GeisteskrankheitMittelPsychologischer Horror

The Red Lights – Teil 1: Eingeschlossen

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

„Es ist ein Wahn zu glauben, dass Unglück den Menschen besser macht“ – Friedrich von Bodenstedt.

Möchten Sie eine Geschichte hören? Meine Geschichte? Gut, ich werde sie Ihnen erzählen. Doch erwarten Sie bitte keine schöne Geschichte, denn am Ende dieser Geschichte werde ich nicht mehr ich selbst sein. Am Ende meiner Geschichte werde ich meinen Verstand verloren haben und werde, wie Menschen wie Sie es ausdrücken, wahnsinnig sein. Ja, jetzt wissen Sie bereits, wie diese Geschichte endet. Doch das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, warum das passieren musste. Ich versuche, die letzten klaren Gedanken, die ich noch habe, zu sammeln, um Ihnen dies erzählen zu können.

Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Raymond Corner und ich war ein ganz normaler Mensch, mit ganz normalen alltäglichen Problemen und jetzt bin ich so wie ich bin. Doch lassen Sie mich vielleicht ganz am Anfang beginnen.

Ich betrachtete das riesige Gebäude, das vor mir aus dem Erdboden ragte. Dunkel und bedrohlich, so wirkte es zumindest auf mich, ragte es nach oben Richtung Himmel. Ich hatte nur einen Blick darauf geworfen und fühlte mich bereits hilflos und deprimiert. Das Tor zur Einfahrt bestand aus schwerem Gitterstahl und ebenso vergittert waren auch alle Fenster, die ich sehen konnte. Glauben Sie, dass ich von einem Gefängnis spreche? Ich muss Sie enttäuschen. Bei dem Gebäude, welches ich beschreibe, handelte es sich um eine Nervenheilanstalt. Oder wie man es auch im Volksmund nannte: Ein Irrenhaus. Sie fragen sich, warum ich mich dort aufhalte? Man hat mich dort eingewiesen, da ich Schwierigkeiten hatte, mein Temperament unter Kontrolle zu halten. Ja, ich war zeitweise tatsächlich sehr wütend und wenn es mal soweit war, konnte ich mich kaum noch beherrschen.

In der Regel bin ich eigentlich eher ein sehr ruhiger Mensch, aber sobald irgendetwas geschah, dass die roten Lampen zum Brennen brachte, wurde es zur Hölle. Und nachdem es jetzt zu schlimm geworden war, hat man mir nahegelegt, mir helfen zu lassen. Erst wollte ich es nicht, doch dann dachte ich nach und musste einsehen, dass ich mit meiner Selbstbeherrschung wirklich ein Problem hatte und diese Hilfe brauchte, denn auch für mich war all dies belastend. Häufig, wenn ich zu wütend wurde, blickte ich auf die Scherben dessen, was ich angerichtet hatte und schämte mich. Ich schämte mich zu Tode, für das, was ich war. Aber das sind keine alltäglichen Probleme, sagen Sie? Doch, für mich sind sie das, zumindest rückblickend im Vergleich zu dem, wie es heute ist. Ansonsten führte ich ein zufriedenes Leben, das ganz gut lief. Ich hatte eine Frau Namens Patricia und wir hatten einen gemeinsamen Sohn namens Adam. Was wollen Sie noch von mir hören? Dass ich Alkoholiker war oder depressiv? Das könnte ich Ihnen natürlich sagen, doch dann würde ich Sie belügen. Nein, ich hatte keine Probleme, bis auf meine Selbstbeherrschung, diese schaffte mir jedoch immer mal wieder neue Probleme. Ich war eigentlich ein sehr vernünftiger und ruhiger Mensch, doch wenn es soweit war, konnte ich regelrecht rasend und tobsüchtig werden. Und diesmal hatte ich es zu weit getrieben.

Ich bin von Beruf Polizist, müssen Sie wissen und ja, ich kann hören, wie Sie lachen. Ein Polizist im Irrenhaus, das ist doch auch einmal was neues. An besagtem Tag waren ich und mein Partner wieder auf Streife gefahren und fuhren am City Park in Denver, wo ich lebte, entlang. Auf einer Parkbank sahen wir plötzlich ein paar Typen sitzen, die irgendwas in der Hand hatten, das qualmte und sie zogen mit dem Mund daran und rauchten es. Natürlich hätte das auch eine normale Zigarette sein können, aber wenn Sie einmal ein paar Jahre in dieser Branche gearbeitet haben, entwickeln Sie schnell ein Gefühl dafür, was eine Zigarette ist und was nicht.

Wir fuhren noch ein paar Meter weiter, dann hielten wir an. Das taten wir, damit diese Typen uns nicht gleich erblickten und wir den Moment der Überraschung auf unserer Seite hatten und das funktionierte ganz gut. Als wir so nah an sie herangekommen waren, dass sie uns erblickten, warfen sie das Zeug weg und rannten los. Dumm waren sie nicht, sie rannten in verschiedene Richtungen. Da 1 gegen 1 ein wenig riskant werden konnte, nahmen wir uns zu zweit einen der Typen vor. Wir fassten und stellten ihn und so stand er nun vor uns. Handschellen legten wir nicht an, zumindest jetzt noch nicht, da es ja sein könnte, dass er sich friedlich verhielt. Könnte.

„Also, was haben wir denn da eben gemacht?“ Ich redete extra streng, um das Gegenüber ein wenig einzuschüchtern.
Der Kerl blickte mich wütend an. „Das geht Sie einen Scheißdreck an, Officer!“

Ah, so viel also zum friedlichen Verhalten. „Wir sind eigentlich nur gekommen, um eine kleine Routinekontrolle durchzuführen, dass sie direkt abgehauen sind, spricht ja schon für sich.“

Der Kerl sah mich nur noch abwertender an. „Geh und fick dich, du dreckiger Bulle!“ Mein Magen wurde warm und ich spürte das altbekannte Gefühl der Wut tief in mir brodeln. „Freundchen, du passt besser auf, was du sagst, du steckst jetzt schon tief drin“, sagte ich grob, doch dann rief ich mich innerlich wieder zur Ruhe. „Pass auf, wenn du uns das Zeug gibst und uns sagst, wer deine Kollegen waren, könntest du aus der Nummer vielleicht noch ganz gut rauskommen.“

„Du denkst auch, dass du ein ganz starker bist mit deiner Marke, was du Arschloch?“ Der Typ versetzte mir einen kräftigen Stoß und das war bereits ein K.O.-Punkt. Sie müssen wissen, ich hasse es, mehr als alles andere auf der Welt, wenn man mich anfasst. Davon wurde ich schneller aggressiv als von allem anderen zusammen und auch diesmal war das keine Ausnahme.

Ich stürmte zu dem Kerl, packte ihn am Kragen und zerrte ihn zu mir. Mein Partner rief bereits mit warnender Stimme nach mir, doch ich hörte das schon gar nicht mehr, ich hatte jetzt nur noch diesen Typen, diese vorlaute, kleine Kreatur, diese Made vor mir. Er sah mich ein wenig geschockt an, offenbar hatte er verstanden, dass er gerade ein wenig zu weit gegangen war. „Hör mir mal genau zu“, knurrte ich wütend. „Ich zeige dir gleich mal, wie stark ich wirklich bin und dann fasse ich dich auch mal an! Also, bist du jetzt brav?“

Der Kerl hatte wohl sein Selbstbewusstsein wieder, denn was als nächstes geschah, war eine einzige Respektlosigkeit: Er spuckte mir mitten ins Gesicht und die roten Lampen glühten so stark und so extrem, wie sie nur konnten, sie brannten so sehr, dass in jeder Zelle meines Körpers eine absolute Hitze herrschte und ich nur noch aus purem Feuer bestand. Erst als mir mein Partner einen kräftigen Schlag versetzte, erwachte ich langsam aus meiner Trance und sah mich um. Für einen kleinen Moment musste ich erst meine Gedanken sortieren und wieder begreifen, wo ich war. Dann sah ich den Typ und verstand was geschehen war und ein Gefühl, schwer wie Blei legte sich in meinen Magen.

Dieser Kerl lag am Boden, blutete aus der Nase und aus der Lippe und zitterte zusammengekrümmt. Und wieder stellte ich mir die selben Fragen, die ich mir immer stellte, wenn so etwas geschah. War das wirklich passiert? War das tatsächlich ich? Ich konnte es selbst nicht glauben, doch es war unbestreitlich. Erneut blickte ich auf die Scherben meines Handelns und schämte mich.

Zwei Tage danach hatte ich ein Gespräch mit dem Captain. Insgesamt dauerte es über zwei Stunden, deswegen möchte ich Ihnen nur die wichtigsten Details mitteilen. Der Captain teilte mir mit, dass man von ihm meine sofortige Dienstsuspendierung gefordert hätte, er hatte sich jedoch für mich stark gemacht, weil er mich mochte und ich glaubte ihm das auch. Ja, wenn die roten Lampen ausgestellt waren, dann war ich tatsächlich ein äußerst ruhiger und klar denkender Mensch, mit dem man gern Zeit verbrachte. Daher hätte er meine Karriere vorerst retten können und noch niemals war ich jemandem so dankbar im Leben wie Captain Leroy Harving in diesem Moment gerade.

Allerdings ließ die nächste Überraschung nicht sehr lange auf sich warten. Er befürchtete, dass ich meine Wut nicht kontrollieren könnte und es wieder zu solchen furchtbaren Zwischenfällen kommen würde, wie er mir mitteilte, auch wenn er wisse, dass ich mein Handeln selbst als falsch anerkannte. Daher durfte ich meinen Dienst nur weiterführen, wenn ich mich zuvor in eine Nervenheilanstalt begab, um mir bei meinem Problem helfen zu lassen.

Und so stand ich nun hier, vor schweren Stahltüren und vergitterten Fenstern. Dies war kein Gefängnis, doch es sah definitv aus wie eins. Jetzt durfte ich also auch einmal die andere Seite erleben. Die Seite der Menschen, die ich sonst festnahm und die hier landeten. Die Seite der Mörder und Vergewaltiger.

Mit einem lauten Summen öffnete sich die Stahltür und der Wagen, mit dem ich hierhergefahren wurde, bewegte sich in die Einfahrt. Der Fahrer des Wagens stieg aus und ich tat es ihm gleich. „Bitte hier entlang.“ Ich folgte ihm Richtung Eingang. Man hatte mich nicht mit einem speziellen Gefängniswagen hergefahren oder gefesselt, was bedeutete, dass die Leute wussten, dass ich ungefährlich war und das beruhigte mich irgendwie.

Als wir die Klinik betraten, musste ich fast schon ein wenig lächeln, da alle Wände komplett weiß gestrichen waren, man sah Patientenzimmer, die versperrt werden konnten, die Räume der Pfleger, Behandlungszimmer… jedes Klischee, dass man sich vorstellen konnte, war erfüllt. Weiß und steril.

Wir gingen ein paar Treppen nach oben, ein paar Flure entlang und schließlich betraten wir ein größeres Büro, in dem ein älterer Herr mit gräulichen Haaren und Bart saß. Er blickte auf und begrüßte mich.

„Ah, Mr. Corner, willkommen.“

„Guten Tag“, erwiderte ich höflich.

„Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Samuel Widrow, ich bin Leiter und Oberarzt dieser Einrichtung.“ Er setzte sich wieder an den Schreibtisch, ich nahm in dem Stuhl ihm gegenüber Platz. „Wir hatten bereits telefoniert und ich habe mir bereits eine Akte angefertigt. Sie möchten sich wegen Aggressionsstörungen behandeln lassen.“

„Das ist richtig. Ich bin eigentlich sonst ein sehr guter Mensch, möchte ich behaupten und wäre glücklich, wenn ich ihre Einrichtung verlassen könnte und fromm wie ein kleines Lämmchen wäre.“ Ich setzte ein Lächeln auf, ich wollte ihm zeigen, dass ich wirklich ein netter Kerl war, mit dem man auch Spaß haben konnte.

Es schien zu wirken, da Mr. Widrow ebenfalls lachte. „Na, das zeugt von gutem Willen und sollte sich einrichten lassen. Sie müssen allerdings verstehen, dass die Behandlung sehr zeitintensiv ist, da wir erst erforschen müssen, in welchem Ausmaß Ihre Störung genau ausgeprägt ist und wie wir diese am besten behandeln.“

„Oh, das ist kein Problem, mein Arbeitgeber hat mir solange Zeit gegeben, wie ich benötige.“

Mr. Widrow nahm eine Akte zur Hand, in der er herumblätterte. „Sie arbeiten bei der Polizei von Denver, richtig?“

„Stimmt genau.“

„Ja, ihr Captain, Leroy Harving hat sich ebenfalls mit mir in Kontakt gesetzt und mich auch über den Vorfall informiert, wegen dem Sie sich helfen lassen möchten.“ Ich erwiderte nichts, aber blickte ein wenig nervös zu Boden. Jetzt war mir das, was geschehen war, wieder peinlich und ich fühlte mich unwohl. Dies entging Mr. Widrow ebenfalls nicht. „Mr. Corner, Sie haben eine Störung, die Hilfe benötigt, das ist ganz normal und etwas absolut menschliches.“ Jetzt blickte ich wieder zu ihm auf und war ihm der seine Worte dankbar. „Wir haben Patienten, die weitaus schwerwiegendere Krankheiten haben, machen Sie sich um ihre Wutprobleme bitte keine Sorgen. Ich möchte Sie jedoch gleichfalls bitten, mit diesen Patienten sehr vorsichtig zu interagieren.“

Ich dachte nach, was das bedeuten könnte und schließlich bestätigte er meine Vermutungen. „Natürlich wollen wir zwischenmenschliche Kontakte und Teambereitschaft fördern, manche Patienten jedoch sind so schwer erkrankt, dass sie als gefährlich betrachtet werden müssen, was sich auch schon gezeigt hat.“

Ich hörte ihm neugierig zu. „Wieso, was ist denn passiert?“

Mr. Widrow schüttelte den Kopf. „Ich möchte darauf nicht näher eingehen und darf es wegen der Verschwiegenheitspflicht auch nicht. Diese Patienten werden zwar teilweise auf die Station gelassen, allerdings werden sie dauerhaft beobachtet und man ist jederzeit bereit, einzugreifen, da man stets davon ausgeht, dass jede Sekunde etwas passieren kann, dazu braucht es keinen spezifischen Grund. Also seien Sie bitte vorsichtig.“

Ich hatte eine gewisse Gänsehaut bekommen, mir war zum ersten Mal wirklich klar geworden, wo ich mich eigentlich befand. Jeder Mensch um mich herum konnte gefährlich sein und mich von einer Sekunde auf die andere attackieren. Das war beängstigend, da ich nicht wusste, wem ich wirklich vertrauen konnte.

„Nun gut, soviel also dazu, dann wären wir auch schon fertig. Wenn Sie nun bitte Bill folgen würden, er wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen.“

Ich folgte dem.Mann, den Mr. Widrow eben Bill genannt hatte, durch die Flure und wir erreichten Station 6. Diese bestand aus einem Aufenthaltsraum, dem Pflegezimmer, 15 Patientenzimmern, einem Raum zur Sicherheitsverwahrung und einer Gummizelle für den Fall, dass es wohl mal richtig extrem wurde. Um in die anderen Stationen oder Teile der Klinik zu kommen, musste man durch Türen gehen, die nur das Personal mit Spezialschlüsseln öffnen konnte. Und eine dieser Türen fiel hinter mir ins Schloss. Ich war gefangen.

Die erste Woche in der Klinik verlief ereignislos. Die Tage bestanden aus Aufstehen, Frühstücken, selbstständiger Zeitvertreib mit Büchern oder Kartenspielen, Mittagessen, selbstständiger Zeitvertreib, Abendessen und zu Bett gehen. Montags und Mittwochs sollte ich ab jetzt ein Einzelgespräch mit meinem behandelnden Psychologen, Dr. Quentin Doyle führen und Freitags stand eine Gruppentherapie auf dem Plan. Und sonst passierte nichts und das bedrückte mich. Während der Zeitvertreibsphase gab es nichts zu tun, weswegen ich mich an ein paar der vorhandenen Bücher heranwagte, doch Literatur wie ich sie mochte, zum Beispiel Stephen King oder Edgar Allan Poe waren nicht vorhanden – was natürlich aber Sinn ergab. Und so verbrachte ich die Zeit hauptsächlich damit zu warten. Auf das Mittagessen, Abendessen, das Bett. Dies ging tagein, tagaus und wenn ich bisher noch nicht deprimiert war, war es spätestens jetzt so weit. Ich blickte aus dem vergitterten Fenster in den sonnigen Innenhof und wünschte, ich könnte eine Runde spazieren gehen und eine Zigarette rauchen oder zwei, am besten direkt 100 Stück hintereinander, doch auch das selbstständige Rausgehen war nicht gestattet, nicht einmal in den Hof, es musste immer ein Pfleger anwesend sein und diese hatten häufig keine Zeit. Also lehnte ich mich an das Fenster und wartete weiter, doch ich wusste selbst nicht auf was. Ich dachte daran, dass jeder Tag der nächsten Wochen, vielleicht Monate so für mich aussehen könnte und fühlte mich plötzlich völlig ohnmächtig. Wie sollte ich das bloß schaffen.

Schließlich war der Samstag eingetroffen. Ich hatte gehofft, dass sich am Wochenende vielleicht irgendwas ändern würde aber auch heute war der selbe triviale Ablauf wie jeden Tag abgelaufen und morgen würde es auch nicht besser werden. Ich legte mich zum Schlafen ins Bett, obwohl es erst 8 Uhr Abends war, aber was sonst sollte ich tun? Ich vergrub das Gesicht in meinem Kissen und begann leise zu weinen. Ich war erst eine einzige Woche hier und war bereits mit den Nerven am Ende. Nach einer Stunde, vielleicht auch zwei, fiel ich endlich in einen unruhigen Schlaf…

Wie spät musste es sein? 2 Uhr nachts? Ich hatte keine Uhr, aber draußen war es stockfinster und irgendetwas hatte mich geweckt, irgend ein Geräusch. Ich versuchte, etwas zu sehen, doch alles war dunkel und in mein Zimmer fiel kein bisschen Licht. Müde tastete ich nach dem Schalter meiner Leselampe, doch konnte ihn nicht finden. Wo war er denn nur? Mein Finger fuhr über gewölbtes Hartplastik, endlich hatte ich den Schalter gefunden. Mit einem Knipsen schaltete ich das Licht ein und erstarrte augenblicklich vor Schreck.

Vor meinem Bett stand eine Frau, sie war eine Patientin, die ich hin und wieder mal gesehen hatte und starrte mich unablässig an. Sie hielt in ihrer rechten Hand ein Messer und hatte sich Wunden in die Arme und in das Gesicht geschnitten, Blut lief über ihre blasse Haut.

Ich starrte mit offenem Mund zurück und wusste nicht, was ich tun sollte.

„Interagieren Sie bitte sehr vorsichtig mit den Patienten, manche können ohne einen bestimmten Grund gefährlich werden“, hallte die Stimme von Mr. Widrow durch meinen Kopf. Und nun stand vor mir, mitten in der Nacht, eine fremde Frau mit einem Messer vor meinem Bett, die sich selbst zerschnitten hatte. War das vielleicht für Mr. Widrow eine gefährliche Situation?

„Entschuldigung, kann ich Ihnen helfen?“, fragte ich zaghaft.

„Sie sind nicht hier“, sagte sie mit leiser Singstimme. Die Frau musste sofort ärztlich versorgt werden, wenn sie nicht verbluten wollte, doch was sollte ich tun? Es war offensichtlich, mit ihr konnte ich nicht einfach reden, wie mit einem ganz normalen Menschen. Ich hatte Angst davor, etwas zu sagen oder zu tun, da ich befürchtete, mit allem was ich tat, egal, was das war, eine Bombe auszulösen. Trotzdem musste ich einen Versuch wagen. „Entschuldigung, aber wer ist nicht hier?“

Einen Augenblick sah sie mich nur mit leeren Augen an, dann begann sie wieder zu sprechen. „Die Blumen sind nicht hier. Amy sagte, ich bin schön wie eine Blume, aber das stimmt nicht, ich bin keine Blume, ich habe nachgesehen, siehst du?“ Sie hielt mir ihre Arme entgegen, aus denen immer mehr Blut floss. Ich wollte fragen, wer Amy war, aber das war jetzt völlig egal, sie brauchte sofort einen Arzt. „Weißt du, wo die Blumen sind?“ Sie hatte immer noch diese leise Singstimme, als würde sie die Schmerzen ihrer Wunden gar nicht empfinden.

„Ähm… ja, ich glaube, ich habe sie gesehen. Ich hole sie Ihnen. Bitte, setzen Sie sich doch solange auf das Bett und warten.“ Ich stand vorsichtig auf und dachte darüber nach, ob ich sie an den Schultern fassen und auf das Bett setzen sollte, ließ es jedoch bleiben, da ich nicht wusste, wie sie reagieren würde. Ich ging langsam an ihr vorbei Richtung Tür und blickte sie noch einmal an und bemerkte, dass sie immer noch auf mein Bett starrte.

„Sie sind nicht hier“, wiederholte sie. Hatte sie überhaupt bemerkt, dass ich ebenfalls im Raum war? Egal. Ich rannte zum Aufenthaltsraum der Pfleger und sagte ihnen, was gerade in meinem Zimmer vor sich ging. Ohne weitere Worte zu verlieren, stürmten sie zu dritt in mein Zimmer. Ich wartete in einiger Entfernung. Nach ein paar Minuten kamen die drei mit der Frau wieder heraus, sie hatten ihre Arme verbunden und ihr Handschellen angelegt. Zwei der Pfleger brachten sie weg, wobei sie weiterhin über Blumen und Amy sprach, der dritte kam zu mir.

„Vielen Dank, dass sie uns Bescheid gesagt haben, Mr. Corner. Aber trotzdem: Neben Ihrem Bett befindet sich ein Schalter, den Sie drücken können, wenn Sie das tun, kommt einer von uns zu Ihnen. Ich möchte Sie bitten, dies das nächste Mal wenn so etwas vorkommt, auch zu tun. Miss Hallory zum Beispiel ist als gefährlich einzustufen, sowohl für sich selbst, wie Sie bemerkt haben dürften, als auch für andere. Ein leichtfertiger Umgang mit ihr oder anderen Patienten ohne zu wissen, was genau Sie tun, ist nicht ratsam.“

Äh, ja, okay…“ Ich wusste nicht genau, was ich antworten sollte, da ich noch unter Schock wegen dieser Situation stand. Ich legte mich wieder in mein Bett, doch einschlafen konnte ich die ganze Nacht nicht mehr. Ich dachte über das nach, was eben geschehen war und plötzlich tat mir diese Frau – Miss Hallory – schrecklich leid. Wie konnte ein Mensch nur so enden? Ich wollte gar nicht daran denken, was sie alles erlebt haben musste. Waren alle der anderen Patienten ebenfalls so? Die meisten wahrscheinlich. Ich habe mir ja schon vorgestellt, dass ich hier erschreckendes sehen würde, aber jetzt wurde mir mit neuer Intensität nochmal bewusst, wo ich hier war. So etwas, wie das eben hatte ich noch nie erlebt. Das war nicht die Welt, die ich kannte. Dies war eine eigene Welt. Eine kranke und düstere Welt.

Teil 2: https://creepypasta.fandom.com/de/wiki/The_Red_Lights_-_Teil_2%3A_Dr._North?mobile-app=false

Bewertung: 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Überprüfen Sie auch
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"