HUNGER
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Nur weil man etwas…ausprobieren möchte…
Nur weil man neugierig ist….
Nur weil man Neues kennenlernen will…
Ist man dann automatisch verrückt?
Es kommt mir so vor, als würden das die Leute flüstern, wenn sie mich auf der Straße sehen.
Als würden sie es leise, hinter vorgehaltener Hand wispern, sich wegdrehen und dann kichern, weil sie es so abstrakt fanden, dass ein solches Wesen sich direkt in ihren Weg stellte.
Natürlich taten sie das nicht wirklich.
Ich bildete es mir nur ein…zumindest glaube ich das. Ich hoffe es.
Das alles begann im Winter vor zwei Jahren.
Halt…warte…nein.
Nein, eigentlich…
Eigentlich begann das ganze schon früher.
Es muss…ich muss wohl noch ein Kind gewesen sein.
Ja, ich erinnere mich noch.
Verschwommen zwar, nicht mehr so gestochen scharf wie zu der Zeit, als dieser Erinnerung noch frisch war. Frisch wie eine Wunde, aus der ich Blut lecken konnte.
Damals stand ich neben meiner Mutter – sie machte gerade Essen, briet rohes Fleisch.
Ich war damals noch so klein, dass ich nicht über den Herd hinausschauen konnte und hing deshalb mit Händen und Füßen an meiner Mutter.
„Komm, lass mich mal probieren! Nur ein kleines Stück! Es riecht doch sooo gut!“
Das waren meine Worte und ich muss immer noch und immer wieder lächeln, wenn ich das höre.
Wie naiv und unschuldig ich doch damals gewesen war.
…Ich bin es jetzt zwar immer noch, der kleine Engel von früher…aber jetzt sind meine Hände befleckt mit dem Blut ebenso unschuldiger Menschen.
Egal wie sehr ich gequengelt habe, meine Mutter hat mich nie etwas von dem Fleisch probieren lassen, zumindest nicht bevor es bei mir auf dem Teller landete.
Ich hatte es ja auch nicht auf dieses gebratene Stück abgesehen, sondern auf den Rohzustand.
Mein vermutlich größter Wunsch war es gewesen, nur einmal rohes Fleisch zu probieren.
Meine Eltern waren bei so etwas leider sehr streng – ich kann es ihnen ja nicht verdenken – und besonders meine Mutter versuchte verzweifelt, mir dieses Begehren wieder auszutreiben. Ich kam also niemals auch nur in die Nähe von rohem Fleisch.
So wie ich sie kannte, traute mir meine Mutter alles zu und daher hatte sie mit Vorsichtsmaßnahmen niemals nirgendwo gespart.
Natürlich, das war alles nur zu meinem Besten, wer weiß, was sich in dem rohen Fleisch alles tummeln könnte…Bakterien, Viren, Mikroorganismen und der ganze andere Rest.
Dies wurde mir in der Schulzeit eingebläut. Tierisches Fleisch war schlecht – im rohen Zustand. Es konnte Krankheiten übertragen.
Soweit nichts Neues.
Nachdem ich dieses Thema seit besagtem Biologieunterricht nicht mehr erwähnte, glaubten sie wohl, es wäre vorbei damit.
War es aber nicht.
Ich merkte ja selbst, dass ich anders war, dass andere Schüler in meinem Alter noch nicht im Traum auf diesen Gedanken gekommen waren.
Somit gab es viele, viele Nächte, in denen ich nachdenklich auf meinem Bett lag und mich fragte, wieso ich so anders war.
Hatte es einen Grund?
Irgendwoher musste dieser stupide Einfall doch kommen, wenn er nicht so normal war wie alles in meinem Umfeld.
Ich bin nie zu einem logischen Schluss gekommen.
Meine kindliche Fantasie hat zu diesem Zeitpunkt alles Mögliche ersponnen, aber mein nicht ganz so kindliches Logikvermögen verwarf jede dieser Ideen sofort wieder.
Alles, was ich mit 18 Jahren einwandfrei verstanden hatte, was dieses Thema anging, war:
Ich wollte unbedingt rohes Fleisch probieren.
Das Problem: rohes Tierfleisch war schlecht. Und „schlecht“ aus verschiedensten Gründen, die mir meine Kindheit nur allzu deutlich gemacht hatte.
Blieb mir also eine Wahl?
Wer weiß, vielleicht wisst ihr ja schon, worauf das hier hinausläuft, aber wenn nicht, fragt euch doch mal, was für ernstzunehmende andere Möglichkeiten es für einen neugierigen Jungen – zu allem bereit, möchte ich hier einmal betonen – wie mich gab.
Die Antwort liegt nah, oder?
So kam es also, dass ich vor zwei Jahren nachts aus dem Haus schlich und Ausschau hielt.
Man hätte fast schon sagen können, ich wäre jagen gegangen.
Sogar ein Messer hatte ich mir eingesteckt.
Ich weiß nicht mehr genau, was in diesen Sekunden voll von Adrenalin passiert ist, es ist alles wie in einen sanften Nebelschleier eingehüllt.
Alles, was noch in meinen spärlichen, von Wahnsinn zerfetzten Erinnerungen erhalten ist, ist, dass ich vielleicht zehn Minuten später keuchend über einem blutenden Opfer lehnte.
Ich war außer Atem, ja, aber ich war zufrieden.
Wie gesagt, es war Winter, und der Anblick des Blutes, welches sich mit dem samtweichen Schnee vermischte, war einfach nur ein künstlerisches Meisterwerk.
Sie atmete schon nicht mehr.
Sie war schon tot.
Ich hatte es so schmerzlos wie ich nur konnte hinter mich gebracht.
Ihre Kehle durchtrennte ein Spalt, riesig im Vergleich zu dem Spalt zwischen Dies- und Jenseits, den ich so zwanghaft verkleinert hatte.
Mir war klar, dass ich mich strafbar machte. Dass ich gerade einen anderen Menschen umgebracht hatte.
Meine Rechtfertigung war allerdings, dass ich es nur einmal ausprobieren wollte.
Still und heimlich.
Außerdem wollte ich ja nicht das Töten direkt ausprobieren.
Ich wollte rohes Fleisch kosten.
Zu meiner Verteidigung kann ich ebenfalls sagen, dass ich rohes Tierfleisch nicht essen darf, ganz einfach wegen der vielen Konsequenzen die so etwas mit sich bringen würde.
Klingt doch logisch, oder?
Also, lasst mich weitererzählen:
Die klirrende Kälte schien sich mit Eissplittern in meine Wangen zu graben und meine Lungen zu durchlöchern, die aufsteigenden, milchigen Wölkchen meines stoßhaften Atems verflüchtigten sich gemächlich in der von Schnee angereicherten Luft, verloren sich in den unendlichen Weiten des rabenschwarzen Himmels.
Mechanisch kniete ich nieder, sah mich misstrauisch um.
Nein, da war niemand. Niemand, der mich gesehen hatte.
Triumphierend lächelnd zog ich meinem so kläglich verendeten Opfer die dicke Daunenjacke aus und trennte den Ärmel des Pullovers mit dem Messer ab.
Alles andere wäre mir abstoßend vorgekommen.
Ich war nicht verrückt – nicht so verrückt. Nicht so abartig.
Meine einzigen Absichten waren rein experimenteller Natur, wiederholte ich stetig in meinen kreiselnden Gedanken, während irgendwo in meinem Gehirn Gewissen gegen Begehren ankämpfte.
Ich setzte die scharf geschliffene Klinge an ihrem Oberarm an, übte leichten Druck aus und machte so weiter, bis ich ein kleines Rechteck aus tiefroten Furchen in ihre Haut gezeichnet hatte.
Ich leckte mir die Lippen.
Blut benetzte meine zitternden Finger.
Ich trug noch nicht einmal Handschuhe, sie kamen mir viel zu hinderlich für mein Vorhaben vor. Vorsichtig versuchte ich die Haut in dem eingegrenzten Bereich zu entfernen, es war viel schwieriger als ich gedacht hätte.
Mein einziger Trost war, dass ihr Körper noch so wunderbar warm war.
Ihr Blut, die Haut, das Fleisch darunter.
Es ließ meinen Magen knurren.
Mit geweiteten Augen arbeitete ich eine flache Scheibe Fleisch aus ihrem Arm heraus, zwar blutüber- und durchströmt, aber von derselben zartrosa Färbung wie sie das tierische Fleisch von meiner Kindheit immer gehabt hatte.
Endlich! Ich war meinem Traum so nah!
Den Mund bereits geöffnet, auf halbem Weg zu der Erlösung von den Qualen, die ich mich seit einer halben Ewigkeit plagten, da hielt ich inne.
Verdammt, wieso hatte ich innegehalten?
Bis zum heutigen Tage balle ich die Fäuste und knirsche mit den Zähnen, wenn diese Erinnerung in mir aufkommt.
Ich hatte so abrupt gestoppt, weil mein Logikverständis einen letzten verzweifelten Versuch gemacht hatte, auf sich aufmerksam zu machen und in Folge dessen die Notbremse gezogen hatte.
Denn dann stürzte auf einmal alles, was ich verdrängt hatte auf mich ein.
Ich begann zu zittern.
Ich hatte einen Menschen getötet…ich hatte ein so unschuldiges Leben einfach so beendet!
Wieso hatte ich das getan?
Die junge Frau hatte Träume, Pläne, Ziele!
Wie hatte ich nur so dreist sein können und eingreifen können in ein so vielversprechendes Schicksal?
Tränen flossen mir über die Wangen, sie schienen beinahe zu gefrieren, sobald sie aus meinen Augen austraten.
Ich war ein Monster! Ein Monster!
…Was würde wohl passieren, wenn man mich so fand?
Was würde passieren, wenn man nur die Leiche fand und das Ganze zu mir zurückverfolgen könnte?
Ich hatte Angst, ich hatte so riesige Angst.
Auf einmal bereute ich, was ich getan hatte, der Gedanke und der Anblick von dem Blut an meinen Fingern, dem Messer um der entstellten Leiche riefen in mir einen Würgereiz hervor, der einen metallischen Geschmack in meinem Mund zur Folge hatten.
War ich denn völlig von Sinnen?
Ich rang mit mir, mit der animalischen Seite in mir, die immer noch nur probieren wollte, wie rohes Fleisch überhaupt schmeckte.
Ironischerweise war diese animalische Seite auch die Seite, die meine gesamte Kindheit über beherrscht hatte – ich kämpfte also gegen das kleine Kind in meinem Inneren.
Mich würgend und keuchend auf dem Boden windend musste wohl doch so etwas wie dieses kleine quengelnde Kind gesiegt haben.
Mein Gewissen ließ mich weiterhin bittere Tränen vergießen, aus Angst vor den Konsequenzen, die das hier nach sich ziehen würde, meine Gier ließ mich lachen, lauthals lachen, weil mir so einfach die Chance geboten wurde und ich sie jetzt nicht ausnutzen wollte.
Und schließlich fand ich mich auf allen Vieren wieder – vielleicht einen halben Meter von der Leiche weg – meine Zähne in dem Fleisch vergraben.
Ich kann den Geschmack nicht wirklich beschreiben, vermutlich, weil ich nur ein Einzelfall bin, aber für mich war es einfach nur köstlich.
Schnell stellte ich fest, dass es zäher war, als ich erwartet hatte und es in mundgerechte Happen zerteilen musste, damit ich etwas davon runterbekam, aber es war mir egal.
Gierig, so als wäre ich in den nächsten paar Sekunden verhungert, schlang ich diesen Appetithappen hinunter und merkte, wie ruhig ich danach war.
Mein Herzschlag flog zwar noch pfeilschnell dahin, meine Atmung rasselte, aber alle meine Gedanken waren mit einem Mal fein säuberlich geordnet.
Ich wusste wieder, was ich wollte.
Und dieser Entschluss gefiel meinem Gewissen so überhaupt nicht, aber es wurde verdrängt, einfach verdrängt von diesem primitiven Befehl, den alles in mir förmlich schrie.
HUNGER.
() 17:59, 11. Mär. 2014 (UTC)renaissanssouci