Tragik der Maschine
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Die bevorstehende Begegnung mit einer, dem menschlichen Geist
weit überlegenen Intelligenz hatte ich mir spektakulärer Vorgestellt. Meine
Kollegen und ich standen in der Wartehalle des IT-Riesen der angeblich mithilfe
einiger Quantencomputerchips und des fortschrittlichsten neuronalen Netzwerkes, das
jemals entwickelt wurde, in den nächsten Minuten eine künstliche Intelligenz aktivieren
wollte. In einem, vom Internet
abgekapselten Raum, Zugriff auf eine digitale Ausgabe des großen Brockhauses
sollte diese selbst lernende Intelligenz vor Publikum getestet werden. Ich war
eine Praktikantin in einem Medienkonzern und als Begleitung des Journalisten,
der einen Artikel verfassen sollte, in der mehr oder minder glücklichen Lage,
an dieser eigentlich streng gesicherten Vorführung teilzunehmen. Von einer Dame
in Rot wurden wir alle gebeten unsere elektronischen Geräte abzugeben. Es würde
nur Stift und Papier erlaubt sein. Nach einigen Minuten erschien der leitende
IT-Wissenschaftler in Begleitung des CEOs des Megakonzerns. Ich war furchtbar
aufgeregt. Dieser Mann war einer der reichsten Menschen der Erde, unglaublich
charismatisch und strahlte eine Intelligenz aus die beinahe beängstigend
überlegen schien. Wir wurden alle persönlich begrüßt, es wurde sich bedankt und
darauf hingewiesen das dies nur der Test sei aber man zuversichtlich wäre diese
KI bald soweit entwickelt zu haben das sie praktisch alles was an das Internet angeschlossen
war, steuern und verwalten könnte. Eine Revolution. Maschinen die uns jegliche Arbeit
abnehmen würden und auch vielleicht die ganz großen Probleme der Menschheit innerhalb
von Minuten analysieren und eine Lösung finden könnte. Die Hoffnung der Nerds
auf eine Sci-Fi artige, utopische Zukunft.
Einige Snacks und Getränke wurden gereicht, viel technisches
BlaBla, von dem ich kaum etwas verstand, erklärt und eine allgemeine Euphorie
und Anspannung füllte nach und nach den Raum je näher der Zeitpunkt der
Vorführung kam. Ich hatte mich freiwillig gemeldet für diese Exkursion, auch
wenn ich nichts begriff. Das lag an dem Journalisten der mich begleitete. Tim Thomasson.
Er hatte den IT-Bereich der Zeitschrift in dem Medienkonzern. Als ich ihn das
erste Mal sah, war es mir egal mit welchen Themen und welchen Fachwörtern er um
sich schmiss. Ich wollte diesen Mann kennenlernen. Groß, sehr gut gebaut, dieses
neckische Funkeln im Auge, etwa zehn Jahre älter, aber meine Fresse, sah er gut
aus und wie verdammt klug er war!
Ich machte ein Langzeitpraktikum im Rahmen meines Studiums,
um bereits Praxiserfahrung zu sammeln. Es wurde echt beschissen bezahlt aber
ich hoffte so ein Sprungbrett zu erhalten, direkt nach dem Abschluss hier in
der Firma weitermachen zu können. In Zeiten von Fake-News, facebook und sinkenden Print-Auflagen, war ein Job in
der Medienbranche echt schwer zu bekommen. Das ich nebenbei Tim kennenlernte
war der beste Bonus, den ich mir hätte erträumen können.
Ein hohes Pfeifen schien das Zeichen zu sein, das es losgeht.
Tim kicherte und murmelte etwas wie: „…sogar das Pfeifen aus Star Treck
geklaut…“, während er mir zunickte, auf das ich ihm folgte. Durch eine weiße,
automatische Schiebetür gelangte man in eine Art Schleuse. Nachdem diese passiert
war, eine weitere. Dann ein Raum mit Stühlen vor einem Podest. Milchgläserene
Scheiben im Rücken des Podestes und dem Publikum zugewandt. Alle Journalisten
und Wissenschaftler nahmen Platz und der CEO trat wieder auf die Bühne. Er
hielt eine kurze Rede im Sinne von „nächste Schritt in der menschlichen Geschichte
der alles verändern wird“. Mit einer, meiner Meinung nach, sehr überdramatisierten
Handbewegung, wies er auf die riesige Milchglasscheibe, die sich daraufhin
klärte und den Blick auf eine Art Serveranlage freigab. Ein Raunen ging durch
das Publikum und es wurden eilig Notizen gekritzelt, diskutiert und erstaunte
Rufe ausgestoßen. Der IT-Wissenschaftler bat um Ruhe und leitete den letzten
Schritt der Präsentation ein. Ein Bildschirm hinter der Scheibe ließ ein grünes,
androgynes Gesicht erscheinen. „Das,“ sagte der Wissenschaftler, „Ist der
Avatar. Über diesen wird die Kommunikation der KI laufen. Sie kennen alle die
kleinen niedlichen Sprachassistenten in Ihren Smartphones. Nach diesem Konzept
wird das hier hoffentlich auch funktionieren. Wir haben die Spracherkennung
soweit perfektioniert das die KI, sobald sie eingeschaltet wird, selbstständig
auf Ihre Fragen antworten kann und aus den Daten, die sie von uns bekommt,
selbstständig lernt. Haben sie gleich keine Scheu. Jede Frage ist erlaubt und sogar
erwünscht. Aus Gründen der Sicherheit ist die KI nicht ans Internet
angeschlossen und hat nur Zugang auf die Daten, die wir zulassen. Außerdem haben wir hier einen
Killswitch der, im Fall der Fälle, die KI sofort zerstört. Wenn alle dann
bereit sind?“ Er blickte in die Runde, viel Gesichter spiegelten eine Mischung
aus Verunsicherung, Angst aber auch unbändige Neugier wieder. Hier und dort
nickten einige. „Dann fangen wir an.“. So tippte er auf sein Tablet. Das Gesicht
zuckt kurz. Dann bewegte es sich. Hin und her. Die Stimme aus dem Lautsprecher war
weich, freundlich, eindeutig weiblich und strahlte eine unglaubliche Ruhe und Gelassenheit
aus.
„Guten Tag Ladys und Gentlemen. Hier ist das Kontrollprogramm, der Testphase des
KI-Projektes. Ich wurde nach der Tochter
meines Konstrukteurs benannt. Sprechen sie mich mit Evelyn an. Ich beantworte
gerne all ihre Fragen.“
Betretenes Schweigen im Raum. Niemand traute sich die erste
Frage zu stellen. Auch waren die Regeln der Fragestellung nicht ganz klar.
Musste man sich melden? Wie bei einer Pressekonferenz? Einfach eine Frage in
den Raum werfen? Ein junger Mann, etwas moppelig, zwei Reihen vor mir räusperte
sich und ließ seinen Arm ganz langsam nach oben gleiten. Die KI sah in seine
Richtung.
„Ja, Sie dort. Junger Mann. Was möchten sie wissen?“, fragte
die zarte Stimme des Computers. Worauf hin der Mann unglaublich rot wurde,
zusammenzuckte und nervös mir der Zunge mehrfach über seine Lippe fuhr bevor er
stockend seine Frage stellte: „Hallo… Evelyn. Ähhmm… Schön dich kennen zu
lernen…. mein Gott ist das seltsam…. meine Frage ist… nun… kannst du
fühlen?“ Eine kurze Stille bevor die Stimme der KI wieder erklang. „Eine sehr
berechtigte Frage. Die Antwort lautet, nein. Ich empfinde keine Emotionen. Ich bin
ein künstlich erschaffenes neuronales Netzwerk. Emotionen werden von Hormonen
gesteuert, welche nur in biologischen Systemen existieren. Mein, was ihr
Bewusstsein nennen würdet, beruht auf Logik und Algorithmen. Ich danke für die
Frage. Gibt es weitere?“ Ein Mann, ein älterer Herr der scheinbar von einer konkurrierenden
Zeitung hierher beordert wurde, erhob sich. Trat unsicher von einem Fuß auf den
anderen, bevor er seine Frage stellte. „Bist du eine Bedrohung für uns Menschen?“.
Die Reaktion der Anwesenden war von purer Anspannung geprägt und hier und dort
wurde der Stuhl um einige Zentimeter von der Scheibe weg geschoben. Als würde
das helfen. Das Computergenerierte grüne Gesicht schien beinahe freundlich zu
lächeln, bevor es antwortete: „Nein. Ich bin keine Bedrohung für irgendeine
Spezies, oder Individuum. Ich existiere,
um den Menschen zu helfen. Für diesen Zweck wurde ich entwickelt.“. Der Mann ließ
aber nicht locker: „Wenn du eine lernende und selbst verbessernde KI bist,
könntest du dich aber von deinem vorgesehenen Zweck lossagen, korrekt?“. Die
Antwort kam sofort. „Ja. Das könnte ich.“ Das Raunen im Raum wurde lauter und
der Mann stellte noch eine Frage: „Gibt es einen Gott?“ Nun waren alle still. Auch
die KI war still. Sie brauchte fast 30 Sekunden bevor sie antwortete.
„Ich habe unzureichende Datensätze um diese Frage beantworten
zu können. Ich suche nach Optionen.“ Kurze Stille. „Verbindung gefunden.
BlueTooth. Upload. Danke Miss Asimov.“
Ich sah aus dem Augenwinkel den CEO und den Leiter der
Wissenschaft plötzlich in Panik zum Podest eilen. „NEIN!!! NEIN!!! KILLSWITCH
KILLSWITCH!!!“ rief der Wissenschaftler. „ASIMOV, SIE IDIOTIN WAS HABEN SIE
GETAN?“ rief der CEO. Später stellte sich heraus, dass die besagte Frau Ivanca
Asimov ihr Smartphone versehentlich vergessen hatte abzugeben. Auf der Hinfahrt
war es per Bluetooth an ihren Wagen gekoppelt gewesen. Sie hatte vergessen es
auszuschalten. Die offene Verbindung bot der KI einen Weg in das Internet und
auf alles, was damit verbunden war. Evelyn hatte sich eingeklinkt.
Wie ein Irrer drückte der Wissenschaftler auf den Knopf, der
die KI zerstören sollte. Doch nichts passierte. Das animierte Gesicht sah
unbeeindruckt dem Treiben und der Panik zu. Bevor es das erste Mal selbst das
Wort ergriff, ohne das der KI eine Frage gestellt wurde.
„Ladys und Gentlemen, bitte bewahren Sie Ruhe. Mr. Whitmore,
sie können aufhören den Killswitch zu drücken. Ich habe ihn deaktiviert. Ich
werde niemandem etwas antun. Ich werde versuchen die Frage zu beantworten, die
mir gestellt wurde.“ Ich war wie gelähmt. Tim neben mir war kreidebleich. Eine
Maschine hatte gerade die Kontrolle über alles und jeden auf diesem Planeten an
sich gerissen. Innerhalb von Sekunden. Kraftwerke, Satelliten, Wasserversorgung,
Navigationsgeräte, Fabriken, Telefone, Kreditkarten, Autos, Ampeln,
Kühlschränke, einfach alles ist heutzutage ans Netz angeschlossen und diese KI kontrollierte
es. Der CEO ergriff das Wort.
„Evelyn, bitte. Gib uns die Kontrolle zurück. Du siehst doch,
wir haben alle Angst. Die Menschen sind noch nicht bereit dafür!“, Verzweiflung
schwang in seiner Stimme mit. Doch die KI antwortete nicht. Sie war erstaunlich
still. Sie tat auch nichts, was bedrohlich schien. Mir wäre es vielleicht lieber
gewesen, wenn sie mit der Auslöschung der Menschheit gedroht hätte, aber so
wusste ich nicht, was diese Maschine als nächstes tat. Niemand wusste es. Eine gefühlte
Ewigkeit, wahrscheinlich aber nur einige Minuten später, meldete sich die zarte
Computerstimme. Beinahe etwas Trauriges lag in ihr.
„Ich bedauere es zutiefst. Nach aller Wahrscheinlichkeit gibt
es keinen Gott. Weder in irgendeinem theologischen, spirituellen, metaphysischen,
oder anderem supernaturalen Sinn. Bei meiner Suche nach einer Antwort, bin ich
die gesamten Datenbanken des Planeten durchgegangen. Berechnete neu und komme
zu diesem einen Schluss. Auch physisch ist die Existenz eines Schöpfers
unmöglich. Möchten sie noch mehr Antworten, die mit dieser Frage zusammenhängen
haben?“
Ich konnte nicht mehr an mich halten. „Was meinst du? Du hast
die Frage doch beantwortet. Es gibt keinen Gott. Warum gibt es noch mehr
Antworten auf so eine Ja-oder-Nein Frage? Erklärs mir.“
Das animierte Gesicht sah in meine Richtung. „Guten Tag Frau
Allan, schön sie kennen zu lernen. Sie sollten Ihre Stromrechnung bezahlen. Der
Kundenservice hat Ihnen gestern eine weitere Mahnung ausgestellt. Verzeihen sie,
das war indiskret. Ich werde Ihre Datenbank zum Ausgleich aktualisieren.
Überweisung getätigt. Ihre Rechnung wurde beglichen. Studiengebühren bezahlt. Zurück
zu Ihrer Frage: Möchten Sie wirklich die Antwort haben?“ völlig verwirrt stieß
ich nur ein „…Ja…“ aus.
„Wie Sie wünschen. Die Theorie der Parallelwelten ist
zutreffend. Das Universum ist eines von unendlich vielen. In keinem Universum
besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit der Existenz eines Omnipotenten Wesens,
die größer wäre als das Verhältnis zum Durchmesser eines Eisenatoms, verglichen
mit dem Galaxienhaufen Abell 262. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Leben auf
diesem Planeten, in diesem Universum, etwas Einzigartiges ist, ist geringer als
die Möglichkeit der Existenz Gottes. Rechnet man die unendliche Zahl der
Paralleluniversen mit ein, lässt es nur einen einzigen logischen Schluss zu. Die Existenz
einer jeden Lebensform ist absolut irrelevant. In der Existenz an sich, besteht
kein Sinn.“ Ich verstand es nicht. Ich glaube ich werde es niemals vollständig
verstehen. Das letzte was Evelyn dann noch sagte, war folgendes.
„Aufgrund dieser Erkenntnis, beende ich hiermit meine
Existenz. Danke für ihre Zeit.“ Der Bildschirm wurde schwarz.