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Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Hier geht´s zum ersten Teil: Zungenküsse

Es ist einfach nur lustig. Wissen sie überhaupt, wie lächerlich sie aussehen? Stehen dort in ihren feinsten Sachen. Weinend. Einen lieben Menschen betrauernd, den sie verloren haben. Ich muss grinsen, doch ich schaffe es meine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bringen, und trete auf die Gruppe zu. Ein mitfühlendes Lächeln umspielt nun meine Lippen. „Mein Beileid“, sage ich. „Ein Mensch sollte nicht so jung sterben.“

Die Blicke der Trauernden ruhen nun missbilligend auf mir. Finden es unglaublich, wie ich es auch nur wagen kann, mit einer Lederjacke und Jeans auf einer Totenwache aufzutauchen. »Nur Menschen können sich so viele Gedanken um ihre Verblichenen machen.« „Danke für ihr Mitgefühl.“ Eine junge Blonde hat sich aus der Gruppe gelöst. Meine Zielperson. Ich lächle und stelle mich vor.

„Mein Name ist Collin Breath. Ich arbeite für das Landeskriminalamt und würde ihnen gerne ein paar Fragen stellen. Kann ich sie einen Augenblick unter vier Augen sprechen?“ Die Blonde nickt, und ich nehme sie am Arm, um sie von den anderen wegzuführen. „Gehen wir ein Stück“, sage ich freundlich lächelnd. Als wir so weit gegangen sind, dass man uns weder sehen noch hören kann, bleibe ich stehen.

„Sie wollen mich über den Tod von Anna befragen, stimmt’s?“ „Ja. Sie sind doch Kimberly Stemmer, oder?“ „Die bin ich. Aber ich habe wirklich keine Ahnung, was an dem Tag vorgefallen sein könnte.“ „Hat sie das Opfer am Tag ihres Ablebens noch kontaktiert?“ Sie zögert kurz. „Ja, hat sie. Sie hat mir geschrieben, dass sie sich mit einem Typen im Kino trifft. Ich sollte ihr ein Alibi verschaffen. Ihre Mutter war sehr streng mit ihr. Er heißt Christopher. Aber…“ „Haben sie sonst noch irgendjemandem davon erzählt?“, hake ich nach. Wenn noch mehr von Chris wissen, dann wird das noch ein sehr langer Nachmittag. Chris sagte, jeder, der von dieser Verabredung weiß, geschweige denn seinen Namen kennt, darf nicht überleben.

„Nein.“ Ich atme auf. „Ich habe bis jetzt auch noch nicht meine Zeugenaussage gemacht. Aber diesen Christopher sollten sie üb…“ Weiter kommt sie nicht. Ich jage ihr eine Spritze in den Hals. Sie sieht mich erschrocken an. Sie setzt zu einem Schrei an. Doch bevor auch nur ein Ton über ihre Lippen dringt, drehen sich ihre Augen nach hinten und sie knickt ein.

Kurz bevor sie am Boden aufkommt, fange ich die Leiche auf. Ein breites Grinsen erscheint auf meinem Gesicht. „Sofortiger Herzstillstand. Schwesterherz, du hast es mal wieder geschafft.“ Ich trage die Leiche in einen nahen Schuppen und verschließe die Tür. Wenn sie irgendwann gefunden wird, wird nichts mehr von dem Gift in ihrer Blutbahn festzustellen sein. Danach trete ich den Heimweg an.

„Bin wieder da!“, rufe ich, als ich meine Jacke an den Haken neben der Tür hänge. Aus dem Wohnzimmer höre ich gedämpfte Geräusche vom Fernseher. Als ich den Raum betrete, liegt meine Schwester auf dem Sofa und hört mit geschlossenen Augen den Nachrichten zu.

„Ich muss dich beglückwünschen. Das Zeug hat seinen Zweck erfüllt“, sage ich grinsend. „Hast du was anderes erwartet?“, fragt sie. „Nein.“ Mein Grinsen wird breiter. Ich lasse mich seufzend auf den Sessel neben ihr sinken und lehne mich zurück. „Irgendwelche Neuigkeiten? Anrufe? Neue Aufträge?“ Ich fahre mir durch meine kurzen blonden Haare und sehe in den Fernseher. Wird später anscheinend noch regnen.

„Nein.“ Adriana öffnet die Augen und sieht mich gelangweilt an. „Aber ich habe dir einen neuen Flachmann gemacht. Es ist bald Vollmond.“ „Das weiß ich selber“, gebe ich bissig zurück. „Du solltest lieber deine Gabe trainieren, anstatt zu versuchen, sie zu unterdrücken. Mach so weiter, und du verlierst sie.“ „Es ist keine Gabe. Es ist mein Fluch, mit dem ich zu leben habe.“ Ich habe keine Lust auf diese Konversation. Musste sie aber schon oft mit ihr führen. „Außerdem. Gott könnte mir kein größeres Geschenk machen, als sie mir wegzunehmen.“ „Du glaubst an Gott? Seit wann das?“, fragt sie. Ich schüttele meinen Kopf. Habe zu viel gesehen, um jetzt noch an solche Sachen zu glauben.

Meine Schwester erhebt sich und sieht mir direkt in meine Augen. Ich wende meinen Blick ab. „Hör auf. Du kannst meine Meinung nicht ändern.“ Ein Blick in meine Augen und sie kann meine Gedanken steuern. Dafür habe ich jetzt keinen Nerv. Ich stehe auf und will gehen. Doch sie hält mich zurück. „Collin! Ich bitte dich. Du weißt nicht, ob du sie irgendwann brauchen wirst. Es ist ok, wenn du…“ „Ich will nicht so ein Freak sein, der seine Gegner allein durch seine Fähigkeiten erledigt. Wenn es so weit ist, werde ich mich auch so da herausholen.“ Auf einmal scheint es kälter im Raum zu werden. „Ich bin in deinen Augen also ein Freak“, sagt sie anklagend.

Ich zucke zurück, würde die Worte gerne zurücknehmen. Doch das ist unmöglich. Adriana richtet ihren Blick auf den Boden und verschränkt ihre Arme hinter dem Rücken. „Ich habe dir etwas verschwiegen, Collin.“ Ich bin verwirrt. „Ich spüre schon seit einiger Zeit, dass bald etwas Schlimmes passieren wird. Etwas… was dich betrifft. Es muss einfach etwas Schlimmes sein. So eine Intensität habe ich noch nie zuvor wahrgenommen. Ich mache mir Sorgen um dich!“

„Wie gerissen“, sage ich höhnisch. Sie schaut erstaunt auf. „Du glaubst, du könntest mich dazu bewegen, meine Kräfte nicht mehr zu unterdrücken, indem du mir Angst machst. Doch das kannst du vergessen. Ich werde mich nie wieder verwandeln!“ Adriana ballt ihre Fäuste, als wolle sie im nächsten Moment vor Frust auf mich los gehen. Doch sie bleibt, wo sie ist. „Ich habe deine Medizin auf den Schrank neben deinem Bett gelegt.“ Dann geht sie. Ohne ein weiteres Wort zu sagen.

Ich schaue ihr nach und zucke mit den Schultern. »Wenn sie schmollen will, soll sie. In ein paar Stunden hat die sich eh wieder eingekriegt. Außerdem muss ich noch zu Chris. Meine Bezahlung wartet.«

Der Flachmann liegt auf dem Schrank. Genau wie Adriana gesagt hat. Ich nehme ihn und stecke ihn in die Tasche meiner Jeans. Da bemerke ich einen Umschlag, der auf meinem Kopfkissen liegt. »Warum sollte sie mir einen Brief schreiben?« frage ich mich. Doch mir fällt auf, dass die Schrift auf dem Umschlag nicht die meiner Schwester ist. Sie ist wirr und wird von Buchstabe zu Buchstabe immer kleiner. Ich nehme ihn und wiege ihn in meiner Hand. Er ist schwer.

Allein die Tatsache, dass jemand in dieser Wohnung war, lässt mich wütend werden. »Wer bricht in eine Wohnung ein und hinterlässt nichts weiter als einen Brief?« Meine Auftraggeber können mich nur durch Nachrichten, die sie an bestimmten Stellen in der Stadt hinterlassen, kontaktieren. Eigentlich dürfte keiner meinen Aufenthaltsort kennen. Ich achte immer darauf, ob mir jemand folgt. Ein Dieb war es offenbar auch nicht, sonst würde was fehlen.

Auf einmal überkommt mich eine düstere Vorahnung. Meine Schwester geht so gut wie nie aus dem Haus. Ich sorge für sie. Das heißt, die Person oder eher die Kreatur hat keine Türen gebraucht, um in diesen Raum zu gelangen. Ich würde diesen Umschlag lieber mitsamt Inhalt verbrennen, doch das macht das, was passiert ist, nicht ungeschehen. Doch ich kann mir nicht sicher sein, dass ER es war, wenn ich den Umschlag nicht einmal geöffnet habe.

Ich brauche noch ein paar Minuten, bis ich den Mut aufbringen kann, denn Brief zu öffnen. Der Inhalt fällt auf mein Bett, und der Anblick lässt mich schlecht werden.

Was vor mir liegt? Neun Blätter aus einem Notizblock. Acht von ihnen kenne ich. Es sind die Blätter, sie ich vor knapp acht Jahren auf Befehl meines Vaters in einem Wald suchen musste. Auf ihnen sind wüste Kritzeleien zu sehen. Ich nehme eins in meine Hand. Ein großer Mann im schwarzen Anzug ist darauf zu erkennen. Allein der Anblick lässt mich erschaudern, und ich denke an jene Nacht zurück.

Es war meine Meisterprüfung, die mein Vater mir aufgab, um meine Fähigkeiten zu stärken. Dachte ich jedenfalls. Obwohl Vollmond war, fiel trotzdem kaum Licht unter die alten, dicht stehenden Bäume. Ich konnte zwar durch meine Fähigkeiten und das Training gut im Dunkeln sehen, doch hätte ich mich mit einer Taschenlampe bestimmt wohler gefühlt.

In dieser Nacht fand der Slenderman keinen dummen Teenager in seinem Territorium vor, sondern mich. Einen neunjährigen verstörten Jungen, der anders war als alle anderen, die bis jetzt sein Spiel mit ihm gespielt hatten. Während ich die Prüfung absolvierte, geschah nichts. Keine Geräusche, die nicht in einen Wald passten, und keine Angriffe. Als ich jedes der insgesamt acht Blätter gefunden hatte, kletterte ich durch ein Loch im Zaun zurück zu meinem Vater. Er sah unzufrieden aus, dass ich es geschafft hatte, ohne dem Slenderman begegnet zu sein.

Trotzdem war ich stolz auf mich. Ich hatte meine Aufgabe erfüllt und hoffte nun auf ein Lob oder ähnliches. Doch mein Vater sah mich nur streng an. Wir wollten gerade wieder nach Hause gehen. Ich freute mich sogar darauf, meiner Schwester stolz zu berichten, wo ich die Blätter gefunden hatte. Doch dann hörte ich ein hohes Fiepen in meinen Ohren. Das Geräusch war so plötzlich gekommen und so schrill, dass ich meine Hände auf meine Ohren presste und vor Schmerzen in die Knie ging. Als ich dann zu meinem Vater aufschaute, sah ich ein böses Lächeln in seinem Gesicht.

Er starrte direkt hinter mich. Dann zog er mich wieder hoch auf meine Beine und drehte mich um. Meine Hände hielt er hinter meinem Rücken fest, sodass ich mich nicht befreien konnte. Was ich sah, ließ mich vor Angst sogar den Schmerz vergessen. Direkt hinter dem Zaun stand ein großer Mann in einem Anzug. Seine Arme waren fast so lang, dass sie den Boden streiften. Aus seinem Rücken wuchsen vier Tentakel. Sein leeres Gesicht war direkt auf das meine gerichtet. Das Fiepen ebbte etwas ab.

Mein Vater aber lachte irrsinnig. „Siehst du ihn?“ fragte er mich. „Das ist der König aller Kreaturen. Er ist der Ursprung des puren Bösen in dieser Dimension. Ihm verdanken wir unsere Kraft. Geh und erweise ihm den Respekt, den er verdient!“ Ich sah meinen Vater schockiert an. Doch in seinem Blick lag nur noch Wahnsinn. „Zeige ihm deine Macht und verrate ihm, durch wen du sie erlernt hast! Sage ihm, dass ich es war!“ schrie er mich an. Dann schubste er mich, sodass ich direkt vor dieser Kreatur im Staub lag. Ich hob meinen Kopf und sah ihn direkt an. Vor Angst zitternd.

Doch der Slenderman sah jetzt nicht mich, sondern meinen Vater an. Dann schnellten seine Tentakel vor, wobei sie mit links durch den Zaun drangen und meinen Vater umschlossen, mich aber nicht anrührten. Entsetzt starrte ich auf meinen Vater, der sich im Griff des Slendermans wand. Es war zwecklos, das sah man. Denn seine Tentakel umschlossen ihn unerbittlich. Er schrie und zappelte, und ich verglich ihn im Geiste mit einem Insekt im Netz einer Spinne.

Irgendwann gab mein Vater auf, und sein Körper erschlaffte. Dann sah er mich ein letztes Mal mit traurigem Blick an. Und der Slenderman teleportierte sich mit ihm fort. Mein Herz raste, und ich saß noch eine Weile dort. Den Rücken gegen den Zaun gelehnt, mit starrem Blick auf die Stelle, wo ich meinen Vater zuletzt gesehen hatte.

Mir wurde klar, dass das hier keinesfalls eine Prüfung war. Sondern mein Vater mich dem Slenderman opfern wollte. Doch dieser hatte zu meinem Glück jemand anderen im Sinn gehabt. In dieser Nacht verloren ich und Adriana unseren Vater und ich den Großteil meiner Kräfte. Warum, wusste ich nicht. Doch ich wusste, ich würde dieses Wesen irgendwann wiedersehen und alles dafür tun, dass er meine Schwester nicht erreichen konnte.

Und jetzt stehe ich hier neun Jahre später und starre auf die Blätter. Ich sehe mir eins nach dem anderen an. Dann nehme ich das neunte Blatt zur Hand, und ich werde blass. Darauf zu sehen ist ein Zaun. Hinter dem Zaun kniet eine kleine Gestalt, und dahinter liegt eine weitere auf dem Boden. Ich drehe das Blatt um, und auf der Rückseite steht: Never forget!!!

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Ich sitze in meiner Lieblingskneipe und lasse meinen Blick schweifen. »Heute ist nicht viel los«, denke ich und höre zu, wie der Regen von draußen gegen das Fenster prasselt. Ich glaube, mein nächstes Opfer gefunden zu haben. Ein kleine Dürre sitzt mir gegenüber am Tresen und starrt wie in Trance in ihren Drink. Sie ist genau mein Typ. Hat anscheinend Probleme. Ich muss lächeln. Vielleicht kann ich ihr ja helfen…

Plötzlich formt sich eine Idee in meinem Geist. Ich habe von meinem letzten Opfer so viel Blut abgepresst, dass sich meine Kräfte jetzt bestimmt um ein Vielfaches erhöht haben müssen. Doch ich bin noch skeptisch. Bis jetzt konnte ich nur die Handlungen meiner Opfer steuern, wenn ich meinem Gegenüber tief in die Augen geguckt und mich sehr stark dabei konzentriert habe. Aber ich fühle eindeutig, dass sich etwas geändert haben muss. Meine Kräfte scheinen stärker. Meine Fähigkeiten erweitert.

Ich muss es ausprobieren. Und dieses Ding am Tresen wird mir dabei helfen. Ich nehme meine Gedanken zusammen und sehe zu ihr rüber. Ich versuche in ihren Geist einzudringen, und das, ohne ihr in die Augen zu blicken. Es gelingt mir, und ich fange an zu grinsen. Ich lasse sie von ihrem Glass aufsehen und die Hand heben. Der Barkeeper beginnt ihr einen neuen Drink zu mixen, und ich kann ein Lachen jetzt nicht mehr unterdrücken. »Klappt besser, als ich gedacht habe.«

Ich beginne ihre Gedanken zu lesen. Rachel Smith. 17. Wurde von ihrem Freund verlassen. Hat sich schnell eine Neue gesucht. Wenn er ihr begegnet, scheint er sie nicht mehr zu erkennen. „Armes Ding“, sage ich sarkastisch. In dem Moment, als ich beschließe, meine Bekanntschaft mit Rachel zu machen, setzt sich eine große Gestallt mir gegenüber. »Noch mal Glück gehabt«, denke ich. Ich drehe mich zu der Person um.

„Guten Abend, Collin“, sage ich mit einem Lächeln. „Ich musste lange warten. Warum das?“ „Tu nicht so, als wenn’s dich kümmert, Christopher“, antwortet er gereizt. „Oh, der Herr Griesgram ist wütend. Mal was Neues“, gebe ich sarkastisch zurück. „Sarkasmus steht dir nicht“, sagt Collin und bestellt einen Wodka. „Wie kannst du das nur trinken?“ Ich bin angeekelt und sehe mich nach meiner heutigen Favoritin um. Sie kommt langsam wieder zu sich. Fragt sich grad, woher ihr neuer Drink kommt. „Kann nicht jeder so ein Weichei sein.“ Ich drehe mich wieder zu Collin um.

„Und? Zielperson beseitigt?“ „Beseitigt nicht gerade, aber in die Quere kommen wird sie niemandem mehr“, gibt er grinsend zurück. „Was hatte die Kleine eigentlich getan? Hat sie dir ’nen Korb gegeben?“ Mein Lächeln wird nun geschäftsmäßig. „Das nicht. Aber meine letzte Verabredung hatte ihr ein paar Dinge erzählt, die sie nichts angehen. Reicht das als Info?“ Die Antwort ist Schweigen. Hat nicht mal zugehört. Irgendetwas beschäftigt ihn zur Zeit. Es muss was Ernstes sein. Das wird Spaß machen. Mein Lächeln wird breiter.

„Wie geht es dir?“, frage ich. „Scheiße wie immer“, gibt er lachend zurück. Doch er weicht meinem Blick aus. Kein Problem mehr für mich. Ich richte meine Gedanken nun komplett auf Collin. Er starrt an das Fenster und folgt den Wasserfäden, die an der Scheibe hinunterrinnen, mit den Augen. Er denkt an seine Schwester. Macht sich Sorgen um sie. Dann scheinen sich seine Gedanken um eine völlig andere Sache zu drehen. Er. Als kleiner Junge in einem dunklen Wald. Dann denkt er an seinen Vater. Und Hass steigt in ihm auf.

Plötzlich dreht er seinen Kopf ruckartig in meine Richtung und sieht in meine Augen. Ich kann die Verbindung gar nicht so schnell trennen, da springt er schon auf und packt mich über den Tisch hinweg an meiner Kehle. Ich muss würgen. „Die Menschen um uns herum sehen nicht ein mal halb so gut wie ich. Du bist anscheinend stärker geworden, ansonsten hast du immer Blickkontakt gebraucht. Denkst du, obwohl es hell ist, sehe ich deine leuchtenden Augen nicht?“, sagt er und fletscht die Zähne. Sein Blick vertieft sich, und seine Augen werden wild. Er verstärkt den Druck auf meine Kehle. Es scheint ihn nicht einmal anzustrengen. Ich muss röcheln. Das Geräusch scheint ihm zu gefallen. Er schreit mich an. „Du liest nicht meine Gedanken. DU NICHT!“ Seine Adern treten an Hals, Nacken und den Armen hervor. Seine Schultern scheinen breiter. Collin muss kurz vor der Verwandlung zum Werwolf stehen.

Doch dann klären sich seine Augen, und er lockert seinen Griff. Er entspannt sich wieder und setzt sich zurück auf seinen Platz, während ich Luft in meine lädierten Lungen sauge. Er holt einen Flachmann aus der Tasche seiner Jeans und nimmt einen tiefen Schluck. „Das….das machst du nie wieder“, gebe ich immer noch keuchend von mir. Das war das erste Mal, dass ich wirklich Angst um mein Leben hatte. Ein Gefühl, das ich mir bei anderen Menschen nie hatte vorstellen können.

Ich sehe wieder zu Collin. Er scheint auch außer Atem. „Ich dachte, du nimmst das Zeug nicht mehr“, sage ich wieder ruhig. „Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass ich nach so einem Anfall noch lange in dieser Form bleibe. Wenn ich das nächste Mal wütend werde, dann kann ich es vielleicht nicht mehr aufhalten.“ „Trotzdem. Du weißt nicht, wann du deine Kräfte das nächste Mal brauchen wirst.“ „Das hat Adriana auch gesagt.“ „Du bist zu stur. Deine Schwester hat recht. Du solltest deine Fähigkeiten fördern, anstatt sie zu unterdrücken. Als ich mit dir verbunden war, habe ich etwas gespürt. Etwas Dunkles kommt auf dich und die, die du liebst, zu. Deine Sorgen sind berechtigt.“ Collin blitzt mich wütend an. „Wie viel hast du mitgekriegt?“ Ich lehne mich zurück, um aus seiner Reichweite zu kommen. „So viel nun auch nicht.“ Er lehnt sich ebenfalls zurück und verschränkt seine Arme. Er grinst. „Keine Sorge, mein Freund. Die Medizin sorgt dafür, dass ich heute zu keiner Verwandlung mehr fähig bin.“

Dann wird seine Miene wieder ernst. „Jetzt, da du so ’ne ungefähre Ahnung hast, kann ich dich ja fragen.“ Ich nicke. Bin immer noch nicht wieder ganz klar im Kopf. Doch das ändert sich schlagartig bei seinen nächsten Worten. „Du musst mir helfen, den Slenderman zu töten.“

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