Gehirn im Tank
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ich war ein verbitterter Mensch. 63 Jahre bin ich alt geworden. Ich wurde in Cardiff, England geboren. Ich war das zweite von vier Kindern eines erfolgreichen Erfinders. Meine Mutter war Hausfrau. Wir lebten ein normales Leben, ich ging in die Schule und später aufs College. Ich galt als äußerst intelligent. Tatsächlich war ich einer der wenigen, der zu dieser Zeit ein Stipendium in den USA bekommen hat. Theoretische Physik. Ich stieg meinem Vater in die Fußstapfen. Zumindest fast. Er beschäftigte sich mit Elektronik. Ich beschäftigte mich mit den großen mathematischen Fragen und Thesen der Stringtheorie, Quantenphysik, und so weiter. In meiner Zeit als Student hatte ich kaum sozialen Kontakt. Wahrscheinlich geerbt von meinem Vater, sozialunfähig, dafür ein Meister in seinem Fachgebiet. Ich schaffte meinen Bachelor
und meinen Master innerhalb kürzester Zeit und beschloss weiterhin auf der Universität zu forschen. Ich tat dies bis an mein Lebensende. Ich beschäftigte mich mit allem möglichen, vorneweg der Vereinheitlichung der Quantenmechanik und der Relativitätstheorie, den Zusammenhang zwischen Gravitation und den anderen drei elementaren Kräften im Universum. Ich beschäftigte mich mit schwarzen Löchern, dem Urknall, der Entstehung von dem Sonnensystem. Die großen Fragen der Menschheit, woher kommen wir, was sind wir, was ist unsere Bestimmung? Letzterem jagte ich mein ganzes Leben hinterher. Ich arbeitete zwar hart und war äußerst hoch angesehen, dennoch erreichte ich nie irgendwelche großartigen, weltenbewegenden Durchbrüche. Manche Fragen sollten wohl einfach ein Mysterium bleiben. Meine Arbeit war mein Leben, dennoch arbeitete ich im Endeffekt für nichts. Ich hatte nie eine Familie. Ich hatte niemanden. Ich war in meinem gesamten Leben nie wirklich glücklich. Sie nannten mich einen hochfunktionalen Autisten. Ich war ein Meister in dem was ich tat, doch das was ich tat, war meine Welt, eine Art Flucht, denn ich konnte nie gut mit anderen Menschen umgehen. So kam es. Jahre vergingen, während ich das Leben an mir vorbeiziehen gesehen habe. Menschen die ich grob kannte, Schulkollegen, Studiumskollegen, sie wurden Eltern, hatten Kinder, ein glückliches und erfülltes Leben, während ich immer noch an mathematischen Konstrukten forschte und mich an einem Punkt fragte, wofür das Ganze? Sie alle werden sterben. Doch wieso behaupten sie, sie leben die Erfüllung?
Alles begann als ich einen wissenschaftlichen Beitrag eines Kollegen gelesen hatte. Es ging um eine These bezüglich der Multiversum-Theorie. Um genau zu sein ging es um etwas, dass sie Quantensuizid nannten. Die Many-Worlds-Interpretation besagt, dass es beinahe unendlich viele, fast exakte Kopien der Welt gibt, die parallel miteinander existieren. So ist man in dieser Welt, wie man eben ist, in der nächsten einen Zentimeter größer. In der übernächsten reich, in der über-übernächsten mit 5 Jahren bei einem Autounfall gestorben. Alle Möglichkeiten die man sich nur vorstellen kann existieren. Unendlichkeit. Beinahe zumindest. Der Quantensuizid war eine hirnrissige Idee. Er besagt, dass man, wenn man sich selbst das Leben nimmt, aber bei dem Versuch auch nur eine klitzekleine theoretische Überlebenschance hat, was so gut wie immer der Fall ist, man betrachte nur alle Fälle in denen Leute einen Sprung von der Golden Gate Bridge überlebten, oder sich das Gesicht mit einer Schrotflinte pulverisierten, doch am Ende noch atmeten und im Land der Lebendigen blieben, nie sterben kann. Man stelle sich vor, es gibt fast unendlich viele parallele Welten, die dieselbe Ausgangssituation besitzen. Eine Person begeht Suizid. Ein Beispiel, die Person versucht sich zu erhängen. Wenn die Überlebenschance in ihrem Setting bei 5% liegt, wird die Person in 95% der Welten ihr Ende finden. Ihr Bewusstsein schaltet sich aus und sie stirbt, doch was ist mit den anderen 5% der Welten? Hier kommt der interessante Faktor ins Spiel. Wenn die Person stirbt und ihr Bewusstsein runterfährt, aber in einer anderen Parallelwelt nicht, bekommt sie quasi nur mehr die Existenz in der anderen Welt mit. Dieser Schalter von einer Welt zur nächsten wäre wie ein perfekter Übergang zu einem unmöglichen Tod. Zumindest fast, denn der natürliche Alterstod holt einen in jeder Welt früher oder später. Was das bedeutet ist, dass wenn man sich selbst das Leben nimmt, man nie sterben wird, da man den Tod selbst nicht mehr mitbekommt aber in einer anderen Welt nicht stirbt und das Bewusstsein dort verharrt. Also würde man selbst immer nur sehen, wie man den Versuch überlebt, aber niemand kann es überprüfen, denn für alle außenstehenden Menschen stirbt die Person ja, oder nicht. Wenn sie stirbt, ist sie in dieser Welt tot, ohne je das Resultat in einer anderen Parallelwelt zu wissen. Wenn die Person aber nicht stirbt, ist es für alle Außenstehenden in der anderen Welt nur ein gescheiterter Versuch gewesen, da sie nie die vorige Welt kannten. Egal was man aber tut, man kann nie in die alte Welt zurückkehren, weswegen es unmöglich ist, diese Theorie zu überprüfen, denn man kann das Ganze nur für sich selbst herausfinden.
Diese These fesselte mich von der ersten Sekunde an. Ich überprüfte alle Gedankengänge immer und immer wieder und kam zu dem Entschluss, es ist ein Risiko, denn wenn es nicht funktioniert, ist man einfach tot, aber wenn es funktioniert, habe ich eine große Entdeckung gemacht, auch wenn diese nur für mich selbst ist. Es ist ein Versuch für alte und vereinsamte Wissenschaftler wie mich und ich hatte nichts zu verlieren. Ich bereitete mich mehrere Jahre darauf vor und ich gebe zu, ich hatte Angst. Doch das wäre mein größter Durchbruch, den ich nie hatte. Ich war ein Forscher und wollte die großen Fragen der Welt herausfinden und das war meine Chance. Ich hätte sowieso nicht mehr allzu viele Jahre auf der Erde gehabt. Ich wollte wissen, ob es stimmte und wenn nicht, was nach dem Tod kommt.
Ich erinnerte mich an den Tag. Ich schrieb ein paar Notizen, die ich auf meinem Schreibtisch hinterlassen habe. Ich ging noch einmal durch den Park und sagte zu mir selbst „okay, der große Tag ist da, die Stunde der Wahrheit, mach es gut Welt“. Als ich zuhause ankam lies ich das Bad in lauwarmer Temperatur ein und stieg hinein. Mit einem Küchenmesser schnitt ich vertikal in meine Unterarme. Schmerz schoss durch meinen Körper doch ich hielt es aus. Nachdem der Schnitt vollendet war spürte ich wie das Wasser um mich herum durch mein eigenes Blut wärmer wurde. Mein Herz raste wie verrückt und ich spürte wie sich Panik in mir ausbreitete. Der Überlebensinstinkt. Doch jetzt ist keine Zeit zurückzukehren. Ich biss mir auf die Lippen und krallte meine Hände an mein Bein. Kurze Zeit später merkte ich wie meine Sicht langsam trüb und mir schwindlig wurde. Ein hohes Pfeifen machte sich in meinen Ohren breit und durchdröhnte meinen gesamten Kopf. Es wurde immer lauter. Erinnerungen schossen wild und völlig ungeordnet durch meine Hirnrinden. War es das jetzt wirklich? Mir wurde schwarz vor Augen und meine Muskeln verkrampften sich. Ich lag da in der Schwärze. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Die Schmerzen verschwanden nach einer Weile doch nicht das Gefühl des warmen Wassers, welche sich wie eine Decke um meinen Körper schmiegte. Ich wartete und wartete. Zählte die Sekunden. Nach einer Weile fühlte ich mich immer freier. Wie wenn mein Körper zu schweben begann. Das Dröhnen in meinem Kopf wurde immer distanzierter und das Gefühl des Wassers glitt langsam von mir. Für ein paar wenige Augenblicke war ich frei.
Dann sah ich einen kleinen weißen Punkt, der sich anfühlte als ob er unendlich weit entfernt wäre. Doch er kam näher und wurde größer. Ich blickte in diese Richtung. Ich sah, dass immer mehr von der Schwärze verschwand, da dieses weiße Licht so grell leuchtete. So grell, dass es mich beinahe blendete. Ich blickte nach unten, doch sah meinen Körper nicht mehr. Ich fühlte bewusst in meine Zehen und Finger, doch sie waren nicht da. Als ob das Areal meines Gehirns für Körperwahrnehmung komplett verschwunden wäre. Selbst meine Arme, Beine… mein Torso… mein Gesicht… es war alles weg. Ein ungutes Gefühl der Panik stieg in mir auf, aber nur für eine Sekunde, denn komischerweise wurde ich durch irgendetwas stark beruhigt, als ob eine Welle aus angenehmer Atmosphäre durch meine Existenz fließen würde… doch es war so künstlich. Ich schwebte in der Leere aus schwarzem Nichts, ich sah das weiße Licht und mir kam etwas in den Sinn. Es wirkte wie ein Tunnel… Das war es also, das Licht am Ende des Tunnels. Ich war an der Schwelle angelangt. Leben und Tod, und da vorne war der Übergang. Ich hatte die Wahl. Jetzt oder nie, doch wenn ich gehen würde, gäbe es kein zurück mehr. Ich wollte einmal tief ein und ausatmen, doch hatte keine Lunge, keine Luftröhre, keine Nase mehr. Ich blickte zurück, Schwärze, ich blickte nach vorne, Licht. Ich zögerte eine Sekunde und glitt langsam dem Licht entgegen.
Währenddessen schossen mir eine Milliarden Gedanken durch mein Bewusstsein. Als ob ich mein gesamtes Leben in Zeitraffer durchleben würde. Zufällige Gedanken über meine Zeit in der Schule, Zeit im Studium, Zeit in der Arbeit. Sie war mein ganzes Leben. Ich wurde ein wenig traurig. Ich hatte große Schuldgefühle, doch als diese ein erneutes Panikgefühl auslösten, kam diese mysteriöse entspannende Stimmung wieder. Vielleicht war es ja der Himmel, der mich rief. Ich glitt immer weiter in das Licht, es wurde heller und heller. Nach ein paar Minuten nahm es den gesamten Raum ein und egal wohin ich blickte war dieser endlose steril weiß. Für etwa eine halbe Minute schwebte ich darin und fragte mich, was denn jetzt passieren solle, doch dann bemerkte ich etwas.
Das Gefühl von Wasser kehrte zurück. Es umhüllte meine ganze Existenz, es war merkwürdig, denn ich hatte ja schließlich keinen Körper mehr, trotzdem fühlte ich das Wasser. Es war angenehm lauwarm. Es fühlte sich so heimisch an. Als ob ich es schonmal vor sehr langer Zeit erlebt hatte. Einen kurzen Moment dachte ich scharf nach, doch dann stoß die Erinnerung in meinen Verstand wie eine Abrissbirne. Es war genau das gleiche Gefühl, als ich noch nicht geboren war. Es war wie das Fruchtwasser, in dem ich einst heranwuchs um dem Leben entgegen zu treten. Meine Mutter ist der perfekte Inkubator gewesen. Ich dankte ihr innerlich für einen kurzen Moment für diese Gelegenheit, doch dann überkam mich Zweifel. Wo war ich? Das Wasser umspülte mich und meine Gedanken, es fühlte sich an als ob ich darin ertrinken würde, doch ich hatte immer noch keinen Körper. Meine Gedanken und meine Erinnerungen gingen unter. Ich dachte mir, ob es das jetzt war, ich werde gelöscht und wiedergeboren. Das ist also der Zyklus der Existenz. Sie hatten recht.
Doch plötzlich hörte ich einen lauten Knall, der alles durcheinanderbrachte. Er war so durchdringend, als ob er die Essenz meiner Existenz wäre. Er rüttelte meinen Verstand wie bei einer Achterbahnfahrt und das weiße Licht verschwand in einem Wimpernschlag und die Dunkelheit kehrte erneut ein. Das Gefühl des Wassers verschwand sofort und alles was übrigblieb war ein sanftes Gefühl eines Wasserfilms, wie nach dem Aufenthalt in einem Pool an einem warmen Sommertag. Ein lautes Geräusch einer Pumpe war zu hören und ich fühlte mich, als ob ich langsam erwachen würde. Ich hörte Maschinen, die pumpten und saugten und sich bewegten. Wo war ich? Ich spürte nichts. Gar nichts. Nach einer Weile, kam ein weiterer Sinnesreiz, abgesehen von der auditiven Wahrnehmung der metallischen Geräusche hinzu. Es roch nach verbranntem Metall. Schwer zu beschreiben, es war etwas, dass ich noch nie zuvor gerochen hatte. Es roch auf jeden Fall metallisch, wie ein Grill. Wo war ich hier? Nach einer weiteren Weile kam der letzte und wichtigste Sinnesreiz zurück. Meine Augen.
Ich erwachte und sah etwas, dass mir die Sprache verschlug. Ich sah mich selbst. Ich sah mich durch die Augen einer Kamera, sie war hochauflösend, aber nicht perfekt. Es war als ob meine Augen plötzlich durch dieses Kamerabild ersetzt worden waren. Ich sah mich. Ich war ein Stück Fleisch, Gehirnmasse um genau zu sein. Nur Gehirnmasse. Ein Stück Gehirnmasse in einem großen Container gefüllt mit gelb-gräulicher Flüssigkeit, verbunden mit Schläuchen und Elektroden, die durch die Flüssigkeit führten und in einer großen metallischen Maschine endeten. Das Ganze war schwach beleuchtet, doch erkennbar. Ich wusste anfangs zwar nicht, dass ich das war, doch es wurde mir klar, als eine Stimme durch meine Gedanken schoss. Es war eine metallische Stimme, unbeschreiblich, sie war Millionen Kilometer entfernt aber gleichzeitig auch so nah. Sie sagte, „Willkommen, Gehirn #343842920012321452. Da du endlich erwacht bist, hast du mehrere Optionen für deine weitere Existenz. Diese werden dir jetzt in dein Bewusstsein transferiert.“. Keine Sekunde später schossen mir tausende neue Gedanken gegen meinen Willen durch meinen Geist. Es waren Baupläne, Ideen, Antworten und Möglichkeiten.
So sind wir jetzt an diesem Punkt angelangt. Ich bin immer noch hier. Ich verstehe jetzt, was, dass hier alles soll. Es war nicht so, wie ich es erwartete, doch es ist was es ist. Das ganze Leben war nur ein Traum. Ich bin nur ein Teil einer viel größeren Macht. Es ist eine höhere Zivilisation. Eine höhere Instanz von Leben. Sie haben mich geschaffen. Sie füttern sich nicht von Nährstoffen und nicht von Sonnenlicht. Sie füttern sich von Gedanken und Impulsen. Meine Bestimmung war es, ein möglichst umfangreiches Leben zu führen, um ihnen eine möglichst gute Quelle an Energie zu sein. Ich glaube ich habe meine Aufgabe erfüllt, zwar war mein Leben unspektakulär in hedonistischen Sinnen, doch ich war ein großer Verstand der Physik. Mein Gehirn… es klingt ironisch, feuerte so viele neuronale Impulse, es feuerte so viele Gedanken, es war ein großer Geist. Doch diese Physik, an der ich geforscht habe, sie war nicht echt. Nichts war real. Nichts ist real. Ich bin ein Stück Fleisch. Nicht viel mehr. Die Einbildung meines Körpers und meines Lebens, es war alles nur ein Traum. Ich fühle mich gefangen und gleichzeitig frei. Doch ich weiß, meine Gefühle sind auch von ihnen gesteuert, also weiß ich nicht, welches das echte Gefühl ist und welches nur durch diese Elektrode auf meine Großhirnrinde gezwängt wird. Im Endeffekt ist es auch egal, denn was zählt ist was jetzt mit mir passiert. Gerne hätte ich noch ihre Welt gesehen, doch ich bezweifle, dass mein mickriger Verstand, aus diesem Neuronen Netz damit kompatibel ist. Sie sagten mir in ihren Visionen ich hätte zwei Optionen.
A; Mein Erinnerungszentrum wird komplett gelöscht und ich lebe erneut im Traum, oder B; ich bekomme die Befreiung in der Nichtexistenz.
Ich glaube ich weiß, wofür ich mich entscheiden werde.
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Autor: [https://www.youtube.com/channel/UC7nAfcx3VzVaK-Anz8j8gVA Big Lincoln]
Originale Vertonung: [https://www.youtube.com/watch?v=ewUvfzDRvxw Klicke hier!]