ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Es war ein regnerischer Donnerstag. Schon morgens war der Himmel grau und die Felder weiß vom Nebel. Es war, als hätte die Erde gewusst, dass es der traurigste Tag meines Lebens werden sollte.
Wir waren zweieiige Zwillinge, mein Bruder und ich. Marco und Larissa, wir zwei waren unzertrennlich.
Wir lebten in einer Wohnung zusammen und an diesem Nachmittag wartete ich im Wohnzimmer darauf, dass er vom Sport kommen würde. Die Wohnungstür, die ich von dem Sofa aus gut im Blick hatte, und die Zeit im Auge. Er sagte, er würde pünktlich kommen, doch eine halbe Stunde nach der verabredeten Zeit verstrich und Marco war noch immer nicht aufgetaucht. Er hatte mir nicht einmal eine SMS geschrieben, also machte ich mir langsam Sorgen, doch rief mir auch immer wieder ins Gedächtnis, dass er ein erwachsener Mann war und ihm schon nichts passieren würde.
Das war aber Wunschdenken.
Zwei Stunden zu spät, es war bereits abends, auch wenn das von der Helligkeit draußen keinen Unterschied machte, öffnete mein Bruder die Wohnungstür. Er trug seinen längeren Mantel, den er an solchen Tagen immer mit zum Sport nahm und er war völlig durchnässt. Zu diesem Zeitpunkt regnete es nicht, weshalb ich erkannte, dass er nicht im Studio gewesen war, sondern schon eine längere Zeit draußen verbracht haben musste.
Er zog seinen Mantel nicht aus und grüßte mich auch nicht, wie er es sonst immer tat. Sein Gang hatte etwas gequältes und so schleppte er sich, die Tür hinter ihm noch offen, etwas in den Flur, bis er hinter der Wand verschwunden war.
Ich hastete von dem Sofa hoch, um zu ihm zu kommen und als ich ihn erreichte, sah ich wie er tatenlos und geknickt im Flur stand. „Marco, was stimmt mit dir nicht..?“, fragte ich leise und er drehte sich zu mir um. Sein Blick war hoffnungslos und hatte etwas Flehendes, er schien mir damit sagen zu wollen „Hilf mir, bitte! Bitte, hilf mir doch..“.
Als ich darüber nach dachte, sackte er in sich zusammen und fiel auf den Boden. Ich kniete mich zu ihm runter und prüfte, ob er atmete, was er nicht tat.
Es war mir in diesem Moment nicht bewusst, ich nahm es nur nebensächlich auf, aber in genau diesem Augenblick begann es wieder zu regnen. Im Nachhinein betrachtet, fühlt sich dieser Gedanke an, wie ein Hieb ins Gesicht.
Ich zog mein Handy aus meiner Hosentasche, ohne von seiner Seite zu weichen, und rief den Notarzt.
Es fühlte sich an wie mein halbes Leben, bis der Krankenwagen endlich da war. In was für einer Welt leben wir, in der der Pizzalieferant schneller ist als ein Krankenwagen?
Obwohl ich die gesamte Zeit versuchte Marco mit allen Erste-Hilfe Griffen zu retten, die ich kenne, konnte der Notarzt nur noch den Tod meines Bruders feststellen.
Sie schafften meinen toten Bruder weg, um ihn „besser zu Untersuchen und die Todesursache fest zu stellen“.
An dem Abend legte ich mich früh ins Bett und überlegte krampfhaft, was mit ihm passiert war, bevor er nach hause kam. Ich starrte aus dem Fenster. Es regnete noch die ganze Nacht, so wie ich die ganze Nacht weinte. Ich habe mich oft gefragt, ob der Himmel auch über seinen Tod trauerte. Erst morgens, als der Regen aufgehört hatte, schlief ich ein.
Es war der schlimmste Traum meines Lebens, ich war draußen, es regnete und ich wurde von etwas verfolgt. Ich rannte so schnell ich konnte, in einer Welt, die sich mit jedem meiner Schritte rötlicher färbte. Ich trug einen nassen Mantel, der mir das Rennen nicht gerade vereinfachte, doch ich wusste, wenn ich es bis zu einer Tür schaffen würde, wäre ich in Sicherheit.
Ich rannte wohl eine halbe Ewigkeit lang, bis sich etwas aus der roten Masse, die nun meine Umgebung war, leuchtend heraus hob. Es war eine offene Tür. Ich nahm meine letzten Kräfte zusammen und sprintete darauf zu. Kaum drin, sah ich mich selbst auf dem Sofa sitzen und brach zusammen.
In diesem Moment wurde ich von meinem Telefon geweckt. Es war der Arzt. Plötzliches Herzversagen. Ihnen war nichts Besseres eingefallen, bei meinem gesunden und sportlichem Bruder, der mit seinen 24 Jahren in der Blüte seines Lebens stand.
Der Arzt, der ein sehr gläubiger Mensch war, wie ich später erkannte, bat mich, mich mit ihm zu treffen, um Genaueres zu besprechen.
Wir trafen uns noch an diesem Abend in seinem Büro. „Nun, Frau Wagner, Ihr Bruder starb an einem plötzlichem Herzversagen. Wie sie dem Notarzt schilderten, fiel er zu Boden. Ich meine behaupten zu können, er war tot, bevor er auf dem Boden aufkam. Ich kann Ihnen versichern, er hat nicht gelitten. In meinem Beruf tendieren wir dazu, das eher als Segen zu sehen.“, sprach er in einem höchst rednerischem Ton, als spräche er vor Publikum. „Was stimmt mit ihnen nicht? Sie betrachten es als Segen, dass mein Bruder in einem Alter von 24 Jahren gestorben ist?“, erwiderte ich wütend und den Tränen nahe, „außerdem bezweifle ich ziemlich stark, dass er nicht gelitten hat.“, fügte ich murmelnd hinzu.
Er sah aus seinem Bürofenster und kontrollierte, ob einer seiner Kollegen in der Nähe war. Als er sich sicher sein konnte, dass dem nicht so war, begann er leise zu sprechen.
„Frau Wagner, ich muss ihnen Recht geben, es ist nicht normal, dass ein völlig gesunder Mann in diesem Alter einfach so stirbt.“ Bei diesem Satz fing ich wieder an zu weinen. „Er wies keinerlei Herzfehler oder ähnliches auf, das zu so einem Tod hätte führen können. Wenn sie mich nicht als Mediziner, sondern als Privatperson fragen würden, würde ich ihnen antworten, er sei aus Angst gestorben. Es tut mir unsagbar leid.“ Bei dem letztem Satz sah er zum Boden und senkte die Stimme.
Wir sprachen nicht mehr viel und verabschiedeten uns. Ich ging nach hause, mit dem Kopf voller neuer Gedanken. War es nicht so, dass Zwillinge manchmal das gleiche träumten oder fühlten?
Wenn ich vorher nicht an Geister glaubte, dann tat ich es ab diesem Moment. Hatte mein Bruder mir seine letzten Augenblicke auf dieser Welt im Traum gezeigt? Ich war und bin davon fest überzeugt, denn das Band zwischen uns beiden war schon immer sehr stark.
Er war der einzige, mit dem ich richtig reden konnte, nachdem unsere Mutter früh verstorben war. Unseren Vater kannten wir nicht. Er war mein Bruder. Und er war fort. Für immer.
Ich erinnere mich nicht mehr an die folgenden Tage, doch ich weinte viel und verlies unsere… meine Wohnung nicht.
Dann kam der Tag seiner Beerdigung. Es waren nicht viele Leute da, nur ein paar seiner Sportkollegen und Verwandte, die ich ewig nicht gesehen hatte. Die Zeremonie war düster und kaum zu ertragen.
Seit dem besuche ich täglich sein Grab „Marco Wagner 1990-2014“
In der Nacht träumte ich von ihm. Es war beängstigend. „Es ist nun hinter dir her. Du musst laufen, so wie ich laufen musste. Du hast noch eine Chance!“ Das träumte ich fortan jede Nacht. Wieso konnte ich nicht von ihm träumen, wie wir als Kinder gespielt haben, oder wie er für mich da war?
Auch, wenn nie bekannt wurde, was er in seinen letzten Stunden erlebt hat, weiß ich es. Ihr wisst es nun auch. Ich schreibe das hier in einem meiner klaren Momente, die immer seltener werden, da ich sonst immer in Wut, Angst und Trauer versinke.
Ich will hiermit die wahre Geschichte festhalten, denn bald wird neben dem meines Bruders ein zweiter Grabstein stehen. Ich will nicht, dass die Wahrheit mit mir stirbt.
Die letzte Nacht träumte ich nicht von Marco, wie er mich warnt, sondern davon, wie er blutend am Boden lag und an der Wand hinter ihm geschrieben stand „Es ist zu spät, Larissa. Deine Zeit läuft ab, wie damals die deines Bruders.“
Ich weiß, was das zu bedeuten hat, ich werde verfolgt.
Ich werde verfolgt, doch in meinem Ziel wartet mein Bruder auf mich.