
Finstere Traumbegegnung
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
I.
Sie haben mich „Genie“ genannt. Ein „Wunderkind.“ Ich weiß, dass dies nicht der beste Anfang für diese Geschichte ist. Aber es hat alles mit diesen Worten begonnen. Ich muss etwa 6 Jahre alt gewesen sein, als ich zum ersten Mal ein Klavier gespielt habe. Vorher habe ich diesem nur zugehört, wenn meine Mutter mit ihm musiziert hat.
Das, was diese Situation für mich zu jetziger Zeit merkwürdig macht, ist, dass bei mir nach der Geburt stark ausgeprägter Morbus Dupuytren auf fast allen Fingern festgestellt worden ist, dies ist in der Regel recht selten. Damit kannst du nicht viel anfangen.
Wie auch? Wenn nicht jeder Mediziner ist oder Google und andere Suchmaschinen ausfragen kann. Deswegen möchte ich es für Laien kurz erklären. Es handelt sich hierbei um eine Erkrankung des Bindegewebes der Handinnenfläche, was das Spielen eines Klaviers schier unmöglich macht, da man seine Finger nicht richtig bewegen kann.
Kommen wir zum eigentlichen Thema zurück. Nachdem ich die ersten Tasten gespielt habe, hat mich meine Mutter gelobt und mir mein Lieblingsstück vorgespielt. La Campanella von Franz Liszt. Ein Klavierstück, was ich bis heute liebe und auch selber regelmäßig in meiner Stammkneipe spiele. Hierzu muss ich anmerken, dass die Krankheit meiner Kindheitstage nicht mehr mein Spielen beeinträchtigt.
Die Nacht nach diesem schönen Tag ist jedoch die Schlimmste gewesen, die ich als Kind je erlebt habe. Die Erinnerung ist zu dieser Zeit in mein Gedächtnis eingebrannt worden, als mich diese roten Augen angesehen haben. Der Schatten, den ich in meinem Zimmer gesehen habe, ist gänzlich mit der Dunkelheit verschmolzen. Bei diesem schaurigen Anblick habe ich Gänsehaut bekommen. Aus Angst habe ich mich in meiner kindlichen Naivität zur Wand umgedreht, in der Hoffnung, dass der Schatten verschwinden würde. Er ist nicht verschwunden, doch dann habe ich Geräusche gehört. Aus der Ecke meines Zimmers ist ein leises Schmatzen und gelegentliches Kichern gekommen. Es ist mir vorgekommen, als würden die Stunden nur so verstreichen, bis ich einschlafen würde. Die Zeit ist vergangen, das Kichern hat nicht aufgehört und es wurde immer dunkler in meinem Zimmer, da die Straße mitten in der Nacht nicht mehr befahren wurde. Als ich glücklicherweise eingeschlafen bin, hat mich der nächste Schrecken erwartet. Blutroter Regen und dunkle Wolken haben mich in diesem Traum begrüßt. Um mich herum habe ich ein Meer aus Blut und ein Klavier gesehen. Es hat mitten in diesem Meer aus Blut gestanden. Warum es dort gestanden hat, ist mir nie in den Sinn gekommen, da ich es nicht hinterfragt habe. Morgens bin ich schweißgebadet aufgewacht und habe mich an alles erinnert, was ich gesehen und gefühlt habe. Es hat sich schrecklich angefühlt. Mir ist die Bedeutung des Nachmahrs nicht klar gewesen, da ich nie wirklich Probleme im Kindergarten oder Zuhause gehabt habe. Der Schatten in meinem Zimmer jedoch muss echt gewesen sein. Ich habe gespürt, dass er mich beobachtet hat, da ich mir bei der Anwesenheit sicher gewesen bin. Mir ist es unnatürlich vorgekommen und meine Mutter hat mir zugestimmt. Es hat sich so real und echt angefühlt.
II.
Es ist nicht bei einem Nachtschaden dieser Art geblieben. Zunächst habe ich kein klares Muster erkannt, wieso mich dieser Traum so verfolgt hat. Die zweite Begegnung ist kurz vor meinem ersten Wettbewerb gewesen, als ich die zweite Klasse besucht habe. Zu dieser Zeit ist meine angeborene Krankheit zurückgegangen, weshalb ich anfangen habe, richtig Klavier zu spielen. Es hat sich am Ablauf nicht viel verändert. Mir ist es allerdings so vorgekommen, als ob der Schatten näher an meinem Bett gestanden hat. Durch mein Fenster hat kaum ein Licht das Zimmer erhellt. Das einzige Licht im Raum ist das Leuchten der roten Augen mit schwarzen Pupillen gewesen, was ich dem Schatten zugeordnet habe. Die Angst hat mich gepackt. Ich habe, wie beim ersten Mal, das leise Kichern des Schattens vernommen.
Der Albtraum hingegen hat den gleichen Effekt gehabt, genauso wie beim ersten Mal. Nur ist mir aufgefallen, dass am Himmel ein schwarzer Mond zu sein scheint. Er ist lediglich ein kleiner Punkt über mir am Himmel gewesen, welcher Blut niederregnen lassen hat. Bei dem Anblick ist es mir eiskalt den Rücken runter gelaufen, da mir die Symbolik zu diesem Zeitpunkt einfach nicht klar gewesen ist. „Er beobachtet mich“, sind die Worte, die mir direkt in den Sinn gekommen sind.
Der Wettbewerb am nächsten Tag ist nahezu perfekt verlaufen. Ich habe kaum geschlafen, dennoch ist meine Leistung auf ihrem Maximum gewesen. Ich bin nie konzentrierter als bei diesem Wettbewerb gewesen. Fast so, als habe man mich verzaubert. Meine Finger haben sich leichter als je zuvor angefühlt. Meine Präzision hat der Jury den Atem verschlagen. Die Zuschauer haben wie gebannt meinem Spiel zugehört.
III.
Es sind inzwischen 12 Jahre seit der letzten Begegnung vergangen. Meine Finger kann ich inzwischen vollständig bewegen, als wäre die Erkrankung meines Bindegewebes nie da gewesen. Sie ist rasant zurückgegangen und hat keine körperlichen Beeinträchtigungen hinterlassen. Ich habe in der Zeit viele Wettbewerbe mit Leichtigkeit gewonnen. Die Stücke sind immer schwerer geworden, jedoch habe ich sie alle relativ schnell gelernt. Ich komme dem Spielen von La Campanella immer näher. Mit diesem Ziel vor Augen schreite ich voran. Mir ist jedoch nicht klar gewesen, dass mich der Traum abermals auf den Boden der Tatsachen zurückholen würde. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Nun. Das ist kein Mond in weiter Ferne über mir.
Es ist faszinierend, aber auch gleichermaßen verstörend. Über meinem Kopf fliegt ein mir nicht bekanntes Wesen. Eine Art Monster. Dem Aussehen zufolge hat es große Ähnlichkeit mit einem Ophan, einem besonderen Engelswesen aus der Bibel, was mit dem Menschen keinerlei körperliche Ähnlichkeit hat. Äußerlich weißt die Gestalt einige Merkmale dieser Kreaturen auf, doch es ist tiefschwarz. An einigen Stellen seines Körpers, die vier großen Ringen gleichen, läuft Blut herab und das Auge inmitten der Ringe fokussiert die Meinen. Ich habe Angst. Sie ist größer als je zuvor. Sie ist in jeder meiner Fingerspitzen zu spüren. Dumpf vernehme ich ein Geräusch hinter mir. Es hört sich nach Schritten an. Als ich mich um meine Achse drehe, steht ein Schatten vor mir. Er ist von Finsternis umhüllt. Ein Schnipsen erklingt. In einer erdrückenden Tonhöhe erklingt ein Lied. Es kommt von dem Klavier, was inmitten des Blutmeeres platziert ist. Ich muss nicht lange überlegen, um welches Lied es sich handelt. Es ist das Lied, was mich seit meiner Kindheit begleitet. La Campanella. Nach und nach verblasst die um mein Gegenüber gehüllte Finsternis. In dieser erkenne ich immer mehr eine menschliche Silhouette.
Vor mir steht ein Mann, kaum älter als 25. Doch hat er Merkmale, die ihn übermenschlich machen. Seine Haut ist rabenschwarz und auf seinem Rücken sind Flügel, welche den gleichen Farbton haben. Dunkle Haare bedecken die obere Hälfte seines Gesichts. Für einen kurzen Moment kommt es mir vor, als würden mich seine Augen anfunkeln, welche kurz unter seinen Haaren aufblitzen. Augen, von denen man nicht glaubt, dass es sie gibt, wenn man es nicht selbst sehen würde. Ebendiese Augen gehören auch zu dem Schatten, den ich in meinem Zimmer gesehen habe. Sein Kichern, das er von sich gibt, bekräftigt meinen Verdacht. Das muss der Schatten sein, der mich früher besucht hat. Die Ausstrahlung hat sich gänzlich verändert. Sie gleicht der einer sehr autoritären Persönlichkeit. Beispielsweise einem Vater, wenn man Unfug angestellt hat. Als er zu sprechen beginnt, stocke ich. Mit jedem Worte bekomme ich kältere Füße. Seine Stimme ist kalt. Kälter als jeder Winter. Zudem ist sie düsterer als die Finsternis, die ihn sonst immer umgeben hat. Einzig der genüssliche Gesichtsausdruck, wenn ich Angst zeige, ist von ihm an Emotionen zu erkennen.
„Er hat sich wohl in Bewegung gesetzt.“, beginnt das Wesen zu sprechen. Er deutet mir an, dass ich gen Himmel blicken soll. Das Auge des höllischen Himmelswesens rotiert. Es scheint, als sei es verunsichert. Regelrecht in Panik zu geraten. In diesem Augenblick beginnt der Regen zu einem Sturm zu werden. Mein Blick wandert zurück zum geflügelten Mann. Ich halte meinen Arm vor mein Gesicht. Der Sturm scheint ihm nichts aus zu machen. Sein Genussgefühl flutet seine Umgebung immer mehr. Er lacht schallend auf. „Ich liebe diese Angst. Füttere mich. Füttere mich immer mehr!“, ruft er in die Weiten des Blutmeeres. Es ist mir klar, dass er die andere Kreatur provoziert. Ich begreife jedoch nicht, was er meint. Er spricht in Rätseln. Es könnte sein, dass er sich von der Angst seines Gegenübers ernährt. Wieso er gerade jetzt in Erscheinung tritt, ist mir schleierhaft. Interessant zu wissen wäre auch, wie er es geschafft hat, in meinen Traum einzudringen. Er könnte sich weiterhin bedeckt halten. Warten, bis das Wesen näher gekommen wäre. Doch dem muss nicht so sein. Es muss einen Grund geben, der ihn dazu veranlasst hat. Rache? Oder doch sein „Hunger“?
Die Luft beginnt, zu vibrieren. Das Himmelswesen kommt allmählich zur Besinnung und der Regen aus Blut lässt nach. Es ist so, als kontrolliere diese Gestalt das Wetter. Es muss erzürnt sein. Voller Hass. Spürbarer als die Panik, welche vorher von ihm ausgegangen ist.
„Du, dessen Name …“, weiter kommt es nicht. „Wage es nicht meinen Namen vor einem Menschen auszusprechen!“, brüllt der dunkle Flügelmann. Das Klavierspiel stoppt abrupt. Mir schlottern die Knie. Es fehlt nicht mehr viel und ich sacke zusammen. Die Wut des Mannes steht ihm direkt ins Gesicht geschrieben. Anscheinend hasst er es, wenn man seinen Namen sagt. Vielleicht ist er damit angreifbar. Eine kleine Schwachstelle des monströsen Mannes. Seine Haare stellen sich nach oben auf. Sie hängen ihm nicht mehr ins Gesicht. Von ihm geht ein gewaltiger Druck aus. Der Zorn lässt das Blutmeer unter unseren Füßen beben. Die Wellen werden größer, je weiter sie sich von ihm wegbewegen. „Ich werde dich töten. Dich aus der Existenz tilgen!“, entgleitet dem Flügelmann voller Wut. Ein gelegentliches Zucken im großen Auge des anderen Wesens zeigt eine sichtliche Nervosität. „Ein niederes Wesen wird dies niemals vollbringen können. Dein Niedergang steht im heiligen Buch niedergeschrieben, Sünder!“ „Dass ich nicht lache. Ein Gefallener redet von heiligen Schriften? Der Zorn deines Herrn wird eher dich treffen als mich.“ „Schweig, du Narr! Du kannst mir nichts anhaben!“
Die Luft knistert. Es geht auf den Höhepunkt dieser Begegnung zu. Der Moment, der alles entscheiden soll. Sie stürzen aufeinander zu. Eine gewaltige Druckwelle entsteht, als die Kontrahenten einander erreichen. Sie ist immens. Ich kann ihrem Druck nicht standhalten. Ehe ich mich verstehe, fliege ich durch die Kraft über das Meer aus roter Flüssigkeit. Meine Sicht verschwimmt, als ich hart auf dem Boden aufschlage. Mir wird schwarz vor Augen.
Augenblicklich springe ich auf, als ich wieder zu mir komme. Ich stehe auf meinem Bett. Ich bin wach. Ich habe diesen unnatürlichen Traum überstanden. Es ist vorbei. Der Kampf hat nach meinem Abtreten wohl geendet. Das Ergebnis ist mir nicht klar. Nur die beiden Wesen selbst wissen, wie der Kampf ausgegangen ist.
Ende