ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Es gibt Geschichten, die dich verfolgen, auch wenn die Jahre vergehen. Sie haften sich an deine Seele, an deine Träume, und keine Nacht vergeht, ohne dass du an sie denkst. Die Morde von Bahlstedt sind eine solche Geschichte. Es ist eine Geschichte von Schrecken, Leid und einem Mann, dessen Name für immer in die Annalen der menschlichen Abgründe eingraviert bleiben wird. Es begann im November 1980. Jedes Jahr, zur ungefähr gleichen Zeit, wurden die Straßen der kleinen Gemeinde Bahlstedt von Angst erfüllt. Menschen wurden in ihren eigenen Häusern getötet, wahllos mit einem erkennbaren Muster. Die Opfer wurden alle mit einem Hammer erschlagen. Niemand hatte Hinweise oder etwas bemerkt. Der Täter schlug zu, wie ein unsichtbarer Schatten, ein Geist mit einem Hammer alsTodesinstrument. Es war ein schreckliches Mysterium. Die Gemeinde war ein ruhigerund sicherer Ort und plötzlich endete dieser Frieden an diesem einen Novembertag.
Es war der 19. November, ein Tag, der in die Geschichte von Bahlstedt eingehen sollte.Niemand hätte geahnt, welche Schrecken er mit sich bringen würde – am wenigstenReiner Janosch, der an diesem frostigen Morgen nichts weiter im Sinn hatte, als mit seinem Dackel Gassi zu gehen. Der Hund war unruhig, bellte unentwegt und zog an der Leine, als wolle er seinen Besitzer zu etwas Dringendem führen. Reiner folgte den Signalen seines treuen Begleiters und bemerkte bald den Grund für dessen Verhalten: Ein Körper lag regungslos am Straßenrand. Als Janosch nähertrat, traf ihn der Anblick wie ein Schlag. Die Frau – er kannte sie vom Sehen – lag in einer unnatürlichen Haltung, ihr Schädel grotesk zertrümmert. Der Schock schnürte ihm die Kehle zu. Doch Renate Müller, Mutter von drei Kindern und Angestellte der örtlichen Tankstelle, sollte an diesem Morgen nicht das einzige Opfer bleiben. Zur selben Zeit, nur ein paar Straßen weiter, fand eine junge Krankenschwester ihren Freund tot in ihrem gemeinsamen Haus vor. Kai Varsen lag leblos auf dem Wohnzimmerboden, sein Körper mit einer Grausamkeit zugerichtet, die jede Beschreibung sprengte. Das Fenster war eingeschlagen – der Täter hatte sich offensichtlich gewaltsam Zutritt verschafft. Weder Renate Müller noch Kai Varsen hatten Feinde, soweit irgendjemand wusste. Und doch endete ihr Leben auf solch brutale Weise. Die Ermittler gingen daher davon aus, dass in der Gemeinde irgendein Bürger Amok lief. Über die Mordfälle wurde landesweit berichtet und es gab einen großen Aufschrei.
Aus Bahlstedt wurde ein Ort der Angst, wo Eltern ihren Kindern nicht mehr erlaubten, alleine draußen zu spielen. Wo Frauen nicht mehr ohne Begleitung das Haus verließen. Doch leider wurde die Gemeinde auch in den Folgejahren nicht verschont von diesem Horror. Bis 1983 mordete der Täter immer wieder im Zeitraum vom 19. bis zum 25. November. Drei bis fünf Menschen starben pro Mordnacht. Es waren junge und ältere Menschen dabei, Verkäufer, Altenpfleger, Musiker. Die Polizei war überfordert und stümperhaft, und die Gemeinde verfiel in einen Zustand kollektiver Paranoia. Die Einwohner verhielten sich immer verrückter, sie schlossen ihre Fenster, riegelten ihre Türen ab – und warteten mit zitterndem Atem auf die nächste Tragödie. Viele verließen in diesem Zeitraum sogar die Gemeinde und übernachteten bei Freunden oder gingen in ein Hotel. Manche zogen ganz weg. Andere wiederum bewachten ihre Gegend und saßen mit Schusswaffen auf ihrem Balkon. Dennoch forderte das Grauen seine Opfer. Der Mörder schien wie ein unsichtbarer Schatten durch die Gemeinde zu ziehen, ungreifbar und unerklärlich. Niemand vermochte dieses grausame Phänomen zu begreifen. Bis 1983 war die Gemeinde nahezu verwaist: Von einst 10.000 Einwohnern waren nur noch 4.000 geblieben.
Ich, Sandra Grünberg, damals 32 Jahre alt und Privatermittlerin aus Hannover kam erst ein Jahr später dazu. Mein Job war mein Leben. Ich hatte kein richtiges Sozialleben und ich würde mich als Einzelgängerin bezeichnen. Meine Aufträge wurden von mir alleine bearbeitet, was ich nach diesem Fall sofort änderte. Früher versuchte ich mich als Romanautorin, doch das habe ich schon lange aufgegeben. Meinen metaphorischen Schreibstil habe ich mir aber nie abtrainiert, daher formuliere ich meine Texte immer in diesem gewohnten Stil. Ich wurde im Herbst 1984 von einer Frau namens Marie Ulrichs kontaktiert. Sie gehörte zu den ersten Hinterbliebenen, Frau Ulrichs war die Krankenschwester, die ich bereits erwähnt habe. Ihr Mann gehörte zu den Opfern der ersten Mordwelle. Marie war die erste Person, die ich jemals traf, in deren Augen sich unendliche Trauer und unbändige Wut zugleich spiegelten. „Mein Freund ist tot, Frau Grünlich. Und die Polizei hat nichts getan. Er lag in unserem Wohnzimmer, der Kopf…“ Sie brach ab, doch der Klang ihrer Stimme sagte schon genug, ohne etwas sagen zu müssen. „Ich will, dass Sie diesen Bastard finden. Finden Sie ihn – oder ich werde es tun.“ Ich konnte nicht ablehnen. Schon in diesem Moment hatte mich ihre Wut, ihr Schmerz und ihre Hoffnungslosigkeit in den Bann gezogen. Ich wusste, dass ich diesen Fall lösen musste, egal, was es mich kosten würde.
Anfang November 1984 kam ich nach Bahlstedt. Es war ein trostloser Ort. Die Straßen wirkten leergefegt und die Menschen vermieden Augenkontakt. Überall schien eine unsichtbare Last zu hängen. Ich quartierte mich in einer kleinen Pension ein und begann sofort mit den Vorbereitungen. Über Wochen platzierte ich Kameras in der ganzen Gemeinde – auf Straßenlaternen, in Bäumen, an Gartenzäunen. Ich wollte jedes Haus, jede Straße im Blick haben. Die Nächte waren still und bedrückend, als hielte der gesamte Ort den Atem an. Es dauerte nur noch wenige Tage, bis der 19. November auf dem Kalender stand. Ich trainierte mir bis dahin einen anderen Schlafrhythmus an. Die Nacht wurde zu meinem Tag. In dieser Zeit freundete ich mich mit einigen der Bürger an. Viele traf ich in dem Imbiss um die Ecke, das ein gutes Frühstück anbot. Auch wenn manche keine direkten Hinterbliebenen waren, so waren alle doch irgendwie betroffen. Sei es über Bekannte, die ihre Liebsten verloren haben oder durch die Angst, die überall zu spüren war. “Ich glaube, es ist ein böser Geist”, erzählte mir eine ältere Dame, die sich als Karina vorstellte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es sich bei dem Mörder um einen Menschen handelt. “Ein Mensch würde gesehen werden oder er würde deutlichere Hinweise hinterlassen”, fügte sie ihrer Theorie noch hinzu. Ein junger Mann namens Harald, der in seinen frühen 20ern gewesen sein musste, hatte eine noch verrücktere Idee, wenn man das so sagen kann. “Das ist ein Experiment der Regierung und es findet in unserer Gemeinde statt”, sagt er mir damals mit einem völlig ernsten Gesicht.
Natürlich hätte ich über diese Theorien schmunzeln können, aber ich war ja selbst ratlos. Diese Morde waren auch ein ungeklärtes Phänomen, das mehr Fragen als Antworten mit sich brachte. An den Tagen vor meinem Einsatz traf ich mich auch mit Marie Ulrichs. Ich erkannte schnell in unserem Gespräch, dass sie schon selbst recherchiert hatte. Sie lag auf den Tisch des griechischen Restaurants, in dem wir uns trafen, ein paar Fotos, auf dem etwas zu sehen sei. “Siehst du diesen Schatten?”, fragte sie mich mit einem hoffungsvollen Blick. Sie hatte ebenso viele Theorien und doch konnte sie nichts wirklich belegen. Auf ihren Fotos war wenig zu erkennen. Sie sah Schatten, weil sie Schatten sehen wollte. Hinter ihrem Engagement versteckte sich letztlich nur pure Verzweiflung und Wut. Sie tat mir leid und darum war mir wichtig, diesen Fall zu lösen. In meiner Laufbahn als Privatermittlerin hatte ich schon viele emotionale Fälle hinter mir, aber dieser Fall traf mich besonders hart. Ich wollte dieser armen Frau helfen. Ich erinnere mich noch an meine Nervosität, als ich am ersten Abend meinen Job anfing. Ich blickte hastig auf die zahlreichen Monitore vor mir. Ich hatte die ganze Gemeinde im Blick. Eine Genehmigung habe ich mir dazu nicht eingeholt. Frau Ulrichs berichtete, dass die Behörden dies ausdrücklich untersagten. Auch die Polizei zeigte deutlich, dass sie keine Einmischung in ihre Arbeit duldete. Doch ich war bei Weitem nicht allein mit der Überzeugung, dass man auf die Polizei längst nicht mehr vertrauen konnte. Es gab sogar Stimmen, die glaubten, dass die Beamten etwas zu vertuschen versuchten.
Die Nächte vergingen, eine nach der anderen, und mit jeder weiteren wurde meine Befürchtung größer, dass der Mörder in diesem Jahr nicht zuschlagen würde. Es war eine seltsame Mischung aus Erleichterung und Frustration, die mich in diesen Momenten überkam. Einerseits bedeutete es, dass vielleicht niemand mehr sterben müsste. Andererseits wäre es ein ernüchterndes Ergebnis gewesen, denn es hätte all meine bisherigen Mühen und schlaflosen Stunden ins Leere laufen lassen. Der Gedanke, dass sich die Ereignisse vielleicht einfach im Schatten des Vergessens verlieren könnten, ohne dass ich den Täter aufhalten konnte, machte mich fast wahnsinnig. Und es hätte nicht nur mich traurig gemacht – all jene, die durch diesen Schrecken ihre Angehörigen und ihren Glauben an die Gerechtigkeit verloren hatten, wären erneut im Stich gelassen worden. Und dann doch…. am 25. November sah ich ihn. Es war gegen 2 Uhr morgens, als eine Bewegung auf einer meiner Kameras meine Aufmerksamkeit erregte. Eine finstere Gestalt schlich durch die Straßen. Der Mann trug eine schwarze Ledermaske, die sich eng an sein Gesicht schmiegte, mit Löchern für die Augen. Das Leder glänzte im Mondlicht und schien beinahe mit seiner Haut verschmolzen zu sein. Er war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Ich starrte gebannt auf den Bildschirm, die Spannung in mir wuchs mit jedem Schritt, den der Mann machte. Er bewegte sich langsam und mit einer seltsamen Präzision, als wüsste er genau, wo er hinwollte. Die Dunkelheit schien ihn zu umhüllen, als ob er Teil der Nacht selbst wäre. Kein Geräusch drang durch die Stille, nur das entfernte Rauschen des Windes und das Klicken der Kameras, die jede seiner Bewegungen festhielten.
Es war seine schwarze Maske, die mir den Atem raubte. Sie hatte etwas Abartiges, geradezu Übernatürliches. Die Augenlöcher waren dunkel, aber nicht leer – es war, als ob etwas Kaltes und Bösartiges dahinter lauerte. Die Maske besaß keine Mundöffnung. In seiner Hand sah ich einen großen Hammer. In seiner Hand sah ich einen großen Hammer. Er war aus massivem Stahl, das Kopfstück glänzte in der Dunkelheit, als ob es von einer unsichtbaren Lichtquelle angestrahlt würde. Der Griff war lang und wirkte robust, aus einem dunklen Holz, das in der Nacht fast schwarz erschien. Der Hammer hatte eine unheimliche Präsenz, als ob er mehr war als nur ein Werkzeug – er schien ein Symbol für Gewalt zu tragen. In diesem Moment war ich mir sicher, dass dieser Hammer nicht zufällig Teil seiner Ausrüstung war. Er hatte einen Zweck, und dieser Zweck war unmissverständlich. Und bekannt. Der Maskierte stand dann einfach nur noch da, regungslos. Dann sah ich etwas sehr Merkwürdiges. Ein Mann, bewaffnet mit einer Schrottflinte, eilte in die Richtung der unheimlichen Gestalt. Es musste einer dieser Männer gewesen sein, die in der Gegend lebten und nicht einfach fortgingen, die ihre Heimat stets im Blick hatten. Sie gehörten zu den Personen, die sich wehren, wenn die Gefahr zu nah kam. Doch anstatt sich der Bedrohung gegenüberzustellen, geschah etwas völlig Unerklärliches: Der Bürger lief einfach an dem maskierten Mann vorbei, ohne ihn auch nur anzusehen. Er ignorierte ihn vollständig, als wäre die Gestalt in der schwarzen Maske gar nicht da.
Mein Kopf versuchte, das Gesehene zu begreifen, doch je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger ergab es Sinn. Wie konnte er einfach weitermarschieren, als ob der Maskierte einen unsichtbaren Schleier um sich trug, der ihn vor allem, was gefährlich für ihn werden könnte, schützte? Ich starrte auf den Bildschirm, als der maskierte Mann plötzlich die Stille durchbrach. Ohne Vorwarnung schlich er zu einem kleinen, abgelegenen Haus, lief an das Fenster und schlug mit einem gezielten, kraftvollen Schlag zu – das Glas zerbrach lautlos, als hätte es keinerlei Widerstand gegen den Ansturm des Hammers zu leisten. Dann verschwand er im Inneren des Hauses, als wäre er ein Schatten, der in die Dunkelheit gezogen wurde. Mein Herz raste, und der Schock lähmte mich für einen Moment. Doch dann reagierte ich instinktiv: Ich griff nach dem Telefon, die Hände zitterten, als ich die Nummer der Polizei wählte. In meinem Kopf drehte sich alles nur noch um eine Frage: Warum hatte der andere ihn einfach ignoriert? Ich starrte auf den Monitor, als vier Polizisten eintrafen. Doch was ich dann sah, wird mich für den Rest meines Lebens verfolgen. Die Beamten betraten das Haus mit äußerster Vorsicht und ihre Taschenlampen in den Händen, die schwachen Lichtstrahlen flackerten durch die Finsternis. Die Kamera an der Straßenecke zeigte, wie sie in das Haus verschwanden. Nun war es still…. Minuten später hörte ich Schreie – markerschütternd und voller Panik. Dann sah ich ihn wieder. Der Mann mit der Ledermaske trat aus dem Haus. Der Hammer in seiner Hand war blutverschmiert, Tropfen fielen auf den Boden. Er zerrte einen der Beamten nach draußen, dessen Gesicht nicht mehr zu erkennen war. Er hatte es mit seiner grausamen Mordwaffe zertrümmert. Der Mann lag reglos auf dem Boden, wie ein lebloser Körper, der nicht mehr zu retten war. Der zweite Polizist taumelte aus der Tür, doch der Maskierte war schneller. Mit einer unglaublichen Wucht schwang er den Hammer, und ich sah, wie der Schädel des Beamten in einem grotesken Winkel zurückschnellte, bevor er zu Boden fiel. Das schreckliche Geräusch des Aufpralls drang bis zu mir durch. Der Polizist fiel zu Boden, reglos, ein unnatürliches Hängen seiner Glieder deutete darauf hin, dass auch er nicht mehr am Leben war. Dann hörte ich Schüsse und beobachtete, wie der Mörder mit der schwarzen Maske zurück ins Haus lief. Es folgten Schreie. Schreie, die mich verstörten. Dann kam diese Bestie wieder nach draußen. Der Mann stand da, umhüllt von einer unheimlichen Stille, als ob er nicht einmal der Welt zugehörte. Er blickte auf die beiden leblosen Körper der Polizisten und dann, als ob er sicherstellte, dass niemand mehr lebte, verschwand er wieder in die Nacht, genauso schnell und lautlos wie zuvor.
Meine Hände zitterten. Wie konnte ein einziger Mann vier Polizisten töten? Ich rief erneut die Polizei und übermittelte ihnen alle Informationen, so präzise wie möglich, obwohl meine Stimme vor Angst zitterte. Die Bilder, die ich gerade gesehen hatte, ließen mich nicht los. Ich hatte große Angst, dass der Mörder wieder entkommen würde – dass er sich wieder in die Anonymität zurückziehen würde, ohne dass jemand ihn aufhalten konnte. Dies konnte ich nicht zulassen. Nicht nach dem, was ich gesehen hatte, was ich gezwungen war zu sehen. In einem Moment der Entschlossenheit griff ich zu meiner Pistole, die ich immer in der Nähe aufbewahrte, obwohl ich sie nie zuvor gebraucht hatte. Die kalte Metalloberfläche beruhigte mich in irgendeiner Weise, als ob sie mir ein Gefühl von Kontrolle zurückgab, dass ich in diesem Albtraum verloren hatte. Mein Herz schlug schneller, als ich die Tür öffnete und mich auf den Weg machte. Der Tatort war zum Glück nicht weit von meiner Pension entfernt. Es war eine kurze Fahrt, aber jede Sekunde schien sich zu dehnen, als wäre die Zeit selbst gegen mich. Der Gedanke, dass dieser Mörder noch immer irgendwo da draußen sein könnte, ließ mir keine Ruhe. Was, wenn er wieder zuschlug, bevor die Polizei ankam? Was, wenn ich die Einzige bin, der ihn aufhalten konnte? Fragen über Fragen. Gedanken über Gedanken. Ich versuchte, diese Gedanken zu ordnen, doch sie waren wirr. Die Dunkelheit um mich herum schien dichter zu werden, die Straßen verschwammen in einem Meer aus grellen Scheinwerfern und Schatten. Meine Hände hielten das Lenkrad fest, während mein Blick ständig die Umgebung absuchte. Ich konnte nicht aufhören, mich zu fragen, was ich tun würde, wenn ich ihm tatsächlich gegenüberstehen würde. Und ob ich überhaupt in der Lage war, das zu tun, was nötig war. Als ich ankam, war die Straße totenstill. Die Körper der Polizisten lagen reglos da, Blut bildete dunkle Pfützen auf dem Asphalt. Im Inneren des Hauses fand ich die Leichen eines alten Ehepaares. Sie saßen auf ihrem Sofa, doch ihre Körper waren in grotesken, unnatürlichen Positionen verkrampft. Ihre Gesichter waren kaum noch zu erkennen, so zertrümmert waren sie – ein Anblick, der sich für immer in mein Gedächtnis brennen würde. Der Hammer hatte seine Spuren hinterlassen, so brutal und ohne Gnade. Der Raum war erfüllt von einer unheimlichen Stille. Der Boden war übersät mit Glasscherben und Blut. Die Wände waren teilweise bespritzt, als hätte der Mörder den Raum mit einem unvorstellbaren Maß an Gewalt überflutet. Überall lagen verstreut die Überreste des Hauses, zerbrochene Möbelstücke, zerrissene Vorhänge, als ob der Täter den gesamten Raum mit einer einzigen, wilden Geste in Chaos verwandelt hatte.
Ich atmete schwer, versuchte, meine Fassung zu bewahren, doch der Anblick war unerträglich. Ich wusste, dass der Mörder noch irgendwo da draußen war, und der Gedanke, dass ich vielleicht als Nächstes dran sein könnte, ließ mein Herz schneller schlagen. Aus der Küche hörte ich einen schwachen, verzweifelten Hilferuf. Ein Zittern durchfuhr mich, als ich mich in die Richtung des Geräusches bewegte. Dort lag einer der Beamten, schwer verwundet und im Sterben. Sein Körper war vom Kampf gezeichnet, seine Uniform zerrissen, und sein Gesicht war bereits so zugerichtet, dass es kaum noch menschliche Züge hatte. Die Augen waren halb geöffnet, voller Schmerz, doch sie versuchten verzweifelt, etwas zu erkennen. Neben ihm lag sein Kollege, er war ähnlich zugerichtet, aber schon tot. Er keuchte, als er versuchte, ein letztes Mal etwas zu sagen. Ich kniete mich neben ihn, in der Hoffnung, ihm irgendwie helfen zu können, doch er hatte längst das Leben verlassen, das in ihm gebrannt hatte. Doch dann, fast flüsternd, vernahm ich seine Worte: „Da war niemand. Da war niemand. Unsichtbar. Unsichtbar.“
Seine Stimme war schwach, kaum mehr als ein Hauch, aber die Bedeutung seiner Worte drang tief in mein Bewusstsein. „Unsichtbar.“ Die Vorstellung, dass der Mörder oder die Gefahr nicht sichtbar war, dass sie sich der menschlichen Wahrnehmung entziehen konnte, jagte mir einen eisigen Schauer über den Rücken. Ich blickte auf das zertrümmerte Gesicht des Polizisten und konnte in seinen Augen noch immer den Ausdruck von Entsetzen erkennen. Ich wollte ihm helfen, doch es war zu spät. Der junge Polizist war tot. Plötzlich hörte ich ein tiefes, gleichmäßiges Atmen. Ein kaltes Prickeln lief über meinen Nacken, und ich drehte mich um – und da war er, ich konnte ihn sehen! Der Mann mit der Ledermaske stand in der Tür! Er stand einfach da, still, sein Blick hinter der Maske war wie ein leeres Vakuum, das keine Menschlichkeit mehr kannte. Für einen Moment konnte ich nicht atmen. Jeder Muskel in meinem Körper war wie gelähmt, gefangen in der Präsenz dieses unheimlichen Wesens. Doch dann setzte er sich in Bewegung, langsam, mit einem unheilvollen, bedrohlichen Schritt. Es war, als wäre er das selbstverständliche Ende meiner Geschichte, das unausweichliche Ende der Jagd. Ich griff sofort nach meiner Waffe, hob sie mit zitternden Händen und drückte ab. Die Schüsse hallten durch den Raum und die Kugeln schnitten die Luft und trafen ihn mit einem dumpfen Geräusch. Doch er hielt an, als hätten die Kugeln ihn nicht berührt. Er zuckte nicht zusammen, zeigte keine Spur von Schmerz. Die Wirkung der Schüsse war gleich null. Er stand einfach da. Er kam näher, seine Schritte leise und doch effizient. Der Hammer, der in seiner Hand glänzte, schien zu einer Erweiterung seines Körpers zu werden, als er ihn mit einer unfassbaren Geschwindigkeit schwang. Der Aufprall traf meine Hand mit einer solchen Wucht, dass ich die Waffe nicht mehr halten konnte. Sie flog aus meinen Fingern. Ein brennender Schmerz durchzog meinen Arm, stechend und lähmend. Mein Griff lockerte sich, und ich sank fast zu Boden, als das Blut aus meiner Hand floss und in roten Tropfen auf den Boden tropfte. Der Schmerz war überwältigend. Ich befürchtete, dass ich nicht mehr in der Lage sein könnte, ihm zu entkommen.
Doch ich rannte an ihm vorbei. Adrenalin trieb mich durch die Straßen von Bahlstedt, während ich seinen Schritten hinter mir lauschte. Ich konnte seinen Atem hören, dieses tiefe, raue Keuchen hinter der Maske. Es war, als verfolgte mich kein Mensch, sondern etwas, das jenseits davon war – ein Dämon, ein unaufhaltsames Wesen aus meinen Albträumen. Ich schrie um Hilfe, immer und immer wieder. Ich hatte Todesangst, wie nie zuvor. Nun hätte ich eines der Opfer des Mörders von Bahlstedt werden können. Die Straßen schienen unendlich, die Gebäude verschwammen, alles war nur noch ein grauenvoller Tunnel aus Angst und Entsetzen. Doch ich rannte weiter, immer weiter, obwohl jede Faser meines Körpers nachgab. Der Schmerz in meinen Beinen, das Brennen in meiner Lunge, all das war nichts im Vergleich zu der brennenden Furcht, die mich in diesem Moment quälte. Und der stechende Schmerz in meiner Hand war auch noch ein Teil dieser grauenvollen Erfahrung. Hinter mir vernahm ich immer noch leise das Atmen und die Schritte des gestörten Mörders. Hoffnung, diesen Albtraum zu überleben, fand kaum noch Platz.
Doch dann sah ich in der Ferne Blaulichter. Eine ganze Polizei-Einheit war eingetroffen. Bestimmt 15 Beamte stiegen aus den Dienstwagen. Sie nahmen mich wahr, dort, mitten auf der Straße, keuchend und blutüberströmt. “Das ist er, das ist er”, schrie ich zu den Beamten. Dann bekam ich von einer Polizistin die Frage, die mich verwirrte: “Wen meinen Sie?”. Ich drehte mich um und da war er immer noch. “Könnt ihr ihn nicht sehen? Könnt ihr nicht sehen”, schrie ich. “Nein, wo”, erwiderte die Beamtin. Kurz bevor der Mörder mit der schwarzen Maske mir an den Hals fiel, warf ich ihm meine leere Pistole an den Kopf. Tatsächlich nahmen die Beamten hinter mir wahr, dass die Waffe von irgendwas in der Luft abgeprallt war. Die Polizistin schrie sofort: “Gehen Sie weg da!” Mit einem kurzen Aufschrei, hüpfte ich mich hastig zur Seite und schmiss mich rechts zu Boden, in den Schutz der dunklen Straßenecke. Die Polizisten eröffneten sofort das Feuer. Ich sah, wie bestimmt 30 Kugeln auf den maskierten Mann trafen. Und dann fiel er zu Boden. Der Boden unter ihm zog sich blutrot zusammen, und für einen Moment atmete ich auf. Der Schreck, der sich in meinem Magen eingenistet hatte, ließ ein winziges Stück Hoffnung aufkeimen. Der maskierte Mann war zu Boden gefallen.
Der Mörder lag reglos da, umzingelt von den Beamten, die ihre Waffen auf ihn richteten. „Er ist nicht tot!“, brüllte jemand, und ich konnte die Panik in seiner Stimme hören. Ich blickte auf, und meine Augen weiteten sich, als ich den Körper des maskierten Mannes beobachtete. Er atmete. Er atmete immer noch! Der Mörder bewegte sich nicht mehr, seine Hand hielt keinen Hammer mehr. Doch trotz der 30 Kugeln, die in seinen Körper eingedrungen waren, war er immer noch am Leben – wie konnte das sein? Was war dieser Mann? Was war er wirklich? Die Polizisten zogen den maskierten Mann schließlich auf die Füße, wobei sie ihn mit Handschellen fesselten. Zwei Beamte hielten ihn fest, während ein dritter mit einem weiteren Schuss in die Luft die Situation absicherte. Trotz seiner Verletzungen, die ihn hätten töten müssen, konnte niemand sich sicher sein, dass er nicht doch wieder zuschlagen könnte.
Mit zitternden Händen brachten sie ihn zu einem der Dienstwagen, wo er auf den Rücksitz gezerrt wurde. Ich konnte kaum fassen, was geschehen war. Meine Beine gaben nach, und ich ließ mich auf den kalten Boden sinken. Der Schmerz in meiner Hand und der tiefe, schneidende Schmerz in meiner Brust, den ich bis dahin weitestgehend ausblenden konnte, wurden plötzlich untragbar. Ich hörte, wie eine Polizistin sich zu mir beugte, ihre Worte verschwammen in meinem Kopf, als sie mich beruhigte. Ein weiterer Beamter war bereits bei mir, als der Rettungsdienst gerufen wurde. Minuten später war der Krankenwagen da, und zwei Sanitäter trugen mich schnell auf eine Trage. Sie versorgten meine Hand, doch der Schmerz in meiner Brust ließ mich kaum atmen. Sie fragten mich immer wieder, ob ich bei Bewusstsein war, doch meine Antworten waren brüchig. Die Lichter des Krankenwagens flackerten, als er sich in Bewegung setzte. Im Krankenhaus wurde ich sofort behandelt, mehrere Ärzte kamen, um mich zu stabilisieren, während man mir die Wunden nähte und mich mit Schmerzmitteln versorgte. Die letzte Erinnerung, die mir blieb, war der erleichterte Gesichtsausdruck eines Arztes, der zu einer Krankenschwester sagte: “Endlich haben sie ihn. Endlichen haben sie ihn”.
Hatten die Einwohner von Bahlstedt recht und es handelte sich wirklich um einen Geist? Das kann ich heute verneinen. Er ist ein Mensch… aus Fleisch und Blut. Sein Name war Tom Pörsten, ein 37-jähriger Bankkaufmann aus dem kleinen Ort Oldenhausen, nicht weit entfernt von der Gemeinde. Unter der Maske war sein Gesicht unscheinbar, recht freundlich. Die Fernsehaufnahmen, die ich später sah, gaben ein völlig anderes Bild von ihm ab. Ohne die Maske wirkte er tatsächlich sympathisch, sogar recht attraktiv. Man konnte sich kaum vorstellen, dass ein Mann wie er zu solch grausamen Taten fähig war. Diesen Eindruck hatte ich auch während der Gerichtsverhandlung. Tom Pörsten kann sich bis heute nicht an seine Taten erinnern. Er berichtete, dass er über die Jahre hinweg immer wieder in der Novemberzeit Blackouts hatte – er verlor Zeit, ganze Tage schienen zu verschwinden. Dier Richter konnte mir nicht glauben, als ich behauptete, dass er für andere unsichtbar war. Leider hatte ich meine Aufnahmen nicht gespeichert. Ein schwerwiegender Fehler. Doch ich habe die furchtbare Befürchtung, dass er darauf auch gar nicht zu sehen gewesen wäre.
Die Wahrheit über Tom Pörsten war ebenso grausam wie die Morde, die er begangen hatte. Er war ein gewöhnlicher Mann – ein Bürger wie jeder andere. Er zahlte seine Steuern, hatte einen gut bezahlten Job und wurde von den Menschen um ihn herum gemocht. Bis zum Jahr 1979. Ab diesem Zeitpunkt änderte sich alles. Seine Eltern, mit denen er heute keinen Kontakt mehr hat, drängten ihn zu einer Therapie. Tom Pörsten stammte aus einer strenggläubigen Familie, für die das Thema Homosexualität mit Sünde und Abscheu verbunden war. Er wurde zu einem Opfer der sogenannten Konversionstherapie, einer pseudowissenschaftlichen Praxis, die ihm helfen sollte, seine Homosexualität „zu heilen“. Ein Konzept, das heute als gefährlich und zutiefst schädlich gilt. Die Therapie schien zunächst erfolgreich zu sein, denn seine Zuneigung zum gleichen Geschlecht verschwand scheinbar. Er begann Beziehungen mit Frauen und baute ein Leben auf, das der Gesellschaft entsprach – zumindest nach außen hin. Doch was anfangs wie eine „Heilung“ aussah, entpuppte sich als die Zerstörung seiner Psyche. Was diese sogenannten Therapeuten ihm angetan haben, ließ ihn in einem Zustand zurück, in dem er nicht mehr der Mensch war, der er einmal war.
Irgendetwas hatten diese Pseudo-Psychologen mit ihm gemacht – etwas, das tief in seinem Inneren eine Dunkelheit weckte, die zuvor nicht da gewesen war. Vielleicht war es nicht nur die Verleugnung seiner sexuellen Orientierung, sondern auch die brutale Art, wie er gezwungen wurde, seine wahre Natur zu unterdrücken, die ihn zerstörte. Der Schmerz, den er in dieser Therapie erlebte, konnte vermutlich nie wirklich geheilt werden. Es war eine gewaltsame und traumatische Umgestaltung seiner selbst, die tiefe Narben in seiner Seele hinterließ. Er erinnerte sich nur noch bruchstückhaft an die Therapie – an die kalten Räume, die unangenehmen Gespräche und die quälende Überzeugung, dass er für seine Gefühle in irgendeiner Weise „verurteilt“ war, dass irgendwas mit ihm “falsch” war. Den Ort und die Therapeuten konnte er nicht mehr benennen. Seine Eltern wussten nicht, in wessen Hände sich ihr Sohn begab. Von deren Seite aus gab es keine hilfreichen Informationen. Als der Richter ihn fragte, ob er sich an den Zeitpunkt erinnerte, wann genau die Therapie begann, antwortete er nur schwach: „November. Es muss im November gewesen sein.“ Jedes Jahr, im Monat November, dem Monat, in dem die Therapie stattfand, verwandelte sich Tom Pörsten in das, was wir in Bahlstedt erleben mussten: dem Mörder mit der schwarzen Ledermaske. Dieser Monat schien ihn zu einem anderen Menschen zu machen – einem Wesen, das er selbst nicht mehr kontrollieren konnte, da er nicht mehr wirklich bei Bewusstsein war. Die psychische Folter, die Zerstörung seiner Identität, die er während der Konversionstherapie durchlebte, ließen eine Dunkelheit in ihm erwachen, die ihn jedes Jahr aufs Neue überkam. Es war, als ob der November für ihn ein Tor war.
Tom Pörsten wurde in eine streng gesicherte Psychatrie für Schwerverbrecher eingewiesen. Er wird diese Einrichtung niemals verlassen. Die Experten waren sich sicher, dass er an einer psychischen, unbekannten Krankheit leidet. Doch mir war das zu oberflächlich. Wieso terrorisierte er Bahlstedt, warum tötete er mit einem Hammer und warum war er unsichtbar für andere? Was ich mit absoluter Gewissheit sagen kann, ist, dass dieses unvorstellbare Grauen in direktem Zusammenhang mit der Konversionstherapie steht. Homophobie ist eine hässliche und ernsthafte Krankheit der Gesellschaft, die oft in den tiefsten Schatten rückt. Statt seiner Homosexualität nachzugehen, wandte er sich dem Mord zu. Unbewusst, wie ein unkontrollierter Impuls. Etwas in ihm wurde während dieser Zeit im November freigesetzt. Ein Mechanismus, der ihn in eine Bestie verwandelte, die tief in ihm verborgen war, doch nie hätte zum Leben erwachen dürfen. Die tiefe Homophobie seiner Familie und der Gesellschaft, die ihn umgab, haben das geschaffen, was heute als Ledermasken-Mörder bekannt ist.
Heute erfährt man nicht mehr viel über Tom Pörsten. Weder ich noch die Presse erhalten irgendwelche neuen Informationen über ihn. Die Behörden, die ihn einst festnahmen, haben ihn völlig abgeschottet, und er lebt heute in völliger Isolation. Es scheint, als wolle man jede Spur von ihm in den Schatten stellen. Er wird von der Gesellschaft nahezu ausgelöscht, wie ein schmutziges Geheimnis, an das sich niemand mehr erinnern will. Doch trotz dieser Versuche, ihn aus dem öffentlichen Gedächtnis zu tilgen, hat Tom Pörsten eine seltsame Art von Unsterblichkeit erlangt. Er ist zu einer lebenden Legende geworden – dem berüchtigtsten Serienkiller der Welt. Sein Name ist überall bekannt, auch wenn niemand genau weiß, was aus ihm geworden ist. Manche sagen, er würde in einem geheimen Gefängnis leben, abgeschirmt von der Außenwelt, andere flüstern von mysteriösen Verlegungen in geheime Einrichtungen. Doch das alles ist nichts mehr als Spekulation. Was jedoch unbestreitbar bleibt, ist die Tatsache, dass die schwarze Ledermaske, die er trug, heute ein Symbol für Mord und Totschlag ist. Sie ist mehr als nur ein Gesichtsschutz – sie ist das Markenzeichen eines Albtraums, der in den Köpfen der Menschen weiterlebt, als wäre er nie verschwunden.
Der Anblick dieser Maske ruft heute Angst und Entsetzen hervor, und sie ist in der Öffentlichkeit längst zu einem unverkennbaren Symbol für das Böse geworden. Filme, Bücher und Dokumentationen haben das Bild des maskierten Mörders weltweit verbreitet, sodass seine Geschichte in jeder Ecke der Erde bekannt ist. Und doch bleibt die wahre Geschichte von Tom Pörsten ein Mysterium. Aber ich denke, dass hinter diesem Fall mehr steckt, als das Werk eines Wahnsinnigen…
Warum konnte ich ihn sehen und andere nicht? Eine Frage, die sich heute immer noch stellt? Schon vor diesem Fall setzte ich mich für die Rechte von Homosexuellen ein. Es war mir immer ein großes Anliegen, auf die Ungerechtigkeiten hinzuweisen, die Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung erfahren. Meine Schwester ist lesbisch, und ich konnte hautnah erleben, wie sie in ihrem Alltag immer wieder ausgegrenzt wurde. Arbeitskollegen, die sie zunächst respektvoll behandelten, fingen plötzlich an, sie zu meiden oder sogar abfällig über sie zu reden, sobald sie von ihrer Sexualität erfuhren. Sie musste sich unzählige Male mit feindseligen Bemerkungen und Blicken auseinandersetzen, die sie in ihrem täglichen Leben immer wieder demütigten. Auch von sogenannten „Freunden“ erlebte sie Abweisung. Es waren keine kleinen, zufälligen Vorfälle, sondern ständige, subtile und offene Anfeindungen, die sie mit sich herumschleppte. In ihrem beruflichen Umfeld war es besonders schlimm. Als sie sich schließlich traute, sich zu outen, verlor sie mehr als nur die Unterstützung ihrer Kollegen – sie verlor ein Stück ihres Lebens, das sie in Sicherheit und Vertrauen verbracht hatte. Viele wandten sich ab, so als wäre ihre sexuelle Orientierung ein Verbrechen, das sie für immer von der Gemeinschaft ausschloss. Ich konnte nicht tatenlos zusehen, wie meine Schwester, die so ein großartiger Mensch ist, aufgrund ihrer Identität in einer Gesellschaft leiden musste, die nicht einmal bereit war, sich mit ihrer eigenen Intoleranz auseinanderzusetzen. Diese Erlebnisse, ihre Schmerzen und die Unverschämtheit, mit der sie behandelt wurde, gaben mir den Antrieb, mich stärker für die Rechte von Homosexuellen und für eine Gesellschaft einzusetzen, in der Akzeptanz und Respekt an erster Stelle stehen. Es war nie einfach, den Blick in ihre Augen zu sehen, wenn sie sich von jemandem verletzt fühlte, von dem sie nie erwartet hätte, es zu tun. Doch diese Erfahrungen, sowohl ihre als auch meine, schärften mein Bewusstsein für die Ungerechtigkeit und die tief verwurzelte Homophobie, die immer noch allgegenwärtig sind. Außer ich, hat keiner ihren Schmerz….. gesehen. Für die meisten Menschen war dieses Leid unsichtbar. Die Gesellschaft schlug mit der Wucht eines Hammers auf diese Minderheit ein.. Aber ich denke, ich schweife ab….
Der Grund, warum ich diesen Bericht nach all den Jahren verfasse, ist, weil ich nach einer Person suche: Marie Ulrichs. Heute weiß ich: Sie war eine Lügnerin. Sie gab sich als jemand anderes aus. Ihr angeblicher Freund Kai Varsen hatte nie eine Freundin! Wer war diese Frau also? Ich hatte nach der Verhaftung von Pörsten nie wieder Kontakt zu ihr. Auch die Adresse, die sie mir für die Rechnung gab, existierte gar nicht. Woher wusste sie von mir? Warum hat sie gerade mich gebucht? Ich würde nicht sagen, dass ich besonders berühmt bin, deswegen bin ich darüber verwundert. Es gab auch nichts Ungewöhnliches, als ich mich mit ihr in dem Restaurant traf. Da war nur die Servicekraft, dieser alte Mann an dem Tisch neben uns, der seinen Kaffee trank und dieser Jungen mit seinem Rauhaardackel, der etwas entfernt von uns saß. Um die Mordfälle von Bahlstedt rangen sich heute noch viele Mythen und Legenden. Besonders im Internet gibt es dazu etliche Theorien. Aber sie alle haben keine Ahnung. Ich bin die einzige Augenzeugin von den paranormalen Phänomenen, von Pörstens Unsichtbarkeit. Darum wird mich dieser Fall wahrscheinlich noch bis zu meinem Lebensende begleiten. Aber ich habe eine neue Hoffnung: Ich habe Marie Ulrichs gesehen! Sie war in der Zeitung auf einem Foto zu erkennen, der über einen Amoklauf in Groß Steinrot berichtete. Nun wird diese Gemeinde, die auch in Norddeutschland zu verorten ist, mein nächstes Ziel. Ich werde die Leute dort befragen und hoffe, endlich Antworten zu finden.
Hinter der schwarzen Ledermaske verbarg sich nicht nur ein gequälter Homosexueller, der von einer pseudowissenschaftlichen Therapie psychisch zerstört wurde. Hinter dieser weltberühmten Maske lauerte etwas weit Dunkleres, etwas, das sich unserer Vorstellungskraft entzieht. Etwas Böses, das wir uns nicht erklären können – und ich bin überzeugt, dass es nichts Menschliches war.
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Geschrieben von Torge Meyer (Bitte immer erwähnen)
Diese Geschichte kann auch aus der Sicht eines Mannes vertont werden. Die Erzählerin darf einen anderen, männlichen Namen erhalten.