MittelTod

Mein Spiel mit dem Tod

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

“Now, I am become Death, the destroyer of worlds.”

-Robert Oppenheimer

Der Tod kommt immer, wenn man ihn am wenigsten erwartet. Er
ist ungerecht, kalt, schnell und leise. Wie ein Meuchelmörder schleicht er sich
heran und greift zu, gerade wenn du dich sicher fühlst. So war es zumindest bei
mir. Ich hatte gerade mein, zugegeben verspätetes Studium als Ingenieur
abgeschlossen, einen gut bezahlten Job gefunden und war sogar in einer festen
Beziehung. Alles in allem fühlte ich mich beinahe unbesiegbar, vor allem, da
ich die längste Zeit davon überzeugt war, mein Leben sei wertlos, so sehr, dass
es mich fast in eine schwere Depression stürzte. Doch jetzt wurde mir das Gegenteil
bewiesen.

So zog ich also los, eines Abends, um meine neuen Erfolge mit
meinen Freunden und meiner Freundin zu feiern. Die Stimmung war gut, jeder war
glücklich, mich endlich wieder bei guter Laune zu sehen. Niemand konnte die
verhängnisvollen Ereignisse vorhersehen, die sich an diesem Abend zutragen
sollten. Der Alkohol floss maßlos, es wurde viel gelacht und gut gefeiert.
Doch, wie jedes Ereignis, musste auch dieser ein Ende nehmen. Wir
verabschiedeten uns und ich wollte losgehen, um mein Auto zu holen, das ich
einige Straßen weiter geparkt hatte.  Ich
war definitiv nicht mehr im Zustand, Auto zu fahren, doch dazu sollte es auch
gar nicht kommen. Ich setzte einen Fuß auf die Straße, meine Freundin noch
abgelenkt von einem Gespräch, das sie mit einem unserer gemeinsamen Freunde
führte.

Ich sah mich nur eine Sekunde zu spät um. Nur eine Sekunde
früher, und ich hätte den Nachtbus gesehen, dessen sichtbar übermüdeter Fahrer
das tonnenschwere Fahrzeug deutlich über der Höchstgeschwindigkeit hielt.
Natürlich fand er die Bremse nicht rechtzeitig. Es wäre auch zu schön gewesen.
Ich spürte einen kurzen, stechenden Schmerz, der sich vom Haaransatz bis in
meine Zehenspitzen zog. Ich spürte den harten, in der Nacht ausgekühlten
Asphalt, als ich nach einer gefühlten Ewigkeit auf der Straße aufschlug. Zu meinem Erstaunen verschwand der Schmerz
genauso schnell, wie er aufgetaucht war und als ich meine Augen öffnete,
stellte ich fest, dass ich bis auf zerrissene Kleidung und einige Schürfwunden
so gut wie unversehrt war. Glück gehabt, dachte ich, während ich vorsichtig
aufstand. 

In einiger Entfernung sah ich meine Freundin, die Wort- und
regungslos die Szene beobachtete. Ich grinste und winkte ihr zu, rief, dass es
mir gut geht und es keinen Grund zur Sorge gibt. Doch ich sah den Unglauben in ihren Augen,
die Verständnislosigkeit. Den Schmerz. Eine Träne lief ihr wunderschönes
Gesicht hinab. Ich wiederholte, dass ich unverletzt war und wollte wissen, was
los war. Keine Reaktion. Ich sah, wie die Liebe meines Lebens auf die Knie fiel
und einen Schrei ausstieß, der so viel Schmerz, so viel Leid beinhaltete, dass
er meine Seele erfrieren ließ. Hilfesuchend sah ich durch die Reihen meiner
Freunde und der schaulustigen Gruppe aus Passanten, die sich um das geschehen
gebildet hatte. Da sah ich ihn. Mitten in der Menge aus Fremden stand eine
Gestalt, gekleidet in einer langen, zerfetzten Robe, die Schwärzer war als die
Nacht selbst. Dürre, knochige Finger, an
denen nur noch fetzenweise verfaulte haut hing, klammerten sich um den langen
griff einer alten Sense. Als die Realisierung mich traf, wen, oder was, ich da
genau sah, war ich es, der an Ort und Stelle zusammenbrach.

Er sah so aus, wie man ihn aus jeder Geschichte kennt, bis
auf ein paar kleine Unterschiede. Man hört oft, das einen der Tod wie einen
alten Freund begrüßt. Das war nicht der Fall, obwohl ich zugeben muss, dass der
Anblick des Richters aller Richter mich mit einem seltsamen Gefühl der Vertrautheit
erfüllte. Die zweite Eigenschaft unserer Begegnung, die mir aus Geschichten
über das Ende unbekannt war, war die Musik. Eine einzelne Geige, begleitet von
einem sanften Piano. Sie war so leise und subtil, dass sie fast im Rauschen des
Windes in den Baumkronen unterging und, wäre die Welt um mich herum in diesem
Moment nicht verstummt, hätte ich sie höchstwahrscheinlich überhört. Die jenseitige
Melodie der beiden unsichtbaren Instrumente spiegelte auf eine unbeschreibliche
Weise genau den Schmerz wieder, den ich gerade in der Stimme meiner Freundin hören
musste. Bei dem Gedanken suchte ich sie mit meinen Augen und fand sie hinter
mir, meinen leblosen, verdrehten Körper in ihren Armen, während sich ihre
Tränen mit dem Blut auf der Straße und meiner Kleidung vermischten. Ich konnte
das Geschehen durch meine ebenfalls mit Tränen gefüllten Augen nur schwer
erkennen. Meine Beine trugen mich wie von selbst zu ihr. Ich wollte nichts
lieber, als sie in den Arm zu nehmen, ihr zu sagen, dass ich da bin und es mir
gut geht, und dass es keinen Grund zu weinen gibt, doch meine Arme glitten
durch sie hindurch, als wäre sie aus Luft und meine Worte stießen auf taube
Ohren. Ich schrie, schlug mit geballter Faust auf die Straße ein und verfluchte
Gott, den Teufel und alle, die zuhörten. Warum ich? Warum jetzt?

Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter, einen
Griff, der meinen Körper erstarren ließ. Auf einmal starrte ich direkt und im
wahrsten Sinne des Wortes dem Tod ins Gesicht. Tief schwarzer Nebel, der von
irgendwo unter seiner Kutte hervorquoll, wollte nicht zulassen, dass ich
erkenne, wer sich unter der Kapuze verbirgt. Das einzige Wort, dass ich mir in
diesem Moment mit letzter Kraft hervorbringen konnte, war; Warum? Der
Sensenmann schüttelte langsam den Kopf. Es sei nicht an ihm, das Warum oder das
Wann zu entscheiden. Seine Stimme war die eines Freundlichen, erfahrenen alten
Mannes und verstärkte dieses seltsam vertraute Gefühl in mir. Langsam verstand
ich, was die Leute mit dem Gefühl, einen alten Freund wiederzusehen, meinten.
Ich bestand darauf, dass es nicht fair war, dass ich das Leben verdiente, doch
wieder schüttelte mein mysteriöser Gesprächspartner den Kopf, merkte an, dass
Fairness wohl das letzte war, was man in dieser Existenz erwarten kann und
starrte nachdenklich in die Ferne. Obwohl ich sein Gesicht nicht erkennen
konnte, spürte ich in diesem Moment in seinem Blick die Jahrhunderte an
Weisheit und Erfahrung, die sich hinter dem Schleier aus Dunkelheit verbargen.
Mit dem Blick weiterhin in Richtung des Horizonts sprach er weiter und versicherte
mir, dass ich keine Angst zu haben brauche, dass es früher oder später so oder
so dazu gekommen wäre, doch ich wollte, nein, konnte es nicht einsehen. Ich
hatte doch noch so viel vor. Ich stand kurz vor einer Beförderung auf der
Arbeit. Verdammt, nicht mehr lange und ich hätte meiner Freundin einen Antrag gemacht.
Und nun sollte alles so enden? Das konnte ich nicht akzeptieren. Der Tod ließ
die Stille noch einen Moment verweilen, bevor er erneut eine Hand auf meine
Schulter legte und mich aufforderte ihm zu folgen. Ich sagte ihm, dass ich das
nicht tun könnte. Er versicherte mir, dass ich keine Wahl hatte. Ich atmete
tief durch und warf einen letzten Blick auf die Person, die die Welt für mich
bedeutete. Eine weitere Träne lief über meine Wange. Es tut mir leid, ich werde
dich vermissen, hauchte ich zu mir selbst, denn ich wusste, dass sie mich so
oder so nicht hören konnte.

Plötzlich veränderte sich etwas in der Luft. Eine Energie
ging von meinem Weggefährten aus, die ich erst nicht zuordnen konnte. Nun war
es so weit, dachte ich, nun würde ich in die Welt danach gebracht werden. Doch
ich lag falsch. Es war Mitleid. Beinahe war es so, als würde der Tod selbst Verständnis
zeigen. Dann machte er mir ein Angebot. Er
murmelte mit leiser, in Gedanken versunkener Stimme, dass es vielleicht eine Möglichkeit
gäbe, dem Nachleben zu entkommen. Sofort spitzten sich meine Ohren. Ich
verkündete, dass ich zu allem bereit wäre. Ich meinte, dass selbst wenn ich in
die Hölle fahren und den Teufel beigen müsste, ich dazu bereit wäre. Der
Sensenmann kicherte amüsiert und meinte, dass es viel einfacher war als das. Er
merkte an, dass ich ein Mann der Mathematik sei und erkundigte sich, ob das
stimmte. Eine Rhetorische Frage, natürlich, immerhin wusste er genau über mich Bescheid.
Trotzdem nickte ich. Tatsächlich konnte ich gut mit Zahlen umgehen, sonst hätte
ich das Ingenieursstudium unmöglich durchgehalten. So lud mich also der Vater des
Todes, der Sensenmann selbst, zu einer Runde Schach ein und als ich mich umdrehte,
stand da plötzlich ein Schachtisch. Dem Aussehen nach zu urteilen, musste er schon
Jahrhunderte alt sein; Die einst schwarzen Figuren waren zu einem kalten Dunkelgrau
verblichen und auch die Weißen, die anscheinend aus Elfenbein bestanden, hatten
einen kränklichen Gelbton angenommen. Das Brett selbst war von einer Staubschicht
bedeckt und die Farbe abgeblättert, sodass es gerade so noch gut neu zum Spielen
war. Eine Frage kam in meinem Kopf auf: Wie viele Leute haben schon versucht,
dem Tod zu entkommen? Und, noch viel wichtiger; Wie viele haben es tatsächlich geschafft?
Ohne weiter darüber nachzudenken setzte ich mich auf die Seite mit den weißen Figuren.
Es war immerhin meine einzige Möglichkeit, was nützte es also, Fragen zu
stellen?

Die Bedingungen waren einfach. Es würde ohne Zeit gespielt
werden, was natürlich eine Erleichterung für mich war. Wenn ich verlieren würde,
würde ich dem Tod folgen, ohne Wiederworte, wohin auch immer er mich bringen
wollte. Wenn ich aber gewinnen sollte, würde ich eine Möglichkeit bekommen, die
Welt danach zu umgehen. Das Wesen in der Kutte machte eine sanfte Geste mit der
Hand und der Staub verschwand wie von selbst vom Schachbrett. Tatsächlich sah
es wieder aus wie neu. Dies markierte den Anfang unseres Spiels.

Es war eine lange Runde. Ich habe schon öfter Schach gespielt,
doch dieses war mit Abstand das längste Spiel meiner gesamten Existenz. Natürlich
war es das, immerhin ging es hier um alles. Zuerst saßen wir Stunden da. Dann Tage.
Es mögen vielleicht sogar Wochen gewesen sein, ich weiß es nicht genau. Die
Zeit um uns herum stand still. Immer wieder fiel mein Blick auf meine eigene
Leiche und in die vom Verlust gezeichneten Augen meiner Freundin, die meinen
leblosen Körper genauso zärtlich und liebevoll in den Armen hielt wie an dem Tag,
an dem wir ganz offiziell zusammengekommen sind. Doch es raubte mir nicht die
Konzentration. Im Gegenteil, der Anblick erinnerte mich daran, wie wichtig es war,
siegreich von diesem Tisch aufzustehen. Bisher war ich immer der Meinung, dass
es nicht darum geht, wer bei etwas gewinnt, doch diesmal war es anders. Diesmal
musste ich gewinnen. So saßen wir da, starrten uns an und schwiegen. Ein gelegentliches
nicken als Antwort auf einen guten Zug war unsere einzige Kommunikation. Irgendwann
waren wir beide beinahe gleichauf in der Anzahl der geschlagenen Figuren. Dann
passierte es, der Tod machte etwas Unüberlegtes. Der eine Fehler, auf den ich
so sehr gehofft hatte. Er bewegte seinen König in die Ecke, genau in Reichweite
meiner Königin. Unglauben und eine scharfe Spannung erfüllte die Luft, als er
seinen Fehler bemerkte. Dabei kamen mir Zweifel. Würde ich den gesamten Zorn
der Unterwelt zu spüren bekommen, wenn ich ihn jetzt besiegte? Ich zögerte und
wartete eine Reaktion ab, doch der Scharfrichter saß einfach nur da und starrte
mich an, mitten in meine Seele. Langsam ließ ich die Figur über das Brett gleiten,
immer noch vorsichtig und aufmerksam. Ein Flüstern entkam meinem Hals: Schachmatt.

 So saßen wir da, regungslos, ohne Worte, für was sie wie ganze
Zeitalter anfühlte und starrten uns an. Hatte ich wirklich gewonnen? Erst jetzt
fiel es mir auf. Ich war ein Sterblicher, der gerade einmal 26 Jahre gelebt hatte.
Er war ein Übernatürliches, unsterbliches Wesen, das mehr Erfahrung als die
Menschheit zusammen hat. Wie konnte ich ihn besiegen? Hatte ich das wirklich? Es
dämmerte mir, dass dieses ganze Spiel ein Fehler gewesen war. Plötzlich schnitt
ein Kichern des Sensenmannes die Stille wie ein Messer. Erst ganz leise, kaum hörbar, doch immer lauter,
bis es zu einem höhnischen Gelächter anschwoll. Dann gratulierte er mir. Er beglückwünschte
mich zu meinem Sieg und versprach mir, dass ich ihm nicht in die Welt danach folgen
müsste. Er versprach mir, dass mich ein
tausendfach schlimmeres Schicksal erwarten würde, während er mir seine Sense in
die Hand gab. Ich verstand nicht. Plötzlich, mit einem Blinzeln, war der Schachtisch
verschwunden. Immer noch lachend dankte der Tod mir. Es sei weit über 600 Jahre
gewesen, seit er auf denselben Trick hereinfiel. Nichts hatte sich geändert,
denn wieder brachte ich nur die eine Frage hervor: Warum?

Meine Zeit sei gekommen, sagte der Tod, doch ich wollte mehr,
als mir zustand. Man nenne Gier ja nicht ohne Grund eine Todsünde, erzählte er
wie einen schlechten Witz. Auf einmal
zerfiel der Tod vor meinen Augen zu staub, der vom Wind aufgenommen und in alle
Richtungen verteilt wurde. Ich ging wieder einmal zu meiner Freundin, deren Tränen
nun weiter die tote Haut meiner ehemaligen Hülle benetzten. Ich streckte eine Hand
in ihre Richtung, wobei ich sah, dass meine Finger jetzt dünn, knochig und nur
noch fetzenweise mit fauligem Fleisch bedeckt waren. Am Arm hing der Ärmel einer
Robe, die schwärzer war als die Nacht. Ich wollte weinen, doch ich konnte nicht.
Keine Träne entwich meinen nun toten, kalten Augen. Es blieb nur eine unbeschreibliche
Kälte im Inneren. So nahm ich die Sense fest in meinen Griff und ging los, wohin
auch immer mein Schicksal mich bringen würde, begleitet von einer einzelnen Geige
und einem sanften Piano, deren jenseitige Melodie nicht einmal annähernd den Schmerz
wiedergeben konnten, den ich nun bis in alle Ewigkeit spürte. 

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