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Elitär

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Liam schlug seine Augen auf. 7.30 Uhr. Grade noch
rechtzeitig für den täglichen Höllenritt. Oder wie normale Menschen es nannten:
die Schule. Lustlos schwang er sich aus seinem Bett und verkroch sich dann
schnell im Badezimmer.

Er brauchte morgens einfach diese paar Minuten, bevor er
einen Tag voller Schlägertypen und Idioten aushalten konnte. Natürlich
verstanden seine Eltern das nicht, aber sie ließen ihn notgedrungen gewähren.
Meistens waren sie eh nicht da um das mitzukriegen. Eine gute halbe Stunde und
eine heiße Dusche später fühlte er sich zumindest nicht allzu schlecht.
Manchmal hatte er laut lachen müssen, wenn einer dieser Kleingeister ihn einen
„Warmduscher“ nannte. Dieser hatte den Witz dahinter dann allerdings
eher selten verstanden.

Als er gerade sein spärliches Frühstück runterwürgte,
ging die Schule los. Doch es war sowieso nie jemand pünktlich, warum sollte er
denn damit anfangen? Er verstand nicht, wie die Lehrer das überhaupt
aushielten, diese Respektlosigkeit und diese Frechheit seiner Mitschüler, doch
er war zu dem Schluss gekommen, dass sie entweder genauso verkommen waren oder
einfach aufgegeben hatten. Wenn sie es konnten, dann konnte er es doch schon
lange. Sogar besser. Das war auch der Grund, weshalb er meist erst zur zweiten,
dritten oder gar keiner Stunde zur Schule kam. Nicht aus Faulheit, nicht aus
Vergesslichkeit, nein, nur um den anderen zu beweisen, dass er sie in allem
schlagen konnte. Paradoxerweise hatte grade dieses Verhalten sie nicht gegen
ihn aufgebracht, es hatte ihm ihren Respekt und ihre Anerkennung verschafft.
Warum war er nicht auf diese Idee gekommen? So überlegen wie er ihnen doch war?

Er hatte sie wohl einfach unterschätzt. Er schmunzelte nicht. Er schätzte sie
nicht, aber unterschätzen schaffte er. Wie überaus unterhaltsam. Er packte
seine Sachen zusammen und zog sich an. Hosen in Neonfarben, unfassbar hässliche
T-Shirts und die dämlichste Frisur der Welt hatten es nicht geschafft, seinen
Ruf zu ruinieren. Warum konnten sie ihn nicht ausgrenzen? Ihn aus ihrer
ekelhaften Gemeinschaft ausschließen? Er hatte das nicht verdient! Aber ändern
konnte er es nicht. Also machte er sich auf den Weg.

Er platzte mitten in eine langweilige Deutschstunde. Herr
Reibmann, ein alkoholabhängiger Endvierziger mit einem Faible für ausgeprägt
widerliche Hawaiihemden, schrieb gerade irgendein Zitat von Schiller an die
Tafel. Vermutlich hatte er Schiller nicht mal gelesen. Liam schon. Er
verschlang sie nahezu, die Werke der großen Dichter und Denker: Goethe, Hegel,
Voltaire.

Er las ihre Schriften und sog das Wissen auf wie ein Schwamm. Gerne
hätte er sich mit jemandem darüber unterhalten, doch hier würde er garantiert
wenig Erfolg haben. Langsam schlich er sich an seinen Platz. Früher hatte er
noch rumgeschrien, hatte sich und den Lehrer blamiert, doch es hatte nicht
geholfen. Wie anscheinend all seine Taten hier wurde seine Beliebtheit nicht
weniger je öfter er so etwas tat, sie stieg. Immer wieder hörte er von Kindern,
die rumheulten sie seien nicht beliebt und würden gehänselt werden. Wie gern er
doch mit ihnen getauscht hätte. Nun saß er hier, zwischen desinteressierten,
faulen und ekligen Leuten seines Alters, die er aber nicht als solche
anerkennen wollte.

Er wusste, dass elitäres Denken falsch sein sollte, doch er
dachte ja nicht elitär. Jedenfalls nicht willentlich. Gruppenbildung war ein
Urinstinkt, doch warum diese Gruppe? Warum hatte er nicht eine andere finden
können? Solche Gedanken vergifteten seinen Geist und verdarben seinen
Charakter. Doch das merkte er nicht. In seinem Kopf war er der Knecht, nicht
der Tyrann. Er war der einfache Mann, kein abgehobener Adeliger. Und nun war er
hier, sah sich selbst als armer Unterdrückter und unterdrückte in Wahrheit doch
die anderen. In der Pause gab es das übliche Zeug. Klatsch, Tratsch und
Prügeleien.

Auf dem Schulhof wurde, wie sonst auch, einer der jüngeren Schüler
vermöbelt. Natürlich musste er dabei sein. Doch statt sich zu wehren, statt ihn
zu schützen und an seine Stelle zu treten, wollte er seine Mitschüler durch die
größte Brutalität verschrecken. Ein Tritt. Ein Schlag. Er kam in Rage. Mehrere
Schläge. Noch mehr Tritte. Sogar ein Biss. Dann ein Schrei. Hatte er es
geschafft? Waren sie in Entsetzen zurückgewichen? Hassten sie ihn endlich? Ein
kleines Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Doch dann hörte er es.
Noch ein Schrei. Und ein dritter. Es wurden immer mehr. Es wurde… Jubel. Das
konnte nicht sein. Kein menschliches Wesen könnte dazu im Stande sein.
Tatsächlich. Frenetischer Beifall. Sein letzter Plan war gescheitert. Nun blieb
nur noch ein Ausweg.

Am nächsten
Morgen stand er pünktlich vor dem Schultor. War das wirklich richtig? Könnte er
sich auf dieses Level begeben? War es nicht falsch? Nein. Es war die Aufgabe
der Starken, die Pflicht der Mutigen, Dinge zu tun, die sich andere nicht mal
wagen würden. Langsam legte er die Hand auf den kalten Griff der Pistole. Sein
letztes Werkzeug. Er würde sich ihres Ansehens entledigen, für immer und ewig.
Endlich würden sie ihn hassen. Sein Griff festigte sich und sein Finger legte
sich um das kalte Metall des Abzugs. Bedächtig holte er sie aus seiner Tasche
und beäugte sie misstrauisch.

Ein Schuss.

Ein Knall.

Ein Fall.

Der Schuss
hatte perfekt gesessen. Etwas anderes hatte er von sich selbst auch nicht erwartet.
Endlich war die Qual vorbei. Nie wieder würden sie ihn in ihren Kreis
aufnehmen. Nie wieder.

Grade hatte
es zum Schichtbeginn geklingelt. Doktor Reibmann betrat den kalten Gang zu den
Einzelzellen. Es war ein Tag wie jeder andere. Er schritt an den trostlosen kleinen
Kammern entlang, in denen so viele Menschen für immer in ihren Träumen gefangen
waren. Grade als er die letzte Zelle passierte, fiel ihm etwas auf. Irgendetwas
war anders. Irgendetwas.

Irritiert blieb er vor dem kleinen Kämmerchen stehen.
Behandlungszimmer 12, Gummizelle. Insasse Liam Foxworthy, posttraumatische
Belastungsstörung nach einem Amoklauf an seiner Schule, verbunden mit starken
Halluzinationen. Faszinierend stark. Er warf einen schnellen Blick durch das
kleine Fenster, das in den trostlosen weißen Raum zeigte. Dort saß er wie
immer, zusammengekauert und ohne Gefühlsregung. Doch etwas war anders. Dort,
mitten auf seiner Brust, entstand ein Kontrast zu der reinen und sterilen
Umgebung der Klinik. Der kleine Unterschied, der ihn zu dem besonderen Jungen
machte, der er immer sein wollte. Ironischerweise konnte er seinen Triumph
nicht miterleben. Denn es war etwas, dessen Hervorbringen einem Menschen nur
ein Mal gewährt wird. Eine kleine rote Blutlache. Mitten über dem Herzen. Und
nun war er es. Elitär.

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