
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Kennst du diese Momente im Leben, wenn dein Dasein dir eingefroren
scheint? Wenn alle Möglichkeiten und Zukünfte, die du dir in der
Naivität und dem idealistischen Feuer deiner Jugend zurechtgelegt hast,
zusammenschrumpfen auf die erstickende Enge eines ganz und gar
durchschnittlichen Augenblicks? Wenn nichts mehr wirklich weh tut und
nichts mehr einen tiefen sinnlichen Rausch auslöst? Wenn es keine Gipfel
und Tragödien mehr gibt?
Ich kenne dieses Gefühl sehr gut. Aber für mich gibt es ein
Heilmittel. Doch es sind weder Pillen noch Menschen noch Worte. Es ist
die rohe und ewige Kraft der Natur. Du spürst sie, wenn der Regen deine
Frisur ruiniert und dein Makeup verwischt. Wenn der Wind dir etwas aus
der Hand reißt. Wenn die Kälte dich erzittern lässt, oder die Hitze dir
den Schweiß aus den Poren treibt.
Doch diese Dinge sind nicht das, was ich meine. Sie sind nur eine
schüchterne Mahnung an unsere Machtlosigkeit. Ein leises Brodeln im
Untergrund.
Was mich wirklich bewegt, sind die großen Machtdemonstrationen der
Natur. Wenn sie ihre taktische Zurückhaltung aufgibt. Wenn sie sich
schamlos und nackt zeigt. Wenn sie sich so präsentiert, wie sie wirklich
ist. Denn sie ist nicht dieses schüchterne, romantische Wesen, als das
sie Künstler und Poeten gerne skizzieren. Sie ist ein rasender
Berserker, der seine Ruhephasen nur dazu nutzt, Kraft zu sammeln, um dann
um so gewaltiger zu wüten. Die Natur ist ein Serienkiller. Nur eben
einer mit gutem Ruf.
Sobald ein Sturm übers Land zieht und Autos, Tiere und Menschen
davonweht wie Spielzeuge, wenn Dächer abgedeckt werden und Bäume wie
Dartpfeile umherfliegen, auf der Suche nach Häusern und Leben, deren
Dasein sie beenden können. Wenn Gewitter ihre Kräfte entladen und sich
ihre Opfer herauspicken wie ein zorniger Gott. Wenn Hagel, Starkregen
und Flutwellen das Korsett unserer Zivilisation durchlöchern und uns
einen kurzen Blick auf das grenzenlose, freie Spiel der Gezeitenkräfte
gewähren. Dann – und nur dann – fühle ich mich wirklich lebendig.
Das war schon vor dem Pakt so. Seitdem hat sich die Lust daran
nur noch verstärkt. So ein starkes Gefühl hat nicht mal Susanne in mir
auslösen können. Jedenfalls bis jetzt. Bis zu diesem Moment, in dem sie
angefangen hat, mit diesem Weichling rumzumachen. Blumen, Romantik,
Mondschein. Ich könnte kotzen. All der Kitsch ist beinah schlimmer als
die Tatsache, dass der Typ sich an meine Freundin ranmacht. Da ich
vom Dach der alten Schule einen guten Überblick habe, kriege ich so
ziemlich jedes Detail ihrer Fummelei hautnah mit.
Gut, Casanova. Die erste Runde geht vielleicht an dich. Aber
womöglich wird der Abend ja nicht ganz so romantisch, wie du dir das
gedacht hast.
Schon bevor ich mich richtig konzentriert habe, beginnt der Wind
aufzufrischen, so als würde er meinen Zorn spüren. Genau das tut er
ja auch.
Zuerst spielt er nur mit den Haaren von Susanne und diesem
schleimigen blonden Typen. Fast als wäre er selbst ein Liebhaber. Dann
aber wird er immer stärker. Schwarze Wolken ziehen auf und verdecken erst den
Mond, dann die Sterne. Die beiden hören damit auf, sich gegenseitig
anzusabbern, und suchen nach einem Unterschlupf. Ich verstärke den Wind
weiter. Eine plötzliche Böe erfasst Mister Schmalzlocke und schleudert
ihn mit aller Macht gegen die harte Steinwand der Schule. Benommen sinkt
er zu Boden. Susanne rennt zu ihm und will ihm helfen. Aber nicht mit
mir, Schätzchen. Ich drehe den Wind und halte sie davon ab. Sie schafft
es nicht, sich von der Stelle zu bewegen. Trotzdem versucht sie es
weiter. Treulose Hure. Für mich hatte sie nie so viel Leidenschaft
übrig. Mir kommt eine Idee.
Mit einem Mal gebe ich die Kontrolle über den Wind auf. Es wird
vollkommen windstill. Nur die Wolken bleiben drohend und schwarz am
Himmel und schlucken alles Licht außer dem der Straßenlaternen.
Susanne rennt zu ihrer neuen Flamme. Sie fühlt seinen Puls und prüft
seinen Atem. Sie merkt, dass er lediglich unter Schock stand und langsam
wieder zu Bewusstsein kommt. Sie zieht ihn auf die Beine und nimmt ihn
in den Arm. Sie weint vor Erleichterung und drückt ihn fest an sich. All
das nehme ich hin, sammle die Wut in mir und warte. Erst als sie erneut
zu einem Kuss ansetzt, gebe ich meine Energie frei.
Ein einzelner Blitz löst sich aus den pechschwarzen schweren Wolken
und schlägt mitten in die Umarmung der beiden hinein. Es funkt heftig
zwischen ihnen, wortwörtlich. Die elektrische Entladung und die
damit verbundene Hitze sind so stark, dass die beiden förmlich davon
zusammengebacken werden. Eine verkohlte Statue zu Ehren der Liebe. Der
Geruch von verschmortem Fleisch und ionisierter Luft zieht zu mir
hinauf. Aus dem Himmel höre ich ein höhnisches Lachen. Mein
Geschäftspartner ist zufrieden. Er verlangt pro Jahr eine gewisse Anzahl
Opfer von mir. Doch bisher musste ich mich dafür nie besonders
anstrengen. Menschen, die den Tod verdienen, treffe ich dauernd. Von
Jahr zu Jahr häufiger, wenn ich so darüber nachdenke. Untreue Geliebte,
verräterische Freunde, unfreundliche Kollegen. Mein Zorn ist schnell
geweckt, und er ist fatal. Dabei fällt mir auf: Mein Partner ist
vielleicht zufrieden. Aber ich bin es nicht.
Erneut zapfe ich meine gewaltigen Kräfte an und rufe Hagelkörner
herbei. Einige größer als Tennisbälle, andere klein, spitz und
unglaublich schnell. Zuerst lasse ich sie auf den noblen Wagen des blonden
Unbekannten niedergehen, bis davon nicht mehr als Altmetall übrig ist.
Dann lenke ich meinen Willen auf das im Tode vereinte Paar. Susanne und
Schmalzlocke werden durchlöchert, zerdrückt, zermahlen und pulverisiert,
bis von ihnen nichts anderes mehr bleibt als ein großer Haufen
eiskalter Hagel.
Die gleiche Kälte hält nun auch bei mir Einzug, und ich weiß, dass
sie in mir verbleiben wird, bis das nächste Gewitter heraufzieht.
Während ich vom Dach heruntersteige und dann unter dem klaren,
sternengesprenkelten Himmel nach Hause gehe, denke ich daran, dass es
wohl Zeit wird, sich wieder auf Partnersuche zu begeben. Allzu schwer
sollte es nicht werden. Ich sehe nicht schlecht aus. Und viele lieben
meine stürmische Art.