ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Kälte. Ich habe sie mein ganzes Leben lang gehasst. Verabscheut.
Verteufelt. Natürlich, wer mag sie schon, aber ich habe über die Jahre hindurch
eine so starke Abneigung gegen Kälte entwickelt, dass ich mich selbst nicht nur
ein Mal gefragt habe, ob das eigentlich noch normal war.
Am Anfang habe ich nur das Gefühl an sich gefürchtet, diese
schleichende Kribbeln, das auf so schmerzhafte Weise immer und immer mehr Teile
deines Körpers erfasst, bis du dir nicht mehr helfen kannst und ohne Kontrolle
zu zittern beginnst. Du fühlst, wie deine Hände taub werden, deine Füße sich zu
wahren Eisblöcken transformieren und schüttelst dich ununterbrochen, alles nur
wegen ihr. Alles nur, weil dir kalt ist.
Aber das ist ja nichts Besonderes, oder? Niemand mag das,
deshalb ziehen wir uns auf dem Weihnachtsmarkt warm an und kippen uns
überzuckerten Glühwein hinter die Binde, um in ihrer unangenehmen,
lebensfeindlichen Umarmung nicht unsere Wärme zu verlieren. Komplett vernünftig
und rational.
Aber das war irgendwann vorbei, denn egal wie sehr ich
versuchte, die Kälte zu verdrängen, sie schaffte es immer wieder, mich mit
ihren eisigen Griffeln zu packen. Zurückzuziehen in ihr schreckliches Reich,
ihr finsteres Paradies aus kahlen Bäumen und verwelkten Blumen. Alles was ich
tat, schien völlig wirkungslos zu sein, ich trug sie andauernd in mir. Und
konnte nichts dagegen tun. Ich konnte mich im Sommer auf der Wiese am warmen
Licht der Sonne laben, doch in mir war es immer kalt.
Um ehrlich zu sein, ich glaube, dass es da anfing, bergab
mit mir zu gehen. Zumindest zum ersten Mal. Denn sie packte mich mit ihren
langen, spitzen Fingern, die überall in mir Frostbeulen hinterließen, und zog
mich. Hinunter in ein unendlich tiefes, schwarzes Loch. Sie hatte mich
erwischt, mich mit sich gerissen und jetzt fiel ich. Und alles war kalt. Mein
Inneres. Eisig. Mein Äußeres. Frostig. Mein Leben. Kalt. Ohne auch nur die
geringste Hoffnung auf Entkommen.
Ich konnte mich nicht retten und das Schlimmste daran war,
dass ich es wusste. Ich war mir dessen voll und ganz bewusst. So sehr, dass ich
mir gar nicht die Mühe gab, zu kämpfen. Ich gab mich der Kälte einfach hin. In
der naiven Vorstellung, mich irgendwann mit ihr arrangieren zu können. Aber das
konnte ich nicht, denn sie nimmt dir alles, was dir wichtig ist und sie lässt
dir, was du sowieso schon dein Leben lang hasst. Es wurde mit der Zeit eher
schlimmer als besser und irgendwann gab ich auch jeden noch so dummen Schimmer
am Horizont, wissend, dass sich hinter ihm eh nur ein weiterer Blizzard
verstecken würde.
Doch dann, als ich nichts mehr wollte, nichts mehr dachte, nichts
mehr fühlte, als die Kälte zu triumphieren schien, da kam er. Und er brachte
mir das Feuer. Er trat in mein frostiges, vereistes Leben, und er begann es,
aufzutauen. Er war wie eine Fackel, die sich immer in meiner Nähe aufhalten
wollte. Er kam zu mir und sprühte Funken. Und seine Funken sprangen auf mein
Herz über. Sie ließen es kribbeln. Ließen es auftauen. Ließen es warm werden.
Es war unglaublich, im tiefsten Abgrund der grausamen kälte hatte er mich
gefunden, und er holte mich heraus, verdrängt dieses taube Gefühl aus mir und
füllte meine Existenz mit prasselndem Feuer. Es war wunderschön.
So schön, dass es mir sogar gelang, die Kälte zu vergessen.
Ab und zu suchte sie mich noch in meinen kühlsten Albträumen heim, doch dann
war er da, neben mir und er vertrieb sie jedes Mal mit seiner alles
übertreffenden Wärme. Ich will auch gar nicht so tun, als ob es schnell gewesen
wäre. Oder einfach. Nein, es dauerte seine Zeit, doch einst vor Kälte aufgeplatzte
Glieder schlossen sich, vom Eis tief geritzte Schnitte vernarbten. Es ging
nicht von jetzt auf gleich, aber es funktionierte. Und ich, wir arbeiteten
daran. Stunde für Stunde, Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat. Es
schien, als ob wir es schaffen könnten.
Doch das konnten wir nicht. Heute, nach so langer Zeit, nach
ewiger Arbeit, monatelangem Warten und einer schmerzvollen Prozedur, die zum
Ende hin immer schlimmer geworden war, sollte es soweit sein. Heute sollte es
mir gelingen, für immer über die Kälte zu triumphieren. Es sah so gut aus, es
war so sicher. Aber jetzt erkenne ich, dass sie mich nur getäuscht hat. Dass sie
mir nichts mehr hatte tun können, als ich am Boden war. Also hatte sie mich
gehen lassen, mir ein angenehmes Leben vorgegaukelt, um mich mit unvermittelter
Härte zurückstoßen zu können. Das ist ihr wirklich mit Bravour gelungen.
Jetzt sitze ich also hier. In dieser fremden Kleidung. Auf
diesem fremden Bett. In diesem fremden Zimmer. Und spüre, wie die Kälte langsam
wieder in meine Glieder kriecht. Dieses Prickeln, wie sie sich wieder den Weg
in meinen Organismus bahnt. Am liebsten würde ich schreien, aber wozu? Das
würde mir auch nicht helfen. Sie ist zurück und ich kann sie nicht wieder
verbannen. Nicht allein, und dieses Mal vielleicht auch nicht mit ihm. Im
Endeffekt hatte dieser Kampf doch eh nie einen Sinn. Vielleicht gehört die
Kälte ja einfach zu mir. Schließlich hat uns außer ihm nie etwas trennen
können. Keine Freunde. Keine Familie. Keine Pillen.
Während ich so darüber nachdenke, hat sie schon meine Brust
erreicht und fängt an, mein kleines Herz wieder in seine frostige Hülle zu
packen. Zum Schluss holt sie sich alles wieder. Und noch mehr. Genau wie das
kleine Wesen, dass ich noch immer an mich gepresst halte, das kleine Bündel,
das alles hätte ändern können. Es ist noch warm, von mir, doch es wird
abkühlen, ebenso wie die Tränen, die meine Wangen herunterströmen, obwohl ich
sie gar nicht brauche. Denn jetzt habe ich wieder die Kälte. Die sich alles
holt. Schließlich hat sie sich auch meine Hoffnung genommen, die mich
eigentlich von ihr fernhalten sollte.
Die Hoffnung in Form des Kindes, das ich soeben totgeboren
habe. Und das bald so sein wird wie mein Leben für Ewigkeiten war, es gerade
wieder und auch für immer sein wird. Zu beschrieben mit einem ganz simplen,
ganz kleinen Wörtchen. Und trotzdem so grässlich. Kalt.