Ankunft/Schneesturm
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ich zitterte, denn nun war mir kalt.
So kalt, dass selbst die Hölle zufrieren könnte; um genau zu sein, und um Übertreibungen zu vermeiden.
Aber das war nicht sonderlich überraschend. Schließlich stand ich nur mit einem simplen T-Shirt draußen, an einer Bushaltestelle, während es schneite, und beim Haus gegenüber eine verka–… *räusper* unglaublich nervige Dauerschleife von „Last Christmas“ zu mir herüberdröhnte, die ich schon letztes Jahr nicht mehr hatte ertragen können.
Noch dazu hätte ich dringend ein Taschentuch gebraucht, und bitte fragt nicht warum ich in einem simplen T-shirt draußen an einer Bushaltestelle stand, während es schneite, und dem nervigen Gedudel aus den schlechtesten Lautsprechern der Welt lauschte, das mir schon letztes Jahr auf den Keks gegangen war.
Das ist nämlich – wer hätte es erwartet – eher unwichtig für den Verlauf dieser Geschichte.
Der unfreundliche Wind bläst mir eine einzelne Schneeflocke ins rechte Auge, was mehr unangenehm, als schmerzvoll ist. Nur die schreckliche Musik grenzt an Folter, und ich frage mich, wie zum Henker Leute sich so etwas anhören können. Eine einzelne Straßenlaterne beleuchtet die Straße vor mir, und dennoch kann ich kaum etwas erkennen, da sich dichter Nebel wie eine zweite Haut um die Welt gelegt hat.
Mein Trost ist das Wissen, dass ich sofort in den Sommer fliehen kann, ohne dieses bescheuerte Lied ertragen zu müssen. Und dazu muss ich nur meine Augen schließen, und springen.
Ja, das klingt seltsam, und aus diesem Grund konnte ich auch nie mit meinen Freunden Basketball spielen. Schließlich ist es unpraktisch mitten in einem Spiel für ungefähr eine Minute lang sechs Monate weiter in der Zukunft zu landen, und dann einfach wieder in der Gegenwart auf zu tauchen, um seinen Teamkameraden umzureißen. Aber ich kann immer nur kurz in der Zukunft bleiben, um nach dem Rechten zu sehen, und mich zu erwärmen oder gegebenenfalls abzukühlen. Es sind sechs Monate. Immer sechs Monate, die ich so für eine einzelne Minute übergehen kann. Das macht mich zwar nicht zu dem neuen Spiderman, aber wenigstens muss ich keine Sekunde länger in der erbarmungslosen Kälte verbringen.
Doch irgendetwas läuft dieses Mal schief. Wie immer strecke ich mich mit geschlossenem Augen dem Himmel entgegen, und fühle das leichte Ziehen im Bauch, als ich durch Zeit und Raum gewirbelt werde. Mein Atem und Puls verlangsamen sich, während meine Hände langsam zu Fäusten werden. Als ich wieder festen Boden unter meinen Füßen spüre, erwartet mich weder der erhoffte Sonnenschein, noch die benötigte Wärme.
Stattdessen packt mich ein bösartiger Wind, der mich beinahe von den Füßen fegt, und treibt mir tausende der kleinen Flocken entgegen, denen ich unmöglich ausweichen kann. Ich schlage um mich; schreie sogar. Doch niemand antwortet. Nur der erbarmungslose Schneesturm, der um mich herum tobt, wie ein wildgewordenes Wolfsrudel, das schon lange kein Fleisch mehr gekostet hat. Mein T-Shirt flattert auf und ab, und einige der eiskalten Dinger setzen sich auf meiner Haut fest, woraufhin ich erschaudere, und versuche, sie abzuschütteln. Aber sie bleiben haften. Spottend. Und es wurden immer mehr, bis ich kaum mehr stehen konnte.
Etwas blaues blinkt zu meiner Linken auf, und ich reiße den Kopf herum, nur um die Augen zusammenzukneifen, als mir wieder eine Salve des Schnees in die Augen fliegt. Er ist außergewöhnlich kühl, aber schmilzt nicht, sodass sich mittlerweile eine Art zweite Haut um mich gelegt hat. Schreien kann ich nicht mehr. Meine Kehle ist wund, und das Zeug, dass ich vorhin geschluckt habe, ist definitiv kein gefrorenes Wasser.
Und dann erklingt diese überirdisch normale Stimme, die perfekt zu dem Erzähler eines Actionfilmes passen würde, wenn sie mir nicht alle Härchen aufstellen würde, und benebelt meine Sinne; wenn nicht sogar meine gesamte Existenz. Der Fluchtreflex, der mich in dieser Sekunde packt, bringt mir gar nichts. Mittlerweile kann ich mich nicht einmal mehr rühren. Das Atmen wird so schwer. So reizvoll, einfach damit aufzuhören.
„Ich bevorzuge eigentlich eher das unnahbare Feuer, doch auch Kälte vermag es, einem die Finger zu verbrennen…“, lachte er. Ein weiteres Aufflammen zu meiner Rechten. Herumwirbeln ist für mich unmöglich, und so beginne ich langsam aber sicher, mein Schicksal hinzunehmen. Ich entspanne mich, schließe die Augen, und versuche die Kälte – nein, die Dunkelheit zu ignorieren. Mein Herz. Schlägt es überhaupt noch?
„Hach, wie ich sehe bist du noch vollkommen perplex. Das wird sich noch ändern, mein kleiner Freund“, schnurrt die männliche Stimme abermals, während meine Gedanken beginnen einzufrieren, und alles in mir einfach aufhört zu funktionieren, nur um Sekunden später wieder auf Hochtouren zu laufen.
Und die letzten Worte, die ich – zu diesem Zeitpunkt – von dem Ding hören sollte, sind: „Erzähle ihnen von mir.“ Beinahe wie ein Abschied unter Kameraden. Tatsächlich war ich viel zu beschäftigt damit, nicht zu ersticken, als sich meine Umgebung wieder verändert. Seine Worte hallen nach, und sein unheimlich blauer Glanz brennt sich mir ins Sichtfeld.
Ich falle auf die Knie, dort vor der Bushaltestelle, nur mit einem T-shirt bekleidet, während im Hintergrund das nervigste Weihnachtslied der Welt aus den schlechtesten Lautsprechern der Galaxie vor sich hin spielt.
Und ich kann nur die Augen aufreißen, und das Zeug betrachten, das weiterhin an mir klebt, als ginge es um Leben und Tod.
Das ist kein Schnee. Es ist nie Schnee gewesen. Und dennoch scheinen meine Hände vor Kälte und Dunkelheit zu verbrennen, als ich panisch versuche, die Flocken abzuschütteln.
Asche.
Ich zittere, denn nun ist mir wirklich kalt.