Bis zum Ende
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Mein Bruder blinzelt sich tapfer die Tränen aus den Augen, und meine Mutter neben ihm sieht krampfhaft auf ihren Teller hinunter. Es war meine Idee, diesen Abend zusammen zu essen. An jedem anderen Abend wäre das hier eine wirklich außergewöhnliche Zusammenkunft gewesen. Meine Mutter und ihr Mann, mein Vater, mein Bruder, den ich seit mehreren Monaten nicht mehr gesehen habe. Und meine beste Freundin mit ihren Eltern. Nun, meine ehemalige beste Freundin.
Fast hätte ich gelächelt. Als ob dieser Abend nicht sowieso schon außergewöhnlich wäre. Meine Mutter hatte nur still ein Lächeln auf ihr Gesicht gezwungen und den Kopf abgewandt, als ihre Augen sich erneut mit Tränen füllten. Natürlich, hat sie gesagt, Alles was du willst.
Ich bin mir nicht mehr sicher, warum ich ein Essen mit allen wollte. Vielleicht wollte ich, dass sie dabei sind. Dass sie alle zusammen da sind, wenn sie mich holen. Mich und das Mädchen neben mir, das mal wie eine Schwester für mich war.
Niemand hat ein Wort gesprochen, seit ich ihnen die Tür geöffnet habe. Gelächelt haben sie nur, alle auf die gleiche, mitleidige Art und Weise. Aber ich habe gelernt, in ihren Gesichtern zu lesen. Sie sind schon dabei, sich damit abzufinden. Sie können sich auf etwas vorbereiten. Es loswerden. Ich beneide sie. Seit mir der Mann vor ein paar Tagen wortlos den Briefumschlag überreicht hat, liegt mir eine Kälte und Leere in der Brust, wie ich sie noch niemals vorher gespürt habe. Als ob sich ein eisernes Schloss um mein Herz und meine Lunge gelegt hätte und mich von innen heraus erstickt.
Eine Träne fällt auf den Teller vor mir und färbt sich rot. Es ist nur der saure pinke Essig, das weiß ich. Aber alles, was ich sehe, ist Blut, meines und ihres, das Blut, das in ein paar Stunden auf der weißen Wand eines kleinen Raumes kleben wird, der allein für diesen Zweck gebaut wurde. Ich weiß nicht, was sie fühlt. Was sie denkt. Was sie sich einredet, um nicht den Verstand zu verlieren. Ich beobachte.
Sie alle versuchen so sehr, uns nicht anzusehen, nichts zu provozieren, als könnten wir jeden Moment durchdrehen. Fast wundert es mich, dass wir ruhig bleiben. Ich habe keine Sekunde daran gedacht zu fliehen, zu entkommen, irgendwie zu überleben. Ich weiß, dass es zu spät für uns ist.
Mit jeder Sekunde ersticke ich mehr an dieser schrecklichen Leere, und jetzt weiß ich auch, was es ist. Furcht.
Wann immer ich dachte, ich hätte wirklich Angst, lag ich falsch. Damals auf dem schmalen Steig, hoch oben in den Bergen; der Sprung vom Dreier; jedes Mal, dass ich im Flugzeug saß. Ich war so überzeugt davon, meine schlimmsten Ängste überwunden zu haben, aber jetzt, an diesem Abend weiß ich, dass ich falsch lag. Damals wusste ich nicht, was kommen würde, außer dass am Ende vermutlich alles gut wird.
Doch heute weiß ich ganz genau, was geschehen wird. Und ich weiß, dass ich am Ende dieser Nacht tot sein werde. Hingerichtet für das schreckliche Verbrechen vor so vielen Jahren, als die Welt noch in Ordnung war, und ich noch sie hatte.
Es ist schon seltsam, wie uns diese Schuld wieder zusammenbringt, dafür sorgt, dass wir wieder hier nebeneinander am Esstisch sitzen, wie wir es vor Jahren so oft getan haben. Der einzige Unterschied ist meine Hand, die sie unter dem Tisch fest gedrückt hält. Unser einziges Zugeständnis an das, was wir wirklich fühlen.
Ich habe immer standhaft geglaubt, keine Angst vor dem Tod zu haben. Und das hatte ich auch nie. Meine Angst betrifft nicht den Tod. Es ist das Sterben selbst. Nichts anderes könnte dieses furchtbare Gefühl hervorbringen als das. Nichts hat mich jemals so fühlen lassen, und ich war dumm, das jemals anzunehmen.
Es klopft an der Tür. Meine Eltern wenden die Köpfe ab und vergraben das Gesicht in den Händen, aber meine fremde beste Freundin drückt meine Hand und steht auf. Ich komme mit ihr, und während ich von meiner Angst vor dem, was kommt, endgültig erstickt werde, verlasse ich das Wohnzimmer und greife nach meiner Jacke. Mit zitternden Händen ziehe ich mich an, und als die Wohnzimmertür zufällt, steht für eine Sekunde die Zeit still. Nur sie und ich, wie vorher. Als ich ihr noch nicht das Herz gebrochen und unserer Freundschaft den finalen Stoß versetzt habe. Und dann ist der Moment vorbei. Und mein Herz erstickt von eisiger Furcht.
Ich hätte gerne behauptet, bis zum Ende niemals den Tod gefürchtet zu haben.
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