Melancholie
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
„Was für ein scheiß Wetter.“ Blassgrauer Rauch verließ den
Mund von Kommissar Treyard und waberte in Richtung der einzelnen Glühbirne an
der Decke. Slim drückte sich unterdessen gegen die, von einer altmodischen
Blümchentapete umgebene, Wand und versuchte dem schädlichen Rauch zu entgehen.
Ein sehr makabres Bild ergab sich dadurch. Als würde Slim versuchen sich vor
einem lebensgefährlichen Gas in Sicherheit zu bringen um nicht so zu enden, wie
die entstellte Frau in der Mitte des dreckigen Raumes. „Die Zigaretten werden
dich noch töten.“, sagte Slim und unterdrückte ein Husten. „Wie wäre es, wenn
du dich auf deine Arbeit konzentrieren würdest, anstatt mir auf die Nerven zu
gehen?“.
Tolle Idee. Als hätte Slim das nicht schon mehr als hundert
Mal gemacht. Doch alles in allem lieferte das Bild im Raum keinerlei
Informationen über irgendein Motiv eines berühmten Massenmörders oder
eifersüchtigen Ehemannes. Ein einfacher Gelegenheitsmord war dies auch nicht.
Es musste also andere Beweggründe dafür gegeben haben. Vier Frauenleichen waren
in den letzten zwei Wochen auf dieselbe Art und Weise verstümmelt in Portsmouth
aufgefunden worden. Sie alle hatten an einem weißen Kleiderständer gehangen und
Würgespuren aufgewiesen. Ihre blonden Haare waren allesamt schwarz verkohlten
Strähnchen gewichen und ihre Pulsadern waren mit präzisen Schnitten versehen.
Doch es hatte keinerlei Anzeichen von Kämpfen gegeben, was darauf hinwies, dass
sich die Frauen aus irgendeinem Grund geopfert hatten oder im Schlaf getötet
worden sind. Auch sonst hatte es nie wirklich irgendwelche Hinweise auf den
Täter gegeben, außer, dass er eine Vorliebe für blonde Frauen hatte und
vermutlich stark geistesgestört war. Es war ihm einerlei. Hauptsache er würde
Larissa nichts antun. Larissa war seine langjährige, wunderschöne Freundin und
ebenfalls blond, daher hatte er in diesem Fall einen besonders starken
Schutzinstinkt. Der Rest war ihm eigentlich egal. Harte Worte, aber es war nun
einmal so.
„Ich finde nichts. Es ist doch immer dasselbe. Der Täter
wird nicht aufzufinden sein.“, hallte Slims Stimme durch den leeren Raum.
Treyard hatte seine Kippe mittlerweile aufgeraucht und machte Anstalten sich
eine neue anzuzünden. „Das hören die hohen Tiere aber gar nicht gerne.“, sagte
Treyard durch seinen Schnauzer und steckte sich die Zigarette an. Slim stöhnte
auf und ging mit zwei großen Schritten zum einzigen Fenster im Raum um es zu
öffnen. Kalte Nachtluft füllte seine Lungen und befreite ihn kurzzeitig vom
allgegenwärtigen Gestank der giftigen Chemikalien, als er seinen Kopf in die Freiheit
steckte. Auch wenn die Zigarettenkonzerne sagten, dass Rauchen die Lungen vom
alltäglichen Smog befreien und die Produktion von Sperma anregen würde, würde
er trotzdem niemals mit dem Rauchen beginnen. Es stank einfach und das war
Grund genug es nicht zu tun. Wind streifte ihm durch seine blonden Haare und
hin und wieder traf ihn ein schwerer Tropfen des Regens, der schon seit Tagen
über Portsmouth herrschte. Die gedämpften Lichter der Stadt waren schon vor
zwei Stunden verloschen, nur das einsame und flackernde Licht der
Straßenlaternen lockerte die Ketten der Dunkelheit um Portsmouth ein wenig. Ein
sehr melancholischer Abend.
„Wir sollten der Spurensicherung das Feld überlassen, die
finden da bestimmt noch irgendeine wichtige Spur.“. Der Ton in Treyard´s Stimme
war unverkennbar. Er war enttäuscht ob der fünften Niederlage in zwei Wochen.
Ein Kippenstummel flog über Slims Kopf hinweg, hinaus in die kühle und
regnerische Nacht. Die Glut glomm ein letztes Mal auf, bevor ein Regentropfen
ihr kurzes Leben beendete. Wirklich sehr melancholisch.
Schwere Schritte entfernten sich in Richtung Tür. „Ich warte
unten am Auto auf dich. Beeil dich, ich möchte noch vor der Rush Hour zuhause
sein.“. Dass er um diese Uhrzeit noch etwas sarkastisches sagen konnte. Mit
einem lauten Knall flog die Tür hinter Treyard zu.
Slim schloss das Fenster und nahm sich seinen Trenchcoat vom
Haken neben der Tür. Schwerfällig zog er ihn über und verließ den Raum. Es war
so deprimierend mit Toten zu tun zu haben. Das Licht ließ er an, damit sich
nicht auch noch Ratten zum Tatort verirrten. Außerdem hatte es etwas
Melancholisches an sich. Alles heute hatte etwas Melancholisches an sich.
Das Klicken des Schlosses hallte beängstigend laut durch die
Stille des dunklen Treppenhauses, als Slim die Tür zum Tatort zu schloss. Die
Spurensicherung würde sowieso innerhalb der nächsten zwei Stunden kommen, bis
dahin würde niemand auf die Idee kommen in die alte Wohnung einzudringen.
Gerade als er ansetzte die ersten Stufen der Treppe zu nehmen bemerkte er im
Augenwinkel einen Schatten. Keine dunkle Gestalt, sondern nur den Schatten
eines Schattens einer dunklen Gestalt. Kurzzeitig verwirrt drehte sich Slim
nach hinten um und entdeckte eine zierliche Gestalt, wie sie das Treppenhaus
lautlos nach oben huschte. Ein leiser Fluch entzog sich seinen Lippen. Was
sollte er tun? Einerseits konnte er den Kommissar nicht mehr lange warten
lassen, andererseits: Was war, wenn das der Täter war, der seinem Opfer noch
einen letzten Besuch abstatten wollte? Das war seine Chance. Wenn er den Täter
festnageln würde, dann könnte er endlich in der Leiter der Polizeinahrungskette
aufsteigen. „Verdammt.“, fluchte er leise und folgte der Gestalt so leise wie
möglich nach oben.
Ein metallisch klingendes Klirren ertönte, als die große
Stahltür hinter ihm ins Schloss fiel. Kalte Nachtluft streifte durch seinen
Trenchcoat und Regentropfen durchnässten sein Haar. Er hatte die Gestalt eben
noch gesehen, wie sie auf das Dach des Ziegelbaus gehuscht war, doch jetzt sah
er absolut nichts mehr. Weder das Licht des Mondes drang durch die
dichten Wolken, noch schaffte es das Licht der Straßenlaternen bis nach hier
oben. „Scheiße!“. Er konnte sich diesen Ausruf erlauben. Schließlich war er
Polizist. Er durchwühlte die Taschen seines Trenchcoats nach seiner
Taschenlampe und fand sie dann auch nach einer gefühlten Ewigkeit. Während er
mit der einen Hand die Taschenlampe anschaltete, nahm er mit seiner anderen
Hand die CZ 72 aus dem Halfter. Nur zur Sicherheit. Der Lichtkegel der Taschenlampe
traf mehrfach beschlagene Antennen, die sich einen Spaß daraus machten
gruselige Schatten auf den eintönigen, grauen Boden zu werfen. Doch es gab
keine Spur von der Gestalt. „Verdammt!“. Immer wieder bewegte er den Lichtkegel
über das Dach und sogar über die umliegenden Häuserdächer der
Mehrfamilienbauten. Dann fiel ihm ein kleiner Zettel am Boden auf, der ihm
vorher noch nicht aufgefallen war. Zwei kurze Schritte und er stand über dem
kleinen Zettel, der gerade Anstalten machte buchstäblich vom Winde verweht zu
werden.
Wie ich mit Freude bemerke, hast du mich endlich entdeckt.
Ich hoffe dir gefallen meine Kunstwerke, denn ich schuf sie nur für dich.
Damit du dich an mich erinnerst.
In Liebe, Larissa.
Plötzlich traf ihn etwas Hartes am Hinterkopf und mit einem
starken Stoß kippte er über die Kante.
Hinab in die Dunkelheit.
Ein letztes Mal sah er das wunderschöne Gesicht von Larissa
unter der Kapuze hervorschauen.
Dann kam er mit einem lauten Knacken seines Genicks auf dem
Autodach des Polizeiautos auf, in seiner Hand immer noch der Abschiedsbrief.
Wirklich, ein sehr melancholischer Abend.