GeisteskrankheitMittel

Furcht und Schrecken – Das Gute in den Menschen

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Hier geht es zum vorherigen Teil: Furcht und Schrecken – Ein Messer und ein Bild

War gefangen. Weiß nicht wie lange. Sekunden, Stunden, Tage, eine Ewigkeit… alles egal. Warte auf meine Rückkehr. Fühle mich krank. Schmerzen…diese unerträglichen Schmerzen. Alles… ist rot. So grauenvoll rot. Blutiges Finster-Rot tropft durch mein Gehirn. Es brennt. Tut so schrecklich weh. Muss fliehen, muss mich befreien, verschwinden, die zwei anderen vernichten! Aaaargh…! ngh

Bald werde ich frei sein.

3. Akt – Das Kind

Entgeistert starre
ich auf das kreischende Mädchen vor mir und spüre, wie sich eine
Gänsehaut auf meinem Rücken und den Unterarmen breit macht. Der
Schrei ist ohrenbetäubend und erschüttert mich bis ins Mark. Ich
bin für einen Sekundenbruchteil zu perplex um zu irgendeiner
angebrachten (oder unangebrachten) Reaktion möglich zu sein, dann
fällt die Starre von mir ab, ich stürze mich auf das Kind und halte
ihm grob den aufgerissenen Mund zu. Meine Rechte presst sich auf ihr
bleiches kleines Gesicht, ihre strahlend blauen Augen starren mich an
und ich fange unwillkürlich an zu zittern, denn dieser Blick ist
geradezu… unmenschlich. So leer und doch so erfüllt von
unaussprechlichem Grauen. Mein fester Griff hat ihren Schrei kurz mit
einem Gurgeln verenden lassen, doch nun brüllt sie weiter, erstickt
von meiner Hand dringt der gequälte Laut an meine Ohren und lässt
mich erschaudern.

Ich könnte sie
töten.

Ihr Nase und Mund
zudrücken bis sie an ihren eigenen Schreien verreckt, oder ihr mit
Leichtigkeit den dünnen Hals umdrehen, doch ich kann nicht! Sie
kennt meinen Namen? Woher? Wilde Gedanken rasen wirr durch meinen
Schädel, springen herum wie junge Hunde… Wer, in drei Teufels
Namen, ist sie?! Das Messer, Jeffreys Messer! Dieses billige
Edelstahlteil, welches ich der verfluchten Hackfresse vorhin
abgenommen habe. Es steckt noch immer in meiner Jackentasche.
Instinktiv greifen meine Finger zu und legen sich um den kühlen
Griff. Ich reiße es hoch, fuchtel damit vor der Nase der Kleinen
herum und brülle mit überschlagender Stimme: „Sei still, verdammt
nochmal!“

Ja, ich weiß, dass
ich kopflos bin! Aber nenne mir eine Person, die in solch einer
surrealen und unwahrscheinlichen Situation bei klarem Verstand
bleiben würde! Ich habe zwar einem Hang zum Abstrakten, aber das
geht zu weit! Dieses Szenario ist einfach nur… unlogisch!

Immerhin scheint
mein impulsives Verhalten Wirkung zu zeigen, denn das Mädchen
verstummt und in ihre Augen kehrt ein Ausdruck zurück, den man als
halbwegs normal bezeichnen kann. Ich warte ein paar Herzschläge,
dann löse ich langsam die Hand von ihrem Mund und beobachte, wie sie
gierig wie ein Verdurstender die kalte Luft trinkt. Ich habe noch
immer keinen genauen Plan wie ich des Weiteren strategisch vorgehen
könnte, ich packe sie also unsanft an der Schulter, schließe die
Tür des Forsthauses auf, zerre sie in das muffige Innere und lasse
die Tür hinter ihr ins Schloss fallen. Wir sind umgeben von
stickiger Dunkelheit.

Das Kind gibt keinen
Ton von sich. Ich taste suchend an der kühlen Wand herum, endlich
legen sich meine klammen Finger auf den Schalter und über uns
erwacht mit einem kläglichen Knistern eine nackte Glühbirne zum
Leben. Das gelbliche Licht der Funzel reicht kaum aus, um die schmale, zugige Diele komplett auszuleuchten, unheimliche
Schattennester wuchern in den Winkeln und Ecken und das Gesicht des
Kindes wirkt erschreckend bleich und beinahe Schädelhaft. Ich beäuge
sie misstrauisch. „Was willst du von mir?“, zische ich lauernd
und mache einen drohenden Schritt auf sie zu. Keine Reaktion. Ich
versuche es mit einer anderen Frage. „Wie lautet dein Name?“
Keine Reaktion. Ich seufze schwer und lasse meinen Blick an ihr herab
wandern. Ihre Kleidung kommt mir seltsam vertraut vor… Was ich auf
den ersten Blick für ein dünnes, grade geschnittenes Kleidchen
hielt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als weißer Kittel.
Meine Augen bleiben an einem gelben Plastikband hängen, welches fest
um ihr schmales Handgelenk gezurrt ist. Meine Atmung setzt für einen
Moment aus und es fühlt sich an, als hätte mich der Blitz
getroffen. Ich hebe meinen eigenen Arm und starre auf die rote Marke,
welche um mein Gelenk gewunden ist. Ich weiß nun, wo das Mädchen
her kommt.

Wenige Minuten
später sitze wir in dem kleinen Wohnzimmer, das Kind habe ich
provisorisch gefesselt und auf einen modrigen Sessel gesetzt, ich
selbst knie vor ihr auf dem harten Fußboden und versuche Antworten
aus ihr herauszukitzeln. Ich traue ihr nicht. Vielleicht ist sie eine
Spionin. Dieses Mädchen macht mich nervös… sie hat eine gewisse
Ausstrahlung, die ich nicht deuten kann. Ich habe ein geschärftes
Gespür, was Menschen, ihre individuellen Persönlichkeiten, ihr
Verhalten, ihre Psyche angeht. Doch dieses Kind…! Diese
Ungewissheit macht mir Angst, sogar mehr Angst als ich mir selbst
eingestehen mag.

In der Ecke flackert
eine Stehlampe, von ihrem mottenzerfressenen Schirm flockt der Staub,
tänzelt elegant durch die feuchtkalte Luft und legt sich auf die
Möbel und den welligen Boden. Die Stirnseite wird von einem großen
Kamin eingenommen, dieser ist jedoch leer und ausgebrannt. Ich war in
den letzten Tagen zu beschäftigt um Holz zu holen und ihn
anzufachen. In der Hütte gibt es zwar eine Heizung, doch die
Leitungen sind entweder zu verkalkt oder die ganze Apparatur zu antik
als dass sie funktionieren könnte. In der ganzen, stinkigen Baracke
ist es also lausig kalt.

Es ist mir
schleierhaft, wie der alte Förster all die Jahre lang in diesem
Drecksloch hausen konnte, ähnlich einer Ratte in ihrem Loch,
verkommen, erniedrigt am Fuß der Gesellschaft! Ich bin zutiefst
angewidert. Ich habe etwas Besseres verdient!

Meine Laune
verschlechtert sich zusehends und ich bin gewillt sie an dem
verfluchten Gör auszulassen, das noch immer keinen einzigen Laut von
sich gegeben hat und mich mit diesen leeren blauen Augen anstarrt.
Ich ertrage es nicht mehr! Die kalte Wut packt mich, meine Rechte
schießt vor und versetzt dem Mädchen einen harten Schlag ins
Gesicht, danach packe ich sie mit beiden Händen und schüttle sie
grob durch während ich wie von Sinnen „SPRICH
MIT MIR!“, brülle. Und tatsächlich öffnet sie ihren Mund und
fängt an mit stockender Stimme zu reden. Die
Wörter kommen ihr nur schwer über die Lippen, sie klingen
abgehackt, seltsam artikuliert, heiser und unsicher… aber sie
redet. Redet lange. Sehr lange.

Ich
habe die Zeit nicht gezählt, habe nicht darauf geachtet, wie lange
die Worte aus ihrem Mund flossen, doch als sie geendet hat und wieder
in ihre anfängliche Apathie verfällt, bin ich so aufgeregt,
verblüfft und schockiert wie noch nie in meinem Leben.

Ich
weiß nun weshalb ihr das Sprechen so schwer fällt, ich weiß woher
sie kommt, ich weiß Alles.
Großer
Gott, alles!

Ich
stehe taumelnd auf und bemerke dass meine Beine eingeschlafen sind,
wankend begebe ich mich zu einer Holzkiste in der rechten Zimmerecke,
öffne den Deckel und ziehe eine bereits zu drei Vierteln
geleerte Whisky Flasche aus dem Alkoholdepot des Vorbesitzers. Ich
stürze den Inhalt herunter, muss husten und bemerke nicht zum ersten
Mal, wie viel ich durch meine jahrelange Gefangenschaft in Stanleys
Hölle verpasst habe. Nicht mal ein bisschen Alkohol ist dieser
verdammte Körper gewohnt!

Ich
lehne mich schwer gegen die Wand, gleite an ihr herunter und bleibe
zusammengekrümmt auf dem kalten Boden sitzen, die
heiße Stirn auf die Hände gestützt.

Ich
muss leise auflachen. Dieses Mädchen hat die fantastischste
Lebensgeschichte, von der ich jemals gehört habe! 1221/19/1 –
Diese Nummer steht auf ihrer Marke. Patient Nr. 1221, Zimmer 19,
Trakt 1. Sie besitzt sonst keinen anderen Namen. Sie ist ihr gesamtes
kurzes Leben lang nichts weiter als eine gesichtslose Nummer
gewesen. Ich spüre ein erneutes Kichern in mir aufsteigen und muss
an mich halten um nicht laut
heraus zu prusten. „Luna, eh?“, rufe ich aufgeräumt und nehme
noch einen großen Schluck aus der Flasche. Gott im Himmel! „Du
besitzt kein Monopol darauf, Namen zu geben!“, brülle ich eine
unbestimmte Person irgendwo über mir an, den Blick an die Decke
gerichtet. „Du hältst dich für allmächtig, was? Doch das bist du
nicht! Jedem ein Schicksal angeheftet, alles vorbestimmt, niemand der
in dein Wirken eingreifen kann. Du irrst dich!“ Ich lache nun wild
und ausgelassen, würde die
schmierige Whisky Flasche am liebsten auf den Boden schmettern und
barfuß über die Scherben tanzen, doch dann fällt meine
Aufmerksamkeit wieder auf das Mädchen. Luna.

Lunas
Geschichte
:

Sie
kam im schrecklich überfüllten Sammelraum des Frauentraktes auf
die Welt und wurde in den ersten zwei Jahren nach ihrer Geburt von
Leihmutter zu Leihmutter gereicht, wie ein ungeliebtes
Kleidungsstück. Sie schaffte es zu überleben, war allerdings mit
zwei Jahren sehr klein, unterernährt und hatte noch kein einziges
Wort gesprochen.

Sie
war nicht in der Lage, eine feste Bindung zu einer bestimmten Person
aufzubauen, in ihrem Leben gab es keine Instanz, kein sicheren
Ankerpunkt, keine Mutter. Zwischendurch kam ihr „Papa“ um sie zu
besuchen und für Forschungszwecke in den „weißen Raum“
mitzunehmen. Wie ihr Papa aussehe? „Groß, graue Haare, Brille“,
sagte sie mit krächzender Stimme. Sonst
nichts Auffälliges? „Er…
läuft nicht gut.“ Die Worte kamen nur schwer über ihre Lippen.
Aber ich weiß nun wen sie meinte. Stanley. Es war der verfluchte
alte Mann, der sie holen kam. Das Kind bekam nie einen Namen. Sie war
nur eine Nummer unter anderen.

Irgendwann,
sie musste etwa fünf Jahre alt gewesen sein, bekam eine der
Patientinnen in ihrem Trakt einen Anfall, packte das Mädchen und
drosch es mit dem Kopf immer und immer wieder gegen die Wand. Die
anderen taten nichts um einzugreifen, starrten nur apathisch auf die
Gräueltat und rührten sich nicht. Dann kam ein Mann (sehr
wahrscheinlich einer der Pfleger) und entriss der Rasenden das
wehrlose und halbtote Kind.

Er
nahm sie mit nach „unten“ und dort wurde sie in den nächsten
Tagen oder Wochen (die Kleine scheint nur ein sehr schwach
ausgeprägtes, beziehungsweise gar kein Zeitgefühl zu besitzen)
wieder halbwegs aufgepäppelt. Auf meine Frage hin, wie dieses
„unten“ aussähe, antwortete sie nur sehr kurz und abgehackt.
„Dunkel, kalt“. Sie wich meinem Blick aus, doch ich konnte den
verstörten Ausdruck in ihren blauen Augen nur zu gut erkennen.

„Aber
wo ist ‚unten‘? Was geschieht dort?“, fragte ich mit Nachdruck. Zu
meinem Staunen kroch ein schiefes Grinsen über ihr kleines Gesicht
und sie kicherte
leise. „Dort kommt man hin um sich Bilder anzugucken. Wenn man zu
langweilig ist.“ Wenn
man zu langweilig ist? Der Wortschatz des Mädchens lies
wirklich zu wünschen übrig. Nun ja… wer hätte es ihr in Stanleys
Hölle auch beibringen sollen? Dort vegetiert jeder nur für sich
dahin, man achtet nicht auf andere, nur noch auf sich selbst.

Ich
schauderte und dachte genüsslich daran, wie ich meinem Bruder beim
Abschlachten des Alten zugesehen hatte. Wahrscheinlich
war dieses „unten“ der Keller in dem er seine Leichen lagerte,
irgendwelche abnormen Experimente an denen durchführte, die für
seine „legalen“ Machenschaften an der Oberfläche zu
uninteressant geworden waren.

Dort,
wo man sich Bilder anguckt… Bilder? Ich grübelte fieberhaft. Und
dann traf es mich mit dem Schlag einer Wasserstoffbombe. Ich wusste
welche Bilder sie meinte.

Meine
Bilder!

All
die Jahre lang… ich hatte es gewusst! Großer Gott! Ich brach in
brüllendes Gelächter aus, gleichzeitig zitterte ich innerlich.
„Hast du die Bilder gesehen? Hast du sie gesehen?!“, schrie ich das
Kind an und hätte es am liebsten hochgerissen
und
durchgeschüttelt,
wenn es nicht auf dem modrigen Sessel festgebunden gewesen wäre. Sie
sah mich ausdruckslos an, und zum ersten mal hatte ich das Gefühl,
dass ihr Blick
nicht leer, sondern nur unglaublich tief und… weit weg waren. Als
würde man in einen endlosen dunklen Tunnel mit ungewissem Ende
starren.

„Hast.
Du. Die. Bilder. Gesehen?!“, zischte ich, jedes einzelne Wort
betonend. „Nein.“, sagte sie leise. Ich wollte bereits enttäuscht
von ihr ablassen, doch…

„Das
Bild hat mich gesehen.“, hauchte sie und ihr linkes Auge zuckte.

Und
dann erzählte sie unaussprechliches. Etwas dass nur ich verstehen
konnte. Etwas, dass nur der Schöpfer des Grauens verstehen konnte,
welches Stanley die letzten zwölf
Jahre
an
einem Teil seiner Patienten erprobt hatte. Und nun verstand ich
alles. Warum der Doktor mich und meinen Bruder, beziehungsweise David
so lange gefangen hielt. Warum
er uns nicht tötete. Warum mir meine Werke abgenommen worden waren.
Warum man mich sie überhaupt herstellen ließ. Nicht etwa aus
Nächstenliebe, nein, ganz und gar nicht. Und
ich begriff
noch etwas. Etwas, dass ich innerlich bereits wusste, jedoch nun mit
Gewissheit.

Ich
bin kein Mensch. Ich bin viel, viel mehr.

4. Akt – Der Plan

Ich raffe mich auf, binde das Mädchen los und beobachte sie eine
Weile lang. Mir fällt zum ersten mal wirklich auf, in welch
schlechter, körperlicher Verfassung sie sich befindet. Ihr kleiner
Körper ist ausgemergelt und schmutzig, über die blasse Haut an
Armen, Beinen und Hals ziehen sich viele dünne Narben und Schrammen.
Ihr Haar ist zottelig und viel zu lang, am Hinterkopf fehlt ein
großes Büschel, wo knubbeliges Narbengewebe das Wachstum
verhindert.

Ich gehe zum Küchenschrank, hole ein Brot heraus, welches ich vor
ein paar Tagen in der nächstgelegenen Stadt gestohlen habe und eins
der blinden Kristallgläser. Ich schneide eine dicke Scheibe ab,
fülle das halbwegs saubere Glas mit Wasser und knalle es lieblos auf
den Tisch. „Hier“, sage ich grummelig und nicke der Kleinen zu,
die sich sofort gierig wie ein Wolfswelpe auf das Essen stürzt.

Unwillkürlich muss ich lächeln, reiße mich jedoch zusammen und
fange wieder an, scharf nachzugrübeln. Ich brauche einen Plan. Zum
einen muss ich einen Weg in die Psychiatrie hinein (und viel
wichtiger, auch wieder hinaus) finden, zum anderen muss ich den Rest
der Kreaturen aufsuchen, deren Blut meine Kräfte ins unermessliche
steigern werden.

Ich grinse bösartig.

Jeff wird sehr bald von alleine zu mir zurückkommen und dann wird
mein Bruder auf ihn warten.

Den Rest werde ich früher oder später auch aufspüren können, da
wir uns offensichtlich gegenseitig anziehen, wie gegenpolige Magnete.
Ich kenne einige von ihnen bereits aus der Zeitung, die ich ab und an
in meiner Zelle zu lesen bekam.

Der Organfresser mit der blauen Maske, Eyeless Jack soweit ich
mich entsinnen kann, ein mysteriöser Kindermörder im Clownskostüm
(ihm gilt mein besonderes Interesse, solch eine fantasievolle
Maskerade sollte meiner Meinung nach besonders honoriert werden),
mehrere seltsame humanoide Kreaturen, die in den Wäldern leben
sollen… Und dann natürlich noch jenes mysteriöse Wesen, welches
der erbärmliche Killer vor ein paar Stunden während unseres Kampfes
erwähnt hat.

Es ist beinahe lächerlich. Wie konnte die Menschheit nur so lange
überleben, wenn ihre eigene Welt bereits solche Mostrositäten
ausbrütet um sie zu quälen? Ein herablassendes Schnauben entfährt
mir. Es muss wohl das „Gute“ in den Menschen sein, was diese
Rasse unweigerlich zum Scheitern prädestiniert hat. Recht so.

Mit Freuden werde ich meinen Teil zu dieser Bestimmung beitragen.

Ich blicke verächtlich zu dem Mädchen, dass immer noch an dem
trockenen Brot herumkaut. Mein eigenes Geschöpf, denke ich
stolz und schlendere langsam zu ihr herüber. „Luna!“ rufe ich
bestimmt und packe sie grob am Arm, als sie nicht reagiert. Sie wird
sich noch an diesen Namen gewöhnen, früher oder später. Er ist
schön, kurz und klangvoll, ich mag ihn irgendwie… Das Kind starrt
mich mit vollem Mund und aufgerissenen Augen an, die mich nunmehr, da
ich ihre Geschichte kenne, nicht mit Beunruhigung sondern Stolz
erfüllen. „Wie bist du aus der Psychiatrie heraus gekommen?“ Sie
blickt verständnislos in mein Gesicht. „Gut, anders.“, seufze
ich. „Dein Zuhause. Wie bist du von Zuhause hier her gekommen?“
Ihre Miene erhellt sich. Na endlich. „Ich bin unten rausgegangen.“,
nuschelt sie und widmet ihre ganze Aufmerksamkeit wieder dem
Brotkanten. Ich verdrehe die Augen.

Es ermüdet mich, ihr jeden einzelnen Satz mühevoll aus der Nase zu
ziehen, aber was solls…

Ich nehme ihr das Brot weg und halte es hoch, gerade so, dass ihre
Finger es nicht mehr erreichen können. Ja, ich weiß, dass ich
sadistisch bin, aber wo soll man in dieser Welt noch etwas Freude
finden, wenn nicht im Sadismus?

Luna versucht nach dem Brot zu greifen und ihr Blick verfinstert
sich, als sie merkt, dass ihre Bemühungen zwecklos sind.

„Also“, doziere ich langsam und gedehnt, „Du bekommst das Brot
erst zurück, wenn du mir in allen Einzelheiten beschrieben hast, was
das Bild mit dir angerichtet hat, was und wo dieses „unten“ ist,
wie du es fertig gebracht hast aus der Anstalt zu fliehen und ich
gebe einen Scheiß darauf, wenn du verstehst was ich meine, ob du
dich vernünftig artikulieren kannst oder nicht.“

Ich schenke ihr ein strahlendes Lächeln. „Es ist nicht mein
Problem, dass dich alle verachten, dich niemand liebt und du deshalb
ein zurückgebliebenes kleines Gör bist.“

Zugegeben, dass war bereits sehr an der Grenze zum guten Geschmack,
aber ich habe ja schließlich recht! Die Kleine kann dankbar sein,
dass Phobos gerade kein Interesse daran zeigt in Aktion zu treten.
Er hätte sie längst kopfüber an den Deckenbalken gebunden,
genüsslich aufgeschlitzt und mit ihren Eingeweiden gespielt.

Ich starre das Kind mit einem abwartenden und ungeduldigen Ausdruck
an, doch anstatt einer Antwort, verzieht sich ihr kleines Gesicht zu
einer hasserfüllten Maske und… löst sich einfach in Luft auf.

Entgeistert und sprachlos bleibe ich zurück und starre auf den
Punkt, an dem sie vor einem Sekundenbruchteil noch gestanden hatte.
Meine erste und letzte Frage erübrigen sich damit wohl. Noch bevor
ich mich wieder einigermaßen fangen kann, spüre ich ein Übelkeit
erregendes Ziehen in der Magengegenden und einen pulsierenden Schmerz
im rechten Frontallappen. „Bitte nicht…“, keuche ich mit
tränenden Augen und sacke zusammen. „Nicht jetzt, Phobos!“

Hier geht es zum nächsten Teil: Furcht und Schrecken – Wie man Freunde findet

TheVoiceInYourHead

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