Die Mine von Blackwood Rock
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Vorwort:
Die Geschichte spielt 20 Jahre nach den Geschehnissen auf dem Waldfriedhof von Blackwood Rock, bei denen eine Gruppe von Teenagern ungewollt das Böse bei einer Qujia-Brett-Sitzung heiß beschworen hatte. Seit dieser Halloweennacht im Jahr 2001 geschehen in Blackwood Rock immer wieder rätselhafte Dinge, die sich nicht erklären lassen. Die Geschehnisse von 2001 und dem Jahr 2021 haben nicht direkt miteinander zu tun.
Am Abend meines 16. Geburtstags, es war ein warmer Sommertag Anfang Juli 2021, erzählte mir mein Vater, wie es eine alte Tradition verlangte, die Geschichte der Mine von Blackwood Rock und deren düsteren Legenden.
Er begann mit seiner Erzählung
„Alex, du bist nun in dem Alter, wo man dich nicht mehr so leicht erschrecken kann.“ Aber was ich dir jetzt erzählen werde, ist eine Warnung für dich, und ich hoffe, du näherst dich diesem Ort nie und betrittst auch nicht die ehemalige Mine. Dieser Ort ist ein Platz des Verderbens und des Todes. „In den Wäldern von Blackwood Rock, dort, wo die Zeit ihre Präsenz längst vergessen hatte, verbirgt sich ein finsteres Geheimnis, das seit Generationen Ängste und Schrecken in den Köpfen der Menschen rund um Blackwood Rock und seine anliegenden Gemeinden entfacht.“ Eine verlassene Mine, die sich oben am Berg befindet, war einst eine Quelle des Wohlstands für die Gemeinschaft der frühen Siedler von Blackwood Rock, und wurde zu einem Ort des Verderbens und der ewigen Qualen.
Ich hörte meinem Vater gebannt zu.
„Einst diente die Mine zum Abbau von Eisenerzen, bis eine Explosion von Faulgasen sie um 1850 zum Einsturz brachten und 65 Minenarbeiter dabei ums Leben kamen.“ Die Arbeiter starben aber nicht nur an der Explosion, sondern auch vom Hunger und Durst der anderen Überlebenden getrieben. Die Leichtverletzten töteten kurzerhand ihre schwerverletzten, aber noch lebenden Kollegen, und aßen ihr rohes Fleisch und tranken ihr Blut. Ebenfalls, so lautet eine Legende, sollen die Kumpel ein Tor zur Hölle in einem der verborgenen Hohlräume der Mine gefunden und durch ihre Arbeit ein Tor zur Hölle geöffnet haben. Durch dieses Tor soll das Böse auf die Erdoberfläche getreten sein. Die Bergmänner sollen sich mit dem Bösen infiziert haben und wurden dadurch zu dieser abscheulichen Tat getrieben. Seit diesem Zeitpunkt haben einige Bewohner von Blackwood Rock versucht, dem Rätsel um diese paranormalen Geschehnisse rund um Blackwood Rock auf den Grund zu gehen, und haben es mit ihrem Leben bezahlt. „Entweder wurden nur zerfleischte und mit Bissspuren übersäte Leichenteile der verschwundenen Bewohner gefunden, oder sie haben sich buchstäblich in Luft aufgelöst“, beendete mein Vater seine Erzählung.
Eine nachdrückliche Bemerkung musste er aber noch hinzufügen. „Halte dich von diesem Ort fern und betrete ihn nie“, warnte er mich nochmal eindringlich. Ich versprach es meinem Vater und ging zu Bett.
Doch die Geschichte machte sich in meinem Kopf breit und ich konnte sie nicht einfach so vergessen. Einige Tage später erzählte ich meinen beiden Freunden, Benjamin und Rene, die gerade mal 15 waren, die Story, die mein Vater mir erzählt hatte.
„Hey Jungs, ihr werdet mir nicht glauben, was mein Vater mir vor wenigen Tagen erzählt hat!“, sagte ich zu den beiden. „Es gibt hier tief in den Wäldern eine alte Eisenerzmine, in der es spuken soll.“ Dort soll es im Jahr 1850 eine Explosion gegeben haben und dabei sind 66 Menschen gestorben. Diejenigen, die die Explosion überlebt haben, sollen die Schwerverletzten anschließend getötet und gegessen haben. „Außerdem sollen die Bergmänner ein Tor zur Hölle gefunden und das Böse dort rausgelassen haben“, erzählte ich Ihnen stolz. „Lasst uns das doch mal erforschen.“ Was haltet Ihr davon?
Benjamin und Rene waren von meiner Idee begeistert und stimmten mir zu.
Da wir drei seit der Kindergartenzeit befreundet waren und seit unserem 13. Lebensjahr ein unstillbares Verlangen nach dem Unbekannten und Paranormalen hatten, beschlossen wir, am kommenden Wochenende das verlassene Bergwerk aufzusuchen.
Getrieben durch unsere gemeinsame Neugier machten wir uns am darauffolgenden Samstagabend auf den Weg zur alten Mine. Natürlich mit dem Vorwand: Wir wollten zum Campen gehen. Schnell fanden wir den Weg zu dem verlassenen Bergwerk, das am alten Waldfriedhof vorbeiführte. Leises Gemurmel war vom Friedhof zu hören, doch sahen wir keine Menschenseele, von der das Gemurmel stammen könnte. Ich bekam eine Gänsehaut, als wir den Waldfriedhof hinter uns gelassen hatten, um den Weg hinauf zur verlassenen Minen zu gehen. Es war ein wolkiger und schwüler Abend, und ein Gewitter schien aufzuziehen. Die Sagen über die schaurigen Ereignisse, die sich in der verlassenen Mine abgespielt hatten und von Generation zu Generation seit dem 19. Jahrhundert immer weiter gegeben wurden, fesselten uns wie Motten im Bann eines flackernden Lichts. Wir sprachen auf dem Hinweg nur davon und was wir an Informationen darüber in Erfahrung bringen konnten.
Einzelne Wetterleuchten machten sich am Himmel bemerkbar, die ein heranziehende Gewitter ankündigten, als wir am Eingang der Mine ankamen. Wir waren davon getrieben, die Wahrheit hinter den Geschichten zu entdecken, die die Bewohner von Blackwood Rock seit Generationen mündlich überlieferten. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit setze das Sommergewitter ein und wir stellten fest, dass der Zugang zur Mine von halb vermorschten Brettern zugenagelt worden war.
Unsere Taschenlampen schnitten durch die aufkommende Dunkelheit und dem vom Himmel fallenden Regen, die nur von kurzen Blitzen erhellt wurde, als wir uns den verrosteten Schienen für die Loren und dem Eingang der Mine näherten . Die Luft war trotz des Gewitters und des Regens immer noch schwül, und der Wald schien trotz des Donners und des Regens in gespenstisches Schweigen gehüllt zu sein. Es waren keine Tiere mehr zu hören. Kein einziger Vogel sang mehr und die Wipfel der Bäume bogen sich im Wind des Gewitters.
„Los Jungs, lasst uns versuchen, die Bretter zu lösen, um einen Blick in die Höhle werfen zu können“, sagte ich zu Rene und Benjamin. „Meinst du, das ist eine gute Idee?“, antwortete mir Rene auf meine Aufforderung zurück. „Du willst mir doch nicht sagen, dass du jetzt schon die Hose voll hast und wieder umkehren möchtest!“, gluckste ich schelmisch mit einem frechen Grinsen in meinem Gesicht zurück.
Benjamin verdrehte seine Augen über unsere Unterhaltung. „Ach Leute, was soll schon passieren, außer dass wir stinkende, modrige Minenluft zu schnuppern bekommen?“, antwortete Benjamin und begann mit mir die morschen Bretter zu lösen. Rene fragte uns noch einmal eindringlich und mit einem zittrigen Lächeln in seinem Gesicht. „Leute, seid ihr euch sicher, dass wir das durchziehen wollen?“ Seine Augen huschten dabei nervös von Benjamin zu mir und dem Eingang zur Mine hin und her.
„No risk, no fun!“, sagte Benjamin und schlug ihm auf die Schulter.
„Komm schon, Rene, du wolltest doch mal ein Abenteuer erleben. Das Hier wird episch!“, lachte ich ihm entgegen. Benjamin, der oft Ruhige und Besonnene von uns, fügte hinzu: „Lasst uns bloß aufpassen und immer zusammenbleiben. Wir haben keine Ahnung, was uns drinnen erwartet.“
Endlich hatten wir es geschafft, den Eingang von den morschen Bretter freizulegen, und konnten nun ungehindert die Mine betreten. Die stinkenden Gerüche der Mine waren fast greifbar, als wir den ersten Schritt in die unheimliche Dunkelheit setzten. Die Gerüche der vermoderten Erde und des rostenden Metalls drangen in unsere Nasen, während unsere Schritte den Boden der Mine hallen ließen. Wir leuchteten mit unseren Taschenlampen in die Dunkelheit und alles schien ruhig und still zu sein. Wir leuchteten die Wände ab. Sie waren mit den Hilferufen der verstorbenen Kumpel und Einwohner von Blackwood Rock beladen. Doch die Worte waren zu verblasst, um sie lesen zu können. Schließlich waren Jahrzehnte vergangen, als jemand die Mine zuletzt betreten hatte, und der Zahn der Zeit ließ alles verblassen.
Ein Tunnel erstreckte sich vor uns wie der Schlund eines riesigen Tieres, das bereit war, uns mit Haut und Haaren zu verschlucken. Die Lichtkegel Unsere Taschenlampen flackerten kurz, als wir tiefer in das Stollensystem der Mine eindrangen. Ein schmaler Pfad mit Schienen für die Loren schlängelte sich in die Eingeweide des Berges. Die Dunkelheit war so prägnant, dass sie am Tage jegliches Tageslicht verschlucken und zu ersticken vermagte. Die Angst, die sich in unseren Kehlen zusammenballte, schien mit jeder Sekunde zu wachsen.
„Jungs, das stinkt hier drin wie ein Furz eines Lebenden, der innerlich schon verwest!“, sagte Rene zu uns. Ich begann zu lachen und entgegnete drauf: „Woher weißt du bitte, wie ein Lebender, der innerlich verwest riecht? Bist wohl der erste, der die Erfahrung macht, innerlich zu verwesen?“ „Was, wenn Rene schon tot ist und er der furzende Minengeist ist?“, sagte nun Benjamin darauf und brach ebenfalls in lautes, schallendes Gelächter aus, das als Echo durch die Tunnel und Schächte hallte und von den Wänden abprallte. „Ihr beide seid echt unmöglich!“, sagte Rene und wirkte dabei ein wenig eingeschnappt. Er leuchtete mit der Taschenlampe in eine der abzweigenden Gänge, die wir mittlerweile erreicht hatten.
Der Donner des Gewitters war in diesem Bereich der Mine nur noch leicht zu hören, so dass man meinen konnte, es würde jemandem der Magen knurren.
„Was meint ihr?“, fragte Rene. „Sollen wir links oder rechts weiterlaufen?“ “ Wir überlegten kurz und gaben gleichzeitig als Antwort: „Wir sind für den rechten Gang.“ Und so drangen wir immer tiefer in das Labyrinth von Tunneln der Mine ein.
Ein leises, schabendes Geräusch war zu hören und wir erstarrten vor Schreck. Ein eisiger Windhauch strich über unsere Haut und ein modriger Geruch stieg uns in die Nasen. Unsere Taschenlampen flackerten wieder für einen Moment auf, bevor sie für kurze Zeit erloschen. Die Dunkelheit war nun vollkommen und die Stille erdrückend.
„Was zur Hölle war das?“, flüsterte Benjamin. Seine Stimme klang brüchig vor Furcht. „Ich habe es auch gehört und gespürt“, stieß ich keuchend hervor. „Irgendetwas stimmt hier nicht.“ Wie auf Kommando fingen unsere Taschenlampen wieder an zu leuchten und ein unheimliches Flüstern setzte ein, das von den Wänden widerhallte, gefolgt von einem unheimlichen Kichern, das kalt über unsere Haut kroch und uns buchstäblich durch Mark und Bein ging. Die Worte waren unverständlich, aber die Angst, die sie in uns hervorrief, sprachen Bände und ließen uns das Blut in den Adern gefrieren. „Woher zum Teufel kam das? War das der Wind?“, fragte ich und versuchte meine jetzt einsetzende Angst zu verbergen.
„Woher soll ich das Wissen?“ , antwortete Benjamin auf meine Frage. „Wir sind zu tief in der Mine, als dass der Wind noch bis hier her gelangen könnte“, fügte er als plausible Erklärung noch hinzu. „Leute! Ihr verarscht mich doch!“, sagte Rene. „Ihr habt doch was vorbereitet, um mir Angst einzujagen!“ „Nein, das haben wir nicht!“, stieße ich mit einem Zittern in meiner Stimme aus. „Wie sollen wir vorher in die Mine gekommen sein, wenn sie zugenagelt war?“ ,sagte ich zu Rene.“ “ „Meinst du etwa, wir hätten extra „frische“ morsche Bretter besorgt, um den Eingang neu zu verschließen?“, fügte Benjamin meine Aussage noch hinzu. Das konnte Rene sich nun, beim besten Willen, nicht vorstellen und gab uns nur ein kurzes „Okay, ich glaube euch!“ als Antwort.
Plötzlich erschienen vor uns schattenhafte Gestalten, die am Rand unserer Taschenlampenlichter auftauchten. Mehrere Konturen von Gesichtern, Augen und Körpern waren zu erkennen, die aus dem Dunkel auftauchten und wieder darin verschwanden. Teilweise waren ihre Münder blutverschmiert und die Augen dunkler als eine Neumondnacht. Die Luft wurde immer kälter und unsere Kehlen fühlten sich an, als wären sie wie zugeschnürt. „Was sind das für Gesichter?“, flüsterte ich den beiden zu. Meine Stimme war kaum mehr als ein Hauch zu hören, da meine Angst immer weiter anstieg. Rene schaute mich an. Die Angst in seinen Augen war sichtbar.
„Ich weiß es nicht, aber ich habe das Gefühl, dass wir nicht hier sein sollten“, sagte er zu mir, während er begann, sich langsam rückwärts zu bewegen. Ein Schrei, der aus dem vor uns liegenden Tunnel kam, war zu hören. Rene pinkelte sich aus Angst in die Hose und Benjamin schaute fassungslos in die Dunkelheit. Die Schatten und Gesichter näherten sich uns, und ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Unsere Taschenlampen flackerten erneut auf. Sie beleuchteten die verzerrten Gesichter der Geister der verstorbenen Bergmänner, die mit blassen, Blut getränkten und verschmierten Händen nach uns griffen.
„Lauft!“, schrie Benjamin und er drehte sich um. Wir taten es ihm gleich und rannten los. Wir rannten, so schnell uns unsere Beine tragen konnten. Wir liefen den Weg zurück durch den Tunnel, aus dem wir gekommen waren, in Richtung des Ausgangs. Das Kichern verwandelte sich in ein boshaftes Lachen, das aus allen Bereichen der Mine zukommen schien. „Wir müssen doch langsam zum Ausgang kommen!“, sagte Rene mit tränenerstickter Stimme. Doch die tiefe Dunkelheit schien die Mine zu verändern. Die Tunnel verschoben sich mit einem schabenden Geräusch. Und ehe wir uns versahen, befanden wir uns in einem verzweigten Labyrinth gefangen. Tunnel, die vorher nicht da waren, öffneten sich mit schabenden Geräuschen und ließen uns in die komplett falschen Stollen rennen.
„Verdammt, wo ist der Ausgang?“, hörte ich Benjamin fluchen, während er versuchte sich zu orientieren. „Wir hätten ein Knäuel Wolle mitnehmen und es draußen an einem Ast oder Baum festbinden sollen, so dass wir wieder den Weg, aus dieser fucking Mine hinaus hätten finden können.“ – Fluchte ich über mich selbst.
Die Schatten schienen sich zu vermehren, das Flüstern wurden lauter. Es steigerte sich immer mehr in verständliche Stimmen, die zwar deutlich erschienen, aber doch nicht verständlich waren. Schmatzende Geräusche ertönten. Es klang so, als ob jemand auf etwas Fleischigem herumkaute. Der Geruch nach Verwesung war nun deutlich wahrnehmbar. Wir versuchten weiterhin, dem Labyrinth zu entkommen, doch jede Abzweigung, die wir nahmen, führte uns nur zu noch mehr Dunkelheit und immer tiefer in die Eingeweiden der Höllenmine.
„Ich kann das Schmatzen nicht mehr ertragen!“, schrie ich, bevor ich über eine alte Picke, die auf dem Boden lag, stolperte und zu Boden fiel. Ich versuchte, mich aufzurappeln. Schaffte es aber nicht. Mein Gesicht war von Tränen übersät. Alex, komm schon, steh auf! „Wir müssen hier raus!“, schrie René mich an, während er und Benjamin versuchten, mich wieder auf die Beine zu bekommen. Die Angst in Ihren Stimmen war greifbar.
Plötzlich wurde Benjamin von unsichtbaren Händen ergriffen und nach hinten gerissen. Ein Schrei zerriss die kalte muffige Luft, bevor dieser abrupt verstummte. Rene und ich starrten in die Dunkelheit, unfähig zu begreifen, was gerade geschehen war.
„Weiter!“, keuchte ich heißer. „Wir müssen ihm helfen und nach ihm suchen!“, schrie mich Rene mit Tränen erstickter Stimme an. „Willst du leben oder sterben?“, keuchte ich immer noch außer Puste. Mein Tonfall steigerte sich in Wut. „Leben!“, schrie Rene zurück. „Aber er ist unser Freund und wir können ihn nicht einfach hier zurück und seinem Schicksal überlassen!“, beendete er sein Geschrei, das durch das gerade passierte panisch und ängstlich zugleich klang.
Das Echo seiner Stimme halte dabei durch den Stollen und ließ seine Worte noch verzweifelter klingen: „Ich möchte leben!“, schrie ich Rene an. „Also lauf! “ „Du bist so ein Arschloch!“, gab Rene keifend und wütend auf meine Antwort zurück.
„Dann mach, was du willst, und geh Ben suchen.“ Ich werde dir nicht helfen. „Mein Leben ist mir wichtiger“, gab ich als letzten Kommentar zurück und begann mich wieder in Bewegung zu setzen. Die Schatten schienen uns zu verfolgen und näherten sich uns unaufhaltsam. „Warte auf mich!“, rief Rene, und folgte mir. Er holte mich schließlich ein und war selbst von seinem Handeln entsetzt. Aber er wusste auch, dass er alleine niemals wieder aus der Mine herausfinden würde.
„Wie lange sind wir eigentlich schon in dieser verfluchten Mine?“, fragte mich Rene. „Schon zu lange“, antwortete ich auf seine Frage. Das Flüstern und Kichern schien endlich nachzulassen, doch war es immer noch zu hören. Die Stunden vergingen wie Minuten, und doch schien die Dunkelheit keinen Anfang und kein Ende zu nehmen. Die Tiefe der Minenschächte und Stollen war schier unendlich und wir stießen auf den eigentlichen Ort, wo die Bergarbeiter damals bei der Explosion und dem anschließenden Kannibalismus ums Leben kamen. Der Boden war voller Menschenknochen, die noch immer ihre zerfetzen Bergmannskleidung trugen. Die Wände waren mit Blut bespritzt und beschmiert. Petroleumlampen hingen an den Tunneldecken und den Wänden.
Wir leuchteten alle Bereiche des Schachtes mit unseren Taschenlampen ab und stellten Botschaften, die mit Blut geschrieben sind, an den Wänden fest. Rene las Sie laut vor.
„ Helft mir!“
„ Gott erbarme sich meiner Seele!“
„ Ich werde für das, was ich getan habe, in der Hölle schmoren!“…
stand in großen Buchstaben und mit Blut an einer Minenwand geschrieben.
„Was zum Teufel ist hier vor 150 Jahren nur passiert?“, fragte ich in die Dunkelheit hinein. Ich hoffte, dass die Dunkelheit meine Frage beantworten würde. Doch es blieb still. Rene leuchtete mit seiner Taschenlampe weiter durch den Gang. An einem Stützbalken des Schachts und an einem Haken befestigt, entdeckte er einen Vogelkäfig mit den sterblichen Überresten von 2 gelben Kanarienvögeln. Dies konnte Rene feststellen, weil noch gelbe Federn im Käfig lagen, und er wusste, dass man früher Kanarienvögel zum Testen der Luft auf gefährliche Gase, mit Untertage genommen hatte.
„Schau dir das mal an.“ sagte er zu mir und deutete auf den Käfig. Ich ging 2 Schritte auf den Käfig zu und leuchtete hinein. „Die beiden müssen qualvoll verhungert oder erstickt sein“, sagte ich beiläufig und drehte mich wieder zu den Knochen der Bergmänner um. Erst jetzt bemerkten wir beide, dass es in diesem Bereich der Mine immer noch nach Verwesung roch. Unsere Taschenlampen begannen erneut zu flackern und ein Grollen rollte aus der Tiefe der Dunkelheit auf uns zu. Wir erstarrten vor Schreck zu Salzsäulen. Das Flüstern und unheilvolle Kichern begann erneut, und diesmal waren die Stimmen verständlicher.
Das Wort „Blut.“ konnten wir deutlich verstehen.
Erneut von Panik und Angst ergriffen, begann ich mich wieder in Bewegung zu setzen, um aus diesem Schacht zu fliehen. Rene tat es mir gleich und folgte mir. Ein lautes Schmatzen erklang ganz nah hinter uns, und ein gequälter, lauter Schrei hallte durch die Gänge.
„Benjamin!“ „Das klang wie die Stimme von Benjamin!“, hörte ich Rene verzweifelt hinter mir keuchen. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Rene eben noch zu mir aufholte und im gleichen Moment zu Boden fiel und vor Schmerz laut aufschrie. Ich erschrak dabei und drehte mich um. Rene lag langgestreckt auf dem Boden. Ich versuchte ihm wieder auf seine Füße zu helfen, bemerkte aber dabei, dass er über eine alte, verrostete Spitzhacke, die am Boden lag und deren Spitze nach oben zeigte, gestolpert war. Rene hielt sich den Arm, den er sich bei dem Sturz verletzt hatte. Blut lief aus einer tiefen Wunde direkt unterhalb seines Ellenbogens und tropfte auf den Boden. „Warum tut ihr das?“, schrie Rene mit schmerzerfüllter Stimme und stand mit meiner Hilfe vom Boden auf. Er riss sich ein Stück seines Innenfutters der Jacke, die er trug, aus und ich verband damit seine blutende Wunde.
„Lasst uns gehen, und wir werden nie wieder an diesen Ort zurückkehren!“, flehte ich mit heißer und Panik erfüllter Stimme. „Ihr habt uns doch schon unseren Freund Benjamin genommen.“ „Warum lasst ihr uns nicht gehen?“, bettelte ich.
Unsere Taschenlampen beleuchteten den Weg vor uns, doch die Dunkelheit schien uns immer einen Schritt voraus zu sein. Sie war tiefer und schwärzer, als wir es uns jemals hätten vorstellen können. Laute Schritte, die sich auf uns zu bewegten, hallten als Echo von den Wänden wieder, und das Flüstern von längst verstorbenen Seelen, die sich aus der Tiefe des Bergwerkes wagten, schien sich um uns herum zu versammeln. „Das Flüstern wird lauter“, sagte ich zu Rene, während ich nervös meinen Blick umherschweifen ließ. „Blutet dein Arm noch?“, fragte ich ihn, während ich versuchte mich zu orientieren, woher die Stimmen und Schritte kamen. „Es hat nachgelassen“, antwortete Rene nur knapp und schluckte dabei schwer, als er versuchte, seine Angst zu unterdrücken. „Wir müssen weitergehen, Alex.“ „Wir dürfen nicht aufgeben, sonst werden wir hier sterben.“
Plötzlich wurden wir erneut von Schatten umhüllt. Meine Taschenlampe flackerte ein letztes Mal auf und erlosch. Die Dunkelheit schien lebendiger als je zu sein. Das schabende Geräusch ertönte wieder und war diesmal näher und deutlicher zu hören als die ersten beiden Male.
„Was zum Teufel ist das?“, flüsterte ich. Meine Stimme klang gebrochen.
„Ich weiß es nicht!“, erwiderte René. Aber wir dürfen nicht hier bleiben. Wir müssen zurück! „Hier werden wir keinen Ausgang finden.“ Doch als wir uns umdrehten, erkannten wir, dass der Tunneleingang, den wir eben noch betreten hatten, verschwunden war. Die Dunkelheit hatte unsere Orientierung verschluckt. Die Tunnel und Gänge schienen sich immer mehr zu verändern.
„Das darf nicht wahr sein!“, murmelte ich. „Der Tunnel war eben noch da und jetzt ist er verschwunden.“ Wie ist das möglich? Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, schien die Dunkelheit erneut lebendiger und dunkler zu werden. Hämmer und Picken waren zu hören. Sie bearbeiteten den Stein des Berges. Die Mine erwachte immer mehr zum Leben, als schemenhafte Gestalten um uns herum auftauchten. Ihre verzerrten, blutverschmierten Gesichter mit blass schimmernden Augen fixierten uns, und ein kalter Schauer lief uns erneut, über den Rücken.
„Wir wissen, warum ihr hier seid!“, flüsterte eine der körperlosen Stimmen hörbar zu uns. „Ihr wolltet Das Unbekannte erkunden, über das man sich seit 150 Jahren erzählt, aber Ihr habt euch zu weit in die Dunkelheit gewagt, die euch nun verschlingen und uns nähren wird.“
Ich kämpfte gegen meine aufsteigende Panik an. „Wer seid ihr?“, rief ich in die Dunkelheit hinein. Rene leuchtete mit unserer letzten verbliebenen Taschenlampe durch den Stollen. Die Manifestationen, die sich entwickelten Schienen zu schweben. Ihre Bewegungen waren unnatürlich und verzerrt. „Wir sind die VERLORENEN.“ „Diejenigen, die hier gefangen sind, weil sie unwissend das Tor zur Hölle öffneten und das Böse somit auf diese Welt losgelassen haben!“, sprach eine furchteinflößende Stimme, die sich neben uns zu befinden schien. Rene leuchtete in die Richtung, aus der die Stimme kam. Doch niemand war zu sehen. Meine Nackenhaare stellten sich auf. „Wir wollten das nicht“, erklärte René verzweifelt. „Wir wussten nicht, was uns hier erwartet. Lasst uns bitte gehen.“
Die geisterhaften Formen, die uns umhüllten, begannen zu lächeln, doch es war ein Lächeln ohne Freude und Mitleid, sondern der Boshaftigkeit: Ihre Münder verzogen sich zu einem breiten Grinsen, das bis zu den Ohren zu gehen schien, und wir konnten das Blut auf ihren Zähnen erkennen. „Ihr seid hier, und das ist alles, was zählt! Eure Seelen und Blut werden uns Nähren“, ertönte erneut die Stimme neben uns. In meinem Kopf begannen sich schleichende Kopfschmerzen breit zu machen. Die Gerüche der Höhle waren unerträglich und ich musste mich zusammenreißen, mich nicht zu übergeben.
„Wir werden uns nicht einfach so ergeben“, sagte Rene und seine Stimme klang nun wieder fest. Er sammelte all seinen Mut und stellte sich dem Bösen entgegen. Ich war erstaunt über seinen Mut. Wo er doch eigentlich keine Kämpfernatur ist. Doch die Geister lachten über seine Aussage und verhöhnten uns weiterhin. Es war ein schauriges, gellendes Lachen, das selbst in unseren Knochen widerhallte und sie vibrieren ließ. „Ihr könnt nichts gegen uns ausrichten. Wir sind die Wächter der Dunkelheit, die in dieser Mine wohnen. Eure Angst wird euch am Ende einholen und zerfressen. Dann werden wir uns eure Seelen holen – so wie wir schon die Seele eures Freundes, den ihr im Stich gelassen habt, genommen haben. Schaut nur, was wir mit ihm getan haben.“
Wie von Geisterhand gesteuert wurde Rene die Taschenlampe aus seiner Hand entrissen und flog ein Stück durch den Gang und landete auf dem Boden. Der Lichtkegel war auf die entstellte, zerfetzte und von Bisswunden übersäte Leiche von Benjamin gerichtet. Ihm fehlte ein Fuß. Ein Teil seiner linken Hand war abgerissen worden und seine linke Flanke war aufgerissen. Seine Gedärme quollen blutend heraus. Sein Gesicht und seine Beine waren mit Bissen übersät. Blut tränkte den Boden und lief in einem schmalen Rinnsal auf uns zu.
Vor Schock übergab sich Rene und erbrach sich vor seine eigenen Füße. Ein bösartiges Lachen hallte durch den Schacht direkt auf uns zu und wir sahen, wie die Geister der Bergmänner sich auf die Leiche von Benjamin stürzten. Die geisterhaften Gestalten schienen immer zahlreicher zu werden. Ihr Lachen hallte in unseren Köpfen wieder. Rene hielt sich die Ohren zu und brüllte dagegen an. Ich rannte los und griff mir die Taschenlampe von Rene. Die Dunkelheit um Benjamins Leichnam wirkte noch bedrohlicher, als ich merkte, dass sich etwas hinter mir etwas in Bewegung setzte. Ich wirbelte herum und leuchtete erst Rene und dann die Decke des Stollen an.
„Rene Vorsicht!“, schrie ich noch, doch es war bereits zu spät. Ich sah, wie Rene von einem herabfallenden Stein am Kopf getroffen wurde, der ihn direkt bewusstlos schlug. Er fiel zu Boden und wurde mit einem Ruck nach hinten gezogen.
Geschockt und starr vor Angst schaute ich in die Richtung, in die Rene weggezogen worden war. Mein Adrenalinspiegel stieg in die Höhe und ich konnte mein Blut in meinen Ohren rauschen hören.
Wie in Trance nahm ich die Taschenlampe in meine linke Hand und begann mich wieder in Bewegung zu setzen. Ich versuchte dem Grauen zu entkommen. Ich lief erst in einen Stollen, der nach rechts abbog. Dann in einen Stollen, der nach links abbog. Das Lachen hinter mir näherte sich mit Atem beraubendem Tempo. Ich bog wieder in einen Stollen, der nach links abzweigte, und erneut in einen rechten.
„Fuck, fuck, fuck!“, flüsterte ich immer wieder vor mich hin. Was habe ich uns nur angetan? Warum musste ich auch so neugierig sein und wollte unbedingt herausfinden, was in dieser fucking Mine vor sich geht? Wie konnte ich die beiden nur dazu überreden, mit mir hierherzukommen?“, sprach ich laut zu mir selbst.
Die Erinnerungen an die schrecklichen Geister, das schaurige Lachen, das von ihnen ausging, und die Worte des Bösen hingen weiterhin schwer in der Luft. Mein Herz pochte wild, als ich mich umsah, um mich zu orientieren. Plötzlich hörte ich einen lauten Schrei, gefolgt von einem lauten, gurgelnden Stöhnen. Stille kehrte ein. „René?“, rief ich mit zittriger Stimme, doch meine Worte wurden von der Dunkelheit verschluckt. Ich erhielt keine Antwort, nur das Echo meiner eigenen Stimme hallte in den Gängen wider. Angst und Sorge krochen in mir hoch. „René, wo bist du?“, rief ich erneut. „Sag bitte was!“ Ich zwang mich dabei, ruhig zu bleiben, und leuchtete mit der Taschenlampe umher. Schatten tanzten unheimlich an den Wänden, und der Tunnel schien sich endlos vor mir auszudehnen. „René, wo bist du?“, rief ich erneut, und meine Stimme war von Verzweiflung geprägt.
Doch statt einer Antwort von Rene hörte ich nun ein leises Flüstern, das langsam lauter wurde. Die Geister schienen wieder um mich herum zu sein. Ihre schaurigen Blicke starrten auf mich herab. Ich spürte ihre Blicke förmlich auf meiner Haut. Doch konnte ich sie nicht sehen.
„Du bist allein, Alex“, flüsterte eine Stimme leise, aber verständlich. „Dein zweiter Freund ist nun in unserer Gewalt.“ „Du bist nun auf dich allein gestellt.“ Ich kämpfte gegen die aufsteigende Panik, die sich in mir anbahnte. „Was habt Ihr mit ihm gemacht? „Wo ist er?“, rief ich der körperlosen Stimme entgegen. Aus weiterer Entfernung, am nächsten Tunneleingang, zeigte sich auf einmal ein Schattenwesen. Seine Form war in der Dunkelheit verschwommen und die Schwärze seines Körpers noch dunkler als die schwärzeste Nacht. „Er ist nun bei uns in unserer Welt der Qualen, Furcht und Dunkelheit.“ Seine Seele wird unser Böses füttern und nähren.“ ,sagte der Schatten und lachte ein ohrenbetäubendes Lachen. Ich hielt mir die Ohren zu und brüllte gegen das Lachen an. „Gebt mir Rene und Benjamin zurück.“ „Ich glaube euch kein Wort.“ Tränen stiegen mir dabei in die Augen, weil ich im Tiefsten Inneren wusste, dass die beiden tot und verloren waren. Doch mein Gehirn wollte diese Tatsache noch nicht akzeptieren. „Nein, das werdet ihr nicht schaffen. Ich werde die beiden finden und wir werden zusammen entkommen.“, rief ich dem Schattenwesen erneut zu.
Der Schattenmann lachte erneut auf. Es war ein schreckliches, höhnisches Lachen, das in meinem Kopf widerhallte. Seine dunkle, dämonenhafte Stimme sprach dabei hasserfüllt und verzerrt. „Du kannst nichts gegen uns ausrichten. Deine Ängste sind hier drinnen unsere Stärke, und wir werden uns auch deine Seele holen. Euer junges Fleisch und Blut nährt uns, und wir erwachen zu neuer Stärke.
Mein Herzschlag beschleunigte sich, und ich begann vor Kälte zu zittern. „Ich werde mich nicht von euch fressen lassen. Ich werde entkommen und dieser Dunkelheit entfliehen.“ Als ich diese Worte laut aussprach, wurde mir erst wirklich bewusst, dass ich Rene und Benjamin verloren hatte und Rene ebenfalls von diesen schrecklichen Wesen aufgefressen worden war. Ich richtete das Licht der Taschenlampe in die Richtung des Schattenwesens und hoffte, dass dieser verschwunden war. Doch was ich sah, ließ mir fast die Haare zu Berge stehen. Ich sah in Mitte der Schwärze seines Gesichtes zwei rote Augen, die wie Kohle glühten und vor Bosheit funkelten.
„Wir werden dich nicht gehen lassen“, rief mir die Gestalt zu. „Du wirst für immer hier bei uns bleiben und deine Seele wird unser sein.“ Dabei verschwand sie in der Dunkelheit des Tunnels.
Ich war verzweifelter als je zuvor und versuchte, mich zu beruhigen, indem ich öfter, tief ein und wieder ausatmete. Meine Entschlossenheit wuchs, als ich mich an die Freundschaft zu René und Benjamin erinnerte und an alles, was wir gemeinsam durchgestanden hatten. Ich musste entkommen. „Ich werde nicht aufgeben. Ich werde diese Mine verlassen, egal was es mich kostet.“ rief ich dem Schattenwesen hinterher. Ich zwang mich zu gehen und lief in den nächsten Tunnel, der mich wieder in den Tunnel mit den sterblichen Überresten der Bergmänner führte.
„Mist!“ „Wie bin ich jetzt wieder hierher gelangt?“, sagte ich zu mir selbst und hoffte, dass mein Gehirn mir die Antwort liefern würde. Was natürlich nicht geschah. Meine Kopfschmerzen pochten mittlerweile hinter meine Stirn. Die Reizüberflutung war einfach zu viel. Ich suchte noch einmal den Tunnel mit der Taschenlampe ab und entdeckte einen weiteren Durchgang. Dieser war nicht mehr als ein schmaler Spalt breit, durch den ich gerade so passte. Als ich mich durch den Spalt zwängte und den nächsten Tunnel betrat, ließ ich die Taschenlampe schweifen. Der Lichtkegel traf auf die Stelle, wo Benjamins zerfetzter Leichnam lag.
Doch war ich nicht darauf gefasst, was ich zu sehen bekam.
Im Schoss von Benjamin lag der Kopf von Rene. Besser gesagt, was von ihm noch übrig war. Es fehlten die Nase, ein Auge, ein Teil seines linken Ohres und die rechte Wange. Das noch vorhandene Auge war weit aufgerissen und starrte mich an. Man konnte das Entsetzen in ihm sehen.
Der Schrei und das gurgelnde Geräusch kamen mir wieder in den Sinn. „Rene musste, bevor sie ihn umgebracht und so entsetzlich entstellt haben, aus seiner Bewusstlosigkeit aufgewacht sein. Das war auch der Schrei und das entsetzliche gurgelnde Stöhnen gewesen, das ich gehört hatte.“ sagte ich zu mir selbst und begann zu weinen. Ich lehnte mich an die Wand des Stollens, sank dabei zu Boden und wischte mir mit dem Ärmel meiner Jacke, die Tränen aus dem Gesicht. Mein Blick wanderte zu den beiden und ich leuchtete nochmal auf ihre Leichen. „Es tut mir so unendlich leid!“, sagte ich zu den Beiden. In meinem Kopf bildeten sich schlagartig viele Fragen. Wo ist der Rest von Renes Körper geblieben? Haben die Geister ihn aufgefressen? Was wird mir passieren, wenn ich aufgebe?
„Bin ich im Kreis gelaufen?“, Fragte ich mich selbst. Meine eigene Stimme klang fremd. „Benjamin und Rene sind tot!“ Ich mit Sicherheit bald auch, wenn ich hier nicht herauskomme. Es tut mir so unendlich leid, Jungs. „Das ich euch in diese Scheiße gebracht habe, die ihr mit eurem Leben bezahlt habt!“, sprach ich verzweifelt zu mir selbst und stand dabei vom Boden auf. Tränen liefen mir wieder die Wangen hinab.
Ich begann durch den Stollen zu laufen und leuchtete jeden Winkel ab. Ich fand einen weiteren schmalen Durchgang und schaute noch einmal zurück und leuchtete auf die Überreste meiner beiden Freunde. Anschließend quetschte ich mich durch einen engen Spalt hindurch. Wohl wissend, dass ich selbst in der Falle saß. Aber was ich anschließend hörte, ließ Hoffnung in mir aufkeimen.
Schwach und leise vernahm ich Vogelgezwitscher, und der modrige Geruch nach verrottetem Holz und Verwesung, der in der Mine dominierte, nahm ab. Ich hielt kurz inne und versuchte auszumachen, aus welcher Richtung das Gezwitscher kam. Ich hörte ganz genau hin. „Rechts!“, sagte ich entschlossen und ging in den nächsten Stollen. Dort blieb ich kurz stehen und horchte erneut. „Links! Ja. Es wird lauter, ich werde es schaffen!“ Doch ein tiefes Grollen setzte hinter mir ein und steigerte sich stetig, immer lauter werdend, in ein Knurren.
„Ich muss weiter!“, sagte ich zu mir selbst und ging in den nächsten linken Stollen. Dort horchte ich wieder kurz und entschloss mich, den nächsten rechten Stollen zu nehmen. Der modrige Geruch der Mine wich immer mehr frischer, nasser Waldluft, aber das nahm ich nur halb wahr, da ich das Knurren hinter mir nicht mehr weiter ignorieren konnte. „Beeil dich, Junge! Du hast es fast geschafft. Du hörst die Vögel immer lauter singen“, hallte die Stimme in meinem Kopf und spornte mich zusätzlich an.
Die Dunkelheit verblasste langsam. Draußen brach der Morgen heran und die Sonne begann bereits aufzugehen. Ich fand mich in einem Tunnel wieder, der zurück zum Eingang der Mine führte. Das Licht meiner Taschenlampe flackerte noch einmal auf, bevor es endgültig erlosch. „Licht, da vorne ist Licht.“ „Der Ausgang aus dieser Dunkelheit ist greifbar nahe!“, jubelte ich und legte noch einmal an Tempo zu. Aber das Knurren hinter mir war immer noch da. Es näherte sich immer schneller und es begann in ein tiefes Heulen überzugehen.
Endlich erreichte ich den Eingang der Mine und erkannte, dass es noch nicht vorbei war. Die Geister der Bergmänner standen dort, ihre Augen funkelten vor Zorn und Verlangen. Sie fletschten die Zähne, gierig darauf, mein Fleisch zu zerfetzen und mein Blut zu trinken.
„Du kannst nicht entkommen“, rief eine der Gestalten. „Du wirst bei uns bleiben und unsere Dunkelheit teilen.“
Ich kämpfte gegen die letzte aufsteigende Angst in mir an. Nein, das werdet ihr nicht schaffen. „Ich werde mich nicht von euch besiegen lassen“, brüllte ich den Bergmännern entgegen und versuchte das Heulen mit meiner Stimme zu übertönen. Doch die Geister lachten erneut, aber ihre Macht schien von der aufgehenden Sonne immer mehr geschwächt zu werden. Ich wusste, dass ich stark sein musste. Nicht nur für mich selbst, sondern auch für meine beiden Freunde. „Ich werde leben!“, schrie ich. Meine Stimme klang fester als je zuvor in meinem Leben. Ich setzte zu einem Spurt an, um dem Wesen zu entkommen.
Mit einem Sprung durchbrach ich die blasser werdenden Hüllen der Geister und landete etwas unsanft auf dem feuchten Boden vor der Höhle. Ein schmatzendes Geräusch ließ mich vor Schmerz aufheulen und ich drehte mich, so gut es ging um.
Das knurrende und heulende Wesen, das mich verfolgt hatte, entpuppte sich als ein dämonenhafter Wolf, der seine Zähne in meine linke Wade grub und erneut zubeißen wollte. Ich riss mit einem Ruck mein Bein nach vorne und hörte ein Knacken in meinem Knie. Ich gelangte endgültig in die Freiheit.
Der Dämon und die Geister begannen immer mehr zu verblassen. Ihre Formen verschwanden, als die Sonne den Eingang der Mine anstrahlte. „Ich habe es geschafft!“, schrie ich vor Freude auf. Doch die Freude wich gleich in Trauer um: Meine besten Freunde waren tot. Ich alleine war dafür verantwortlich, und das nur, weil ich unbedingt die Mine erkunden wollte. Ich versuchte aufzustehen, aber fiel wieder der Länge nach hin. Mein Körper war geschwächt von der Tortur der letzten Stunden. Ich drehte mich auf den Rücken und blickte in den blauen wolkenlosen Himmel.
„Erst einmal kurz ausruhen und die Wunde verbinden!“, sagte ich laut zu mir selbst. Ich richtete mich auf und versuchte, mich in eine geeignete Sitzposition zu bringen. Mein Knie schmerzte. Ich riss ein Stück meines Shirts ab und band es um die blutende Wunde an meiner linken Wade. Ich versuchte mein Bein zu drehen, und ein erneutes Knacken ertönte. Ein stechender Schmerz durchfuhr mein linkes Bein, als meine Kniescheibe wieder an ihre eigentliche Position sprang. Das Tageslicht begrüßte mich wie eine warme Umarmung, und die Kraft kehrte langsam in meine kalten Glieder zurück. Nach ca. 30 Minuten schaffte ich es, endlich aufzustehen. Mein einziger Gedanke, den ich noch hatte, war, die Mine wieder zu verschließen. Hastig suchte ich die Bretter, die ich am Abend zuvor herausgerissen hatte, zusammen und verschloss, so gut es ging, die Mine.
Ich stellte sogar noch dickere Äste, die ich fand, vor die Bretter und hoffte, dass diese Sicherung reichen würde. Worauf ich aber nicht gefasst war und mir eine graue Haarsträhne einbrachte, waren die letzten 3 Sätze, die ich aus der Mine hörte.
Eine tiefe, dunkle, dämonenhafte Stimme sprach: „ Wir werden dich holen kommen.“ Früher oder später. „Wir werden dich holen kommen!“
Fortsetzung folgt…