen. Es führte kein Weg daran vorbei. Oswald war der einzige, der mein Geheimnis kannte. Er wusste nur zu gut über mich Bescheid. Seine gierigen Augen, hinter seiner veralteten Brille blickten mich vorwurfsvoll an. Wie ein dummer Schuljunge stand ich, Hände in die Taschen gesteckt, vor ihm, dem Blick auf den Boden berichtet. Die ganze Situation war mir peinlich. Wie immer hatte ich mich nicht gerade clever angestellt. Ich konnte gute Fotos machen, aber mit Leichen kannte ich mich so gut wie gar nicht aus.
Der alte Oswald drückte mir eine Knochensäge in die Hand und begann mit ernster Stimme an zu erzählen:
“Junge… Junge… Junge…. Da hast du aber eine schöne Schweinerei angestellt. Würde jetzt ein Nachbar hier herein kommen, dann wärst du schneller im Knast, als Du auf den Auslöser deiner Kamera drücken kannst.”

“Aber ich…”
Ein Schlag in mein Gesicht. Der Alte hatte mir eine Ohrfeige gegeben. Ich blickte weiter zu Boden…. Wurde rot vor Scham.

“Halte deine Fresse, wenn ich mit dir Rede. Du bist so was von Unerfahren, dass ich besser hätte dabei sein sollen. Das war bereits dein zweiter Mord? Hmmm? Ich denke der erste war wohl ganz woanders, was auch gut so ist. Dieser Typ im Garten da…” 

Oswald deutete demonstrativ zur Haustür, so als wenn er mir meine eigene Schande zeigen wollte.  
“…Bob… Richtig? War eines deiner dämlichen Versuche eine Leiche verschwinden zu lassen? Ich zeige Dir wie man es richtig macht. Dazu habe ich dir nun auch die Knochensäge mitgebracht. Was glaubst Du eigentlich wie man eine Leiche verschwinden lassen kann?”

“Ich habe keine Ahnung….”
Die nächste Ohrfeige – diesmal in Stereo – eine Links und eine Rechts. Mir kamen die Tränen hoch.

“Oh,” sagte der Alte, als er in meine Augen blickte. “…waren wir zu grob zu Dir? Jetzt sei endlich mal ein Mann! Keine Ahnung wie man eine Leiche beseitigt, aber morden wollen?! Den Tod im Bild festhalten? Tolle Idee – wie düster romantisch! Jetzt komm mit und wir gehen mit deinem “neuen” Freund in den Wald und beseitigen ihn.”

Die Säge in der Hand, mit zwei roten Wangen und einem geneigten Kopf, trottete ich hinter Oswald hinterher – so wie ein beschämter Sohn seinen Vater folgt, der gerade beim Süßigkeiten klauen erwischt worden war. Vom Alter her hätte ich wirklich sein Sohn sein können. Mit vierundzwanzig war man eben noch recht unreif und unerfahren. Er hingegen war schon im Leben weit herumgekommen und viel Erfahrener.
Im Garten nahm der alte Oswald den Schlafsack auf und trug den Leichnam über die Schulter hinfort und ich weiter hinterher. Den ganzen Weg über sprachen wir beide kein einziges Wort. Erst als wir eine abgelegene Lichtung erreicht hatten, wendete er sich zu mir um und zwinkerte.
“So Junge – wir sind da…. Jetzt bist Du dran!”
“Was?!”, fragte ich verwundert und starrte dabei auf den Schlafsack, den mein Begleiter auf den Boden hat fallen lassen.

“Wer von uns beiden hat die Säge? Sollen wir hier Wurzeln schlagen? Mach dich an die Arbeit…”

“Aber…” – oh das war dann wohl die vierte Ohrfeige an diesem Abend. Ich bin wirklich nicht zu belehren. Immer wieder diese plötzlichen Schmerzen. Dann mein verschwommener Blick in das Gesicht meines “Mentors”. Es dauerte immer ein wenig, bis ich mich wieder gefangen hatte.

“Na wird es bald mal was?” – er fing an zu grinsen und setze sich auf einen Baumstumpf und zündete sich dabei eine Zigarre an. Wo er diese wohl her hat?

Zögerlich öffnete ich den Schlafsack. Das Geräusch drang nur sehr dumpf an meine Ohren, vielleicht eine Folge der ganzen Ohrfeigen, die mir der Alte verpasst hatte heute. Mechanisch legte ich “Bob” frei. Seine leblosen Augen starrten mich an. Ich nahm die Säge… auch nur sehr zögerlich. Währenddessen roch ich den Zigarrenqualm, den Oswalds Zigarre verbreitete. Es war ein angenehmer Duft.

“Na, David? Alles klar? Sollen wir hier übernachten, oder was soll das ganze werden?”
Ich sah auf und starrte in das Gesicht des Alten Mannes, der noch immer genüsslich an seiner Zigarre lutschte und den Qualm in die Luft blies.
“Warum müssen wir ihn zersägen?”, fragte ich neugierig.
“Damit die Wildschweine sein Blut besser riechen können und zum anderen weil sie gerne die Fleischbrocken “portioniert” haben wollen. Sie können dann diese Mahlzeit besser vertilgen, wenn Du verstehst was ich meine.”
Wieder dieses fröhliche Zwinkern.
Ich nahm also die Knochensäge nun fester in die Hand und begann zu sägen…. Es war ein tolles Gefühl……

#2 – Das Geheimnis der Maske

Als “Bob” nun fachmännisch zersägt worden war und das Studio vom Blut befreit und Oswald sich wieder beruhigt hatte, saß er mit mir im Wohnzimmer und musterte mich intensiv mit einem nachdenklichen Blick.
Ich hatte noch immer Blut im Gesicht und an den Händen. Es war eine reine Schinderei gewesen, den Leichnam zu zersägen und die “maulgerechten” Stücke im Wald zu verteilen. Es dauerte mehr als zwei Stunden, bis ich diese schwere Arbeit vollbracht hatte. Mein Mentor, der alte Oswald lachte dabei immer mal wieder laut auf, wenn mir abermals die Knochensäge abrutschte und ich so in den Matsch von Gedärmen des toten “Bob” landete und mich dabei mit Blut beschmierte. Ich hasste ihn dafür. Jetzt saßen wir zusammen. Er untersagte mir, mich zu duschen. Er wollte sehen, wie ich mit dem Dreck am Leib nur so einfach dasaß und mich wie ein Kind fühlte, dass gerade einen schweren Fehler gemacht hatte.
“David…”, begann er das Gespräch mit sanfter Stimme. “…du hast sicher noch die Maske, die ich dir gegeben hatte oder?” – ich nickte stumm.
“Weißt Du mein Junge. Diese Maske ist eine Voodoomaske. Ein Relikt aus alten Tagen, als ich in Haiti war. Sie ist was ganz besonderes.”
Ich sah auf und meine Augen weiteten sich. Mein Gegenüber fing an zu lächeln und legte mir seinen Zeigefinger auf die Lippen. Ich sollte schweigen.
“Hör mir zu. Hör mir einfach zu. Diese Maske hat eine Gabe. Eine phantastische Gabe. In Verbindung mit deiner Kamera, kannst Du diese nutzen, um einen Menschen für eine gewisse Zeit zu fixieren.”
Er machte eine Pause und ließ mich mit einer Handbewegung wissen, dass ich weiter die Fresse halten sollte.
“Es ist so kleiner… jeder Mensch oder jedes Tier, was Du durch diese Maske erblickst, kann durch einen Gedankenwunsch paralysiert und fixiert werden. Das ganze wird durch den Sucher deiner Kamera noch verstärkt werden, sodass deine Models nun die Pose einnehmen werden, die Du haben willst. Sie werden zu willenlosen Körpern, die du so bewegen kannst, wie Du es für richtig findest.”
Ich blickte ungläubig in seine Augen und konnte kaum fassen, was er mir offenbarte.
Ich konnte nicht länger schweigen.
“Aber Oswald. Wie lange bleiben die Menschen paralysiert?”
Der Alte lachte leise in sich hinein.
“Der Effekt wird nur eine Minute anhalten. In dieser Zeit solltest Du deine Fotos gemacht haben – denke dies ist genügend Zeit mein Lieber.”
“Okay – wo ist der Haken?”
Sein Blick, der die ganze Zeit auf mich gerichtet war, verfinsterte sich.
“Die Maske zieht ihre Energie aus dem, der sie trägt. Im Grunde kann dir keiner gefährlich werden, solange Du diese Maske trägst und du deine Kamera nutzen kannst. Jeder würde paralysiert werden und wie versteinert dastehen und dich weder an deinen Taten noch an etwas anderen hindern können. Doch bei jedem Zeitpunkt, indem diese Maske genutzt wird, zieht es Lebensenergie aus deinem Körper. Doch sei unbesorgt – du wirst nicht schneller altern oder so etwas. Du wirst eben entkräftet und schneller müde.”
“Na toll,”, warf ich verächtlich ein. “Dann brauchen mich nur eine Horde von Bullen zu umstellen und ich das Ding nur allzu oft nutzen und ich wäre dann hinüber oder wie?!”
…. Schmerz… diesmal wieder die Linke Wange.
“Hör auf so zu mir zu sprechen, Du Wurm! – Ich habe dir da etwas sehr mächtiges gegeben. Etwas was deine Arbeit vereinfachen wird. Etwas was dich gegen deine Feinde beschützen wird. Also ziehe es nicht ins Lächerliche!”
“Tut mir leid…. ich wollte nicht forsch wirken oder unhöflich.”
“Schon gut kleiner. Noch etwas…”
“Ja?”
Oswald erhob sich vom Sofa und ging in den Hausflur, nur um kurze Zeit später mit einer kleinen schwarzen Tasche wiederzukommen. Eben diese Tasche öffnete er und schüttete dessen Inhalt vor meinen verdutzten Gesicht aus. Es waren Kleidungsstücke. Alle im tiefen Schwarz gehalten und das Material schien Leder zu sein.
“Soll ich jetzt als “SM-Freak” vor die Türe treten?” fragte ich beinahe boshaft. Dabei achtete ich darauf nicht noch eine Backpfeife zu kassieren.
“Nein David und keine Sorge – ich schlage dich nicht noch einmal. Du hattest heute schon genug davon.”
“Also was ist das hier?”
“Dein neuer, nachtfarbener Kampfanzug. Es sieht aus wie Leder nicht wahr? Doch es ist ein Material, was dich von Projektilen beschützen wird.”
Ich war erstaunt. Mein Mentor hatte mir ein Anzug gegeben, der Kugelsicher war. Dieser alte Fuchs steckte doch noch voller Überraschungen. Es war eine “lederartige” Hose nebst Kapuzenshirt und silberner Schweißerbrille und Lederstiefel mit Schnallen.
“Wozu ist diese Schweißerbrille”, fragte ich sichtlich interessiert.
Oswald nahm die Brille auf und reichte Sie mir. Mit einer leichten Handbewegung signalisierte er mir, diese nun aufzusetzen.
Ich tat es wie mir aufgetragen und als ich sie auf meine Nase gesetzt hatte, kam ich aus dem Erstaunen nicht wieder heraus…….    

=Folge 06 – Kunst, Mord und Ruhm=

#1 – Der nächste Akt

Ich musste das ganze erst einmal verdauen und stürzte mich zunächst in meine alltägliche Arbeit. Es war schon ein ganz großes Stück, was ich zu verdauen hatte. Die ganze Zeit kam mir diese Voodoomaske nicht aus dem Kopf. Es würde ein Kinderspiel sein, meine Opfer zu “paralysieren” und dann zu töten. Wozu noch der Baseballschläger? Ein Messer würde dann schon reichen und BOOM! Ich hätte mein totes Model zum fotografieren.
Die Tage vergingen und Oswald hatte sich seitdem nicht mehr gemeldet. Noch immer hatte ich nicht die Fotos von meinen Opfern im Internet veröffentlicht, fand leider noch keinen geeigneten Zugang zum Darknet und meine Kenntnisse dies betreffend waren mehr als dürftig.

Die Zeit kam aber wieder – in derer ich meinen Drang, meine Kunst weiterführen musste. Ich war wie ein Fisch auf dem trocknen, der nach Luft schnappte. Ich musste raus, in die Nacht und ein neues Opfer suchen.
Hatte meinen lederartigen Kampfanzug angezogen und mir die Maske aufgesetzt. An meinem Gürtel waren nebst zwei kleiner Dolche und Pfefferspray auch eine Spritze mit Betäubungsmittel vorhanden. Auch im Stiefel steckte ein Wurfmesser, für Notfälle, wie mir der alte Oswald erklärte. “Es kann ja mal sein, dass dich doch jemand verfolgen wird und damit kannst Du ihn gut beschäftigen”, meinte er.
Ich stand vor dem Spiegel in meiner kleinen Wohnung und betrachtete mich von oben bist unten. Ich sah wirklich finster aus. Hätte beinahe selbst Angst bekommen. Denke so werden mich die Menschen da draußen fürchten und schon von alleine ohnmächtig werden, wenn sie mich nur sehen.
Der Baseballschläger auf dem Rücken geschnallt verließ ich die Wohnung in Richtung Innenstadt – da ist zum glück um ein Uhr Nachts nicht viel los, sodass ich mir in aller Ruhe, aus dem Dunklen, mir ein Opfer aussuchen kann.
Hatte ich eigentlich schon erwähnt wofür diese Schweißerbrille war? – oh wie konnte ich nur das vergessen? Diese Brille hatte die Funktion eines Nachtsichtgerätes. Ich konnte damit bei sehr wenig Licht noch alles genau erkennen.

Zwar war alles in einem schummrigen Grün gehalten, doch Strukturen und vor allem Menschen könnte ich bei Dunkelheit gut ausmachen.

Mit alldem war ich nun in einer dunklen Gasse und beobachtete die offene Straße. Einige Autos fuhren ab und an vorbei, ohne mich zu bemerken. In der Ferne konnte ich dumpfe Musik hören, offenbar feierte jemand in seinem Keller eine kleine Party. Mehrere Schritte waren zu hören, die langsam aber sicher näher kamen. War es eine Gruppe von Menschen? Ich trat einen Schritt hervor, um einen kurzen Blick um die Ecke zu werfen. Der kurze Moment reichte, um drei Teenager zu erblicken, die offenkundig schon einiges getrunken hatten. Es waren zwei Jungs mit einem Mädchen, dass vielleicht gerade mal fünfzehn oder sechzehn Jahre alt war. Jedenfalls kamen sie näher und wenn die Maske wirklich die Macht hatte meine Kamera so zu beeinflussen, dass die Leute paralysiert würden, dann würde ich diese drei in einem Überraschungsmoment fotografieren und mir dann einen schnappen, den ich dann zu mir nach Hause in Studio nehmen würde. Den Wagen hatte ich ja in der Nähe geparkt und die Zeit von einer Minute würde ausreichen um schnell mit meinem Opfer zu verschwinden.

Als die Drei nur noch wenige Meter von mir entfernt waren, zückte ich meine Kamera und sprang mit einem Satz genau hinter ihnen. Die beiden Jungs drehten sich erschrocken um und einer taumelte gegen ein Auto. Er war wohl schon ziemlich betrunken. Das Mädchen brauchte etwas länger um die neue Situation zu erfassen und machte sich eher Sorgen um ihren Freund, der gerade gegen das Auto geprallt war.
Ich Blickte durch den Sucher und löste die Kamera aus…… aber außer ein helles Blitzlicht, was die Gruppe erfasste, passierte nichts; außer dass die Teenager nun etwas geblendet waren, was allerdings schnell verflogen war, denn der eine Typ, der noch gerade stehen konnte und nicht wie sein Kumpel zu besoffen war, um mich anzugreifen, schlug mir als Antwort auf diese Überraschung eine ins Gesicht, sodass ich erst einmal zu Boden schwankte.

Als das Mädchen feststellte, dass es ihrem Freund gut ging, eilte sie herbei und trat mit ihren Stöcklschuhen mir direkt zwischen die Beine. Ein höllischer Schmerz, den wohl alle Männer kennen, betäubte meine restlichen Sinne. Nur noch schemenhaft konnte ich hören, was sie sagten.
“Was sollte das du Freak!?”, schrie mich der eine Junge (er hatte blonde Haare), an und das Mädchen sagte irgendwas unverständliches, aber es waren sicherlich keine schönen Worte.
“Ich mach dich platt du Arschloch!”, sagte der Blonde wieder. Sein betrunkener Kollege lehnte sich geistesabwesend Abseits vom Geschehen an einer Häuserwand und verfolgte die Szenerie aus sicherer Entfernung.
Es kam die Chance auf die ich gewartet hatte. Als das Mädchen wieder zu ihrem Freund rannte, der noch immer an der Wand lehnte, war ich, mehr oder weniger, mit dem blonden Typen alleine. Ich zog unbemerkt einen Dolch aus dem Gürtel. Als sich der wütende Teenager aufmachte, mir abermals seine Faust ins Gesicht zu rammen, nahm ich den Dolch und stach ihn in die Brust. Als er den Stich bemerkte wurde sein Gesichtsausdruck vollkommen starr und im nächsten Augenblick spuckte er eine Ladung Blut. Er sackte darauf  in sich zusammen und ich zog mit einem Ruck den Dolch wieder aus seinem Brustkorb. Ein leises Röcheln war das letzte was ich von ihm vernehmen konnte, bevor ich mich nun zu den beiden anderen wandte.
Ich stand auf und bewegte mich langsam und zielsicher auf das Mädchen mit ihrem Freund zu. Erst als ich weniger als einem Meter von den beiden entfernt war, blickte Sie sich um und ihr Gesicht war das Spiegelbild der nackten Angst. Es war jedenfalls ein Foto wert, dachte ich so bei mir und hob meine Kamera und blendete sie ein zweites mal in dieser Nacht. Das Mädchen hatte keine Chance und ihr betrunkener  “Lover” wusste sowieso kaum noch, was gerade hier passierte.
Sie bekam die Spritze in den Hals gerammt. Hatte ein wenig um Hilfe geschrien, doch dies verstummte nur allzu schnell. Das Betäubungsgift wirkte in Windeseile; ich war selbst erstaunt wie schnell es ging. Für diesen alkoholisierten Typen reichte mein Baseballschläger aus, um ihn seinen dreckigen Schädel zu zertrümmern.

Ich sah mich um. Keiner war auf der Straße. Nur ich mit diesen drei Teenagern, wovon zwei bereits tot waren. Noch immer hatte ich leichte Schmerzen zwischen meinen Beinen. Diese Kleidung mag zwar Kugeln abhalten, aber Tritte ganz sicher nicht. Aktenotiz: “Lass dich keinesfalls wieder zwischen die Beine treten. Das ist nicht gut!”
Ich zog alle drei “Teenies” in die dunkle Gasse. Ein Gruppenfoto! Mal was anderes.
Ich legte die beiden Leichen Rücken an Rücken und das betäubte Mädchen direkt dazwischen. Das erste Foto. Es war ein wenig langweilig. Der Blonde mit einem blutbesudelten Mund und der andere mit einem halb offenen Schädel mögen vielleicht gut zur Szenerie beitragen, aber das Mädchen, der Stöckelschuhe-Fan, sah noch recht “normal” aus. Ich nahm also meinen Dolch wieder zur Hand und schnitt der Göre die Kehle auf. Sie hatte am wenigsten was davon gespürt – so dachte ich.
Ich zog einen ihrer Stöckelschuhe aus und rammte diesen in ihre nun offene Kehle. Ich wollte einfach etwas Befriedigung dabei erfahren, sie sollte an dem Ersticken, was mir Schmerzen bereitet hatte. Jetzt war die Szenerie perfekt.
Das Foto wurde gemacht. Ich sah durch meine Maske und durch den Sucher – das Foto war ein Meisterwerk!
Aktennotiz: “Morgen mich noch einmal mit Oswald unterhalten. Der alte hatte sich vertan mit seiner Aussage, dass es sich bei der Maske um eine magische Maske handelt.”
Ich war einfach zu dumm zu glauben, dass dies wahr sein könnte.

#2 – Eine Lehre für den Schüler

“Sag mal David,” fing Oswald seinen Satz an, als ich ihn im Hinterzimmer seines Ladens zur Rede stellte, wegen der Maske und den nicht vorhandenen Kräften.
“..wie alt bist du eigentlich? Du bist schon über zwanzig oder? Dann glaubst Du noch an so einen Unsinn?”, ein leises Lachen war zu vernehmen. Es amüsierte meinen Mentor augenscheinlich, dass ich auf seinen Spruch mit der Voodoomaske reingefallen bin. Ich stand einfach fassungslos da und starrte ihn ungläubig an.

“Ah ich verstehe…” erwiderte ich künstlich erheitert. “es war ein Lehrgeldtest für mich oder? Du wolltest sehen, wie ich darauf reagiere oder?”
“Ganz recht mein Junge! Genau! Es freut mich allerdings, dass Du dies nicht mit dem Leben bezahlen musstest. Wäre schade um dich gewesen.”

“Ich hätte tot sein können Oswald!” blaffte ich ihn an und na ja…. hatte ich schon erwähnt, dass ich diese Ohrfeigen hasste?
“David. Du hast die Situation doch hervorragend gemeistert. Die Dolche und die Spritze haben doch wunderbar funktioniert oder?”

Mit einer roten Wange und Tränen in den Augen sah ich den Alten beschämt an.
“Ja verdammt. Ich hätte es aber dennoch cool gefunden, wenn die Maske…”
“Die Maske verdeckt dein Gesicht und sieht etwas unheimlich aus. Das ist Zweck und Sinn genug.”
Als der alte Oswald seinen Satz beendet hatte, zeigte er mir die Stadtzeitung. Es war der Regionalteil.

“Dein Kunstwerk ist bereits gestern am Mittag bemerkt worden. Kam gleich in den Regionalteil der Zeitung. Ein wenig dürftig, wenn Du mich fragst. Nicht deine Art mit den Leichen umzugehen – nee das mag ich schon. Besonders das Mädchen. Den Schuh in die Kehle gerammt, schreiben die; köstlich. Hast wohl ernste Rachegelüste verspürt wie?” Oswald lachte abermals. Ich wurde rot vor Scham. Ich war für den alten wie ein offenes Buch und ich erzählte ihm ja auch immer alles. Doch meine Gefühle konnte er so lesen, als wenn ich diese auf meiner Stirn eingraviert hätte.
“Ach übrigens hier…” mit diesen Worten reichte er mir einen USB-Stick.
“Was ist das”, fragte ich neugierig.

“Das sind die Zugangsdaten für den Admin-Bereich einer Homepage, die ich für dich angelegt habe. Diese wirst du im Darknet finden.”
“Hey ehrlich?! – Danke.”, diesmal war ich meinem Mentor wirklich sehr dankbar. Oswald mag zwar hart sein, doch er war immer noch so was wie ein Freund und Lehrmeister mit Fairness. Wie auch immer er gewesen sein mag, ich hatte immer das Gefühl, dass er wirklich Gedanken lesen konnte.

Jetzt konnte ich meine Werke doch noch veröffentlichen. Sie einem großen Publikum offenbaren. Dank meines Mentors. Dank dem alten Oswald.

=
Folge 07 – Dunkle Gedanken in der Finsternis =

#1 – Der alte Oswald

Was das
Darknet angeht war ich froh, dass man sich dort relativ frei bewegen konnte. Es
gab da schon einiges abgedrehtes Zeug, was man besser nicht genauer betrachtet
hätte, wenn man nicht auf der gleichen Ebene der Perversität geschwommen wäre.

Hier ein
Waffenhändler der sogar einige Überreste aus russischen Armeebeständen
verhökerte. Wo anders einer der seine Tochter zur Prostitution zwang und im
Netz verkaufen wollte – aber das perverseste war ein Händler, der Möbelstücke
aus menschlicher Haut herstellte. Das war selbst mir schon beinahe zu heftig
und ich würde meine Leichen niemals häuten, da man doch die Schönheit eines
verstorbenen Körpers gänzlich damit ruinieren könnte. Ein Foto würde dann nicht
mehr die Perfektion des Todes festhalten. Ich mochte es nicht sonderlich, wenn
die Leiche zerfleddert aussieht.

Im kam mir
da schon wie ein blutiger Anfänger vor, der seine harmlosen Werke
veröffentlichte, inmitten von Sexualstraftätern, Perversen oder brutalen
Seelen, die nur, um des Mordes Willen Menschen quälten und dann töteten. Bei
denen war der Akt des Mordes der krönende Abschluss um ihre Triebe zu
befriedigen. Bei mir fing da erst mein Schaffen an. Zugegeben – ich hatte schon
die einen oder anderen Probleme mit meinen Opfern, doch im Grunde hatte ich es
immer wieder geschafft, das zu bekommen, was ich wollte. Dank Oswald konnte ich
auch meine Werke ungestört veröffentlichen. Ja der alte Oswald. Langsam wurde
mir dieser „Mitwisser“ und Mentor zugleich, einfach lästig. Es musste was
geschehen. Der Alte wurde von Tag zu Tag merkwürdiger und meinte, dass ich nun
sein höriger Schüler war – dieser Narr!

Meine
Gedanken schweiften ab – ich musste mich unbedingt auf die Sache konzentrieren.
Der Upload war recht schnell über die Bühne gegangen. Es war genauso leicht,
wie auf YouTube einen Film hochzuladen, nur dass hier die IP-Adresse verschleiert
wurde und mein Standort unmöglich aufzufinden war. Dementsprechend war auch das
Publikum eine Handvoll „auserwählter“. Eher wenige, wenn man bedenkt, dass wir
uns im Darknet befanden, waren es allerdings für die Art von Neigung recht
viele. Gleich am ersten Tag hatte ich für mein erstes Werk dreihundert Likes bekommen.

Ich
schaltete den Computer aus und macht mich auf den Weg, den alten Oswald
aufzusuchen. Ich konnte sein Gesicht eigentlich nicht mehr sehen, doch er
wollte mich wegen einer wichtigen Angelegenheit sprechen.

Eigentlich
hätte ich so spät abends nicht vor die Tür treten sollen. Normalerweise wäre
ich nun in meinem schwarzen Kampfanzug mit Maske gewesen, um wieder ein neues
Objekt für meine Kunst zu suchen, doch Oswald hörte sich ernst am Telefon an.
Dieser ältere Typ mit Rauschebart und Nickelbrille mischte sich schon zu sehr
in mein Leben ein. Für kurze Zeit hatte ich den Gedanken, dass ich doch meinen
Anzug hätte anziehen sollen, mit all den kleinen Spielzeugen, wie Rauchgranaten
und Elektroschocker, sowie kleine Wurfmesser, um diesen Menschen dorthin zu
befördern, wo man so etwas wie eine Hölle vermutet. Mein letztes Werk hatte er
mit nur einem müden Lächeln beachtet und abermals kam wieder ein stundenlanger
Monolog von ihm, dass ich mich besser vorsehen sollte und das die Polizei mir
sonst noch in die Quere kommt. Das ich dies falsch mache und jenes und dass er
mich nicht immer beschützen könnte – ich kann es bald nicht mehr hören! Der
Gedanke war schon reizend. Ich sah auf meine violette Maske; auf meinen lederartigen
Anzug. Den Waffengürtel und meiner geliebten Kamera. Nein! , dachte ich bei
mir. Er darf noch nicht sterben. Nützlich war er noch. Ich legte die Maske
wieder hin und nahm die Wohnungsschlüssel und ging hinaus. Der alte würde so
oder so bald sterben und ich dachte mir nichts weiter dabei.

Das Geräusch
der bekannten Türglocke verriet Oswald meine Ankunft. Er saß, wie fast immer,
hinter seiner unaufgeräumten Ladentheke. Seine dicke Unterlippe fing wieder an
zu zittern, als er mich sah.

„Na David?
Alles bestens? Habe dein neustes Werk im Netz gesehen. Wirklich – Talent scheinst
du ja zu haben, doch es ist verbesserungswürdig.“

Ich dachte
mir schon, dass er so anfangen würde. Ich schluckte meinen Ärger runter und
fing an mit einem der Schaumstoffschwerter, die im Schaufenster hingen,
herumzuspielen.

„Keine
Antwort? Hmm?“, fragte er bedächtig. „Das Cosplay-Schwert in deiner Hand ist
wohl nichts mehr für dich, aus diesem Alter solltest du schon langsam raus sein
oder?“

„Ich bin
doch erst in den Anfängen zwanzig, Oswald. Außerdem kann man noch im hohen Alter
Cosplay betreiben. Für dich wäre da immer noch Gimli oder Gandalf drin. Ah nee
eher Gandalf, wegen dem Bart.“  

„Wie
geschraubt Du dich wieder ausdrückst. Eigentlich sollte ich dir wieder eine
Ohrfeige geben. Du wirst mir in letzter Zeit sehr frech. Darf ich daran
erinnern, dass Du nie so weit gekommen wärst, wenn ich nicht gewesen wäre!?“

„Du
erinnerst mich jede Woche mindestens einmal daran. Doch warum musstest Du mich
so dringend sprechen?“ – ich fuchtelte immer noch mit dem Kunstschwert herum
und bemerkte, dass der Griff dieses „Spielzeuges“ aus Metall war….

„Die Polizei
hat eine kleine Spur entdeckt, mein Junge. Du wirst echt nachlässig.“, sagte
Oswald mit ernster Mime.

„Was können
die Bullen schon gefunden haben?“, fragte ich; beinahe schon überheblich.

„Scheinbar
hat sich das Typenschild deiner Kamera gelöst und ist auf den Boden gefallen.
Die Polizei hatte das Schildchen gestern früh am Tatort gefunden und schon
stand es in der Zeitung. Wenn ich du wäre, David, würde ich die Kamera wechseln“
– der Alte zog seine Brille zurecht und musterte mich jetzt noch
eindringlicher.

„Na toll –
als ob ich so einfach eine Kamera kaufen könnte. Weißt Du eigentlich wieviel so
ein Teil kostet?! Ich habe nicht immer das nötige Kleingeld.“ Innerlich fing
ich an zu kochen. Als Oswald sein markantes Lächeln ansetzte wurde mein
innerlicher Zorn nur noch gesteigert. Zum einen ärgerte es mich, dass ich es
selbst nicht bemerkt hatte, dass das Typenschild fehlte und zum anderen hatte
der Alte mich wieder in der Hand. Wenn er mir nun Geld lieh, dann….

„Ich mache
dir ein Angebot, Kleiner.“, sagte er hämisch. So als ob ich mir es schon hätte
denken können, trat eben genau das ein. Er holte ein Bündel hunderter hervor
und schob den Stapel in meine Richtung.

„Was soll
das jetzt?“ fragte ich verwundert.

„Du brauchst
eine neue Kamera. Einfach so ein Schildchen nachzukaufen würde dich nur noch
verdächtiger machen…. und bitte… vernichte deine alte Kamera.“ – erwartungsvoll
sah er mich an.

Der Griff
war aus Metall. Er war massiv genug um…

„Was ist
jetzt?!“ unterbrach der Alte meine Gedanken.

„Ok. Wenn es
denn sein muss.“, sagte ich mit einem nervigen Unterton. Ich nahm das Bündel an
mich und steckte es in die Innentasche meiner Jacke. Das Schwert legte ich
beiseite und verfluchte mich jetzt schon wieder, nicht konsequenter gewesen zu
sein. Oswald hatte mich in seiner Hand, mehr denn je.

„Das ist
mein kleiner Killer!“, sagte der Alte stolz und reichte mir seine Hand. Ich
nahm sie nur zögerlich entgegen.

„Wenn du den
Laden verlässt, kannst du bitte die Tür leise hinter dir schließen? Ich wünsche
dir eine gute Nacht und – bis bald.“

Ich ging
stumm zur Türe und trat auf die Straße, wohl wissend, dass ich mental abermals
unterlegen war. Ich hätte ihn mit dem Schwert, wenngleich aus Schaumstoff,
töten können. Es wäre leicht gewesen. Doch ich versagte mal wieder.  

Ich war
immer noch in Gedanken und schlenderte durch die nun verlassenen Straßen. Jeder
meiner Schritte hallte durch die Häuserschluchten. Ich war schon beinahe wieder
zu Hause angekommen, als mich eine junge Stimme rief. Ich drehte mich um und
sah einige Meter entfernt, auf der anderen Straßenseite, eine kleine hagere
Gestalt, sie trug einen langen schwarzen Mantel und blickte mich neugierig an.

#2 – Der fremde Junge

Ich wusste
nicht wie viel Zeit verging. Wir sahen uns beide einfach nur an. Ich konnte
nicht sagen was es war. Doch diese Gestalt war schon unheimlich. Ich trat näher
und überquerte die Straße. Jetzt erkannte ich auch einige Details an meinem
Gegenüber. Es schien ein Junge zu sein – etwa zwölf oder dreizehn Jahre alt. Seine
schwarzen Haare waren schulterlang und diese verdeckten sein rechtes Auge. Das
linke Auge dagegen lag frei und starrte mich fortwährend an. Er hatte so etwas
wie ein leichtes Lächeln auf den Lippen und ich konnte ihn nur verwundert
betrachten. Nach einer Weile sprach er meinen Namen aus:

„David?“

„Woher
kennst Du meinen Namen? Sollte nicht jemand wie Du schon längst im Bett sein?“

Meine Fragen
schienen ihn ein wenig zu erheitern, denn sein Lächeln wurde breiter und er
ließ ein gekünsteltes, leises Lachen verlauten.   

„Wir kennen
beide den Alten.“ Sagte er bestimmend.

Meine
Gedanken überschlugen sich. Er kannte Oswald? Kannte er ihn ebenso wie ich ihn
kannte? Er fuhr weiter fort: „Ich kenne das Gefühl, was du ertragen musstest.
Oswald kann von Zeit zurzeit nervig werden und er weiß sowieso alles immer
besser.“ Mit diesen Worten wischte sich der Junge mit der Hand durch die Haare.
Ich konnte für kurze Zeit sein zweites Auge erkennen. Es hatte eine andere Farbe
als sein linkes Auge. Welche es war, konnte ich bei dem wenigen Licht
allerdings nicht erkennen.

„Dann kennst
Du seine „Gewohnheiten“?“ fragte ich sichtlich interessiert.

„Ja David –
er ist ein ganz mieser Charakter. Er wird dich für seine Zwecke ausnutzen. Wenn
er dann mit dir fertig ist, wird er dich an die Behörden melden…“

„Moment mal!“
warf ich entsetzt ein. „Soll das heißen Du weißt auch was ich…“

„Ja David –
ich weiß so ziemlich alles über dich. Zum einen weil Du mich sehr interessierst
zum anderen, weil ich Oswald nur zu gut kenne.“

Der Junge
schien für sein Alter ziemlich was auf den Kasten zu haben. Jedenfalls bewegte
er sich recht elegant durch die Dunkelheit und redete von Dingen, die sehr komplex
waren, als dass sie ein zwölfjähriger zu verstehen vermochte. Ich konnte es mir
kaum eingestehen, aber irgendetwas war sehr ansprechend an diesem Jungen.

„Jedenfalls
bin ich hier…“ fuhr er fort, „um dein „Problem“ zu lösen. Der Alte muss weg –
er war damals schon ein Störfaktor für mich und nun wird er es abermals; nur so
nebenbei – deine Werke haben mir sehr gefallen und ich finde nicht, dass sie
verbesserungswürdig wären.“

„Scheinst ja
eine Menge zu wissen, Youngstar. Doch verrate mir mal eines. Wer bist Du?!“,
mit Nachdruck stellte ich diese Frage, denn es beschäftigte mich wirklich, wer
dieser kleine, fremde Junge war. Er war alles andere als überrascht und kam
einen Schritt auf mich zu, sodass sich beinahe unsere Münder berührten. Da er
kleiner war als ich, musste er ein wenig zu mir rauf sehen.

„Man nennt mich Fernández, Ruçhares
Fernández und du solltest mich nicht unterschätzen – Crazy Photographer. Das
war doch dein Nickname im Darknet-Forum oder?“

Ich war nun vollkommen überzeugt
davon, dass dieser kleine Junge, der ganz in schwarz gekleidet war und von
einer Eleganz erfüllt gewesen war, die mich mehr als in den Bann zog, schon
wusste wovon er sprach. Er hatte etwas Dämonisches an sich.

Ich überlegte aber auch weiter. Er
wusste wer ich war. Er wusste auch wozu ich fähig war. Darauf baute ich und
hoffte insgeheim, ihn ebenso für meine Zwecke zu nutzen, wie Oswald mich
benutzte.

„Dich unterschätzen?“ erwiderte ich. „du
kennst mich doch oder? Wer eine Leiche im Keller hat, der hat auch noch weitere.
Solltest Du mich hintergehen, Ruçhares – wäre dies dein Untergang.“

Den letzten Satz sprach ich mit einem
ernsten Tonfall aus, sodass selbst der alte Oswald Angst bekommen hätte. Ruçhares
war nur mäßig überrascht von dem was ich ihm sagte.

„Oh ein böses Feuer lodert in dir. Das
mag ich!“, sagte er leicht zynisch. „Hoffe nur das du beim nächsten Mal mehr
Mut beweist als gerade eben im Geschäft. Wenn sich die Gelegenheit ergibt,
sollten wir beide zuschlagen.“

Er trat einen Schritt zurück. „Wir
sehen uns – Crazy Photographer – ich jedenfalls werde dich weiter beobachten.“,
mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand in der
Dunkelheit. Ich blickte hinterher und konnte das Gefühl nicht loswerden, als ob
sich Ruçhares schwebend davonbewegte – oder war es einfach nur die
Dunkelheit, die es so wirken ließ?

= Folge 08 – Mord! =

#01 – Ruçhares Fernández

„Welche Kamera hätten Sie denn gerne?“, fragte mich der
etwas untersetzte Verkäufer mit einem falschen Lächeln. Er sah mir wohl nicht
an, dass ich gerade im Begriff war, real zweitausend Euro für die Kamera
hinzublättern. Ich sah auch eher wie ein mittelloser Student aus und hatte
selten solche Läden besucht, die wirklich die „hardcore“ Ausrüstungsgegenstände
führten.

Zum einen zählt für mich immer das Verhältnis „Preis/ Nutzen“
– wenn das nicht stimmt, kann man gleich einpacken und ärgert sich am Ende
doch, zu viel Geld ausgegeben zu haben. Auf der anderen Seite sollte man auch
nicht zu wenig Geld ausgeben, denn dann kauft man irgendwelchen Schrott der nur
ein paar Wochen hält war er versprach. Ich nahm mir allerdings vor, die gleiche
Kamera zu kaufen, die ich schon besessen hatte.

Der Verkäufer konnte kaum seine Enttäuschung verbergen, als
das Geschäft schneller als erhofft abgeschlossen war. Ich war eben ein Typ der
sich nicht lange mit Einkäufen befasste. Für mich musste der Gegenstand meiner
Vorstellung entweder da sein oder eben nicht. Es gab nichts dazwischen. Ich
nahm das Bündel aus meiner Tasche und legte es ohne weiteren Kommentar auf den
Tisch. Nahm das Paket, zog am Reißverschluss meiner Jacke und setzte die Kapuze
auf – verließ den Laden mit eilenden Schritt.   

Im Gegensatz zu den anderen Tagen, war es heute recht
schön.  Die Sonne schien und durchflutete
die engen Häuserschluchten meiner Stadt mit goldenem Licht. Ein Blick auf meine
Uhr verriet mir, dass es erst zehn Uhr morgens war und ich noch genügend Zeit hatte,
meine alte Kamera zu „entsorgen“. Verlangsamte daher meine Schritte und genoss
einfach meine Zeit, bis mich eine, mir schon bekannte, junge Stimme aus den
Gedanken riss.

„Hey – Du!“

Ich blieb augenblicklich stehen und sah mich um. Es dauerte
nicht lange bis ich erkannte, wer mich da rief. Es war der kleine Junge, der
mich schon in der gestrigen Nacht angesprochen hatte. Trotz des recht warmen
Tages trug er abermals seinen langen, schwarzen Mantel, der ihm eindeutig zu
groß war. Seine Hose war auch in schwarz und hatte an einem Hosenbein silberne
schnallen. Das andere Hosenbein war dagegen etwas „zerrissen“ – man mag
vielleicht sagen, dass es eine Designerjeans war – doch ich tippte da eher auf
Punk oder Gothic. Das schwarze Shirt rundete sein Outfit ab und wenn ich ihn so
auf der Straße gesehen hätte, würde ich einen solchen Typen eher einer
Satanssekte oder „Gruftieverein“ zuordnen. Wie dem auch sei, er blickte mich
nun erwartungsvoll an und zwinkerte mir zu.

„Du schon wieder? Ich dachte schon, dass es nur ein Traum gewesen
war. Scheinbar hatte ich mich wohl geirrt.“

„Wie du siehst, bin ich kein Produkt deiner Phantasie“, er
streifte sich mit der einen Hand durch die Haare, die sein rechtes Auge
verdeckten. Jetzt erkannte ich auch die wirkliche Farbe seines rechten Auges.
Es war rabenschwarz gewesen. Zwei verschiedenfarbige Augen, das war recht
selten.

„Wenn Du schon einmal wieder da bist, Ruçhares Fernández, was führt dich zu
mir?“

Mein Gegenüber musterte mich scharf und warf mir einen leicht
verständnislosen Blick zu.

„Hast Du schon einen Plan, wie du den Alten aus dem Weg räumen
wirst?“ – mit diesen Worten sah er auf seine Fingernägel, so als wenn ihm das
Thema nur beiläufig interessieren würde. Dabei wusste ich nur zu gut, dass meine
Antwort ihn brennend interessierte.

„Noch nicht, Kleiner“ – „Warum?! Du weißt, dass er eine Gefahr ist
oder? Er kennt dich! Er kennt dein Geheimnis. Jeder Tag, wo Oswald noch lebt
ist ein Tag zu viel! Wir müssen schnell handeln.“

„So etwas muss geplant werden“

„DANN PLANE ENDLICH ZUENDE!“, warf Ruçhares scharf ein. Der kleine
Junge mit schulterlangen, schwarzen Haaren schien ein wenig ungeduldig zu sein,
was man von Menschen seines Alters her gewohnt war. Er lief nun auf und ab und
ich fürchtete schon, dass uns irgendwelche Passanten beobachten könnten. Dafür
waren wir beide nicht gerade unauffällig und sein lautes Schreien und Gehabe
waren jetzt mehr als nur aufsehenerregend.

„Habe ich es denn nur mit Anfängern zu tun? Ich dachte du wärst da
ein wenig entschlossener – Crazy Photographer.“

Ich spürte wie sich eine gewisse Wut in mir hochstieg und langsam
fand ich Ruçhares arrogant und nervig. Er stolzierte weiter vor mir auf und ab
und als es mir zu bunt wurde, ergriff ich seine Schultern und stoppte seinen
Gang augenblicklich.

„Was glaubst du eigentlich wer du bist, Kleiner?! Erst einmal –
nenne mich nie mehr öffentlich bei meinen Künstlernamen. Zweitens scheinst du
nicht nur arrogant, sondern auch ungeduldig zu sein. Warum willst du Oswald so
schnell tot sehen? Was hat er dir getan? Ok – er kann ein wenig schroff sein
und ist auch etwas cholerisch, aber…“

„Du hast ihn selbst gesehen, David.“, unterbrach mich Ruçhares und
schmunzelte leicht und blickte mir dabei tief in die Augen. „Er kannte deine
Gedanken, schon beim ersten Besuch in seinem kleinen, beschissenen Laden. Hast
Du dich nie gefragt, warum er sich mit dem Töten so gut auskennt? Weißt Du
nicht warum er deine Gedanken so leicht lesen kann?“

Merkwürdig war es schon, dass der Alte so ein Verhalten an den Tag
legen konnte. Ich hatte seine Motive nie so hinterfragt und ich vermochte mir
auch noch kein Bild von alledem zu machen. Scheinbar wusste der Junge vor mir
mehr über Oswald, als ich mir eingestehen wollte.

Ruçhares fuhr weiter fort:

„du selbst willst ihn doch auch loswerden oder? Ich kenne das
Gefühl nur zu gut. Glaube mir, wenn ich dir sage, dass dieser alte Herr, mehr
ist, als du vermuten magst. Du hast doch auch den Willen ihn endlich tot zu
sehen oder? Wir sollten deswegen zusammenarbeiten.“

„Ja – du hast Recht. Er wird mir immer lästiger. Doch irgendwie
schafft er es auch, mich von ihm abhängig zu machen. Er gab mir sogar Geld für
meine neue Kamera. Weiterhin weiß ich nicht, ob er schon ahnt, dass ich ihm
nach den Leben trachte.“

Ruçhares wich einen Schritt zurück und holte einen gläsernen
Gegenstand aus seiner Tasche und hielt diesen mir entgegen. Ich verstand nicht….

„Nur zu David. Nimm es! Diese Phiole wird dir helfen den alten
loszuwerden und das mit todesbringender Sicherheit.“, er zwinkerte und hielt
mir dieses Ding unter die Nase.

Bei näheren betrachten fiel auf, dass die Phiole mit einer klaren
Flüssigkeit gefüllt war – was mochte dies sein? Ein Gift? Oder eine Säure?

„Was ist das? – fragte ich verwundert.

„Ein geruchsneutrales, schnell wirkendes Serum, was auf Menschen,
sagen wir mal so, recht tödlich wirkt. Er muss nur einen Topfen davon in sich
aufnehmen und schon wäre unser Problem gelöst. Vertraue mir. Oswald wird es
nicht bemerken, bevor es zu spät ist.“ – ich konnte ein leises Lachen in seiner
Stimme vernehmen. Es hörte sich nicht menschlich an. Er klang eher wie ein sehr
dunkles und verzerrtes Lachen, beinahe schon beängstigend.

Es schien mir auch so, als wenn vor mir kein Junge von zwölf oder
dreizehn Jahren stand; sein Blick war wesentlich älter und ich wurde das Gefühl
nicht los, dass Ruçhares mehr war, als er mir zu offenbaren bereit war.

„Gut so. Ich mache es.“ – mit diesen Worten nahm ich die Phiole
und überlegte schon im Geiste, wie ich den Alten dazu bewegen würde, dass Gift
zu schlucken.

#2 – Das Gift im Bier

Ein anderer Abend ein anderer Tag. Die kleine Unterredung mit dem
kleinen Gruftie, Ruçhares lag schon etwas länger zurück. Ich dachte schon, dass
er jeden Moment auftauchen würde, um mir Druck zu machen, den alten um die Ecke
zu bringen. Doch seitdem Tage, an dem er mit das Gift übergeben hatte, hörte
und sah ich nichts mehr von Ruçhares. Doch nun war es endlich soweit.  

Die Möglichkeit war gegeben worden. Der alte Oswald wollte
abermals mit mir über irgendein „Ding“ sprechen. Sicherlich fragte er sich nun,
warum ich die letzten Tage so ruhig gewesen war. Schöpfte er etwa Verdacht? Ich
bot ihn an, dass wir uns in einer Bar im Stadtkern treffen sollten. Sein Laden war
mir zu riskant. Ich dachte mir nämlich, dass seine Macht auf seinem eigenen
Grund und Boden zu überwältigend war und ich ihn nur auf neutralen Gelände
erwischen konnte. Die Bar war an jenem Abend recht sporadisch besucht und als
ich im hinteren Bereich an einem recht schmutzig aussehenden Tisch Platz nahm,
bestellte ich gleich zwei Bier. Oswald hatte sich zum Glück verspätet, sodass
die hagere Kellnerin mir die beiden Biere noch vor seiner Ankunft servierte.
Ein Glücksfall, der es mir ermöglichte das Gift unbemerkt in einem der
Bierkrüge zu schütten.

Ich hatte diese Aktion kaum beendet, da kam auch schon der alte
Oswald in die Bar hereingeschlendert und zupfte seinen langen Bart zurecht. Als
er mich im hinteren Bereich erblickte zog er noch seine Brille zurecht und
begrüßte mich mit einem handfesten Handschlag. Er saß mir gegenüber und wirkte
recht freundlich. Ich wusste aber genau, dass dies nur eine Fassade war und der
Grund unseres Zusammentreffens war weitaus ernster Natur.

„Alles Klar David? Du wirkst etwas blass. Hast die letzten Tage
keine neuen Werke erstellt. Irgendwie fürchtete ich schon, dass du nun kein
Killer mehr sein möchtest.“, Oswald zwinkerte mir hämisch zu. „Wie ich sehe
hast du schon für uns beide Bier bestellt. Das war sehr zuvorkommend mein
Junge.“

„Das war doch das mindeste was ich tun konnte Oswald. Dafür das Du
mir das Geld für eine neue Kamera gegeben hattest. Ich denke, ich kann es dir
bald wieder zurückgeben.“, ich war übertrieben freundlich dabei und musste mich
bremsen nicht allzu freundlich zu wirken, sonst würde der Alte noch Verdacht
schöpfen.

Er nahm seinen Bierkrug und setzte zum ersten Schluck an. Ich
prostete ihm zu und freute mich innerlich, dass die ganze Aktion bald zu Ende sein
würde; doch in diesem Moment, als Oswald den Schluck nehmen wollte, kam die
Kellnerin an unserem Tisch und fragte, ob wir was zu Essen bestellen möchten. Der
Alte setze den Bierkrug wieder ab und richtete nun seine ganze Aufmerksamkeit
auf die hagere Frau: „Vielen Dank – ich habe bereits gegessen. Was ist mit dir
David?“ – ich schüttelte den Kopf und ärgerte mich, dass diese Frau mir dazwischengekommen
war. Trink endlich das verdammte Bier, dachte ich und nippte an meinem. Mit
einem Schulterzucken verließ uns die Kellnerin und der alte Oswald richtete
einen ernsten Blick zu mir.

„David – hast Du mir nicht irgendetwas zu sagen?“. Diese harmlose
Frage löste in mir eine gewisse Panik aus. Es schien so, als wenn mein
Gegenüber ahnen würde, was ich vorhatte.

„Was sollte ich dir denn schon sagen? Du wolltest doch mit mir
sprechen.“ Diesmal klang ich schon ein wenig gereizter, was sich auch mit
meiner tatsächlichen Stimmung deckte. Zum einen wollte ich, dass dieser alte
Herr seinen Bierkrug endlich leerte und zum anderen war mir dessen Blick aufs
äußerste unangenehm.

Er räusperte sich und schob den Bierkrug beiseite – na toll…

„Du hast Recht David. Ja ich wollte mit dir sprechen. Es gibt da
etwas, was ich dir schon länger sagen wollte.“ 
Er setzte seine Brille ab und fing an diese beiläufig zu putzen. Dabei
sprach er unbeirrt weiter.  „Du hast dich
sicher gefragt, warum ich dich so sehr beschütze oder? Das ich dir so sehr
helfe und dass ich, zugegeben ein wenig streng war. Ich möchte dich nur wissen
lassen, dass ich dich sehr mag, wie meinen eigenen Sohn. Ich will das du deine
Kunst ausleben kannst. Es wäre eine Schande, wenn die Polizei dich dabei
erwischen würde. Egal was passiert – ich stehe immer hinter dir.“

Diese Worte hatte ich am wenigsten erwartet. Nicht vom alten
Oswald. War dies der gleiche Oswald, der mir immer die Ohrfeigen gegeben hatte?
Sah er sein Ende schon kommen und wollte nur noch reinen Tisch machen? Wie
sollte ich mich jetzt verhalten? Nach einigen Augenblicken des Schweigens
setzte er seine Brille wieder auf und nahm sein Bier in die Hand und prostete
mir zu.

Er verharrte in dieser Position und lächelte mich erwartungsvoll
an. Nur zögerlich nahm ich mein Bier in die Hand und erhob das Glas. Noch immer
verdutzt sprach ich die Worte aus: „Auf dein Wohl, Oswald…“

Fortsetzung folgt….

 

 
 

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