ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
2019.
Ein neues Jahr ist angebrochen. Mit diesem Jahr kam der Wind
der Veränderung. Vielleicht sogar sprichwörtlich. Wer weiß das schon. Sollen
die Forscher, die noch da sind, die Ursprünge ergründen, ich für meinen Teil, habe
gerade Besseres zu tun.
Beispielweise diese Zeilen hier, für die Nachwelt erhalten.
Keine Ahnung, ob das hier überhaupt jemals jemand lesen wird. Möglicherweise
leben wir schon morgen alle nicht mehr. Möglicherweise geht es für uns, die wir
noch da sind, ganz normal weiter. Die Zeit wird es zeigen.
Aber fangen wir am Anfang an. Oder besser, am Ende?
Das Jahr 2018 ging für uns völlig unspektakulär vorbei. Die
letzten Stunden, eines weiteren, vorbeiziehenden Jahres, verbrachte ich zusammen
mit meiner Frau, bei einem Spieleabend, während draußen vor unserem Fenster die
Welt unterzugehen schien. Ein witziger Vergleich, wenn man bedenkt, was kurz
darauf passierte…
Wer sich jetzt fragen mag, woher dieser Vergleich kommt:
Wenn ab achtzehn Uhr, nichts außer ohrenbetäubendem Lärm zu hören ist, wenn
eine Explosion die nächste jagt und der abendliche Himmel, noch bis in die
tiefe Nacht hinein mit gleißenden Lichtern erhellt wird, dann kann derjenige,
der seine Fantasie ein bisschen bemüht, durchaus zu der Überzeugung gelangen,
dass da draußen nicht gefeiert, sondern Krieg geführt wird. Was die
finanziellen Mittel, die dabei jährlich aufgewendet werden anbelangt, dürften sich
die Beträge ja auch in etwa mit denen für Kriegsmaschinerie decken. In solchen
Momenten fragt man sich wirklich, ob die Menschen dieser Erde nichts besseres
mit ihrem Geld anzufangen wissen.
Ok, ich übertreibe ein bisschen und ja, ich bin kein Fan von
Silvester, wie man vielleicht merkt. Weiter im Text.
Das Jahr 2018 ging also an uns vorbei. An meiner Frau noch
schneller als an mir, weil sie kurz vor Mitternacht eingeschlafen ist und somit
den größten Krawall schlichtweg verschlafen hat. Die Glückliche.
2019 fing nicht viel spektakulärer an. Erwähnenswert ist
wohl nur, die Stille, die seit den frühen Morgenstunden in den Straßen
herrschte. Keine Menschenseele vor den Fenstern zu sehen. Die einzigen
Anzeichen dafür, dass da draußen einmal Leben geherrscht hat, sind die
Überreste, diverser Raketen, Böller und so weiter. Mit anderen Worten. Es
sieht aus wie Sau…
Wir verbringen den Tag in trauter Zweisamkeit, schauen einen
Film, arbeiten an unseren Büchern, genießen die Stille. Die Außenwelt lassen
wir das sein, was sie ist: außerhalb von uns. Zumindest für diesen einen Tag,
lassen wir uns nicht von etwaigen Meldungen über die Welt da draußen stören,
sondern leben einsam und zufrieden in unseren vier Wänden.
Kein Wunder, dass keine Nachricht über das, was in diesen
wenigen Stunden geschah, uns erreichte…
Die Stunden zogen vorbei, es wurde langsam Abend und wir
entschieden doch noch einen kleinen Spaziergang zu machen. Ein wenig frische
Luft würde nicht schaden. Also, Schuhe an, Jacke an und los geht’s.
Wie zuvor stellen wir schnell fest, dass es immer noch
totenstill draußen ist, beinahe unheimlich. Das einzige was zu hören ist, ist
der sausende, eisig kalte Wind, der seit dem Anfang des Jahres über das Land
fegt.
Schweigend laufen wir nebeneinander her, schweigend genießen
wir den Moment der Ruhe und doch beschleicht mich die ganze Zeit dieses
seltsame Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Wir wohnen vielleicht
nicht in der belebtesten Gegend und ja, an Neujahr schlafen die meisten Menschen
erst einmal ihren Kater aus – wenn sie nicht gerade arbeiten müssen, die Armen –,
aber das uns den ganzen Weg über, niemand begegnete, erschien mir doch
irgendwann komisch.
Einige Meter weiter, pfeift der Wind so stark, dass er an
einer nahen Baustelle an einer Plane rüttelt und zerrt, so dass diese knackende
Geräusche von sich gibt, die die Stille zerreißt und mir noch einmal deutlich
macht, wie ruhig es sonst ist. Mir schaudert.
Wir laufen an Häusern vorbei, deren Fenster hell erleuchtet sind,
doch es scheint kein Leben in ihnen zu herrschen. Teilweise erstrahlt noch die
Weihnachtsdekoration, die jedoch nicht länger von Wärme, sondern von Einsamkeit
spricht. Später sollte ich erfahren, dass sie weitestgehend nicht erst an
diesem, sondern schon am Vortag eingeschaltet und nur nicht mehr ausgemacht worden
war.
Und dann dieser vermaledeite Wind!
Der Wind, der uns die Wärme aus dem Körper zieht, der den
Müll von den Straßen fegt, welche die Menschen wenige Stunden zuvor
hinterlassen haben, nachdem alles abgefackelt worden war, wofür sie ihr teures
Geld ausgegeben haben. Hoffentlich haben sie es genossen…
Bald schon wird es uns zu kalt. Fünfzehn, vielleicht zwanzig
Minuten waren wir unterwegs. Ich bin froh darüber, mich auf den Rückweg machen
zu können. Denn auch, wenn wir zwei oder drei einsamen Seelen begegnet sind,
die ebenfalls auf den Straßen wandelten, so drängt sich mir doch immer mehr das
Bedürfnis auf, aus dieser leeren Welt zu verschwinden und in die Sicherheit des
eigenen Heims zu gelangen.
Die Stadt ist wie ausgestorben. Ich will nicht länger ein Teil
davon sein müssen.
Doch zu Hause wird es nicht besser. Die Stille, sie ist mit
uns hinein gekommen. War sie vorher schon unheimlich, so ist sie jetzt nur noch
erdrückend, schwer und kaum zu ertragen. Der Wind pfeift unablässig draußen vor
dem Fenster, was die Sache nicht besser macht.
Um der Ruhe zu entfliehen, machten wir erstmalig an diesem
Tag den Fernseher an und erfuhren, von dem grausamen Schicksal, dass unsere
Welt eingeholt hatte. Die Nachricht wird über alle Kanäle, über die es noch möglich
ist, verbreitet.
Irgendwann im Laufe der Nacht nachdem das Jahr 2018 vorbeigegangen
war, sind unzählige Menschen einfach dahingeschieden. Bisher konnte kein genauer
Grund dafür festgestellt werden. Sie sind einfach eingeschlafen und nicht mehr
aufgewacht. Einzig Zahlen kursieren in unpräzisen Nennungen. Momentan sprechen
Experten von rund fünfzig Prozent der Weltbevölkerung. Vor wenigen Stunden
waren es noch vierzig…
Ich bin keiner dieser Experten, ich bin kein Wissenschaftler
und auch kein Arzt, aber ich sage, es war der Wind.
Der Wind kam über Nacht und hat diese armen Seelen mit sich
genommen. Hat sie aus ihren Körpern gerissen und die leeren Hüllen zurückgelassen.
Es ist der Wind der Veränderung. Die Frage ist nur, was wird er mit den Verbleibenden
machen? Noch weht er, noch pfeift er, noch zerrt er an unseren Leibern, macht uns
mit Gewalt bewusst, dass er es jederzeit wieder tun könnte. War es eine Lektion?
Eine Lehre der Natur, für uns Menschen, die wir sie geschändet und zerstört
haben, über so viele Jahre? Hat die Welt schlussendlich einen Schlussstrich
gezogen?
Wir werden es wohl nie erfahren. Das Einzige was bleibt, ist
uns zu fragen, wie wir jetzt fortfahren wollen. Was wollen wir, die wenigen,
die wir noch leben – ich schätze, die Zahl der Verstorbenen wird in den
nächsten Tagen auf mindestens achtzig Prozent steigen – mit uns anfangen? Ein Neuanfang?
Sollen wir es dem Wind gleichtun und Veränderung bringen? Oder wollen wir da
weitermachen, wo wir zuletzt aufgehört haben? Mit Krieg? Politischen Diskussionen,
wo allein Menschlichkeit gefragt wäre? Mit der Verschmutzung eines Lebensraumes,
der nicht einfach so ersetzt werden kann?
Die Zeit wird es zeigen. 2019 wird es zeigen.
Es ist Neujahr. Nie war ein Jahr neuer als jetzt.