ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Nimm eine angenehme Position ein.
Entweder auf einem Stuhl sitzend, die Hände bequem auf den
Oberschenkeln und die Füße stabil auf dem Boden oder im Liegen, die
Arme locker neben dem Körper und die Beine leicht
auseinanderfallend.
Wenn du diese Position eingenommen hast
schließe deine Augen und konzentriere dich einige Momente auf deinen
Atem. Beobachte, wie die Luft durch deine Nase und in deine Lunge bis
tief in den Bauch strömt. Lasse vor dem Ausatmen eine kurze Pause
und beobachte das Gefühl der Atemfülle.
Atme dann ruhig und vollständig durch
den Mund aus. Beobachte auch hier das Gefühl, wie sich der Brustkorb
senkt und die Bauchdecke herabsinkt.
Beobachte nun wie dein Körper ganz von
selbst ruhig ein- und ausatmet. Denke beim Einatmen „Lass“ und
beim Ausatmen „Los“.
Spüre noch einmal bewusst die
Unterlage unter dir an den Stellen, an denen dein Körper den Boden
oder den Stuhl berührt und dein Gewicht abgibt. Spüre, dass du
deinen Körper nicht selbst tragen musst und gib dich noch mehr der
Entspannung hin.
Bereite dich nun darauf vor, in eine
andere Welt abzutauchen.
Wenn deine Gedanken zwischendrin
abschweifen ist das kein Problem. Registriere es und kehre wieder
zurück.
Du stehst auf einem hell erleuchteten
Rasen in der Mitte eines großen, weitläufigen Schlossparks. Hinter
dir erhebt sich eine Statue, deren Schatten sich neben dir erstreckt.
Wenn du dich umdrehst, kannst du erkennen, dass es eine dir vertraute
Person ist, jedoch trägt sie Schild und Schwert, ist wie für eine
Schlacht gerüstet. Auf dem hellen Marmor ist bereits dunkles Moos zu
erkennen. Wenn du magst, kannst du es anfassen.
Wie fühlt es
sich an? Weich, kühl, vielleicht ein wenig feucht vom letzten Regen
oder den Resten des Morgentaus? Oder ist es getrocknet von der warmen
Sonne und dem lauen Wind?
Vielleicht kannst du auch einen erdigen
Duft wahrnehmen, der aus der Umgebung aufsteigt.
Du drehst dich wieder um und lässt die
Statue hinter dir. Vor dir erstreckt sich die Rasenfläche. Das Gras
ist hoch und wurde scheinbar lange nicht geschnitten. Hinter dem
Rasen erkennst du einen Rosengarten; auch dieser hat lange keinen
Gärtner mehr gesehen. Du gehst darauf zu und das Gras unter dir
dämpft deine Schritte.
Über dem ganzen Schlosspark liegt eine
Stille, die dich einzuhüllen scheint. Du lauscht, aber kannst keine
Vögel hören. Auch der Wind, den du auf deinem Gesicht und deinen
Armen spürst, ist vollkommen lautlos. Sanft spielt er mit deinem
Haar, streicht dir über die bloße Haut und triebt dich in Richtung
der Rosen.
Als du dich dem Rosengarten näherst,
kannst du bereits den Duft der Blumen wahrnehmen. Sind es nur Rosen?
Oder kannst du auch etwas anderes riechen, vielleicht andere Blumen,
den Rasen oder die Erde?
Atme den Duft einige Male tief ein,
während du zwischen den hohen weißen Säulen, die den Eingang des
wilden Gartens säumen, stehen bleibst und die Natur auf dich wirken
lässt. Wenn du möchtest kannst du dir eine der Rosen näher
ansehen, die dir am nächsten aus dem ursprünglich angelegten
kunstvollen Muster des Gartens ausgebrochen die Säulen umrangt.
Welche Farbe hat sie? Sind die Blüten von einem satten, dunklen Rot,
das beinahe die Farbe des Blutes hat, welche ihre Dornen aus deiner
Hand hervollquellen lassen, wenn du nicht Acht gibst? Oder ist sie
vielleicht von einem täuschenden, unschuldigen Weiß?
Lass ihre
samtigen Blütenblätter nun hinter dir.
Vor dir eröffnet sich ein schmaler
Pfad, von beiden Seiten durch die wilde Dornenhecke gesäumt. Der
Kiesboden knirscht nun unter deinen Füßen, sonst ist kein Geräusch
zu hören. Auch den sanften Wind lässt du außerhalb dieses
Labyrinths zurück. Der Rosenduft ist nun omnipräsent, gemischt mit
dem Geruch nach der satten Erde, die die Pflanzen nähert.
Folge dem Pfad durch die Dornenhecke
und nimm deine Umgebung in dich auf. Kannst du nun vielleicht doch
etwas hören? Vielleicht hörst du neben deinen Schritten auf dem
Kiesweg das Flüstern der Pflanzen, die dein Eindringen in ihre Mitte
bemerkt haben. Vielleicht hörst du das Rascheln der Blätter, die
sich bis weit über deinen Kopf erstrecken. Vielleicht hörst du aber
auch in der Ferne ein leises Wispern, dass beinahe menschlich klingt.
Ist das deine bekannte Person, die in Marmor gebannt auf der
Rasenmitte steht?
Du gehst weiter voran. Dreh dich nicht um,
sondern folge weiter dem Pfad.
…du hast dich umgedreht, oder? Nun,
dann siehst du leider, wie sich die Hecke hinter dir schließt. Folge
weiter dem Pfad.
Die Rosenranken formen einen Spalier
über dem Weg, so dass kaum noch Sonnenlicht bei dir ankommt. Wie
sehen die Blüten jetzt, im Dämmerlicht des Rosendickichs aus? Hat
sich die Farbe von einem satten, warmen Rot zur Farbe getrockneten
Rostrot gewandelt?
Oder ist das Weiß vielleicht zu einem
aschfahlen Grau gewandelt?
Vielleicht hat sich deine Nase nun auch
so sehr an den satten Rosenduft gewöhnt, dass ein anderer Geruch zu
dir durchdringt. Was ist es? Atme ein paar Mal tief durch. Ist das
eine weitere Pflanze, die du noch nicht erkennst, deren süßlicher
Geruch dich aber erreicht, je weiter du durch dieses Dickicht
voranschreitest?
Und hat sich das Wispern der Pflanzen
um dich verändert? Die Pflanzen wissen, dass einer deren unter ihnen
ist, von denen sie lange keinen Besuch mehr hatten. Vielleicht sind
es auch die gedämpften Rufe der Person, deiner bekannten Person, die
du draußen zurückgelassen hast. Will sie dich zurückrufen, wieder
hinaus aus der Hecke? Oder will sie dich antreiben, weiterzugehen?
Lass dich davon nicht ablenken. Folge einfach weiter dem
Kiespfad, auch wenn er nun im immer dunkler werdenden Labyrinth
zunehmend schwerer zu erkennen ist.
Sieh dich dennoch in deiner Umgebung
um. Vielleicht findest du Zeichen, dass du nicht der erste Mensch
bist, der sich hier seit Jahrhunderten herumtreibt und die Ruhe des
Schlossparks zu stören wagt.
Vielleicht erkennst du Reste von
getrockneten Blut auf den Dornen der Hecke. Vielleicht ist dort noch
eine Feder, die sich von einem Hut oder gar Helm eines vorherigen
Eindringlings gelöst hat. Hebe es ruhig auf, wenn du dir die Zeit
dafür nehmen willst, und versuche dir vorzustellen, dass du
vielleicht doch nicht allein bist.
Treiben sich vielleicht gerade jetzt
andere Lebewesen in diesem Irrgarten herum? Vielleicht sogar andere
Menschen?
Lausche in die Stille, die nur von
leisen Flüstern der Rosenhecke erfüllt ist. Vielleicht hörst du
deinen Atem. Sie tun es auf jeden Fall.
Gehe weiter, während sich die Hecke
hinter dir schließt. Denke nicht darüber nach, wie – oder ob –
du hier wieder rauskommen sollst. Denke nicht daran, dass du gefangen
bist und das Tageslicht schneller schwindet, als es sollte. Denke
nicht daran, was du tun sollst, wenn es Nacht wird und du ihnen
ausgeliefert bist. Frage dich nicht, wer sie eigentlich sind.
Vor dir gabelt sich der Weg. Rechts von
dir wird das Gestrüpp beinahe undurchdringlich dicht, du meinst in
den Tiefen des Meeres aus Ranken, Dornen und rostroten Rosenblüten,
deren schwerer süßlicher Geruch deine Nase reizt einige Fetzen
blauen Stoffes auszumachen. Dort könntest
du langgehen, aber der Weg zu deiner linken ist wesentlich
einladender. Dieser scheint lichter zu werden und auf etwas anderes
als deinen Tod im Rankenmeer, in dem von allen Seiten Dornen nach dir
greifen, deine Haut aufschlitzen und nach deinem Blut dürsten
hinzuführen.
Du gehst nach
links.
Während das
Rascheln zunimmt und seltsam angespannter klingt als vorher, wird der
süßliche Verwesungsgeruch weniger. Es war eine gute Entscheidung,
nach links zu gehen.
Zumindest für
dich. Die Hecke hätte sich sicherlich über mehr Nahrung gefreut.
Der Weg wird
dennoch schmaler. Immer näher kommen die Ranken, die sich langsam
nach dir ausstrecken und mit spitzen Dornen versuchen, deine Kleidung
zu durchdringen und über deine Haut zu streifen, sie zu
durchdringen.
Schließlich ist
nur noch ein schmaler Spalt übrig, nicht hoch genug, um aufrecht
hindurch zu gehen. Du musst über den kühlen, nassen Kies kriechen.
Inzwischen ist es
so dunkel, dass du nicht erkennst ob die Kiesel von dunklerem Gestein
oder einfach mit Blut getränkt sind. Du riechst neben der
Rosenblüten und der dunklen, feuchten Erde auch den bekannten
Eisengeruch, weißt aber nicht, ob es von den Kratzern auf deinen
Wangen oder vom Kieselweg ausgeht.
Mache dir keine
Gedanken darüber, dass die Hecke sich vielleicht um dich schließt
und nicht wieder frei lässt, während du gerade an der schmalsten
Stelle bist. Ignoriere, dass sich die Dornen in deine Kleider graben
und ignoriere das Reißen des Stoffes, während du auf dem Bauch über
den kalten Kieselpfad kriechst.
Spüre den kalten,
feuchten, unebenen Untergrund an Bauch, Brust, an deinen Unterarmen
und an deinen Oberschenkeln.
Fühle außerdem
die Ranken, die sich wie eine Fleischfressende Pflanze um die Fliege
in ihrer Falle um dich schließen wollen. Spürst du schon, wie sie
deine Haut durchstoßen, feine, filigrane Ranken in deine Adern
gleiten lassen und sich mit dir verweben? Spürst du das Pulsieren
der Pflanzen in deinen eignen Adern und Venen, spürst du, wie die
Dornen beginnen auch in deinem Körper zu sprießen und über deine
Knochen zu kratzen?
Spürst du
außerdem, dass du nicht allein bist?
Wie dieses Gefühl, dass
jemand dich beobachtet, auch wenn du noch niemanden entdecken
konntest?
Denke nicht daran,
dass dir niemand helfen kann, wenn du nun feststeckst. Denke nicht
daran, dass niemand weiß, dass du hier bist. Denke auch nicht daran,
wie du langsam verdurstest, immer schwächer wirst, keine Kraft mehr
für die aufsteigende Panik hast und wie dich die Hecke schließlich
ihr neuestes Opfer einverleibt – wenn die Ranken dich so lange am
Leben lassen.
Aber noch lebst du. Und wenn du es aus dieser
misslichen Lage heraus geschafft hast, wartet vor dir eine kleine
Lichtung. Du hast es in die Mitte des Rosengartens geschafft, bist
zum Herz dieses seltsamen Wesens vorgedrungen. Vielleicht kannst du
nun seine allgegenwärtige Präsenz spüren, wie es dich von allen
Seiten umgibt und über jeden deiner Schritte Bescheid weiß, wie es
jeden deiner Atemzüge wahrnimmt.
Sich dich im
Dämmerlicht um. Auch hier ist es dunkler, als die Tageszeit zu
deiner Ankunft im Schlosspark eigentlich vermuten lassen sollte.
Vor dir wird der
Weg breiter, die Kiesel strahlen wieder in hellem Grau vor dir und
weisen dir den Weg hin zu den Stufen, die zum prunkvollen Tor eines
verlassenen Schlosses hinaufführen.
Sie dir das Gemäuer aus der
Distanz vom Rand der kleinen Lichtung genauer an. Siehst du, wie
prächtig es einst gewesen sein muss? Sieh, wie sich die Natur in
jede Ritze des edlen Steins gezwängt hat, wie die Fenster dich wie
tote, leere Augen anstarren. Erahnst du noch die Schatten der
Menschen, die einst an diesen Fenstern gestanden haben und hinaus in
den Rosengarten geblickt haben? Beobachten sie dich vielleicht auch
jetzt, gefangen in ihrem ewigen Gefängnis der Überreste ihres
Schlosses, bewacht durch die Hecke?
Oder hält die Hecke sie hier
in Gewahrsam, um die Welt vor ihnen zu schützen?
Gib dich nicht
zu sehr diesen Fantasien hin, sondern geh weiter. Du spürst bereits
eine Ranke um deine Knöchel streifen. Hat sie das herablaufende Blut
aus deinen feinen Kratzern an deinen Beinen gewittert?
Der Wegesrand ist
von Blumen gesäumt. Erkennst du, welche es sind? Nimm ihren Duft in
dich auf und ignoriere dabei wieder den süßlichen Rosenduft der
Verwesung.
Auch hier spürst
du, dass du nicht allein bist. Dennoch kannst du noch immer nichts
hören. Selbst das gespannte Flüstern der Hecke hast du hinter dir
gelassen. Die Stille ist hier beinahe körperlich spürbar, sie hüllt
dich ein und lässt dich leiser Atmen, wie, um dich zu verstecken.
Was jedoch nichts mehr bringt, denn es weiß bereits alles an diesem
Ort von deiner Anwesenheit und beobachtet jeden deiner Schritte.
Das Schloss vor dir
erstreckt sich höher als die Dornenhecke, das graue Gemäuer ist
beinahe bis auf halbe Höhe vollkommen von den Pflanzen eingehüllt.
Fast sieht es aus, als wenn die Hecke sich auch das Gestein langsam
einverleiben würde, in einem langsamen Kampf auf Leben und Tod, der
sich über eine scheinbar endlos lange Zeit erstreckt.
Ignoriere die
Angst, die sich in dir breit macht; es gibt nur noch einen Weg für
dich, und der geht vorwärts. Kommt die Hecke dir gerade noch näher?
Spürt sie deinen Herzschlag, hat sie dein Blut gerochen und dürstet
nun nach mehr?
Gehe die breite Steintreppe hinauf, hoch zum
Eingang des Schlosses.
Die schwere, dunkle
Holztür mit den filigranen, goldenen Ornamenten und dem goldenen
Türklopfer hängt nur noch schief in den Angeln vor dir. Du riechst,
dass auch dem Holz bereits durch die Zeit zugesetzt wurde. Feine
Rosenranken haben sich auch um sie gezüngelt, wie winzige Schlangen
kriechen sie langsam näher auf jede Öffnung des Schlosses zu.
Erschrick nicht vor
dem Knarzen, dass die jahrhundertealten Scharniere kreischend von
sich geben. Achte nicht auf die Hecke, die dadurch aufgeschreckt
lauter und wütender zu Wispern scheint.
Überwinde deine
Übelkeit, wenn dich der modrig-faule Geruch des Inneren des
Schlosses erreicht. Du kannst nur noch in eine Richtung: Vorwärts.
Dreh dich ruhig um.
Dann siehst du, dass die Ranken sich bereits bis zum Fuß der Treppe
an dich heran geschlängelt haben. Sie wollen nach dir greifen, dich
zurück ins Dickicht ziehen.
Du gehst hinein ins
Halbdunkel des Schlosses.
Unter deinen Füßen
ist nun heller Stein, jeder deiner Schritte hallt durch die
Totenstille des Schlosses, muss auch in den letzten Winkel
vordringen.
Lausche in die
riesige Halle, in der du nun vollkommen ungeschützt stehst. Ist dort
ein leises Ticken, wie von einer alten Uhr? Oder gar ein Pochen aus
den Untiefen des Gemäuers, wie der Herzschlag einer riesigen,
uralten Kreatur?
An das leise
Wispern der Pflanzen draußen hattest du dich gewöhnt, nun ist da
nur noch dieser unbestimmte Herzschlag in den Wänden in der sonst
umfassenden Stille.
Spüre, dass die
Präsenz noch immer da ist. Fühle, wie sich die Temperatur verändert
hat – draußen war es lau, vielleicht sogar warm. Nun fröstelst
du, die kalte Feuchtigkeit des uralten Schlosses dringt durch deine
schmutzige, zerrissene Kleidung, an deine bloße Haut. Spürst du
eine leichte Gänsehaut deinen Nacken hinauf und deine Arme
hinabklettern? Stellen sich die Feinen Härchen auf?
Langsam setzt du
einen Schritt vor den anderen. Etwas zieht dich an, du spürst einen
unwiderstehlichen Sog.
Begleitet vom
tiefen, leisen Dröhnen aus der Tiefe und dem viel zu lauten Hallen
deiner Schritte gehst du auf die nächste Treppe zu.
Jede Stufe führt
dich weiter hinauf, erst in einen alten, staubigen Flur. Der Boden
ist mit ehemals rotem, nun ausgeblichenen und verstaubten rotbraunen
Teppich ausgelegt. Die Jahrhunderte haben auch an ihm deutliche
Spuren hinterlassen. Zwar hallt es nun weniger, doch wirbelt jedes
Fußaufsetzen Staub um deine Beine und kitzelt deine Nase. Du
unterdrückst vielleicht ein Niesen, denn gehört werden willst du
auf keinen Fall.
Ignoriere die
Angst, die in deiner Magengegend aufsteigt und dein Herz spürbar in
deinem Brustkorb pochen lässt. Hörst du deinen eigenen Puls in den
Ohren pochen? Spürst du, wie kalter Schweiß deinen Rücken
hinabläuft? Vielleicht rinnen noch ein paar letzte Bluttropfen aus
den Schnitten an deinen Armen und Beinen, vielleicht wirbelt einer
von ihnen ebenfalls Staub auf, als er vom uralten Teppich aufgesogen
wird.
Und woher kommt
dieser Windhauch in deinem Nacken? Bis eben stand die Luft im alten
Schloss. Steht dort jemand hinter dir? Oder ist das der Atem des
Schlosses selbst?
Wenn du dich
umdrehst, siehst du nichts als einen leeren, dunklen Flur. Ist er
dunkler als zuvor? Schwindet das Licht etwa zunehmend? Und was
verbirgt sich wohl in den Schatten?
An den Wänden hängen
vergilbte Gemälde, die Landschaften darauf sind düster, trist,
grau; dort, wo einst Personen abgebildet worden sein müssen ist nun
nur noch Leere.
Du kannst dir noch immer nicht erklären, woher
das permanente Gefühl, beobachtet zu werden herkommt.
Als du beinahe das
Ende des Ganges erreichst hörst du ein Flüstern hinter dir. Nicht
wie das der Rosenranken, nein; dieses klingt beinahe menschlich. Ein
letzter Warnruf deiner bekannten Person?
Wieder siehst du
nur einen leeren Flur, wenn du dich umdrehst.
Und dann kannst du
ein leises Kichern hören. Woher kommt es?
Lausche in die
Stille des Schlosses, die nur vom rhythmisch dröhnenden Herzschlag
des Gemäuers und deinem eigenen, flachen Atem unterbrochen wird.
Hörst du das
Kichern oder das Flüstern noch einmal hinter dir? Oder vielleicht
über dir? Ist es dieses Mal näher?
Auch jetzt hast du
keine Wahl: Du musst weiter gehen.
Die kleine
Wendeltreppe vor dir führt in den höchsten Turm des Gemäuers,
dorthin, von wo es kein Entkommen mehr gibt, nur die Illusion der
Freiheit durch ein kleines Fenster, wenn du Glück hast.
Die
kalten, schmucklosen Steinwände sind vom Zahn der Zeit zernagt,
überall sind Ritzen und Fugen im Gemäuer, durch die der Wind
streifen könnte. Spürst du den Luftzug auf deiner Haut, an deiner
Wange, in deinem Nacken? Spüre, dass er sich nicht anfühlt, als
wäre es Wind. Wärmer. Feuchter.
Fühlt es sich nicht eher an
wie der Atem eines lauernden Raubtiers?
Du gehst weiter hinauf.
Hier oben hängen keine Gemälde mehr an den Wänden, kein Teppich
liegt mehr auf dem Boden. Nur noch der nackte Stein um dich. Das hier
oben ist ein Gefängnis wird dir spätestens jetzt klar.
Die Luft steht seit
Jahrhunderten trotz der Lücken im Gemäuer; unbewegt, konserviert
ist hier der Geruch des Zerfalls, der Verwesung. Stärker noch als im
Pflanzenlabyrinth riechst du hier den Tod, der dieses Schloss
ausfüllt. Ignoriere die aufsteigende Übelkeit.
Du bist das
einzige lebende hier.
Oder?
Du spürst wieder
die Präsenz von etwas anderem als dir. Etwas lebendigem. Etwas, das
dich beobachtet, dich erwartet. Auf dich lauert.
Es zieht dich
magisch weiter zu der kleinen Kammer am Ende dieses höchsten Turmes.
In die höchste Zelle dieses uralten Gefängnisses für was auch
immer die Hecke gefangen hält.
Sieh dir die Tür
vor dir näher an. Erkennst du die Maserung des durch die Zeit modrig
gewordenen Holzes? Riechst du den Geruch des Zerfalls, der davon
ausgeht?
Du öffnest die Tür
und auch diese quietscht unangenehm in der Stille. Löst das Geräusch
bei dir eine Gänsehaut aus? Zieht sich in deinem Inneren alles
zusammen, wie beim Kratzen von Fingernägeln über eine Tafel?
Das
Dröhnen ist hier oben im Turm leiser als unten in der Eingangshalle
des Schlosses, hier dringt es nur dumpf an dein Ohr. Du fühlst es
viel mehr durch deinen gesamten Körper dringen, als dass du es hören
kannst. Das Schloss hat dich fest im Griff, seit es dich der Hecke
entrungen hat.
Das Metall des
Türgriffes ist rostig und kalt, aber nicht so kalt wie der Raum vor
dir.
Die Kammer hinter
der Tür strömt noch viel mehr modrigen, fauligen Verwesungsgeruch
aus. Ist dies das Zentrum des Zerfalls in diesem Schloss? Greift von
hier die Präsenz um sich und hat den gesamten Schlosspark verdorben?
Sieh dich noch
näher um. Kannst du vielleicht verstaubte Statuen im dunklen Zimmer
erahnen, die Überreste der Möbel, eines Stuhles, der Kommode;
Gemälde an der Wand? Oder ist dort vielleicht eine Gestalt in der
dunkelsten Ecke?
Was kannst du
spüren? Die Blicke einer unbekannten Entität auf deiner Haut,
seinen Atem im Nacken? Vielleicht spürst du auch einfach seine
unbestimmbare Präsenz, die hier nicht mehr zu leugnen ist.
Ganz sicher aber
zieht es dich zur Mitte des Raumes hin. Dort, zu dem großen, ehemals
prunkvollen Himmelbett, von dem nur noch ein absurdes Gerippe übrig
geblieben ist. Hier hat der Zahn der Zeit am stärksten zugebissen,
blutige Fetzen aus den Lacken gerissen und die Daunenkissen gerupft
und geschändet zurückgelassen.
Die Präsenz ist
hier noch stärker. Fühlst du den Blick im Nacken? Spürst du den
Atem auf deiner Haut, die Anwesenheit von etwas, das auf dich wartet,
dich hierher gelockt hat wie die Venusfliegenfalle seine Beute?
Geh näher ans Bett
heran. Los, trau dich.
Der Teppich, der
hier ausliegt, dämpft deine Schritte. Spürst du, dass es sich
anfühlt wie ein lebendiges Wesen, über das du steigst? Spürst du
den Blutfluss unter der Haut, den Puls in seinem warmen Leib pochen,
im selben Rhythmus wie das Dröhnen aus den Untiefen des Schlosses?
Bleib am Bett
stehen. Sieh dich noch einmal um. Das Himmelbett muss einst weiß
gewesen sein, welche Farbe hat es jetzt? Blasses Grau? Modriges Gelb?
Oder vielleicht ein rostiges Rot?
Schau auf die Leichen der
Kissen. Siehst du die Gestalt dort liegen, wie sie dich aus toten
Augen anstarrt?
Gehe ein paar
Schritte in eine Richtung – irgendeine. Achte darauf, wie ihr Blick
dir folgt. Sieh hin, auf ihren Brustkorb, der sich nicht bewegt, auch
wenn du den Atem des Schlosses spüren kannst. Kein Herz schlägt
mehr im Rhythmus des Dröhnens im Schloss in ihrer Brust.
Welche Farbe haben
die eingefallenen, schwarz unterlaufenen Augen? Waren sie einst
strahlend blau oder von einem satten Grün? Vielleicht waren sie auch
von einem warmen, leuchtenden Braun. Jetzt jedenfalls sind sie nicht
mehr die Augen der Prinzessin, die hier einst lag, von der die
Jahrhunderte aber nur diese bizarre Gestalt übrig lassen wollten.
Schau dir an, wie
die Zeit aus ihrem schönen Antlitz eingefallene, hohle Wangen und
eingetrocknete Lippen geformt haben. Schau genauer hin, sind ihre
Zähne leicht gefletscht oder ist das nur, weil bereits Getier
angefangen hat, ihre Lippen zu fressen?
Klebt dort ihr Blut
an ihrem Kinn oder kommt dies vielleicht von einem übereifrigen
Eindringling?
Wenn du näher
herantrittst, kannst du ihren schwachen Rosenduft wahrnehmen.
Aber geh nicht zu
nah heran, sonst – ja, du kannst sehen, wie ihre Hand, oder eher
ihre Klaue, denn das ist alles was davon übrig geblieben ist,
gezuckt hat.
Du drehst dich um
und läufst in Richtung der Tür.
Doch die Tür ist
verschwunden. Stattdessen ist dort nur noch eine dichte Rosenhecke,
die Dornen glänzen spitz im Dunkel des Zimmers.
Tja, es gibt kein
Entkommen.
Hinter dir hörst
du, wie die Gestalt sich langsam aus dem Bett erhebt, die staubigen
Laken achtlos zu Boden fallen lässt und im Puls des Schlosses auf
dich zu kommt. Vor dir pulsieren die Rosenranken wie die Venen eines
aufgewühlten Raubtiers.
Du bist gefangen.
Sage dir nun, dass
du die Traumreise nun beendest und kehre dann in deinen Raum zurück.
Aber beeil dich,
ehe du ihre Hand auf deiner Schulter spürst oder das Kratzen der
Dornen auf deiner Haut, das Kitzeln der Ranken an deinen Knöcheln…