Erschöpft ließ ich mich aufs Sofa
fallen. Es war ein weiterer anstrengender Tag gewesen, an dem ich
mich um meinen kleinen Sohn Leon kümmern, kochen, waschen,
einkaufen und was weiß ich noch erledigen musste. Seit Leon vor fünf
Jahren geboren wurde, bin ich nur noch gestresst. Versteht mich nicht
falsch, ich liebe ihn von ganzem Herzen und bin überglücklich ihn
zu haben, aber sich Tag ein Tag aus um einen fünf Jahre alten
Jungen zu kümmern ist auf die Dauer sehr anstrengend und ermüdend.
Nachdem ich Leon ins Bett gebracht hatte
(nach einer Stunde Geschichten lesen, überreden und kuscheln ist er
doch noch eingeschlafen) hatte ich nun ein wenig Zeit für mich.
Ich schaltete den Fernseher ein und sah
mir den Rest eines Krimis an. Doch nach nicht einmal zwanzig Minuten
hörte ich die Schreie meines Sohnes. ,,Muuum!!!“ Schnell lief ich
zu ihm in sein Zimmer und knipste das Licht an.
Leon lag zusammengekauert in seinem
Bett und versteckte sich unter seiner Decke. Ich kniete mich vor ihn
hin und strich ihm durchs Haar. ,,Hey, was ist denn los?´´, fragte
ich ihn mit einer beruhigenden Stimme. ,,Da ist ein Monster unter
meinem Bett!´´, piepste er unter der Decke hervor und sah mich mit
großen, tränengefüllten Augen an.
Ich lächelte ihm zu. ,,Soll ich mal
nachschauen?´´ Er nickte leicht. ,,Aber sei vorsichtig“. Ich
legte mich auf den Boden und sah unter das Bett. Wie erwartet lag
dort kein Monster. Nur Staub und ein paar von Leons Spielsachen.
,,Hm, was haben wir denn da?´´, murmelte ich und setzte mich wieder auf. ,,Das einzige Monster, was
dort war, war Mr.Bär.´´ Ich hielt Leon seinen großen Stoffbären
hin, den er jauchzend an sich riss.
Nachdem ich Leon ein wenig beruhigt und ihn erneut zum schlafen gebracht hatte, ging ich zurück ins
Wohnzimmer, wo ich gerade noch den Abspann des Krimis sehen konnte.
Seufzend setze ich mich wieder aufs
Sofa und sah auf die Uhr. Halb zehn. Vielleicht sollte ich mich schon
mal umziehen.
Ich stand auf und lief in mein
Schlafzimmer, wo ich nach meinem Schlafanzug kramte. Als ich ihn
fand schlüpfte ich schnell hinein und kehrte zurück ins Wohnzimmer.
,,Mum!Muum!“ Leon. Ich rannte zu
seinem Zimmer, riss die Tür auf und drückte erneut den Lichtschalter. Leon saß mit
seinem Bären im Arm in der hinteren Ecke seines Bettes und sah mich
angsterfüllt an.Ich setzte mich neben ihn auf sein Bett und umarmte ihn.,,Alles okay, Leon?“, fragte ich leise. Er sah
vorsichtig in die Richtung von seinem Fenster .,,Da ist ein Monster hinter dem Vorhang und starrt mich die ganze Zeit mit glühenden roten Augen an.´´ Er begann zu zittern.,, Ach was. Da ist kein
Monster.“ ,,,Doch! Es starrt die ganze Zeit zu mir!“
,, Soll
ich mal nachsehen?“ Beruhigend strich ich ihn wieder durchs Haar.
Er nickte leicht und sah mich kurz an. Ich stand auf und ging zu den
langen Vorhängen. Ich schob sie beiseite, sodass ich hinaus auf die
Straße sehen konnte. Regen spiegelte sich auf den Straßen, in dem
gelben Licht der Laternen.
Ich drehte mich zu Leon um und lächelte
ihn an. ,,Siehst du? Kein Monster!“ Leon lächelte mich an als
ich wieder zurück zu ihm ans Bett kam. ,,Und selbst wenn dort ein
Monster wäre, würde es dir nichts tun. Und weißt du wieso?“ Er
schüttelte den Kopf. ,,Weil ich hier bin und auf dich aufpasse. Und
ich werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht.“ Ich küsste
ihn sanft auf die Stirn . ,,Mum ? Was ist mit Dad?“ Mein Ex-Mann
versuchte seit der Scheidung alles um an Leon ran zu kommen. Aber das
würde ich nicht zulassen. Er kann sich nicht richtig um Leon
kümmern.
Ich überlegte kurz bevor ich
antwortete. ,,Er wird dich mir nicht wegnehmen. Dafür habe ich dich
zu lieb.“ Ich drückte ihn fest und fing an ihn zu kitzeln,
woraufhin er anfing zu quieken und zu lachen. ,,Hör auf!“, keuchte er.
,,Wieso denn? Du lachst
doch, also macht es dir Spaß.“,,Mum … haha … hör auf …´´ Als
er anfing sich vor Lachen zu verschlucken ließ ich die Kitzelattacke
bleiben . ,,So. Und jetzt wieder versuchen, zu schlafen, okay?“
Ich küsste ihn wieder auf die Stirn
und umarmte ihn nochmal. Er nickte und kuschelte sich unter die
Decke. ,,Und falls was sein sollte bin ich nebenan im Wohnzimmer ,
ja?“ ,, Ist gut.“ Damit ging ich zur Tür und knipste das Licht
wieder aus . Als ich aus den Zimmer ging, schaute ich nochmals zu Leon und
schloss dann leise die Tür hinter mir.
Ich gähnte. Alles was ich jetzt noch
wollte, war schlafen. Aber falls Leon nun wieder schreien würde,
wäre ich nicht da, um zu ihm zu laufen . Also blieb ich im
Wohnzimmer, mit einem Buch auf den Schoß und las.
,,Mu-Muuum!“, riss es mich aus meinen
Gedanken. Ich legte mein Buch zur Seite und ging erneut zurück zu
meinem Sohn. Wieder knipste ich das Licht an und setzte mich zu ihm.
Eine kleine Träne lief ihm die Wange hinab, die ich mit meiner
Hand weg wischte . ,,Das Monster ist wieder da! Und es hat scharfe
Krallen“, schluchzte er . Ich nahm ihn in den Arm. Ich hasste es
wenn er traurig war oder Angst hatte. ,,Wo ist es denn?“, fragte
ich ihn . Mit zitterndem Finger zeigte er hinüber zu seinem
Kleiderschrank. Ich stand auf und ging zum Schrank. ,,Pass auf!“, piepste Leon und verkroch sich unter die Decke. Ich musste leicht
lächeln. Es war irgendwie süß, wie sehr er glaubte, dass sich
dort ein Monster befände. Natürlich war es nervig weil ich müde
war, aber was sollte ich machen? Ich konnte ihn doch nicht voller
Angst alleine lassen!
Beim Schrank blieb ich stehen und
lächelte Leon aufmunternd an. Dann wandte ich mich wieder dem
Schrank zu. Ich öffnete die Tür und trat einen Schritt beiseite,
damit Leon sehen konnte, dass sich dort nichts im Schrank befand,
mal abgesehen von seinen Klamotten. Mit großen Augen sah er hinein.
,,Und wenn es hinter den Sachen ist?“ Ich seufzte leise in mich
hinein, dann schob ich alles beiseite, sodass er sah, dass sich dort
wirklich nichts befand.
Schließlich lächelte er und ich
schloss den Schrank wieder und kam zu ihm zurück. ,,So und jetzt
versuchst du aber wirklich zu schlafen , okay?“ Er zögerte.
,,Okay.“ Erleichtert lächelte
ich. ,,Ich geh gleich schlafen, also bin ich vermutlich nicht mehr im
Wohnzimmer. Aber wenn es wichtig ist kannst du trotzdem noch zu mir
kommen.“ Er nickte.
Plötzlich flackerte das Licht und ging
aus. Auch im Wohnzimmer war es schwarz. Na toll! Ein
Stromausfall. ,,Das Monster …“, flüsterte Leon verängstigt. Das
klang einfach so lustig, dass ich mir ein Lachen nur schwer
verkneifen konnte. ,,Ach was. Das ist bloß ein Stromausfall. Komm mit
, in der Küche habe ich eine Taschenlampe.“ Wir standen auf und
gingen in die Küche. Leon hielt meine Hand fest umklammert und blieb
ganz nah bei mir.
In der Küche angekommen ließ ich
seine kleine Hand los und kramte in mehreren Schubladen. Leon blieb
ganz nah neben mir und krallte sich an mein Bein. Irgendwann hielt
ich triumphierend die Taschenlampe hoch und knipste sie an.Sofort
wurde Leons Griff lockerer.
Gemeinsam gingen wir dann zurück zu
seinem Zimmer und setzten uns auf sein Bett.
,,Kannst du mir eine Geschichte
vorlesen?“, fragte Leon leise. Wahrscheinlich hatte er immer noch
Angst vor dem Monster . ,,Gerne,Schatz. Moment, das Buch ist noch
im Wohnzimmer . Ich hole es eben .“ ,,Nein! Ich will hier nicht
alleine bleiben!“, jammerte er. Das war so verdammt süß! ,,Ich
bin sofort wieder da , ja?“ Damit stand ich auf und ging ins
Wohnzimmer. Leon ließ ich alleine in seinem Zimmer zurück.
Mit der Taschenlampe in der Hand
durchsuchte ich das Bücherregal, wurde jedoch nicht fündig.
Der Lichtschein der Lampe glitt über
die einzelnen Möbel. Ich kniete mich hin und sah unter das Sofa,
aber was anderes als Staub war nicht zu sehen. Ich stand wieder auf
und leuchtete genervt weiter durch den Raum, bis das Licht der Lampe
am Fernseher hängen blieb. Langsam ging ich auf ihn zu. Mein Puls
beschleunigte sich und mir wurde warm als ich es sah . ‚-“ Ich stehe
hinter dir -‚ , war mit etwas Rot-Glitzerndem auf den Bildschirm geschrieben. Panik machte sich in mir
breit, doch ich konnte mich nicht rühren.
Plötzlich
spürte ich etwas Kaltes und Scharfes an meiner Kehle, danach etwas Warmes meinen Hals herunterlaufen. Erst dann
realisierte ich den höllischen Schmerz und die Atemnot. Panisch
versuchte ich nach Luft zu schnappen. Mir wurde schwindelig und meine
Beine wurden langsam weich. Mit aller Kraft drehte ich mich um und
sah in die tief grauen Augen meines Ex-Mannes, die in der Dunkelheit
irre leuchteten. Dann wurde alles schwarz.
,,MUM!!!“ war das Letzte, was ich
hörte.