KreaturenMittelTraum

Tränenblau

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Vorheriger Teil: [http://de.creepypasta.wikia.com/wiki/Scheinendesgold Scheinendesgold]

Tränen flossen unaufhaltsam ihr blasses Gesicht hinunter,
während sie rannte. Sie hatte kein Ziel. Keinen Ort, an dem sie im Moment sein
wollte. Sie wollte nur flüchten. Flüchten vor der schlimmen Grausamkeit, die
sich immer und immer wieder vor ihrem inneren Auge abspielte. Ihr Herz
verkrampfte sich schlagartig, als sie ein erneutes Mal mit ansah, was noch vor
wenigen Minuten in ihrem Haus stattgefunden hatte. Sie saß in ihrem Zimmer. Die
Beine ängstlich wie ein kleines Kind aneinandergezogen und wippte schluchzend
auf und ab. Viele mögen sich wohl denken, dass sie von ihrem Vater oder ihrer
Mutter geschlagen worden sei, aber so war es nicht, ganz und gar nicht. Sie
hatte immer eine sehr schöne und glückliche Kindheit gehabt. Ferner war es das,
was sie mit sich selbst gerade durchmachte, das sie unaufhaltsame Tränen
fließen ließ. Ihr Handy lag nur eine Armlänge weit von ihr entfernt, während
sie angespannt mit ansah, wie die dröhnende Vibration in ein nervtötendes
Kribbeln gen Parkettboden überging und Widerwillen in ihren Ohren hallte.
Nahezu unaufhaltsam, wie die stetige Vibration selbst, blinkte auch ihr Display
immer wieder auf und offenbarte eine neue Nachricht, die sie fast im
Sekundentakt von der anderen Seite eines anderen Menschen bekam.

Es tut mir leid.

Ich wollte es nicht.

Verzeih mir.

Caroline?

Diese vier einfachen Nachrichten, hatten mit sichtbarem
Erfolg all jene Nachrichten verdrängt, die zuvor mit solch einem Hass und solch
einer Ernsthaftigkeit gesendet worden waren, dass Carol diesen von Hass getränkten Texten weitaus mehr glauben
schenkte, als eben diese vier, die binnen weniger Sekunden wieder aus ihren
Augen verschwanden und das Handydisplay in eintöniges Schwarz eingetaucht
worden war: Niemand braucht dich!; Ritz dich zu Tode; Suizid ist die beste Lösung, wenn du deinen Problemen aus dem Weg gehen
willst 😉 Und jetzt, kurz nachdem diese Person,
welche einst ein Freund, nein, ein Bruder
für Carol war, diese eindeutigen Wünsche und Aussagen gesendet oder eher gesagt hatte, schickte er ihr ununterbrochen
im Klang des nervtötenden Vibrierens, Entschuldigungen hinterher, die mit
Herzen und Küsschen versehen waren, so wie man sie unter Liebespaaren oder
aller besten Freunden schicken würde, aber Caroline wusste das keines dieser
einfachen, lächerlichen Entschuldigungen ihre verletzte Seele je heilen würden.
Es mag äußerst absurd klingen, wenn man sagen könnte, dass diese unerwartete
Situation mit dem vermeintlichen Wunsch ihres Freundes, sie solle sich das
Leben nehmen, daraus entstand, dass die beiden einen Streit gehabt hatten.

Einen harmlosen Disput, über welchen man sich heute ärgern
würde und morgen schon in schallendes Gelächter ausbrechen würde, allein der
Absurdität wegen. Jedoch sah es für das Mädchen ganz anders aus. Dieser Disput
war etwas, den sie eigentlich hätte vermeiden wollen. Sie wollte nicht von
ihrem Bruder missverstanden, sondern verstanden werden. Sie hatte ihm
versucht zu erklären, wie sie sich nur fühlte, wenn sie mit ihm etwas bereden
wollte, was für sie eine sehr hohe Relevanz hatte, er jedoch nicht das Interesse
verspürte ihr zu zuhören – oder schlimmer – er ihre Sorgen mit einem einfachen
Abwinken hinfort wischte, ohne dass sie die Chance bekam ihr Problem
ausführlich zu erklären. Und wenn all das geschah, dann fühlte sie sich elend.
So elend, dass sie selbst die Woge, die ihren schwachen Geist überkam nicht
beschreiben konnte. Es war ein eigenartiges Gemisch aus Hitze und Kälte,
welches für sie im Einklang mit dem Rinnen der bitteren Tränen wie eine
Symphonie wirkte und sie war der Dirigent, der die Dauer der Töne im Form von
ihren Tränen und die Intensivität ihres Liedes in Form von ihren Gefühlen
bestimmte. In den meisten Fällen ließ sie diese Symphonie nie weiter als über
ihr Herz ergehen. Denn würde sie in den Fängen dieses Musikstückes enden, würde
sie für immer und ewig diesen grauenvollen Klängen lauschen müssen, was früher
oder später mit einem Höllenschrei in Verbindung käme und sich somit ihr
eigenes, musikalisches „Gefängnis“ noch enger und fester um sie erbauen würde.

Doch eben jenes Gefängnis drohte sich auch zur jetzigen Zeit
um sie zu erbauen, denn ihr Herz fühlte sich mit jedem Takt des Liedes (welches
sie zuvor allerdings angestrengt versucht hatte zu verdrängen) immer schwerer
an und nahm ihr mit jedem Schritt den sie sich immer weiter von der Straße
entfernte, die Luft zum Atmen weg. Etwas scharfes schnitt sie an ihrem
Handballen, sie zuckte leicht zusammen. Ihr blasses, vom Weinen verquollenes
Gesicht verzog sich quälend langsam zu einer schmerzverzerrten Grimasse,
während ihr Gehirn (immer noch in diesem bildlichen Szenario gefangen), nur
träge die eben durch die Nerven empfangene Pein verarbeitete. Alles was sie
jedoch spürte war ein einfaches Pochen auf ihrer Hand, dass sich ihrem
schnellen Herzrhythmus anschloss. Völlig perplex starrte das verweinte Mädchen
auf das zersplitterte Display ihres Smartphones und erkannte, wie als wenn
dieses Ding in ihrer Hand etwas aus einer anderen Welt zu sein schien, dass sie
ihr Telefon völlig grundlos mit sich rumschleppte und dass es der Grund jenes
Pochens war, dass allmählich abklang. Wie in einer plötzlichen Trance zeichnete
sie mit einem Finger jene Linien nach, die von einem großen, mit mehreren
Rissen durchzogenen Punkt ausgingen. Ein erneutes Mal überkam sie eine
Erinnerung, die sie vollends in ihrem Gefängnis einschloss:

Nachdem die letzten Sätze ihres Freundes, welche in ihren
Augen nach wie vor sinnlos waren, gefallen sind, hatte sie das Handy ungeachtet
der Folgen ihres Handels mit Wucht gegen die weiß beklebte Tapetenwand
geschmissen und mit einem lauten (der allerdings in ihren Ohren seltsam dumpf
erklang) Aufprall zersplitterte das Glas und hinterließ bei dem Kontakt mit dem
Boden viele kleine Splitter, die im hellen Licht der Morgensonne freudig
glitzerten. Nahezu wirkte es so, als wären die einzelnen Glasteilchen darüber
erfreut in vermehrter Anzahl und im Rausch der Wut der gesamten Statur des Glases
entkommen zu sein. Sie waren nicht mehr eins,
sie waren getrennt; in viele winzige, unbedeutende Teile zerteilt. Eine ganze
Zeit lang hatte Caroline ihr Handy dort liegen gelassen und in die plötzliche
Stille hineingeweint. Wie zu erwarten, kam nach wie vor nichts vom anderen Ende
des Telefons mehr, obwohl sich Caroline im Klaren war, dass das Handy sicher
noch funktionierte (wenn es denn wirklich noch funktionierte) und sie ihrem
Gerät keinen weiteren Schaden zu gefügt hatte, außer die abgebildete
Zerrissenheit, die sich Widerwillen ebenfalls in ihrer Seele wiederspiegelte.
Eine zerrissene Seele, die voll Wehmut und unerträglicher Pein ihr Klagelied
spielte, während sie in ihrem Käfig dazu verdammt war, auf ewig mit all dem zu
leben.

Wieder rannten unaufhörliche Tränen hinunter und suchten den
schnellstmöglichen Weg zur Freiheit. Inzwischen hatte Caroline das Rennen ganz
und gar aufgegeben, sowie sie sich selbst auch aufgegeben hatte. Müde, jedoch
mehr von sich selbst und der reflektierten Situation, als vom Rennen, steuerte
sie eine – zu ihrem Glück – nahegelegene Parkbank zu. Kaum trennten sie nur noch
wenige Schritte von der Bank, schon erkannte sie, dass es auch jene war, bei
welcher sie zum ersten Mal diejenige Person kennenlernte, durch sie im
Augenblick buchstäblich durch die Hölle ging. Vollkommen unwillkürlich drängte
sich ein erneutes Mal eine lang verdrängte Memoria zu ihr hervor, die sie am
liebsten mit allen Mitteln sofort wieder verdrängt hätte (auch wenn es zu
bedeuten hätte, dass sie ihren Kopf mehrmals gegen die aus Metall angefertigte
Bank schleudern wollen würde. Am liebsten so lange, bis sie der grenzlosen,
schwarzen Bewusstlosigkeit verfällt), doch wusste sie, dass ein solches
Verhalten zu peinlichem Ansehen in der Umgebung führen könnte, in einer
Umgebung, in welcher, besonders zu dieser Uhrzeit, sich jeder nach ihr umdrehen
könnte und mit einem einzigen Blick sie für „geisteskrank“ oder „psychopathisch“
verurteilen würde, doch wollte sie dies in keinem Fall eingehen. So musste sie
sich ungewollt der Memoria stellen, während sie sich kraftlos auf die Sitzgelegenheit
fallen ließ, ihre Augen aufeinanderpresste und ihre Finger krampfhaft unter den
dreckigen, mit alten Kaugummis und krabbelnden Insekten übersäten Rand krallte,
sodass es am Ende wirkte als würde sie jeden Moment einen gefährlichen
Schwindelanfall erleiden.

Die anfängliche Schwärze vor ihren Augen, die sich langsam in
verzerrte, ineinander verwischte Farben offenbarte, ließ eine altbekannte
Umgebung aufleuchten. So altbekannt, wie jene Umgebung, in welcher sie sich
gerade befand: Sie sah Bäume, die durch das verwischte Bild so aussahen, als ob
sie ineinander gewachsen wären. Sie sah Menschen. Nein, „Menschen“ konnte man
diese Darstellung nicht nennen. Es waren Wesen. Wesen mit verwischten
Grimassen. Sie verursachten bei Caroline ein unangenehmes Gefühl. Eine Emotion
aus Angst, Neugier und Erstaunen. Ihre Fratzen hatten den Anschein, als wären
sie durch ein Küchentuch verwischt worden, so wie auf einem noch frischen, vom
Künstler angefertigtem Portrait. Auch ihre Körper waren nicht mehr als verschwommene,
verbleichte Skelete, dass sie samt Beine, Rückgrat und Hände durch die Wege
trugen. Caroline begann langsam dieses Bildnis aus ihrem Gedächtnis zu
vertreiben, indem sie verzweifelt an etwas schöneres versucht hatte zu denken,
dessen Ausmaß war, dass sich der schönere Gedanke mit der abscheulichen Erinnerung überlappte. Fast hätte sie es auch geschafft, wäre er nicht in ihre Illusion aufgetaucht.

Im Gegensatz zu den anderen abstrusen Gestalten, war sein
Gesicht gesichtslos. Dort lebte
nichts außer eine beinahe schon schneeweiße Haut, die sich wie ein weit
spannbares Gummi über die Stellen zog, die im Regelfall hätten eine Nase, einen
Mund und Augen haben sollen. Unerklärliche Töne verließen seinen Mund, die in
des Mädchens Ohren klangen, wie das Murmeln unter einem mit Panzertape
festgeklebten Mund. Egal wie sehr sie sich auch anstrengte seine Laute in einen
vernünftigen Satz zu entziffern, sie konnte sich nicht im Geringsten einen Reim
daraus machen, was er ihr mitteilen wollte. Alles was sie verstand war, dass er
sehr wütend über etwas gewesen sein musste, denn dieses anfänglich noch ruhige
Murmeln schwoll immer mehr und mehr zu einem zornigen an, der bald darauf ihre
Ohren vor Schmerzen klingeln ließ. Der Schmerz wurde zu nehmend intensiver,
egal wie sehr sie ihre Hände auf ihre gepeinigten Hörorgane presste. Alles vor
ihren Augen begann sich zu drehen, sodass dieses ohnehin schon zerronnene Bild mit
noch mehr ineinander lappenden Farben verschmolz. Caroline schrie. Sie schrie
sich ihre Seele geradezu aus ihrem Leib, während sie nichts anderes mehr tun
konnte als sich diesem Wirrwarr an Farben hinzugeben. Und gerade als sie drohte
dem Traumland zu entfliehen und in eine einladende Dunkelheit für eine schier
unerreichbare Ewigkeit einzutauchen, griffen zwei ebenso schwarze, doch tote Hände nach ihr.

„Sei unbesorgt“, wisperte eine junge Frauenstimme in ihre
Gedanken hinein. Sie klang so unendlich fern und doch so nah. Caroline wusste
nicht ob oder was sie empfinden sollte, doch obwohl ihre verwirrten Gefühle
nunmehr mit einer schweren Spur Angst versehen waren, gab sie sich bereitwillig
der Stimme hin…
Am Ende öffnete sie ihre Augen in einer vollkommen anderen Sichtweise, in einer vollkommen anderen Welt. Befreit von dem Gefühlschaos und all ihren Problemen, sah sie vor sich zwei unbekannte Gesichter. Es waren das Lächeln eines Jungen und das eines Mädchens, welches älter als sie selbst zu sein schienen.

() 15:43, 8. Jul. 2017 (UTC)

Nächster Teil: [http://de.creepypasta.wikia.com/wiki/Sonnengelb?t=20170717184325 Sonnengelb]

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