The House Of The Rising Sun
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Die Tür schlug hinter ihm zu und schon stand er im
Schnee. Er hörte noch den Jazz und roch
noch die modrige Luft, die aus der Kneipe herausströmte. Er stellte seinen
Kragen hoch und lief los. Die kalte Luft schlug ihm ins Gesicht und er ging
los, dem Sturm entgegen. Er lief durch die dunklen Gassen New Orleans, es war
keine gute Zeit. Weder für ihn, noch für die Stadt. Im Zuge der Prohibition
verschwanden immer mehr Bars, Kneipen und kleine Gasthöfe, in denen man sich
vor wenigen Wochen noch für wenige Dollar hemmungslos besaufen konnte. Das
hatte er immer besonders geliebt, auch wenn es ihn in den Ruin getrieben hatte.
Seine Frau war weg, mit ihr die Kinder und das Geld. Auch wenn man es als
alleinerziehende Mutter nicht leicht hatte, es schien der dummen Kuh besser zu
gefallen als mit ihm zusammenzuwohnen.
Er wusste nicht wohin er ging, er stromerte
durch die kleinsten Gassen und breitesten Straßen, auf der Suche nach
irgendeinem Sinn. Etwas, das ihm den Lebensmut zurückgeben würde. Der Schnee
wurde immer dichter, die Kälte schlich sich durch seine Beine, doch er merkte
es gar nicht richtig. Er steuerte durch die Stadt, wie von einer fremden Macht
gezogen, unfähig sein Tun zu hinterfragen. Mittlerweile befand er sich in einem
Bezirk, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Hier waren die Häuser sauberer,
die Menschen schienen allgemein gepflegter und fröhlicher. Er wollte sie
genauer ansehen, doch er konnte es nicht. Er wollte die schönen Häuser der
Kolonialzeit sehen, die aufwendig gekleideten Menschen, doch es gelang ihm
nicht. Kurz fühlte er sich, als würde er wie an einem warmen Sommertag durch
das French Quarter flanieren, doch die Gegend hätte er erkannt. Diese Straße
hier war ganz anders und irgendwie doch so gleich. Er lief immer weiter, die
Gebäude wurden prächtiger und der Weg sah gepflegter aus. In den Gärten und
Blumenkästen erblühten die buntesten Blumen und nirgendwo lag nur eine Flocke
Schnee, obwohl das weiße Glück noch immer durch die finstere Nacht hindurch
fiel, welche hier gar nicht so finster wirkte.
Nachdem er eine Weile gegangen
war, unfähig um zu sagen ob es nur Minuten oder Tage gelaufen war, spürte er,
wie diese fremde Kraft immer mehr an ihm zu ziehen schien, sie zerrte ihn
regelrecht. Wieder veränderte sich das Viertel, die Straße wurde langsam immer
verfallener, älter und hässlicher. Auch sah man nun keine Menschen mehr auf den
Straßen, nur ab und zu sah er ein bleiches Gesicht durch die fahlen Vorhänge
spähen. Plötzlich öffnete sich die Gasse und er stand auf einem ovalen Platz,
der zwar gepflegt war, doch die Häuser um ihn herum waren nichts mehr als bloße
Ruinen. Doch auf der anderen Seite stand
zwischen all diesen ausgebrannten Bruchbuden das prächtigste Haus, das je ein
Mensch erblickt hatte. Jeder Kaiser oder König wäre bei seinem Anblick erblasst
und vor Neid zerfahren. Und nun war es keine unbekannte Kraft die ihn zog, nein,
jetzt war es seine eigene Neugier. Langsam schritt er auf das marmorne
Eingangstor zu, voller Ehrfurcht vor dem puren Glanz dieses Bollwerks, durch
das eine ganze Armee gepasst hätte. Viel schneller als er dachte stand er vor
dem monumentalen Eisentor, das in all der Pracht fehl am Platz wirkte, von ihm
ging eine merkwürdige Aura aus, als hätte man es direkt in der Hölle
geschmiedet. Er wusste nun nicht mehr was er tun sollte. War er all den Weg
gegangen, nur um vor verschlossenen Toren zu stehen? Mutlos stieß er trotzdem
kurz gegen das Tor und zu seiner großen Überraschung schwang es ohne Weiteres
auf. Er schlich vorsichtig und ehrfürchtig über den steinernen Weg, quer
hindurch durch einen dunklen, aber schönen Garten. Er kam zu einer Tür aus
massivem Eichenholz, doch auch diese öffnete sich problemlos, und so betrat
er die größte Halle, die die Welt je gesehen hatte. Sie war so groß, dass die
Geräusche seiner Schritte gar nicht weit genug hallten, um ein Echo zu
erzeugen. Erhellt wurde der Raum durch unzählige Feuerstellen, die
scheinbar willkürlich verteilt waren, aber doch so gut, dass sie alles perfekt
ausleuchteten. Und in der Mitte dieses Monuments stand eine massive Treppe, die
bis zur, für ihn nicht einmal sichtbaren, Decke führte. Nun wieder zog ihn diese
Kraft und ohne alle Hemmungen und alle Bewunderung, die er bis jetzt gehabt
hatte, stürmte er die Treppe hinauf, so hoch, als würde er direkt zu den Pforten
des Himmels laufen. Je höher er kam, desto finsterer wurde es, es befanden sich
kaum noch Fackeln an der Treppe, und so konnte er nur noch mit Müh und Not die
eigene Hand vor Augen sehen. Schließlich, nachdem er die Höhe des höchsten
Berges bei Weitem überstiegen hatte, stieß er auf die dritte und letzte Tür. In
der Finsternis vor ihr gelang es ihm nur mit großer Anstrengung, die Inschrift auf
ihr zu erspähen:
„Tritt ein ins
Haus der aufgehenden Sonne“
Wieder lehnte er sich gegen das starke Tor und auch dieses
Mal gab es ohne Weiteres nach. Gleißendes Licht strömte aus dem Inneren und
blendete ihn, ließ ihn mehr in den Raum taumeln als gehen. Er befand sich in
einer großen Halle, leer bis auf einen Stuhl am anderen Ende des Saals. Alle
Seiten waren verglast, und obwohl er für einen Menschen unbegreifliche Höhen
überwunden hatte, blickte er lediglich über die Stadt, als hätte er einen ganz
normalen Kirchturm bestiegen. Nachdem er sich eine Weile umgesehen hatte,
merkte er, dass auf dem Stuhl, mit dem Rücken zu ihm gedreht, jemand saß. Obwohl
er sich völlig ruhig verhalten hatte, erhob sich der Mann vom Stuhl langsam und
drehte sich zu ihm um. Er war ein großer, hagerer und uralter Mann, der sich
nun langsam auf ihn zubewegte. Er trug
eine Art graue Robe, die seinen ganzen Körper bedeckte und sein wallendes,
sturmgraues Haar wuchs dicht auf seinem Kopf, als müsse es etwas verbergen,
fiel dann wie in Strömen von seinem hohen Haupt bis zu seiner Hüfte und
umrahmte sein Gesicht, um dann als Bart genau so tief zu fallen. In seinen
stechend blauen Augen spiegelte sich vollkommene Ruhe, zugleich aber auch große
Verzweiflung. Langsam schritt er durch die gigantische Halle auf den
Neuankömmling zu, beinahe lautlos glitt er über den polierten Mamorboden.
„Es war der Ruin
vieler armer Menschen“, donnerte der Alte ihm ohne jede Vorwarnung
entgegen. „Bitte was?“, fragte
er völlig verwirrt, doch ihm wurde keine Beachtung geschenkt. Der hagere Greis
hatte schon fast die Hälfte der Strecke zurückgelegt, da rief er: „Mütter,
sagt euren Kindern, nicht zu tun, was er tat, er gab sein Leben der Sünde, und
endete im Haus der aufgehenden Sonne.“ Nun war der Mann weniger verwirrt,
sondern viel mehr ängstlich. Es war nicht der Text, den er gerade gehört hatte,
er realisierte gar nicht, dass es sich auf ihn bezog, es war auch nicht die
seltsame Melodie, mit der es vorgetragen wurde, nein, es war der Alte selbst,
der eine finstere Aura ausstrahlte. Nun, da er näher herangekommen war, konnte
der Ankömmling die tiefen Falten in seinem Gesicht sehen, die verdreckten
Finger, die seltsamen schwarzen Verfärbungen im langen Bart des Greises, doch
vor allem sah er die beiden Huckel auf dem Kopf, die das graue, verfilzte Haar
mühsam zu verdecken versuchte. Denn dort, wo seine Haarpracht nicht ausreichte,
sah man kahle Stellen aufblitzen, vom Aussehen her in einem reinen, glänzenden
Schwarz gehalten. So wie er gerade noch prächtig und beeindruckend gewirkt hatte,
so wirkte er jetzt heruntergekommen und beängstigend. Und er kam immer näher. „So
gehe ich nach New Orleans, um meine Kette zu tragen und meine Schuld zu
begleichen“, rief er wieder, diesmal, anders als zuvor, man konnte aber
eine deutliche Emotion in seiner Stimme ausmachen: Wut. Er war nun keine zehn
Meter mehr entfernt und seine gesamte Scheußlichkeit war nun sichtbar. Er sah
nicht mehr aus wie ein gütiger alter Mann, er sah aus wie ein groteskes
Zerrbild eines einst mächtigen und strahlenden Engels, als wäre er geradewegs
aus dem Himmel gefallen. Mittlerweile
waren die Faszination und Neugier des Mannes purer Angst gewichen. Er wusste
nicht, was dieser Fremde mit ihm vorhatte, aber es war ganz gewiss nichts
Gutes. Auch fragte er sich jetzt zum ersten Mal, warum er eigentlich hier her
gekommen war? Was wollte er hier? Als der finstere Alte keine acht Schritte
mehr entfernt war, schrie alles im Mann danach, sich umzudrehen und
wegzulaufen, doch so sehr er es auch wollte, er konnte es nicht. Dieses uralte
Wesen hatte ihn in seinem Bann.
„Seit Jahrhunderten sitze ich nun schon hier, ich war
hier, bevor diese Stadt begann zu existieren und ich werde hier sein, wenn sie
Vergangenheit ist. Ich baute den höchsten Turm, hinaus aus dem Elend dieses
Lochs, doch egal wie hoch ich gehe, ich komme nicht höher als die Höhe seines Symbols. Nicht höher als eine vermaledeite
Kirche komme ich. Und nun sitze ich hier, der Gefallene, der Verbannte, in
dieser Halle und warte darauf, dass mir verziehen wird, während ich alles
Verkommene und Schlechte von dieser Welt tilge“, sprach das Wesen nun,
nachdem es sich direkt vor dem Mann aufgebaut hatte. „Hier sehe ich die
Sonne aufgehen, als Zeichen für jeden Tag neuer Qual. Aber das alles muss dich
nun nicht mehr interessieren.“ Daraufhin wurde es still, der Mann ahnte
nicht einmal, was man ihm gerade prophezeit hatte, und dieses finstere Etwas
begann zu lächeln. Dann, mit der Schnelligkeit einer Schlange beim Zubeißen,
durchtrennte es seine Kehle, riss ihm den Kopf vom Leibe und schwenkte ihn
durch die Luft, während der restliche Körper in sich zusammensackte. Und dann,
kurz bevor er sich wieder dem Fenster zuwandte, malte er noch schwungvoll mit
dem Blut seines Opfers den Namen auf den Boden, vor dem sich alle Welt
fürchtete. Seinen Namen. Lucifer.
„There is a house in New Orleans
They call the Rising Sun
And it’s been the ruin of many a poor boy
And God I know I’m one“