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Calypso ist aufgegangen

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Ne·bel

/Nébel/

Substantiv, maskulin [der]

1. dichter, weißer Dunst über dem Erdboden; für das Auge undurchdringliche Trübung der Luft (durch Konzentration kleinster Wassertröpfchen)

„dichter Nebel“

2. ASTRONOMIE

[aus einer Anhäufung von Sternen bestehendes] schwach leuchtendes, nicht scharf umgrenztes, flächenhaft erscheinendes Gebilde am Himmel

Das menschliche Denken ist faszinierend.

Als der Nebel begann, aus dem Boden zu steigen, holten sofort alle Eltern ihre Kinder ins Haus. Ich konnte zusehen, wie weniger und weniger Leute auf den Straßen wanderten, selbst die Anzahl der Autos reduzierte sich innerhalb von wenigen Minuten auf etwas nah an Null.

Die Stille, die dadurch entstand, hatte etwas Friedliches an sich. Sie war jedoch nicht das, was mich an den Konsequenzen des Nebels so faszinierte, sondern das Verhalten und Denken meiner Mitmenschen. Wie wir später herausfinden würden, war der Nebel nichts Ungewöhnliches. Es war Wasserdampf, schlicht und einfach, doch die Art, wie er entstand, war genug, um in unseren Gehirnen Alarm zu schlagen. Alles Ungewöhnliche hisste nun einmal große rote Flaggen.

Als wir damals darüber sprachen, nannten wir den Nebel „Rauch“. Er sah so aus, auch wenn er geruchlos und farblos war. Leute redeten von einer chemischen Attacke, von Experimenten des Staates. Die Rationaleren unter uns behaupteten, es sei einfach nur Nebel, der nur etwas seltsam entstanden war. Es war Herbst und die Böden waren von einem nächtlichen Regenfall genässt. Natürlich konnte dadurch Wasserdampf entstehen! Ihre Kinder ließen sie trotzdem nicht nach draußen.

Der Nebel musste sich bis zu unseren Knöcheln hoch ansammeln, bis der Wetterbericht seine Seltsamkeit erwähnte. Er war dichter als normaler Nebel, schien schwerer zu sein und schlängelte sich in seltsam zähflüssigen Schwaden um die Beine der Leute, die durch ihn gingen. Laut dem Wetterbericht hatten jedoch Experten Tests durchgeführt und herausgefunden, dass es bloß Wasserdampf war. Sein seltsames Auftauchen durch die Diffusion durch den Boden erklärten sie damit, dass Tau zwischen den Grashalmen nächtlichen Nebel festgehalten hatte. Als der Tau aufgrund der Sonne verdampft war, wurde er freigesetzt. Dies erklärte auch, wieso er nur aus Erde, nicht etwa aus Asphalt oder Beton stieg.

Das einzige Unerklärliche an der Situation war, dass der Nebel überall auftrat. Es gab Berichte aus den Tropen, der Wüste, der Taiga und den Sümpfen: Überall, wo es Erde, Sand, Kiesel oder Schlamm gab, stieg der Nebel. An manchen Orten verbreitete er sich schneller, an manchen langsamer: In Großstädten breitete er sich weniger schnell aus, da es dort kaum nackte Erde gab, geschweige denn Grasflächen. In Grönland ebenso, denn das Eis und der Schnee hielten ihn eine Weile unter sich gefangen. In Schottland war die Ausbreitung besonders schnell, wie die Acht-Uhr-Nachrichten berichteten. Trotzdem versicherten sie uns, dass es keinen Grund zur Sorge gäbe. Es war nur Wasser.

Wir waren eine Weile damit zufrieden. Manche waren zwar noch misstrauisch, doch wir bekamen keinen Tag von der Arbeit freigestellt, nur weil es Verschwörungstheoretiker gab, die behaupteten, wir würden angegriffen, oder vergiftet, oder angelogen, oder manipuliert werden.

Kinder spielten in dem Nebel, manche machten sogar Spiele aus ihm; sie würden sich in den Schwaden verstecken oder Fußball spielen, ohne dabei den Ball sehen zu können. Da er nur etwa bis zu unseren Knöcheln reichte, störte er auch die Passanten nicht. Nur die Autofahrer verlangsamten ihr Tempo etwas, da sie die Straßenmarkierungen kaum noch sehen konnten. Wir lebten, wir arbeiteten, unsere Kinder gingen zur Schule. Wir schliefen.

Am zweiten Tag reichte der Nebel bis zu unseren Knien.

Waf·fen·still·stand

/ˈvafn̩ʃtɪlʃtant,Wáffenstillstand/

Substantiv, maskulin [der]

1. Vereinbarung von Kriegsparteien, die Kampfhandlungen einzustellen (mit dem Ziel, den Krieg endgültig zu beenden)

„der Waffenstillstand hat nicht lange gehalten“

Es brauchte einen weiteren Tag, bis der Nebel zu unseren Nasen reichte. Zwei weitere, bis er die ersten Häuser verschlang. Nach einer Woche war der Nebel so hoch gestiegen, so hoch gewachsen, dass wir uns nicht mehr sicher sein konnten, wie weit nach oben er wirklich ragte. Drei Tage später wurden die ersten Teile des Flugverkehres lahmgelegt.

Es war seltsam, der Welt beim Sterben zusehen zu können. Weniger und weniger Autos fuhren auf den Straßen. Menschen zogen sich in ihre Häuser zurück. Die Stille, die wieder entstand, hatte nichts Friedliches mehr an sich. Sie war die Stille einer Geisterstadt, einer toten Siedlung, die gefüllt von Menschen war, die sich versteckten. Als selbst die Flugzeuge nicht mehr den Boden verlassen durften, war die Stille so komplett, dass ich regelmäßig das Radio aufdrehte, ohne wirklich zuzuhören, damit ich Hintergrundgeräusche hatte.

Unter der Stille brodelten die Verschwörungen der Normalbürger. Wie lange würde es dauern, bis ein Staatsoberhaupt den anderen der chemischen Attacke beschuldigte? Wie lange, bis uns gesagt wurde, was wirklich vor sich ging?

Es vergingen Wochen in Stille, in Blindheit und in Unwissenheit. Die Welt bekam es mit Problemen zu tun, die die erhöhte Luftfeuchtigkeit mit sich brachte, beispielsweise Schimmel und Bakterienkulturen, die sich nun schneller ausbreiten konnten, morsches Holz und Probleme mit Elektronik. Doch wir waren gewappnet. Wenn die Welt dadurch untergehen würde, dann tat sie es schleichend langsam. Wir konnten uns dagegen wehren, es hinauszögern.

Am Ende des ersten Monats im Nebel getaucht gab es weiterhin nur Berichte, dass der Nebel harmlos sei, dass Forscher hart daran arbeiteten, herauszufinden, woher er gekommen war, und vor allem, wie wir ihn wieder loswurden. Insgeheim wussten wir alle, dass es keine neuen Nachrichten geben würde.

Mond

/Mónd/

Substantiv, maskulin [der]

1a. [ohne Plural] die Erde umkreisender natürlicher, an bestimmten Tagen sichtbarer Himmelskörper

„der aufgehende Mond“

1b. ASTRONOMIE

einen Planeten umkreisender Himmelskörper; Satellit

„die Monde des Jupiter“

Unser Sichtfeld beschränkte sich auf knapp drei Meter. Die Straßen waren nun nicht mehr sicher und nicht mehr einladend. Die Sonne wurde gleichzeitig vom Nebel verdeckt, sodass es kälter und dunkler war; trotzdem zerstreute der Nebel das Licht, sodass wir in alle Richtungen bloß Weiß sahen.

Nachts war es anders. Der Nebel fiel kaum auf, da unsere Sicht ohnehin begrenzt war. Sah man nicht gerade in das Licht einer Straßenlaterne, unter dessen hellen Kegel man die einzelnen Partikel in der Luft kreisen sehen konnte, bemerkte man den Nebel kaum. Die Dunkelheit gab uns so eine ironische Aussicht, die uns das Licht verwehrte.

So kam es, dass ich Nachts ständig aus dem Fenster starrte. Ob es die Sorge oder der Mangel an Vitamin D war, die meine Schlaflosigkeit hervorriefen, war mir im Endeffekt gleich, denn ich spürte nie solche Ruhe, als wenn ich nachts aus dem Fenster in den Himmel starrte. Die Tage wurden immer einheitlicher, immer monotoner, die Nächte boten plötzlich verführerische Ablenkung.

Obwohl es bloß eine Täuschung war, war es angenehm, so zu tun, als wäre der Nebel nicht da, auch wenn die Sterne nicht durch die Schwaden brechen konnten und der Mond bloß ein verschwommener Fleck am Firmament war. Trotzdem starrte ich nächtelang nach oben, bis mir Gänsehaut auflief, meine Finger taub waren und mein Nacken schmerzte.

So kam es, dass ich beobachten konnte, wie der Mond sich teilte.

Mi·to·se

/Mitóse/

Substantiv, feminin [die]

1. GENETIK

(der Zellteilung vorausgehende) Teilung des Zellkerns

Niemand sprach darüber. In den Nachrichten wurde zwar davon geredet, manch ein Politiker hatte seine Meinung dazu zu geben, insbesondere seitdem der Nebel die Welt stillgelegt hatte. Doch wie sprach man mit seinen Nachbarn über etwas so Unerklärliches, das einen selbst nicht betraf? Es war wie ein Krieg in irgendeinem fremden Land: Wir konnten es nur aus der Ferne beobachten. Natürlich würde es Auswirkungen haben, doch auf uns? Wie konnte es, wenn es so weit weg war?

Nacht für Nacht, Geschwindigkeit ähnlich eines Mondzyklus, zog sich der verschwommene, helle Fleck am Himmel in die Länge, bis er plötzlich einen Schnürring in der Mitte hatte. Er wurde erdnussförmig, dann entfernten sich die beiden Kugeln voneinander und der Gürtelring wurde immer enger. Im Laufe eines Lunarzyklus verdoppelte sich das Licht. Als wieder Vollmond herrschte, saßen zwei perfekte, runde Kugeln hintereinander am Firmament.

Wir erwarteten, dass es wieder passieren würde. Dass die Monde sich wieder spalten würden, zu vier, zu acht, zu sechzehn, zu zweiunddreißig, bis der Himmel von silbernem Licht erhellt war, doch das passierte nie.

Für den ersten Monat verhielten sich die beiden Monde normal. Sie gingen miteinander auf und unter, durchzogen den Mondzyklus zusammen. Astronomen zerbrachen sich den Kopf darüber, woher dieser Himmelskörper hergekommen sein könnte, denn sie fanden nichts dergleichen im Weltall. Sie diskutierten über eine optische Täuschung, doch nichts wurde bestätigt.

Im zweiten Monat begann der zweite Mond zu wandern. Der Abstand zwischen den beiden Flecken vergrößerte sich, bis, als der erste Mond gerade am Firmament aufging, der zweite bereits direkt über uns hing. Auch im dritten Monat vollzog der zweite Mond diese Wanderung, bis er an der gegenüberliegenden Seite des Horizonts war. Dort hörte er auf, sich zu bewegen.

Während der normale Mond noch seine Laufbahn über den Himmel vollzog, hing der zweite einfach regungslos da. Unsere Luna wanderte, streifte hinter ihm vorbei, und versank. Die Sonne ging auf und der zweite Mond verblasste im Licht. Sobald die Sonne wieder unterging, war er wieder da, ein anziehendes Leuchten inmitten des grauen Nebels, genau dort, wo die Straße in den Horizont hineinführte. So wie er stand, konnte man denken, er saß einfach nur in der Entfernung, ein Scheinwerferlicht weit, weit weg.

Si·mu·lak·rum

/ˌsɪmjʊˈleɪkrəm/

Substantiv, Neutrum [das]

1. ein Bild oder eine Darstellung von jemandem oder etwas.

ein kleines Simulakrum eines Wolkenkratzers

2. eine unbefriedigende Nachahmung oder ein Ersatz.

ein langweiliges Simulakrum amerikanischer Soulmusik

Der Nebel blieb, der zweite Mond blieb. Unsere Nachbarn verschwanden.

Niemand wusste, was mit ihnen passierte, doch es interessierte mich auch nicht. Vielleicht begingen sie Suizid. So eine lange Zeit ohne wahres Sonnenlicht konnte den sinnigsten aller Menschen zu drastischen Maßnahmen treiben. Vielleicht zogen sie weg, in Suche nach einem Ort, der nicht unter der Decke des Nebels bedeckt war. Sie würden keinen finden.

Mittlerweile hatten die Tage ihre Bedeutung verloren. In der Arbeit gab es einen schwerwiegenden technischen Defekt aufgrund von Rost, so war ich nach Hause geschickt worden. Das Draußen war nicht mehr anziehend, so blieb ich drinnen. Es gab nur noch die Nächte und die Monde für mich.

Ich benannte unseren Mond Luna und ihren Zwilling Calypso, nach dem Mond Saturns. Calypso das Original war nämlich ein Trojaner-Mond, zog also einem anderen Mond Saturns hinterher. Ich fand den Namen passend für den Nachmacher unserer Luna.

Ako·as·ma

/Akoạsma/

Substantiv, Neutrum [das]

1. als krankhafte akustische Halluzination zu wertendes subjektiv wahrgenommenes Geräusch

Nacht um Nacht beobachtete ich Luna und Calypso bei ihrem Tanz. Wie zwei Liebhaber, getrennt durch die verschwommene Schwärze des Weltalls hinter dem Nebel, lief Luna auf Calypso zu, um ihr in die Arme zu fallen. Die beiden fügten sich zusammen, verschmolzen für einige wunderschöne, seltsame Momente der Nacht, in denen ihr Licht durch die Schwaden reichte und die Straßen berührte. Manchmal, wenn die beiden voll oder nah daran waren, setzte ich mich auf die nun immer feuchte Straße und beobachtete sie von meinem sicheren kleinen Sitz auf der Erde. Ich starrte, bis mir Gänsehaut auflief, meine Finger taub waren und mein Nacken schmerzte; ich beobachtete ihre Phasen, Neumond, erstes Viertel, Vollmond, letztes Viertel. Drei Mal sah ich jede davon.

Es war zum dritten Mal Vollmond, als mich Calypso zum ersten Mal rief. Die Stille auf der Straße war durch die Abwesenheit menschlichen Einflusses so perfekt, dass ich ihr wortloses Flüstern hören konnte. Zwei Nächte lang ignorierte ich es. Dann fand ich mich auf der Straße wieder, Barfuß, mit Feuer in der Seele und Eis in den Händen.

Ich wollte.

Eine weitere Nacht blieb ich. Dann wurde ihr Geschrei zu laut. Sie saß genau dort, zwischen den beiden Gebäuden am Ende der Straße. Sie wartete auf mich, wie sie jede Nacht auf ihre Luna wartete. Die Astronomen hatten keinen weiteren Planetoiden gefunden, wo sonst sollte sie also sein als auf der Erde? Ich hatte gedacht, ich würde von meinem kleinen Platz zu ihr hochsehen, doch in Wahrheit saß sie mit mir und sah mir direkt in die Augen.

So begann ich zu gehen. Als meine Füße taub wurden, ging ich. Als sie zu bluten begannen, ging ich. Als ich meine Hände und Arme nicht mehr spürte, mein Atem Wolken bildete, mein Gesicht taub war, meine Haare und Kleidung durchnässt, meine Haut klamm, ging ich.

Calypso, meine Liebe, ist aufgegangen.

Ang·ler·fisch

/Ạnglerfisch/

Substantiv, maskulin, [der]

1. Fische aus der Gruppe der Armflosser (Lophiiformes), insbesondere: aus der Familie der Anglerfische oder Fühlerfische (Antennariidae) aus der Unterordnung der Tiefsee-Anglerfische (Ceratioidei)

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