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Fotografie

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Inahltsverzeichnis des Mehrteilers

Teil 1: Fotografie

Teil 2:

Zugfahrt

Klick. Das Blitzlicht erfüllte, das fast leere Zugabteil, welches sich unentwegt vorwärtsbewegte.

Posen-Wechsel – Klick – Blitzlicht. Weiterer Posen-Wechsel – Klick – Blitzlicht. Der Abzug, wurde in einer rhythmischen Folge, wieder und wieder betätigt. Das Blitzgewitter, begann die anderen Fahrgäste deutlich zu stören, doch Sahra ignorierte das gekonnt. Niemand stand zwischen ihr und ihrer Kunst.

„Ok, eins noch. Ich denke, das wird dann reichen“, sagte ihr heutiges Model und gute Freundin, Maia.

Sahra quittierte das, mit einem Schulterzucken. „Wie du meinst.“ Sie hatte eh schon, mehr als genug neue Bilder gemacht. Einmal in den Fotografiewahn geraten, fiel es ihr jedoch schwer, wieder damit aufzuhören.

Die Fotografie, war schon immer Sahras Leben gewesen. Schon als junges Mädchen hatte sie damit angefangen und dabei spielte es keine Rolle, was sie fotografierte. Menschen, Tiere, Landschaften, alles war es wert, bildlich festgehalten zu werden. Den Moment, für die Ewigkeit zu bewahren, gab Sahra ein Gefühl von… Sicherheit. Erinnerungen konnten in Vergessenheit geraten. Besondere Augenblicke, einfach an einem vorbeiziehen. Bilder hielten sie fest, gaben den Dingen Bestand, auch wenn sie schon lange nicht mehr waren.

Wenn Sahra den Leuten von diesen Dingen erzählte, vermuteten sie immer, sie habe einst einen wichtigen Menschen in ihrem Leben verloren und hätte nun nichts mehr, was sie an diese Person erinnert. Klischees, die sicher ihre Daseinsberechtigung hatten, aber auf Sahra nicht zutrafen. Alle ihr wichtigen Menschen lebten noch und sie hatte auch sonst, keinen schwerwiegenden Verlust zu beklagen. Sie konnte selbst nicht sagen, woher diese Denkweise rührte, aber das kümmerte sie auch nicht sonderlich. Sie lebte für die Fotografie, teilte mit ihr ihre Philosophie und zweifelte nie an ihr.

„Also gut, ein Letztes noch.“ Sahra konnte das erleichterte Aufatmen, eines älteren Ehepaares neben sich hören und ignorierte auch dies gekonnt. Sie hob die Kamera, blickte durch die Linse, fokussierte ihre Freundin, die ihr lächelnd gegenübersaß. KlickBlitzlicht – und dann schrie Sahra plötzlich laut auf. Der Schock ließ ihr die Kamera aus den Händen entgleiten. Sämtliche Fahrgäste, inklusive ihrer Freundin Maia, zuckten erschrocken zusammen. Die andere reagierte dennoch rechtzeitig und fing die fallende Kamera auf, bevor sie auf dem Boden zerschellen konnte.

Sahra’s Schrei erstarb so schnell, wie er gekommen war. „Was ist denn los mit dir?“, fragte Maia sie, immer noch völlig erschrocken. Auch die anderen Fahrgäste musterten das Mädchen, als interessiere sie die Antwort ebenfalls brennend.

„Nichts… nichts, alles gut. Ich… lass uns bitte austeigen.“ Sahra war zu verstört, um eine klare Antwort zu geben. Sie wollte nur raus, raus an die frische Luft und fern von den Blicken, die sie neugierig musterten. Der Zug hielt an und Maia, war geistesgegenwärtig genug um keine weiteren Fragen zu stellen. Stattdessen manövrierte sie ihre Freundin raus auf den Bahnsteig.

Sie setzten sich, auf eine nahe Bank. „So, und jetzt beruhige dich erst einmal“, sagte Maia, während sie ihre Freundin besorgt ansah.

Sahra atmete ein paar Mal tief ein und aus. Der Schock legte sich langsam wieder und auch ihre Gedanken, wurden wieder klarer. „Gib mir die Kamera“, befahl sie und irgendetwas, in ihrer Stimme veranlasste Maia auch weiterhin dazu, keine Fragen zu stellen. Sie nahm die Kamera entgegen, öffnete das zuletzt geschossene Bild und erstarrte.

„Was hast du denn?“, fragte Maia nach einer Weile, nach dem sie es nicht länger aushielt. Sie lehnte ihren Kopf ein wenig rüber und blickte auf das Bild, dass ihre Freundin anstarrte. Darauf sah sie sich selbst, lächelnd in einem Zug sitzen. Sonst nichts Außergewöhnliches. „Seh ich so schrecklich, auf diesem Bild aus?“, fragte sie scherzhaft, in der Hoffnung die Stimmung wieder auflockern zu können.

Daraufhin fing Sahra unweigerlich zu lachen an. Die Starre, die sie fest umklammert hatte, löste sich von ihr. Sie sah ihre Freundin lächelnd an und schüttelte den Kopf. „Nein, du siehst wunderbar wie immer aus. Ich dachte, ich hätte etwas gesehen, aber ich habe es mir wohl nur eingebildet.“

Maia sah ihre Freundin zweifelnd an. „Na wenn du das sagst…“

Die andere nickte überzeugt. „Klar. Lass uns weiterziehen.“

Aber unter der freudigen Überzeugung, dass Alles nur Einbildung gewesen war, verbarg sich immer noch die Erinnerung an das, was Sahra gesehen hatte. Es befand sich nicht auf ihrer Kamera. Das Bild in diesem Gerät widersprach dem, aus ihrem Kopf. Wem sollte sie Glauben schenken?

Erinnerungen konnten verblassen, konnten verdreht werden, konnten einen in die Irreführen. Der menschliche Verstand, war leicht zu täuschen. Die Kamera hingegen, konnte nicht getäuscht werden. Sie war ein Werkzeug, dass den Moment aufzeichnete. Die Bilder zeigten das, was tatsächlich war. Sahra musste sich getäuscht haben. Ihr Verstand hatte ihr einen Streich gespielt.

Und wenn sie ehrlich zu sich selber war, wie wahrscheinlich war es schon, dass sie mitten in einer öffent-lichen Bahn, am helllichten Tage, auf einen alten, bärtigen und grauhaarigen Mann stieß, der eine Spitzhacke hoch über dem Kopf hielt und kurz davor war, sie auf ihre Freundin herabfahren zu lassen? Genau, das war total verrückt.

Nachtwanderung

Der restliche Tag verlief ohne weitere Zwischenfälle. Sahra und Maia besuchten diverse weitere Orte und machten unzählige weitere Bilder. Am Ende des Tages, war die Erinnerung an den alten, grauhaarigen Mann, mit langem Bart und Spitzhacke in der Hand, schon wieder vergessen.

Tief in der Nacht verabschiedeten sich die Freundinnen. Da es mitten in der Woche war, musste Sahra einige Umwege auf sich nehmen um nach Hause zu kommen, da um diese Uhrzeit nicht mehr alle Bahnen und Busse fuhren. Das störte sie jedoch wenig, sie hatte einen erfolgreichen Tag hinter sich und es gab nichts, was diesen noch trüben konnte. Außerdem, war sie es gewohnt mitten in der Nacht unterwegs zu sein. Die Dunkelheit bot oftmals Chancen, für unbeschreibliche Bilder.

Sahra lief gerade durch die menschenleere Altstadt, als sie etwas hinter sich hörte. Die Geräusche der Nacht verschreckten sie für gewöhnlich nicht, aber dieses hier, hatte sie nie zuvor gehört. Sie blieb nicht stehen, drehte sich nicht um, lief einfach weiter auf ihrem Weg zum trauten Heim.

Das Geräusch ertönte erneut, lauter dieses Mal und näher. Sahra’s Herz machte für einen Augenblick einen Aussetzer. Nun blieb sie doch stehen, drehte sich aber nicht um. Stattdessen lauschte sie, ob das Geräusch erneut ertönte. Alles was sie hören konnte, war der Wind, der durch die Straßen blies und ihr einen leichten Schauer über den Rücken jagte. Nachdem sie gefühlt mehrere Minuten dagestanden hatte, schüttelte sie über sich selbst den Kopf. Was war bloß los mit ihr?

Ohne weiter zu zögern, drehte sie sich um und siehe da, nichts. Die Straße hinter ihr, war ähnlich verlassen wie vorher. Sie teilte sich die Nacht höchstens mit den Ratten, die sich auf die Suche nach etwas fressbaren machten.

Neuen Mut gefasst, schritt Sahra weiter, doch weit kam sie nicht. Wenige Schritte später hörte sie wieder dieses Geräusch, dieses Mal direkt hinter ihr. Ihr Atem stockte, ihr Herz raste nun, doch sie lief weiter, als wäre nichts gewesen, nur, dass sie, ohne es zu merken, schneller wurde.

Was um alles in der Welt verursachte solche Laute? Es klang, als würde etwas über den Asphalt kratzen. Eine Klinge oder… Kralle. Oder eine Spitzhacke… dachte Sahra und nun ergriff sie die Panik. Aber sie hatte hinter sich nichts und niemanden gesehen! Trotz dieses Wissens lief sie schneller und schneller. Das Geräusch ertönte nicht noch einmal, dennoch wollte sie nur noch so schnell wie möglich, nach Hause.

Nur noch um die nächste Ecke, dann habe ich es geschafft. Das Mädchen lief zielsicher auf die Straßenecke zu, doch dann kam eine Gestalt um die Ecke gewankt. In der Dunkelheit, welche nur durch das spärliche Laternenlicht durchbrochen wurde, konnte man sie nicht genau erkennen. Was Sahra jedoch sah, reichte ihr vollkommen, um sie erstarren zu lassen. Es war ein älterer, leicht buckeliger und bärtiger Mann, der irgendetwas hinter sich her schleifte.

Oh Gott, das kann einfach nicht wahr sein, bitte lass diesen Alptraum enden! Sie wollte schreien, wollte wegrennen, wollte sich in einem dunklen, sicheren Loch verkriechen und nie wieder hervorkommen, doch alles was sie tat, war erstarrt stehen zu bleiben. Die Angst lähmte sie, erlaubte ihr nicht auch nur einen Finger zu rühren und der bärtige, alte Mann, mit der Spitzhacke – was sollte er da sonst hinter sich her schleifen? – kam schnaufend, immer näher.

Gleich würde er bei ihr sein, er würde vor ihr stehen bleiben, sie mit seinen trüben, glasigen Augen mustern, seine Spitzhacke hoch über den Kopf heben und…

Bevor Sahra den Gedanken zu Ende führen konnte, war der Mann schon bei ihr angekommen. Doch anders als in ihrer Fantasie, ging er einfach weiter schnaufend – und vor sich hin brabbelnd, das hörte sie erst jetzt – an ihr vorbei. Er verbreitete zwar einen unangenehmen Geruch und war eindeutig nicht bei sich, aber nun bemerkte Sahra erleichtert, dass er dem Spitzhackenmann aus ihrer Einbildung, in keiner Weise ähnelte. Und er schleifte auch kein solches Werkzeug hinter sich her, sondern nur einen großen Müllbeutel, in dem er vermutlich die wenigen Dinge aufbewahrte, die ihm noch geblieben waren. Er war nur ein Obdachloser, auf der Suche nach einem Schlafplatz.

Erneut musste Sahra über sich den Kopf schütteln, was war nur in sie gefahren? Ihr Herzschlag beruhigte sich wieder, ein Lächeln über ihre eigene Idiotie stahl sich über ihre Lippen und erneut, setzte sie ihren Weg ins traute Heim fort.

Sie ging um die Ecke. Nur noch ein paar Meter, dann war sie zu Hause. Vorher kam sie jedoch an einem kleinen Laden vorbei, dessen Schaufenster Blick auf allen möglichen Krams gewährte: Von alten Spielzeugen, bis hin zu antiquierten Möbeln, konnte man hier so ziemlich alles finden.

Auf halben Weg an dem Schaufenster vorbei hörte Sahra wieder ein Geräusch. Dieses Mal handelte es sich jedoch nicht um den seltsamen, kratzenden Laut und es erklang auch nicht hinter, sondern neben ihr. Unvermittelt blieb sie stehen und drehte den Kopf nach rechts. In dem dunklen Schaufenster schien alles genau wie zuvor. Einige Porzellanpuppen blickten zu ihr auf, ein eingestaubter Teddybär musterte sie aus der Ecke heraus und ein altertümliches Schaukelpferd, füllte den Hintergrund aus.

Das Mädchen wollte gerade schon weitergehen, als ein weiteres, viel lauteres Geräusch aus dem Laden erklang. Stampfende Schritte kamen in der Dunkelheit auf sie zu. Plötzlich wurde das Schaukelpferd in die Luft gerissen und achtlos, nach hinten in den Laden geworfen. Die Puppen und weitere kleine Spielzeuge, wurden beiseite gefegt und bevor Sahra’s Kehle einen Schrei entließ, schlug etwas gegen das Schaufensterglas, ohne es dabei zu zerbrechen.

Sahra wich einen hektischen Schritt zurück und stolperte dabei, sie fiel nach hinten weg und landete unsanft auf ihrem Gesäß. Der Gurt der Tragetasche, in der sie ihre Kamera aufbewahrte, löste sich von ihrer Schulter und fiel herab. Sahra’s erster Gedanke, galt der Kamera. Sie öffnete hastig die Tasche und holte sie heraus. Erleichtert stellte sie fest, dass sie nicht beschädigt war. Erst danach schlich sich wieder das Bewusstsein über dass, was gerade geschehen war, in ihr Gedächtnis. Panisch blickte sie auf, aber das Schaufenster lag verwaist und dunkel da. Im Inneren des Ladens herrschte Stille.

Eine weitere Einbildung? Aber nein, die Gegenstände waren noch immer, quer im Laden verteilt. Jemand, oder etwas, hatte darin gewütet, dass Seltsame war doch nur, dass Sahra niemanden hatte sehen können… Sie richtete sich auf, auch wenn es verrückt schien, sie wollte ein Bild von dem Schaufenster machen, um sich am nächsten Morgen versichern zu können, dass die Einrichtung wirklich verwüstet worden war. Wenn das Bild ihr zeigte, was sie gesehen hatte, würde sie wissen, dass es kein Traum gewesen war.

Sahra blickte durch die Linse, fokussierte das Schaufenster, drückte auf den Auslöser – Klick – Blitzlicht. Eine Sekunde später, schrie sie vor Schock auf. Die Kamera fiel ihr fast aus der Hand, aber dieses Mal besann sie sich rechtzeitig und griff im letzten Moment wieder fest zu. Bevor sie sich bückte, um ihre Tasche zu packen, erhaschte sie noch einen letzten Blick auf das Schaufenster, welches wie zuvor, leer war.

Mit der Kamera in der einen und der Tasche in der anderen Hand, rannte sie die letzten Meter bis zu ihrer Haustür. Sie dachte nicht mehr. Angst hatte ihr gesamtes Bewusstsein erfüllt und sie wollte nur noch weg.

Vor der Tür stehend, ließ sie die Tasche achtlos fallen, griff in die Hosentasche, packte ihren Schlüssel und ließ ihn beim Herausholen fallen. Sie bückte sich um ihn aufzuheben und dabei hörte sie es wieder… das kratzende Geräusch, das von diesem… diesem Ding auszugehen schien. Es war auf Höhe des Ladens. Sahra langte zitternd nach ihrem Schlüssel, versuchte ihn in das Schloss zu drücken, aber das Zittern und der Mangel an Licht, ließen sie wertvolle Sekunden damit verschwenden, den ihn panisch hin und her zu schieben, ohne das Schloss zu treffen.

Dann endlich, glitt er lautlos hinein. Das Kratzen hinter Sahra, war jedoch alles andere als lautlos. Es kam näher und näher, war schon fast bei ihr. Sie drehte den Schlüssel und fiel regelrecht in den Hausflur, weil sie sich gegen die sich nun öffnende Tür gelehnt hatte. Im Inneren angekommen und wieder auf festem Stand, zerrte sie einige hektische Augenblicke an dem Schlüssel, der sich weigerte, aus dem Schloss zu kommen. Das Kratzen, war nun bei der Tür. Sahra blickte eine Sekunde lang auf, sah nichts, wusste aber, dass es da war. Ohne sich dessen bewusst zu sein, zog sie den Türöffner mühelos aus dem Schloss und schlug die Tür zu, die Tasche, die noch immer draußen lag, war vergessen.

Im Haus selbst herrschte Totenstille. Das Kratzen von draußen, war verstummt. Sahra sah durch die Glasscheibe der Haustür, in die Dunkelheit hinaus, konnte aber nichts Ungewöhnliches ausmachen. Sie atmete immer noch panisch, ihr Herz raste und der Angstschweiß, lief ihr aus allen Poren, aber nun kehrte langsam ihr klares Denken zurück.

An sich herbblickend sah sie ihre Kamera, die sie noch immer fest umklammert hielt. Sie verstaute ihren Schlüssel wieder dahin, wo er hingehörte, und blickte von Panik erfüllt durch die Linse. Sie brauchte Gewissheit. Natürlich würde auf dem Bild nichts zu sehen sein, aber in dem kurzen Moment nach der Fotografie, würde sie es wiedersehen können, wenn es denn noch da war.

Den Finger auf dem Abzug, stockte Sahra. Was tat sie da? Sie hörte nichts mehr, sie sah nichts, sie war fast zu Hause. Warum wollte sie sich weiter quälen? Sie konnte nach oben gehen und dass Alles hier, einfach vergessen. Konnte sich unter der Bettdecke verkriechen und hoffen, dass es nie wieder geschehen würde.

Konnte sie das wirklich? Nein, sie musste es einfach wissen. Wenn das Ding noch da war, dann würde sie den Morgen vielleicht nicht erleben, wenn sie keine Maßnahmen ergriff. Sich einfach zu verkriechen und zu hoffen, war keine Lösung. Sie hatte etwas gesehen, was nicht rational erklärbar war. Hatte etwas gesehen, was in ihrer Welt nicht existieren sollte. Wie konnte sie da hoffen, einfach normal weiterzuleben, ohne sich dem zu stellen?

Sahra machte sich bereit, sie war auf alles gefasst. Klick – Blitzlicht – und der Schrecken, bekam erneut ein Gesicht. Dieses Mal schrie sie nicht, stattdessen konzentrierte sie sich um dieses Bild, welches nur eine Sekunde lang zu sehen sein würde und welches ihre Kamera nicht aufnehmen konnte, in ihrem Gedächtnis zu speichern.

Das Ding war schwarz wie die Nacht, nein schwärzer, denn es stand im krassen Kontrast, zu der Finsternis der Nacht hinter ihm. Es war gut einen Meter fünfzig groß, schlank, leicht nach vorn gebeugt, hatte einen kantigen Kopf, der von dicken Schlingen geziert wurde, die nur entfernt an Haare erinnerten. Die schmalen Arme endeten in knochigen Händen, welche mit scharfen Krallen versehen waren. Die Krallen waren schmutzig, da sie stetig über den Boden geschleift wurden, wenn sich das Ding bewegte und dabei das kratzende Geräusch verursachten. Das Ding starrte Sahra für den winzigen Augenblick, in dem es zu sehen war, unablässig durch seine tiefschwarzen Augen an.

Dann war es wieder verschwunden, unsichtbar für Sahra und die restliche Welt.

Das Mädchen senkte die Kamera, schaute noch eine Weile in die Dunkelheit der Nacht hinaus und wartete, auf weitere Vorkommnisse. Als auch nach zwanzig Minuten, noch nichts geschehen war, drehte sie sich um und ging hinauf zu ihrer Wohnung. Es war ein langer Tag gewesen und sie brauchte Schlaf.

Verschwunden

„So, da wären wir. Ich warte draußen.“

„Vielen Dank.“ Maia trat durch die Haustür und lehnte sie ein wenig an. Sie mochte den Hausmeister zwar, aber wenn sie recht behielt und hier irgendetwas nicht stimmte, musste er nicht sofort alles mitbekommen.

Nachdem sie und Sahra sich vor einer Woche verabschiedet hatten, hatte Maia nichts mehr von ihrer Freundin gehört. Sie reagierte weder auf Anrufe, noch auf das Klingeln, direkt bei ihr zu Hause. Also hatte sie die Initiative ergriffen und sich bei dem Hausmeister gemeldet, der sie nun auch schon jahrelang kannte. Dadurch, dass sie viel Zeit mit ihrer Freundin verbrachte, war sie regelmäßig in diesem Haus und kannte die Nachbarn und damit auch den Verantwortlichen für das Haus, schon so gut wie Sahra selbst. Er hatte bestätigt, dass er sie auch schon eine Zeit lang nicht mehr gesehen hatte, was ungewöhnlich war, da kein Tag verging, an dem sie nicht nach draußen ging um neue Bilder zu schießen.

Nun war Maia hier und das ungute Gefühl, dass sie schon seit einigen Tagen hatte, verstärkte sich. Die Wohnung war still, aber das war nicht das eigentliche Problem. Sahra war die meiste Zeit, so sehr in ihre Bilder und ihre Kamera vertieft, dass es in dieser Wohnung fast immer still war. Sie sah kein Fernsehen und hörte nur selten Musik. Nein, das eigentliche Problem lag darin, dass die Wände kahl und nackt waren. Dieser Anblick jagte Maia einen Schauer über den Rücken, war sie es doch sonst gewohnt, an jeder nur freien Stelle der Wände Fotografien zu sehen.

Konnte es sein, dass Sahra umgezogen war, ohne ihr etwas davon zu berichten? Nein, natürlich nicht, sie würde ja wohl kaum alle ihre Möbel zurücklassen und wenn, dann hätte der Hausmeister etwas davon gewusst. Aber Maia wollte partout kein Grund einfallen, der sonst dafür sprach, was sie hier zu Gesicht bekam.

Sie holte einmal tief Luft, machte sich auf das Schlimmste gefasst und durchschritt die wenigen Meter, die diese Wohnung bat, um in das einzige Zimmer zu gelangen – ein flüchtiger Blick in Bad und Küche, boten nur dasselbe kahle und unheimliche Bild.

Das Zimmer war ebenfalls leer, die Fotografien von den Wänden entfernt und nur die wenigen, spärlichen Möbel zurückgelassen. Ein Tisch, zwei Stühle, ein Bett und einige Regale so wie Kleiderschränke. Aber keine Sahra. „Wo bist du nur?“, flüsterte Maia in die Stille.

Sie trat weiter in den Raum und bemerkte nun, dass etwas auf dem Tisch lag. Ein Brief. Sie nahm sich einen der Stühle, setzte sich an den Tisch und las die Zeilen, die ihre Freundin ihr hinterlassen hatte.

 

Liebe Maia,

wenn du das hier liest, dann hast du dich, wie ich erwartet habe auf die Suche nach mir gemacht. Du kannst aufhören zu suchen, denn wenn du das hier liest, dann bin ich nicht länger an die weltlichen Grenzen gebunden. Ich werde zu einem Moment, zumindest in deiner Welt. Einem Moment, der nur wenigen, auserwählten Personen in Erscheinung tritt und auch nur dann, wenn sie meine Leidenschaft teilen. Sie werden mich niemals festhalten können, denn ich bin kein Moment, der in ihrer Welt vor sich geht.

Es tut mir leid, dass ich dir nicht mehr hinterlassen kann. Ich werde unsere gemeinsame Zeit, immer in Erinnerung behalten. Deswegen wirst du in dieser Wohnung auch keine Bilder mehr finden. Ich werde sie zu dem Ort hin mitnehmen, zu dem ich gehe, um dich nie zu vergessen.

PS: Nimm dich in Acht.

 

Maia las die Zeilen einmal, zweimal und auch ein drittes Mal, aber sie begriff den Sinn dieser Worte nicht. Sie verstand, was Sahra ihr sagen wollte und ob es nun so geschehen war oder nicht, war nicht von Relevanz. Was einfach nicht in Maia’s Verständnis gelangen wollte, war die Tatsache, dass ihre Freundin nicht mehr da war. Wie konnte sie nur einfach so verschwunden sein? Wie konnte sie, sie hier einfach zurücklassen, ohne sich richtig verabschiedet zu haben? Hatte sie es nicht mehr gekonnt? Hatte sie keine Zeit mehr gehabt?

Maia würde es niemals herausfinden. Sie zweifelte nicht an den Worten ihrer Freundin. Sie wusste, dass Sahra nicht verrückt war, ein wenig exzentrisch vielleicht, aber nicht verrückt. Was auch immer hier geschehen war, hatte sie in eine andere Welt entführt und für Maia, unerreichbar gemacht.

Maia blickte erneut auf die kurzen Zeilen in ihrer Hand. Nimm dich in Acht. Waren die letzten Worte, daneben befand sich ein kleiner Pfeil, der ihr jetzt erst auffiel. Was hatte das zu bedeuten? Sie drehte den Brief um und verstand. Auf der Rückseite befand sich die letzte noch existierende Fotografie ihrer Freundin. Dabei handelte es sich um die letzte Aufnahme, die Sahra von ihr gemacht hatte.

Maia saß auf dem Sitz der Bahn, lächelnd und unwissend über das, was sich hinter ihr befand. An diesem Tag hatte sie nicht begreifen können, warum Sahra so losgeschrien hatte, nun war ihr selbst nach Schreien zumute. Hatte dort wirklich ein alter, bärtiger Mann, mit einer Spitzhacke in der Hand gestanden, im Begriff diese, auf ihren Kopf herabfahren zu lassen? Nein, das war unmöglich, das wäre den anderen Fahrgästen aufgefallen… oder nicht? Sie besann sich des Briefes ihrer Freundin. Wenn es stimmte, was sie schrieb… Nimm dich in Acht.

Sie legte den Brief beiseite. Plötzlich machte sich in ihr, das Gefühl breit hier so schnell wie möglich verschwinden zu wollen. Ihre Antworten hatte sie erhalten, nun musste sie erst einmal an sich selbst denken und diesen leblosen Ort verlassen.

Bevor sie sich erhob, fiel Maia’s Blick auf etwas, dass sie plötzlich aus dem Augenwinkel wahrnahm. Sahra’s Kamera lag auf dem Tisch, aber das war unmöglich. Sie hatte doch gerade eben noch nicht dort gelegen. Während sie erstarrt da stand und den Gegenstand musterte, ertönte ein leises Klicken aus dem Flur. Die Haustür, war ins Schloss gefallen. Sicher nur der Wind, versuchte sie sich selbst zu beruhigen.

Kurz darauf erklang ein gänzlich anderes Geräusch. Der Laut eines alten, schlurfenden Mannes, der einen schweren Schritt tat. Der Hausmeister!, schoss es Maia durch den Kopf. Natürlich, er wunderte sich sicher, wo sie blieb, und wollte nach ihr sehen. „Ich bin gleich da, keine Sorge. Ich denke, ich bin hier fertig“, rief sie in den Flur hinein, bekam aber keine Antwort. Stattdessen ertönte nur ein weiterer, schwerer Schritt.

Kalter Schweiß breitete sich auf Maia’s Stirn aus. Sie zitterte leicht, dachte an die Fotografie von sich in der Bahn. Ohne zu wissen, warum griff sie nach der Kamera, die noch immer wartend auf dem Tisch lag und lief langsam in auf den Flur zu. Die schweren Schritte kamen ebenfalls näher, doch als sie in den Flur trat, sah sie niemanden. Der Flur war leer und endete in der geschlossenen Haustür.

Ein weiteres schweres Stapfen ertönte, das Geräusch war sehr nahe. Maia blickte an sich herab, erblickte die Kamera in ihrer Hand, sie schien plötzlich tonnenschwer zu sein. Dennoch hob sie sie, blickte durch die Linse, fokussierte – Klick – Blitzlicht.

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Hier geht es zum zweiten Teil:

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