Bielefeld
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Jagt man den Begriff „Bielefeld“ durch die Suchmaschinen des Internets, so bekommt man eine Fehlermeldung, dass die Suchanfrage keine Ergebnisse erzielt habe. Fragt man in Bibliotheken nach dem Ort „Bielefeld“, so wird die Bibliothekarin zwar brav im Computer nachgucken, weiß jedoch schon vorher, dass „Bielefeld“ nicht existiert und so auch keinerlei Bücher zu finden sind. Einzig und alleine auf einer einsamen Diskette aus dem Jahre 1993 findet man in einer endlosen Zahlenreihe die Codierung 8 , |3 , ß , l³ , |> , 13 , I3, J3 ! , 1 , | , ][ , ỉ 3 , € , & , £ , ε1 , |_ , £ , | , ][_3 , € , & , £ , ε|= , PH , |*|-| , |“ , ƒ , l² 3 , € , & , £ , ε1 , |_ , £ , | , ][_|) , |] , Ð , đ , 1) , welche in der Leetspeak-Sprache „Bielefeld“ übersetzt bedeutet. Allerdings exisitert die Datei nicht. Auch Telefonbücher, Zugverbindungen, Enzyklopädieeinträge oder Rathausurkunden gab es nicht. Als ich mir ein Bahnticket nach Bielefeld kaufen wollte, schaute mich die Verkäuferin fragend an und fragte: „Wohin?“. Auf meine mehrmalige Erklärung, dass ich nach Bielefeld wolle, meinte sie nur: „Es gibt in Westdeutschland einen Bezirk namens Stadtfeld, wollen sie dahin?“. Frustriert verließ ich den Bahnhof.
In meinem kleinen Apartment schreite ich verärgert auf und ab. Seit Wochen suche ich nach Hinweisen auf einen Ort namens „Bielefeld“. Der einzige Hinweis, den ich hatte, war die Erwähnung von 1993, eines IT-Studenten, der zu jemandem auf einer Feier meinte: „Du kommst aus Bielefeld, das gibt´s doch gar nicht.“ Ich hatte alles daran gesetzt, diesen Studenten ausfindig zu machen, was mir auch gelang: Auf dem Köllner Friedhof fand ich sein Grab, zugewuchert von Unrat und Disteln. Laut Grabinschrift war er 1887 vierzehnjährig gestorben. Ich setzte alle meine Energie und Nerven in die Suche nach „Bielefeld“. Erfolglos.
Es ist Anfang November, der Wind bläst kalt über der Bäume Wipfel, ein Stoß aus Kälte dringt unter meinen Mantel. Ich ducke mich, um nicht vollkommen auszukühlen und begebe mich zur Haustür. Der Tag auf der Arbeit war ereignislos, das Highlight war, als sich eine Motte auf das Klo verirrt hatte und mich beim Kiffen beobachtete. Ich schließe den Briefkasten auf und ziehe wie immer einen Haufen Rechnungen, Mahnungen und Werbung heraus. Erst als der Briefkasten leer ist, fällt mir ein Zettel auf. Er ist zusammengeknüllt und sieht aus, als ob er seit siebzig Jahren Kettenraucher wäre. Ich nehme ihn an mich und glätte ihn, soweit es geht. Auf ihm steht: 52° 1′ N , 8° 32′ O . ich runzele die Stirn. Eindeutig Koordinaten, soweit war klar, aber wo liegt das? Aufgeregt stolpere ich die Treppen herauf, die fast aus einanderfallen. In meiner Wohnung angekommen werfe ich alles in die Ecke, außer dem Zettel. Ich wühle in meinem Bücherregal und finde schließlich eine Deutschlandkarte. Hastig rolle ich sie auf dem Boden aus und krame mit der Hand über mir nach einem alten Sextanten auf dem Schreibtisch. Warum ich ihn habe? Nun, wenn man kifft, kommt man auf furiose Ideen. Es dauert ein bisschen, dann habe ich die Koordinaten gefunden. Ein leerer Fleck auf der Karte, in grün und braun gehalten, er deutet auf gewöhnliche Landschaft hin. Laut Städteregister ist die nächste Stadt Detmold. Ich lache grimmig. Vielleicht sollte ich mal einen Wochenendausflug nach Detmold machen.
Es ist windig am Detmolder Bahnhof. Obwohl Detmold eine „größere Stadt“ sein soll, sehe ich keine Mesnchenseele auf dem Bahnsteig. Ich mache mich auf den Weg in die Innenstadt. Vielleicht liegt es an der Stimmung oder der Jahreszeit, dennoch liegen die Straßen leer und grau vor mir. Ich schleppe mich über den Asphalt, auf der Suche nach einer Bleibe für die nächsten Tage. Ich fand auch schon bald was. Eine kleine Herberge, und wie sollte es sein, von Rentnern betrieben. Erschöpft schleppe ich mich in den kurzen Flur und bleibe vor dem Tresen stehen. „Guten Abend, ich bräuchte ein Zimmer für eine Nacht.“ Das alte faltige Gesicht der Dame hinter der Holztheke hellte sich auf. „Ahh, guten Abend, junger Mann, Sie sehen ja erschöpft aus. Setzen Sie sich rüber ins Wohnzimmer, ich bringe Ihnen sofort was zu essen.“ Ehe ich mich versehe, packte sie meine Tasche und schob mich in das gemütliche Wohnzimmer . „Hugo, wir haben einen Gast, leiste ihm Gesellschaft!“ Ich muss ein Lachen unterdrücken. Die Zeit war hier anscheinend zwischen den Sechzigern und Siebzigern stehen geblieben. Hugo war der Urtyp des coolen gemütlichen Großvaters. Es dauert nicht lange und ich bin gesättigt von Eintopf, Brot und Wein. Hugo zündet sich seine Pfeife an und ich rauche eine Zigarette. Hugo blickt mich über den Pfeifen rand an.“ Was machen Sie hier im Niemandsland?“ fragt er. Ich ziehe an der Zigarette und puste den Rauch bedächtig aus. „Ich bin auf der Suche nach etwas. Nach einem Ort.“ Ich schaue zu meinen Gastgebern. „Wo liegt Bielefeld?“. Die gemütliche Stimmnug schlägt sofort um. Gerta, die Wirtin steht auf und fängt an den Tisch abzuräumen. Sie meidet meinen Blick bedächtig. Ich schaue zu Hugo. Sein Gesicht ist hinter einer dicken Wolke aus Rauch verschwunden. „Wenn Sie deshalb hierhin gekommen sind, dann rate ich Ihnen eins: Nehmen Sie morgen den nächsten Zug direkt zurück nach Hause und vergessen Sie alles.“ „Warum?“, ich kann mich kaum noch halten. Ich bin an der Quelle, jetzt oder nie, ich blicke dem Löwen ins Auge. „Es gibt keinen Ort namens Bielefeld, Sie machen sich hier nur unbeliebt, wenn sie weiter nachfragen.“ Ich lehne mich zurück. „Was wissen sie über Bielefeld?“ Ich blicke Hugo direkt in die Augen. Ist das Angst, die sich dort spiegelt? „Es gibt keinen Ort mit diesem Namen, fragen Sie nicht weiter. Sie sollten nun ins Bett gehen, es ist spät und Sie sind müde.“ Ich merke, dass der Abend vorbei ist. Während ich die Treppe zu meinem Zimmer hinaufsteige, spüre ich die Blicke meiner Mieter im Rücken und höre sie tuscheln.
Über mir schwebt die Unendlichkeit, Farben, die nicht existieren, Geräusche, die nicht wahrzunehmen sind. Ich bin nicht im Jetzt und Hier, auch nicht im Gestern und Fern oder der Zukunft und Nah. Es gibt hier nichts, nur das Leben. Doch glaube ich zu leben? Ich habe wirklich keine Ahnung, die Realität ist verfremdet, nichts ist mehr real. Die Sonne spricht zu mir.
Ich schlage die Augen auf. Es ist früher Morgen, und doch spüre ich die Präsenz einer Person im Raum. Ich drehe mich zur Seite und sehe die Wirtin der Pension, wie sich auf einem Hocker neben meinem Bett sitzt. Ich richte mich auf. „Guten Morgen, kann ich Ihnen helfen?“ Die Wirtin legte den Finger auf die Lippen „Schhhh, kein Wort. Hören Sie, ich kann nicht lange bleiben. Sie suchen Bielefeld, ich kann Ihnen nur sagen, lassen Sie es sein.“ Ich packe ihre Hand, sie zuckt zurück. „Wo liegt Bielefeld? Sagen Sie es mir!“ Die Frau schaut beängstigt rein. „Osten“ Mehr sagt sie nicht und ehe ich mich versehe, reißt sie sich los und flüchtet aus dem Zimmer. Ich blicke ihr verwundert hinterher.
Der Abschied fällt nicht schwer, ich bezahle, verabschiede mich und schicke mich an, die Pension zu verlassen. Hugos Stimme dringt durch den Flur: „Seien Sie gewarnt, Sie wollen nicht finden, was Sie suchen.“ Ich will mich umdrehen, entscheide mich dann aber anders und gehe hinaus in die morgendliche Kälte. Ich spaziere durch die Straßen, auf der Suche nach einem Autoverleih, denn ich wage zu bezweifeln dass ein Bus Richtung Osten fuhr. Ich finde auch bald einen und miete mir einen klapprigen Mercedes, der auseinanderfiel, wenn man nieste. Ich gebe dem Verleiher etwas mehr Geld, damit er keine Fragen stellt. Laut der Summe habe ich den Wagen für drei Tage geliehen, ich hoffe es ist genug Zeit, rauszufinden, was Bielefeld ist.
Ich weiß, dass es erst Vormittag ist, aber je weiter ich nach Osten komme, desto düsterer wurde der Himmel. Die Luft wird wärmer, der Himmel aber unheilsvoller. Ich fahre mit dem Wagen um eine Kurve, als mir eine Straßensperre im Weg steht. Holzblöcke und Geröll waren aufgetürmt und auf einem Holzschild war aufgemalt: „KEINE DURCHFAHRT. GESICHTETE WERDEN SOFORT BESCHOSSEN.“ Ich runzele die Stirn. Mit dem Wagen weiterzufahren macht keinen Sinn, also muss ich über den Haufen klettern. Ich lande auf alten Schienen, die anscheinend meilenweit durch Hügel und Wälder führten. Mir bleibt also nichts übrig, als ihnen zu folgen. Der Wind wird immer kälter und ich habe dauernd das Gefühl, beobachtet zu werden.
Ich scheine stundenlang gewandert zu sein, es ist zwar noch „hell“, allerdings dunkelgrau, wie vor einem Sturm. Mir wird unwohl, doch ich maschiere weiter. Die Umgebung scheint sich zu ändern, ich komme langsam in der Zivilisation an. Häuser säumen den Waldrand, schäbig und heruntergekommen. Es treiben sich Menschen auf den Straßen herum, ich bleibe jedoch in Deckung. Irgendwas gibt mir das Gefühl, ich sollte mich bedeckt halten. Ich werde langsam müde. Ich fühle mich wie in einer Zombieserie, als ich mich ins Gehölz zurückziehe und mein Nachtlager unter einem umgefallenen Baum aufbaue. Ich blicke durch den dunklen Wald, glaube Augen zu sehen und Geflüster zu hören. Ein Schauer überfällt mich, als ich mich einrolle.
Über mir schwebt die Unendlichkeit, Farben, die nicht existieren, Geräusche, die nicht wahrzunehmen sind. Ich bin nicht im Jetzt und Hier, auch nicht im Gestern und Fern oder der Zukunft und Nah. Es gibt hier nichts, nur das Leben. Doch glaube ich zu leben? Ich habe wirklich keine Ahnung, die Realität ist verfremdet, nichts ist mehr real. Der Mond spricht zu mir.
Der Tag bricht an. Ich wache voll Angst auf, bereit, zu kämpfen, irgendwas steht vor mir, etwas Unmenschliches, Abnormes, es ist… ein Baum. Ich atme auf. Ich habe wieder das Gefühl, als ob ich beobachtet weden würde. Ein Flüstern, ich wirbele herum. Es ist nichts. Ich schüttele den Kopf, muss ihn frei kriegen. Ich sammele meine Sachen auf und begebe mich zum Stadtrand. Lärm dringt durch die Häuserwände, normaler Straßenlärm. Ich schleiche mich durch die Gärten, an die Straßen heran. An den ersten Häusern angekommen blicke ich um die Hausecke und sehe eine normale Straße vor mir. Autos fahren, Kinder sitzen in Hauseingängen und spielen auf Smartphones, Eltern sitzen herum und rauchen, Teenager tun auf dicke Hose und fühlen sich cool. Ich zücke mein Smartphone (Kamera?? Hallo!! Wilkommen im einundzwanzigsten Jahrhundert) und schieße ein paar Fotos. Als ich sie durchschauen will, muss ich einen Aufschrei unterdrücken. Statt der erwarteten Straße, die ich vorhin noch gesehen hatte, voll mit Menschen, sah ich eine Straße voll mit unmenschlichen Kreaturen, voll mit Augen, Tentakeln und verkrüppelten Gliedern. Ich schaudere, schaue um die Ecke, doch die Straße ist leer. Alles ist so, wie es vor ein paar sekunden noch war. Nur dass die Menschen fehlten. Meine Schritte hallen auf dem Asphalt her. Ich fühle mich wie in einer Apokalypse. Ich biege um eine Ecke und sehe mich einer Menschenmasse gegenüber. Tausende Menschen stehen mir auf der Straße gegenüber und schauen mich regungslos an. Sofort brechen die Farben wieder los, in meinen Ohren höre ich eine höllische Symphonie. Ich schreie, ich höre Schreie, die Masse hat sich aufgetan, monströse Wesen wirbeln und wimmeln über die Straße. Ich schreie, drehe mich um und renne. Ich renne und renne, bis ich nicht mehr kann. Ich breche auf der Straße zusammen, die Gleise sind noch nicht in Sicht. Panisch wirbele ich herum und sehe den Mob hinter mir stehen. Es sind wieder Menschen, blicken mich regungslos an. Ich schließe die Augen, schreie und renne weiter. Ich renne, bis alles um mich herum schwarz wird.
Ich wache auf. Ich bin in meiner Wohnung, ich bin anscheinend über den Karten eingeschlafen. Ich atme ein und aus, ganz langsam um mich zu beruhigen. Ich richte mich auf und bemerke etwas an der Wand. Langsam taumele ich darauf zu. Es ist ei nZettel, zerknüllt und vergilbt, als ob der Zettel siebzig Jahre lang Kettenraucher gewesen sei. Auf ihm stehen vier Wörter: Es gibt kein Bielefeld. Ich falle zurück, vier meiner Augen platzen auf und ich kann mich gerade noch mit dem Tentakel auffangen, der mir aus dem Rücken wächst. Es gibt kein Bielefeld.