KreaturenMittelTod

Knochenwald: Sonnenaufgang

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

„Die Beiden gehören nicht zu Devon!“ rief Hexe zu den Anderen und zeigte auf die zwei Männer, die sie in einer Lücke zwischen den kämpfenden Zombies entdeckt hatte. „Wir müssen ihnen helfen.“

Bianca nickte, aber Davox schien ihre Worte kaum zu registrieren. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, die untoten Polizisten gegen die Übermacht aus Knochenzombies zu dirigieren, die von Devon kontrolliert wurden. Dabei interessierten ihn nur zwei Dinge: Devon und das Amulett, das er um seinen hässlichen Hals trug, und sein Bruder Martin. Irgendwo in der dumpfen Masse musste er sich verbergen.

Immer wieder glitt sein Blick deshalb über die Horde an verwandelten Festivalbesuchern. Bleiche Gesichter mit langen Haaren, schwarzen Klamotten, manche mit und andere ohne Bärte, aber allesamt stinkend. Allesamt geistlos. Allesamt aggressiv. Und keiner von ihnen war sein Bruder.

Immerhin, sein anderes Ziel konnte er erkennen. Wann immer sich eine Lücke in den bleichen Leibern und zwischen den wie aus dem Nichts erscheinenden Knochenbäumen auftat, sah er die hässliche, löchrige Fresse von Devon und ihre Blicke trafen sich. In den Augen des Weisen des Gebeins lag keine Spur von Stolz auf seinen ehemaligen Schüler, der doch auf dem Weg der Entfleischung schon so weit gegangen war. Auch keinRespekt, wie er unter zumindest beinah Ebenbürtigen gelegentlich vorkam. Lediglich Hass und der Wille zur Vernichtung.

Davox‘ Truppen wehrten sich verbissen mit ihren Schlagstöcken, Plastikschilden oder ihren gefährlichen Knochenzungen, die ihre ebenfalls untoten Gegner zwar nicht mehr verwandeln, aber bei einem glücklichen Treffer dennoch ihr Gehirn durchbohren und sie so endgültig zu Fall bringen konnten. Aber leider waren die von Devon kontrollierten Untoten mindestens fünf zu eins in der Überzahl, auch wenn seine Polizisten bereits viele von ihnen niedergestreckt hatten. Hinzu kamen die immer wieder zwischen ihren Füßen hervorpreschenden Schneidmaden, die zwar zumeist klein, aber dennoch gefährlich waren, sowie die auf demBoden verstreuten ätzenden Pfützen, die jeden Schritt zu einem Wagnis machten. Davox war kein Pessimist, aber so langsam hatte er seine Zweifel, ob sie das überleben konnten.

Schon wieder brach eine Made durch die Horde. Sie war kaum größer als ein Meerschweinchen, und doch würde es ihn mindestens einen Fuß kosten, wenn sie ihm zu nahe kam. Allerdings konnte er sich nicht um sie kümmern. Er brauchte gerade sämtliche Konzentration, um seine Kontrolle über die Polizisten nicht zu verlieren, selbst wenn von den ehemals Hundert kaum mehr als Achtzig geblieben waren. Seinen eigenen Körper zu bewegen kam deshalb nicht in Frage. Hilflos sah er zu, wie das kleine, gefährliche Ding immer näher kam. So eine Scheiße. Wenn er je himmlischeUnterstützung in Form einer gewaltigen Fliegenklatsche gebraucht hätte,dann jetzt. Aber eine solche Hilfe bekam er nicht.

Stattdessen knallte ein von Bianca geschwungener Schlagstock mit Wucht auf den Kopf der kleinen Made nieder und verwandelte ihn in stinkenden Brei. „Danke!“ brachte Davox knapp heraus.

Bianca nickte ihm zu. „Nicht dafür!“ sagte sie und stürzte sich dann wieder ins Getümmel. Sie mussten Devon zu Fall bringen. Sonst hätten siekeine Chance.

~o~

Nun bereute Devon, dass er Divaxa und seine anderen Akolythen ausgesandt hatte, um Soldaten für seine Armee zu rekrutieren. Denn von seinen Zehntausenden von Knochenzombies waren gerade einmal einige Hundert bei ihm zurückgeblieben und ärgerlicherweise hatte dieser Verräter Davox seit ihrem letzten Treffen eine Menge dazugelernt. Nicht nur, dass er inzwischen hundert Untergebene kontrollieren konnte, was auf eine erneute massive Entfleischung hindeutete – Devon tippte auf Brustkorb oder Unterleib –, nein, er hatte sich auch noch ausgebildete Polizisten unter den Nagel gerissen, deren trainierte Körper sich weitaus besser schlugen als seine ehemaligen Zivilisten.

Ohne die Wesen, die gelegentlich durch das Portal aus dem Knochenwaldin diese Existenzebene strömten, hätte er ernsthafte Schwierigkeiten bekommen. Die Knochenbäume und willkürlich erscheinenden Laugenpfützen waren dabei keine wirkliche Hilfe, da sie beiden Seiten zum Hindernis werden konnten. Aber die gelegentlich auftauchenden Schneidmaden konnte er immerhin gut genug kontrollieren, um sie auf seine Feinde zu hetzen. Dennoch waren es zu wenige.

Er könnte immer noch die anderen Weisen des Gebeins rufen. Jene Mitglieder seines altehrwürdigen Ordens, die in seiner Heimatebene lebtenund nun durch das Portal Zugang in diese Welt hätten. Aber damit würde er nicht nur unterwürfige Akolythen anlocken, sondern auch die uralten, gänzlich entfleischten Meister. Jene, die ihm an Macht vielfach überlegen waren. Sie wären wertvolle Verbündete. Unschlagbare Verbündete. Aber sie würden sich ihm nicht unterordnen, sondern von ihm Gefolgschaft einfordern, so wie es uraltes Recht und Gesetz war. Aber Devon hatte genug vom Dienen. Er wollte herrschen. Sich selbst gänzlich zu entfleischen war auch keine Option. Niemand – selbst er nicht – hatteso viel Selbstbeherrschung, und das Risiko war groß, dass er an dem Schock sterben würde. Besonders in dieser Existenzebene, in der die Knochenmagie nur schwach wirkte. Und selbst wenn er es riskierte, wäre er den Meistern bestenfalls gleichgestellt.

Also musste er sich auf seine untoten Truppen und die Schneidmaden verlassen. Das würde wahrscheinlich reichen. Aber nur knapp. Viel zu knapp.

Auf Gera und Jonathan achtete der Weise des Gebeins nicht mehr.

~o~

Jonathan war erleichtert, dass Arnold und Devon es vorerst nicht mehrauf sie abgesehen hatten. Dennoch hatte sich ihre Situation kaum verbessert. Denn noch immer befand sich eine massive Linie aus knochenbleichen Körpern zwischen ihnen und der Freiheit. Und das war nicht das einzige Problem.

„Passen Sie auf!“ schrie er Gera an, der gerade dabei war, mit seinem rechten Fuß in eine der willkürlich entstehenden ätzenden Laugenpfützen zu treten. Zuerst sah Gera ihn zornig an, als er aber auf dem Boden sah, brachte er sogar ein knappes „Danke!“ hervor. Selbstverständlich am Rande der Hörbarkeit.

Kurz darauf musste Jonathan sich ducken, als ein weiteres Mal eine Knochenzunge auf ihn zuraste und Einlass in seinen Mund begehrte. Sie begehrte ihn vergeblich. Trotzdem wäre Jonathan in ziemlichen Schwierigkeiten gewesen, da vier mausgroße, aber durchaus gefräßige Maden auf dem Weg zu ihm waren. Doch Geras Stiefel beendeten ihr Leben mit einem ekelhaften Knacken.

Jonathan atmete auf. „Vielen Dank!“ sagte er zu Gera. Der streifte angewidert die Madenreste am Asphalt ab. „Schmieren Sie sich ihren Danksonstwohin. Die Stiefel waren teuer, und ich kann sie jetzt wegschmeißen. Das setze ich auf ihre Rechnung.“ Dann schoss Gera einer jungen Frau ins Gesicht, die ihm ungefragt einen Zungenkuss verpassen wollte. Die Zunge brach an der Wurzel ab, und die Frau taumelte orientierungslos zurück.

Jonathan ließ sich nicht provozieren. Er nickte nur. Er würde gerne auch die Rechnung für Schuhe aus Gold und Diamanten übernehmen, wenn er das hier nur überlebte. „Wir müssen diesen Devon töten. Vielleicht hört dann der ganze Spuk hier endlich auf“, schlug er vor.

Gera zielte gerade erneut auf die Frau, die nun zwar keine Zunge mehrhatte, aber dafür nun umso wütender war. Aber als er den Abzug drückte,kam nur ein trauriges Klicken. „Das würde ich ja gern, Doktorchen. Abermeine Waffe klemmt, und diese hier ist nun leer.“

~o~

„Gleich brechen wir durch!“ sagte Hexe euphorisch, während sie einer hervorschnellenden Knochenzunge auswich, um direkt darauf einen weiterenKnochenzombie mit einem Tritt auf Abstand zu halten. Ihre Hände wollte sie noch immer nicht einsetzen. Die Wunden brannte und nässten und warenextrem schmerzhaft. Der Preis für ihre abgefahrene Feuermagie, die ihnen zuletzt das Leben gerettet hatte.

Es war ein verdammt hoher Preis. Aber zu sehen, wie die von Davox kontrollierten Polizisten reiche Ernte unter den feindlichen Knochenzombies hielten, lenkte sie wenigstens etwas von ihren entstellten Händen ab.

Ein weiteres Mal holte der Polizist direkt vor ihr – ein stämmiger, großgewachsener Kerl – mit seinem Schlagstock aus und zertrümmerte einembärtigen Mann den Schädel. Das wäre sicher für jeden gewöhnlichen Gesetzeshüter ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, aber neben einem ganzen Haufen Nachteilen brachte die Existenz als Knochenzombie immerhin eine beträchtliche Körperkraft mit sich.

Als der Getroffene zu Boden sank, tat sich endlich die erhoffte Lückeauf, in die sich sofort zwei weitere der Zombiepolizisten stürzten. „DerWeg ist frei“, rief Hexe an Bianca gerichtet, die gerade eine weitere junge Schneidmade in weißen Matsch verwandelte und dann zusammen mit ihrer Freundin zu Devon und den beiden unbekannten Männern vordrang. Davox hatte es natürlich ebenfalls mitbekommen, da er alles sah, was auch seine Marionetten sahen, und folgte ihnen wenige Augenblicke später.

Devon, der seine schwindenden Truppen, von denen bereits mehr als dieHälfte auf dem staubigen Asphalt lag, verzweifelt gegen die zahlenmäßignoch immer unterlegenen, aber körperlich klar überlegenen Truppen führte, hatte ihren Durchbruch noch nicht bemerkt. Auch seine Soldaten und Maden konzentrierten sich vorerst allein auf die feindlichen Polizisten.

„Wer seid ihr?“ fragte der etwas jüngere und besser gekleidete der beiden Unbekannten, denen sie nun gegenüberstanden. Hexe fand ihn auf Anhieb sympathisch. Anders als seinen griesgrämig dreinschauenden Begleiter, der sie an ein gehässiges Erdmännchen erinnerte.

„Keine Feinde. Den Rest können wir später klären“, erwiderte Hexe mit einem charmanten Lächeln.

„Nachdem diese verfluchte Ratte Devon und seine Schergen tot sind“, fügte Bianca hinzu, während Davox seinerseits noch immer sehr konzentriert war und sich nicht am Gespräch beteiligte. Noch war die Schlacht nicht gewonnen, auch wenn die Gegner fielen wie die Fliegen.

Die Augen des jüngeren Unbekannten flogen unruhig hin und her. „Ihr dürft sie nicht alle töten. Einer von ihnen ist… oder war ein Freund von mir.“

„Ich verstehe. Sein Bruder…“ sie zeigte auf Davox, „…ist ebenfalls unterihnen. Weißt du, welcher von diesen traurigen Gestalten dein Freund ist?“

~o~

Etwas klopfte an Davox‘ Geist. Ein fremder Wille. Aber nicht der von Devon, der bereits seit Beginn des Kampfes mit dem seinen rang, um ihm die Kontrolle über seine Untoten zu nehmen. Es war ein flehender, verzweifelter Wille. Kein befehlender. Ein gepeinigter und gefolterter Wille. Der Wille seines Bruders. Davox realisierte das noch, bevor die Worte in seinem Kopf Gestalt annahmen. „Bruder. Timo oder Davox, wie du ja jetzt heisst. Ich bin hier drin. Hilf mir! Bitte!“

Konnte das sein? War das Bewusstsein seines Bruders noch irgendwo in seinem untoten Körper gefangen und trieb nicht als astraler Staub im Nichts? Oder war das alles nichts als ein hoffnungsgeschwängertes Hirngespinst?

Nein. Das war real. Das spürte Davox, der einstmals Timo gewesen war.Er hörte Martin. Und er sah ihn. In der Menge der verbliebenen Kämpfer aus Devons Horde. Irgendwie hatte er es geschafft, sich aus den Kämpfen herauszuhalten. „Martin. Komm zu mir! Ich werde dich retten“, sandte er seinerseits eine Botschaft aus, auch wenn er nicht wusste, ob sein Bruder sie empfangen konnte. Doch tatsächlich bekam er eine Antwort. „Ich werde… versuchen… es ist schwer… sein Einfluss.“ Er brach ab und Stille trat ein. Für einen grässlichen Moment dachte Davox, dass er
seinen Bruder wieder verloren hätte. Dann endlich hörte er die Stimme seines Bruders wieder. „Ich komme. Und jemand ist bei mir. Du kennst ihn. Der Professor.“ Doch trotz seiner Worte bewegte sich Martin kaum von der Stelle. Es war, als würde er durch Kaugummi laufen. Mit einem Malbegriff Davox, wie er ihnen helfen konnte, und nahm Martin und den Professor, an den er sich noch aus dem schicksalhaften Tag in der Waldhütte erinnerte, unter seine Kontrolle. Devon krallte sich natürlichinstinktiv an jeden einzelnen seiner verbliebenen Soldaten und machte es ihnen so schwer wie nur irgend möglich, Aber gemeinsam hatten sie dennoch Erfolg.

Denn langsam, aber sicher bewegte sich Martin samt dem älteren Mann an seiner Seite aus der schwindenden Masse der anderen Knochenzombies heraus. Ihre Bewegungen waren linkisch. Wie die von Handpuppen, die von krampfgeschüttelten, arthritischen Händen gesteuert wurden. Aber die Entfernung war nicht groß, und so dauerte es nicht einmal eine Minute, bis sich die bleichen und stinkenden Körper von Martin und Arnold Wingert hinter Davox, Hexe, Bianca und die beiden Unbekannten begeben hatten, die sie zwar wachsam beäugten, aber nicht attackierten.

Das war der Moment, als Devon endlich bemerkte, was hinter seinem Rücken geschah.

~o~

„Ich verliere!“ dachte Devon entsetzt. „Diese Würmer schlagen mich!“Und tatsächlich war seine zahlenmäßige Überlegenheit dahin. Er hatte nur noch dreißig Festivalbesucher, während von Davox‘ Polizisten noch immer circa fünfzig übrig waren. Und aus irgendeinem Grund schaffte er esnicht, ihm die Kontrolle über sie zu entreißen. Wahrscheinlich war es die Wut in ihm. Sie schadete seiner Konzentration. Auch die Maden waren keine große Hilfe. Es waren viel zu wenige und größtenteils Winzlinge, die zudem gegen die Untoten nicht so viel ausrichten konnten.

Er war schon kurz davor, seinen Orden zu Hilfe zu rufen, auch wenn ihn das unweigerlich zu einem Diener gemacht hätte. Dann aber kam ihm eine Idee. Das Amulett um seinen Hals. Krixxamesh! Wie hatte er den ehrwürdigen Vielrippigen nur vergessen können? Was für ein Narr war er? Er hätte diese anmaßenden Menschen samt seinem abtrünnigen Schüler wie Fliegen zerquetschen können, wenn er die Hilfe der mächtigen, markbleichen Schlange direkt in Anspruch genommen hätte. Aber für Selbstgeißelung war später Zeit. Jetzt musste er endlich handeln. Denn noch war es nicht zu spät.

~o~

„Wir gewinnen!“ rief Hexe euphorisch. „Nun ist der Mistkerl dran!“ fügte Bianca mit zornverzerrtem Gesicht hinzu. „Rache für Mike!“. SelbstDavox konnte sich ein Lächeln der Genugtuung nicht verkneifen. Er hätteauf so einen Ausgang nicht zu hoffen gewagt. Feind um Feind sank vor den Zungen und Schlagstöcken seiner Marionetten in den Staub, und bald wäre sein ehemaliger Meister schutzlos. Alles, was er hier gewollt hatte,war ,das Amulett zu holen und damit sein Überleben zu sichern. Aber nun war viel mehr in Reichweite gerückt. Das war womöglich die Gelegenheit, den schädlichen Einfluss des Knochenwaldes in dieser Welt zu beenden.

Selbst die beiden unbekannten Männer, denen sie zur Hilfe geeilt waren, hatten sich Schlagstöcke von besiegten Polizisten besorgt und schienen bereit, Devon zu Leibe zu rücken, sobald der Moment gekommen war.

Dann plötzlich drehte sich der Weise des Gebeins zu ihnen um. Sein schwarzer Umhang mit den strahlend weißen Knochenintarsien flatterte in einer Windböe, während das Licht der Morgendämmerung jedes einzelne Loch in seinem Schädel offenbarte. Er war hässlich, aber auch majestätisch. Ein König unter den Raubtieren.

Dann streichelte er über das Onyx-Amulett an seinem Hals. Und mit einem Mal materialisierte sich direkt aus dem Nichts die riesige, weiße Knochenschlange Krixxamesh.

Bevor Davox und seine Freunde und Verbündeten es überhaupt realisierten, wütete Krixxamesh mit unglaublicher Geschwindigkeit und Brutalität unter den Polizisten. Er biss Köpfe ab, zerschmetterte Schilde, zerriss Körper, brach Zungen, und binnen weniger Augenblicke warder letzte Polizist kopflos zu Boden gesunken.

Devon stand mit dreißig Knochenzombies, einigen kleinen Maden und dergigantischen Knochenschlage, die ihren Kopf zu einer eindeutigen Drohgebärde erhoben hatte, vor Davox und den Anderen. Die Kräfteverhältnisse hatten sich mit einem Mal gewandelt.

„Was für eine wunderbare Zusammenkunft. Ich denke, nun wird es Zeit zuverhandeln.“ Devon pulte sich eine Kruste aus einem der Löcher in seinem Kopf. Krixxamesh beobachtete derweil Bianca, Hexe, Davox, Jonathan und Gera aus leeren Augenhöhle. Trotzdem spürten sie alle den Hunger in ihm. An Arnold und Martin hatte er hingegen kein Interesse.

„Worüber willst du verhandeln, Devon?“ fragte Davox mit fester Stimme. Angst verspürte er gerade keine. Darüber war er weit hinaus.

„Ich habe nur eine Forderung an dich und deine Freunde, mein verlorener Schüler.“

Devon grinste wie ein Kind an Weihnachten. „Ich will, dass ihr sterbt! Krixxam…“

Devon kam nicht dazu, seinen Befehl zu beenden. Denn bereits in dem Moment, in dem Krixxamesh aufgetaucht war, hatte Hexe damit begonnen, ihrInnerstes zu erforschen und nach einer neuen Kraftquelle zu suchen. Siewusste bereits, dass sie nicht nur dem Spitznamen nach eine Hexe war. Sie hatte Davox geheilt und eine ganze Horde von Knochenzombies im Feuerverglühen lassen. Ihre Magie hatte Leben gerettet, und nun würde sie sieein weiteres Mal vor dem Tod bewahren.

Da ihre verbrannten Hände sie aber noch immer an die Konsequenzen ihres Feuerzaubers gemahnten, versuchte sie diesmal einen anderen Ansatz. Sie dachte nicht an Wut, Zorn, Enttäuschung, Sehnsucht und Leidenschaft, sondern an Frieden und Erlösung. An Vergebung und Entspannung. An all die guten, sanften und heilsamen Dinge, die die Antithese zu den gequälten Geschöpfen des Knochenwaldes waren. Und deren Essenz sie hoffentlich vernichten würde. Einen schrecklichen Moment lang dachte sie, dass es nicht funktionieren würde. Doch dann sprudelten kühle, blaue Flammen aus ihren geschundenen Händen, lindertenihren eigenen Schmerz und fuhren durch die Reihen der Knochenzombies, die augenblicklich zerfielen wie Butter unter dem Beschuss eines Laserstrahls.

Sie hörte einen panischen Ruf aus Devons Mund. „Eine Drix Tschahta. Eine verfluchte Drix Tschahta!“ Hektisch strich Devon über das Amulett. „Krixxamesh. Verberge dich!“ rief er und die Knochenschlange verschwand gehorsam wieder in dem nachtschwarzen Onyx.

Hexe hatte keine Ahnung, was eine „Drix Tschahta“ war, aber nachdem sie die Zombies und auch die kleinen Maden einfach verdampft hatte, lenkte sie ihre Energie direkt auf Devon. Devon schrie. Er krümmte sich vor Schmerzen. Sein Fleisch löste sich wie Wachs von seinem Körper, und doch verging er nicht.

Natürlich nicht, dämmerte es Hexe mit einem Mal. Er war ein Weiser des Gebeins. Der Verlust seines Fleisches stärkte ihn nur, und die Magie des Waldes, die noch immer durch das Portal in diese Welt strömte, musste seine Knochen vor ihrer Macht beschützen. Also tat sie das Einzige, was ihr logisch erschien. Sie lenkte den blauen Strahl stattdessen auf das wabernde Portal.

Doch bereits in dem Moment, in dem sich ihre Macht mit den uralten, finsteren Energien des Knochenwaldes verband, spürte sie, dass es ein Fehler gewesen war. Ein schrecklicher Fehler.

„Lauft!“ schrie sie, und etwas war in ihrer Stimme, dass keinen Widerspruch duldete. Sie rannte und jeder ihrer Gefährten folgte ihr. Bianca, Gera, Jonathan und sogar die untoten Körper von Martin und Arnold Wingert. Lediglich Davox nahm sich noch die Zeit, das Amulett vomHals des bewusstlosen und fast völlig entfleischten Devon zu nehmen, dann schloss auch er zu ihnen auf.

Hexe rannte, bis ihre Lungen aus Feuer zu bestehen schienen, und doch waren sie gerade erst außerhalb des direkten Wirkungskreises, als das instabil gewordene Portal explodierte. Ein helles, blaues Licht, in dem schwarze Schlieren schwammen, fegte über das gesamte Gebiet hinweg, und ein hohes, andersweltliches Pfeifen schnitt in ihre Trommelfelle. Dann wurden sie von der nachfolgenden Druckwelle zu Boden geschleudert, aber trugen außer ein paar blauen Flecken keine Schäden davon.

Neben der Druckwelle hatte die Explosion jedoch keine Zerstörung bewirkt, wie Hexe feststellte, als sie sich wieder auf die Beine gekämpft hatte. Sie hatte vielmehr Schöpfung mit sich gebracht.

Soweit das Auge reichte, waren sie nun umgeben von einer trostlosen Landschaft aus steriler Erde, kahlen Knochenbäumen und gewaltigen Laugenseen, zwischen denen kleine, aber zahlreiche Schneidmaden umherkrochen. Der Knochenwald hatte sich endgültig ein neues Refugium geschaffen. Nur in weiter Ferne konnte sie die verheißungsvollen Schemen vertrauter Gebäude sehen, die noch wie verlorene Grabsteine aus dieser bizarren neuen Welt hervorragten.

„Mein Gott!“ rief Hexe erstaunt und war vor Fassungslosigkeit wie gelähmt.

„Und das ist noch nicht alles“, antwortete die Stimme des unbekannten gut gekleideten Mannes, von dem sie noch nicht wusste, dass es sich um Dr. Jonathan How handelte. „Seht euch die Sonne an!“

Das tat Hexe. Die Sonne war inzwischen über den Horizont geklettert. Da sie wusste, dass es den Augen nicht gut tat, das Gestirn zu lange ungeschützt zu betrachten, wagte sie nur einen kurzen Blick. Aber der reichte aus. Auf dem sonst leuchtend gelben und gelegentlich auch rötlichen Himmelskörper gab es auf einmal eine schwarze, kreisrunde Stelle, als hätte jemand ein Stück aus der Sonne ausgestanzt und mitgenommen. Dieser schwarze Fleck war nicht viel größer als ein Zwei-Euro-Stück auf einer Wassermelone, und dennoch lief es ihr bei dem Anblick kalt den Rücken runter. Sie wusste sofort, dass es etwas mit derExplosion und der Ausbreitung des Knochenwaldes zu tun hatte. Davox hatte ihr genug über diesen Ort erzählt, um jeden Zweifel auszuschließen.

„Oh mein Gott, Hexe!“ hörte sie Bianca verblüfft schreien. „Ja, das mit der Sonne macht mir auch Angst“, antwortete sie sanft und so gefasstwie möglich. Wenn sie jetzt den Mut verloren, konnten sie sich auch gleich an den Ästen der Knochenbäume aufspießen.

Bianca schüttelte den Kopf. „Das meine ich nicht. Ich meine Dich.“

Diese Worte verunsicherten Hexe dann doch. „Mich? Was ist denn mit mir?“ fragte sie verwirrt.

In Biancas Augen lag ein Mitleid, das Hexe mehr Angst machte als die schwarz werdende Sonne. Ihre Freundin reichte ihr einen kleinen Handspiegel. Hexe sah hinein.

In diesem Spiegel sah sie eine Frau, die sie nicht kannte. Jedenfallsnicht so. Ihre dichten, roten Haare waren von zahlreichen grauen Strähnen durchzogen, und in ihrem zuvor noch glatten Gesicht hatten sich sichtbare Falten eingegraben. Anders ausgedrückt: Sie war um fünfzehn Jahre gealtert. Mindestens.

Knochenwald-Serie

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