
Schietwetter
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Zwischen Nordsee und Land lag ein brüchiger Frieden.
Die Fronten, sie lagen durch Deiche beschieden.
Sie schliefen erschöpft einen Schlaf ohne Ruh,
Von oben sah friedlich ein voller Mond zu.
Sein Licht schien auf Dörfer und Felder im Land,
floß still wie die Nordsee auf Dünen und Strand.
Kein Wind ging, es war eine friedliche Nacht
Und oben am Deich, hielt der Deichgraf die Wacht.
„Hört her, Bürger. Höret, schlaft sicher und fest,
weil der blanke Hans heut uns den Frieden lässt.“
Der christliche Priester hatte uns gewarnt. Immer wieder. Sein Gott, so rief er den Händlern und Bürgern der Stadt zu, er sähe auf unser unheiliges Treiben und er würde es nicht mehr lange dulden. Heidnisches Treiben nannte er es, wenn er mit seinem Kreuz in der einen Hand, und sein heiliges Buch in der anderen Hand vor seiner Kirche stand und sich über die Händler ereiferte, die der alten Sitte folgten. Sie lachten ihn aus und winkten ab wenn sie ihn predigen hörten. Warum sollten sie einem Mann folgen, dessen Gott am Kreuz gestorben war? Wie schwach war sein Gott, wenn er sich foltern und kreuzigen ließ? Warum sollten sie einem Gott folgen, der seinen eigenen Sohn sterben ließ? Thor hingegen, er kämpfte in vielen Welten gegen Riesen und Monstren. Er war ein starker Gott. Er ließ sich nicht in Tempel einsperren und seinen toten Körper anbeten. Und Odin, sein Vater, würde nie zulassen, dass Thor getötet würde. Nicht einmal Loki würde er dem Tod überlassen.
Die Predigten des christlichen Priesters verfingen nicht bei den Menschen. Nur die Häuptlinge und Fürsten hatten sich von dem alten Mann taufen lassen, weil es ihnen neue Handelsrouten auf dem Festland eröffnete. Doch insgeheim riefen auch sie bei Sturm und Regen den Namen Odins in den Wind.
Aber der Priester war unruhig geworden in den letzten Wochen. Er lief besorgt in der Stadt auf und ab, sah aufs Meer und oft sah man ihn murmeln und Selbstgespräche führen. Sein Gott hätte mit ihm gesprochen. Er sei unzufrieden mit den Menschen der Siedlung, weil sie nicht den wahren Glauben angenommen hätten, sondern weiter ihren altern Göttern opferten. Schon bald, so warnte er, schon bald würde großes Unheil über uns kommen. Einige wenige ließen sich von ihm taufen. Doch unter den Seefahrern, den Pelz- und Tuchhändlern machte sich Unmut breit. Sie mochten es nicht, dass er ihre Götter so abfällig besprach. Auf der stürmischen See und in den tiefen Wäldern des Nordens waren die alten Götter stark und niemand wollte zu einem Leichnam am Kreuz beten. Niemand wollte, dass der alte Priester sich abfällig über die Götter äußerte und so fand sich bald eine wütende Menge am Häuptlingssitz ein und forderte, dass der Priester zur Vernunft gebracht würde.
Der Häuptling, selbst ein getaufter Mann, lud den Christen vor die aufgebrachte Menge, wo er seine unheilvolle Prophezeihung wiederholte. Gott sei unzufrieden und wütend auf die Menschen hier, weil sie nicht an ihn glaubten. Und er würde ein Unheil schicken, wenn sich die Menschen nicht an seine Gesetze hielten.
Die Christen versetzte das in Unruhe und Sorge und so beschloss der Handelsrat und der Ältestenrat, dass ab sofort alle heidnischen Riten und Bräuche bis auf weiteres verboten waren. Der Deich sollte verstärkt werden und ein Deichgraf wurde ernannt, der die Arbeiten überwachen sollte. Gerhard, ein schweigsamer, ernster Mann bekam die Ehre und nahm sie auch an. Er war fortan dafür verantwortlich, für die Stabilität des Deichs zu sorgen.
Die heidnischen Händler brachen daraufhin ihre Zelte ab und verließen wütend die Stadt. Es war abzusehen, dass bald Schiffe mit Kriegern kommen würden, denn eine Schmähung der Götter konnte nicht ungesühnt bleiben.
Die wenigen Verbliebenen, die noch der feinen Sitte folgten, durften ihre Zeremonien nurmehr im Verborgenen abhalten. Die Stadt war von nun an christlich und das Markttreiben erstarb. Doch was machte das schon?
Die Stadt war reich geworden über all die Jahre. Die Menschen litten keine Not. Ihre Häuser waren warm, ihre Vorratsräume gefüllt und es gab Salz und Pfeffer in den Küchen. Und Sonntags ging man in die Kirche, in der der Priester weiter Unheil und Tod beschwor. Sein Gott wollte die Vernichtung der Siedlung, rief er von der Kanzel. Weil wir sündig wären. Weil wir vom rechten Wege abgekommen wären. Weil die Weiber dem Manne befählen und Unzucht in den Straßen getrieben würde. Gold und Gut wären den Menschen wichtiger als Demut vor Gott und die Erlangung der Erlösung. Ein Unheil würde die Stadt heimsuchen.
Wir nahmen es hin und hörten es an. Doch insgeheim schmunzelten wir darüber.
Doch dann begann es.
Ein Boot landete an. Es kam aus dem Norden. Der Himmel war grau und es regnete. Nur ein einzelner Mann war darin. Er hatte einen grünen Umhang an und trug einen Hut mit breiter Krämpe. Eine Augenklappe verdeckte sein Auge und er stützte sich auf einen langen Stab. Er kam an Land und ging langsam durch die Stadt. Regenschauer folgten ihm. Und er ging langsam auf die Kirche zu. Die Bürger der Stadt standen stumm auf der Straße und wagten kein Wort zu sagen. Gewiss war man seltsame Gestalten gewohnt. Doch von ihm ging etwas ernstes, starkes und ehrwürdiges aus.
Draußen auf dem Meer grollte Donner.
„Er ist es.“, raunten die Menschen. „Der Sturmbringer.“
„Fimbultur.“
„Der Heervater.“
Sie hatten zwar den christlichen Glauben angenommen, doch der alte Weg war noch stark in ihnen. Sie hörten die Trommeln und Hörner noch in sich, wenn sie an die Götter dachten. Und nicht wenige fielen auf die Knie und verdeckten die Augen vor Scham, als der Alte an ihnen vorüberging.
„Der Speerträger.“
„Der mit dem breiten Hut.“
„Allvater.“
Ich schwöre, er sah mir in die Augen, als er an mir vorüberging. Ich habe ihn gesehen, wahrlich. Ich war dabei. Und es erschauerte mich tief in meiner Seele. Eine tiefe Gewissheit über das Seiende, weitergegeben durch Generationen von Müttern, deren Blut durch meine Adern fließt. Konnte es sein? War er es? Odin selbst? Oder war er nur ein alter Seemann, der um Obdach nachsuchte?
Der Alte ging durch die Gassen der Stadt und die Menschen sahen ihm schweigend nach. Als er an der Kirche ankam, schlug er mit seinem Stab drei Mal gegen die Holztür. Der Priester öffnete und erstarrte, als er seine Schafe stumm im strömenden Regen stehen sah, wie sie den Wanderer anstarrten.
„Wer bist du, alter Mann? Kommst du zum Gebet?“, fragte er laut und lächelte den Mann im Regen an.
Der Alte schwieg und hob seinen Stab. Als er ihn auf den Boden schlug, zuckte ein Blitz vom Himmel und schlug ins Kirchendach ein. Der Donner, der folgte, war so heftig, dass die Menschen schrien und sich zu Boden warfen. Als sie wieder aufsahen, war der Alte verschwunden und die Kirche stand in Flammen. Der Priester lag im Regen vor der Kirche auf dem Boden und hatte den Kopf in den Händen vergraben. Er hatte die alten Götter herausgefordert und sie waren gekommen um Rache zu nehmen.
Und dann begann der Sturm. Der Himmel war schwarz und finster. Wie Wölfe jagten die Wolken über den Himmel und schütteten kalten Regen auf die Straßen und verwaisten Handelsplätze. Die Menschen flüchteten in ihre Häuser und während die einen zu den alten Göttern beteten, flehten die anderen ihren Herrn Jesus Christus an, den Sturm vorüberziehen zu lassen.
Der Wind heulte durch die Gassen, zerrte an den Dächern, drückte sich gegen die Wände und rüttelte an den Fensterläden.
Als würden die Sturmriesen durch die Stadt ziehen.
Blitze zuckten und Donner grollte.
Doch der Deich hielt.
Der Sturm nahm in den folgenden Stunden an Stärke zu. Und als die Menschen ihr Vieh in die Häuser holten, sahen sie, wenn Blitze übers die Stadt gleißten, Gerhard, den Deichgrafen auf dem Erdwall stehen der die Stadt umgab und aufs Meer hinausblicken. Das Meer peitschte gegen den Erdwall. Die Flutheere drückten gegen ihn und der Sturm hämmerte gegen die Häuser der verängstigten Christenmenschen, die sich in ihnen aneinanderdrängten und beteten.
Stundenlang brüllte der Sturm. Und der Regen sickerte durch die Reetdächer.
War es das Unheil, dass der Priester den Bürgern angekündigt hatte? Die Strafe Gottes, weil die Menschen nicht gottgefällig genug waren? Oder war es die Rache der alten Götter, weil die Menschen sie vergessen und verraten hatten? Sie, die die Menschen Jahrtausende geschützt und geleitet hatten? War das ihre Rache an dem Christengott und den Christenmenschen?
Der Regen hatte den Brand der Kirche gelöscht. Der Priester jedoch sammelte sein Kruzifix und die Hostien ein, nahm seine Bibel und eilte auf die Häuptlingswarft um in der Häuptlingshalle Schutz zu suchen. Die Häuptlingswarft, der Erdhügel, auf dem die Halle stand, war der höchstegelegene Punkt der Stadt.
Was für ein Feigling. Anscheinend hatte nicht einmal er genug Vertrauen in die Macht seines Gottes oder war selbst so gottlos, dass er den Zorn seines eigenen Gottes fürchtete und beim Häuptling Schutz suchte. Die Menschen sahen es und waren in Sorge. Doch der Deichgraf stand weiter fest auf dem Deich und wankte nicht im Sturm. Das gab uns allen Sicherheit.
Der heulende Wind drückte weiter Regen in die Stadt und das Wasser stand stellenweise Knöcheltief in den Straßen und Häusern. Die Sturmflut drückte gegen den Deich. Noch hielt er. Doch in der Nacht, niemand wusste zu welcher Stunde, erscholl das Horn des Deichgrafen und schlug Alarm. Es gab erste Risse im Deich.
Die Menschen eilten zu ihm, Eimer und Schaufeln in der Hand und sie erstarrten, als sie auf den Deich kamen. Die Nordsee war schwarz. Der Wind zerrte kalt an den Kleidern und im Zucken der Blitze sahen wir, wie die Nordsee aufgewühlt, mit hochschlagenden Wellen fast bis zur Deichkrone reichte. Das Meer war gekommen und es griff nach der Stadt. An einigen Stellen peitschte die erste Gischt über die Deichkrone. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Deich brechen würde.
„Wir müssen den Wall verstärken.“, rief Thorwald, der Handwerksmeister. „Wir können hinter dem Deich einen Graben ausheben und mit der Erde den Rumpf verstärken und die Krone erhöhen.“
Doch der Deichgraf schüttelte den Kopf und deutete auf die rauchende Kirche. Wir alle wussten, es waren die Götter oder Gott und kein Deich der Welt konnte sie in ihrer Wut aufhalten. Und wir alle wussten was das bedeutete.
„Wir müssen den Deich segnen und unter den Schutz der Götter stellen.“, befand er und die älteren Menschen, die noch mit der feinen Sitte aufgewachsen waren, nickten. Sie wussten was das bedeutet. Sie wussten, dass man die Felder im Frühling mit Milch segnet. Dass man das Vieh im Herbst segnet, indem man es zwischen gewaltigen Feuern hindurchtreibt. Dass man den Hausgeistern und Kobolden Opfergaben bringt, um sie milde und günstig zu stimmen und sie wussten auch, wie man den Deich segnet.
Und so fiel die Wahl auf Lüttje Björn. Einen blonden, liebenswerten und immer gut gelaunten, dicklichen Jungen, dem Sohn des Hafenmeisters.
Man zerrte ihn unter den Schreien und dem Wehklagen seiner Mutter aus dem Haus hinaus in den Regen, während sein Vater, ein gläubiger Christ, auf Knien vor dem Deichgraf lag und um Gnade flehte.
Doch es half nichts. Auch er musste einsehen, dass die Lage dramatisch war. Das aufgewühlte Meer drohte jederzeit über den Deich zu brechen und dann war die Stadt verloren. Es musste sein.
Der Sturm nahm weiter an Kraft zu. Blitze zuckten über die wütende Nordsee und Donner brach sich an den Häuserwänden.
Man hub ein Loch auf der Deichkrone aus. Lüttje Björn sah zu und verstand nicht, was das bedeutete. Doch schon bald wurde ihm eine große Ehre zuteil. Er würde die Stadt und die Menschen vor der Sturmflut bewahren, indem er den Deich sicherte.
Als das Loch ausgehoben war, bedeutete man dem Jungen, sich an dessen Rand zu knien und brav wie er war, befolgte er die Aufforderung lächelnd. Seine Mutter schrie auf, als man dem Knaben einen Schlag auf den Kopf versetzte, so dass er benommen und verwirrt zusammenbrach.
Man stieß ihn, noch lebend, in die Grube und Regen fiel auf ihn. Gerhard, der Deichgraf, schnitt sich mit einem Messer in die Hand und sein Blut tropfte auf Björn.
„Möget ihr Götter diesen Deich segnen und standhaft machen. Möge kein Sturm ihm je wieder gefährlich werden.“, schrie er, die Arme erhoben, in den Wind. „Möge sein Opfer den Deich stark und sicher machen und Björn, der Knabe, einen Platz in Odins Halle finden! Nie wieder sollen die Asen und Wanen in dieser Stadt beleidigt werden.“
Und mit Segenssprüchen an die Götter wurde die Grube zugeschüttet, in der er benommene Junge unter der nassen Erde als Deichopfer qualvoll erstickte. Er wand sich verzweifelt in der nassen Erde, versuchte sich freizugraben, doch von oben wurde weiter Erde auf ihn geschaufelt. Angst überkam den Jungen während er starb. Aber es war für eine gute Sache. Für das Überleben der Stadtbewohner.
Es war getan. Den Göttern wurde ein Opfer dargebracht. Der Sturm würde vorüberziehen und die Menschen würden ihrem normalen Leben nachgehen.
Langsam graute ein fahler und düsterer, sturmgepeitschter Morgen.
Und dann zerriss ein unendlich langer Blitz die das Zwielicht und erleuchtete den wilden, aufgepeitschten Himmel und die tosende See und in der Ferne sahen die geschockten Menschen eine riesige Welle, einen Kaventsmann auf den Deich zurollen.
Das Opfer kam zu spät.
Als sich die Welle vor dem Deich auftürmte und vor der Insel brach, stürzten Wassermassen auf die Deichkrone ein und rissen den Deichgrafen und die Bürger der Stadt von den Beinen und schwemmten sie, nach Luft japsend in die Siedlung. Die Wucht der Riesenwelle war so stark, dass sie ein Stück aus dem Deich riss und die Leiche des kleinen Björn vor die Kirche schwemmte.
Der Zorn der Götter hatte den Deich gebrochen. Sie wollten die Stadt nicht verschonen.
Die nächste Sturmboe drückte die Wassermassen der Sturmflut gegen die Lücke im Deich und die kalten, salzigen Wasser fraßen sich einen Weg in die Stadt. Erst ein kleines Rinnsal. Dann stürzte die Nordsee auf die Häuser zu und nahm sich mit kalten Zähnen, was immer sie erreichen konnte.
Die Menschen rappelten sich auf und rannten schreiend zur Häutlingswarft, der höchsten Erhebung der Stadt. Sie brachen die Tür zur Halle auf, kauernten sich in die Ecken des Hauses und wer nicht hineinkonnte, klammerte sich von außen an die Halle und sah im dämmernden Tag, wie die Sturmflut in die Stadt brandete und die ersten Häuser der Stadt verschlang. Sie brachen zusammen und Menschen flüchteten sich auf die Dächer. Das Vieh ertrank in der eiskalten See.
Die Nordsee spuckte das Deichopfer wieder aus und spülte die Kinderleiche an die Warft des Häuptlings, als das Wasser sie erreichte. Die Stadt war gefallen.
Die Häuser, auf deren Dächern die Menschen Schutz gesucht hatten, brachen zusammen und verschwanden mit einem Schreien und Wehklagen in den brodelnden Fluten.
Dann, ganz plötzlich, verstummte der Sturm. Es war beinahe ruhig. Kein Ton. Kein Mensch sprach. Der Priester, der bis zu dem Moment beim Häuptling am warmen Feuer gesessen hatte, fiel auf die Knie und stimmte das Vaterunser an. Die Christenmenschen sammelten sich um ihn und stimmten in das Gebet ein.
Als er beim Amen angelangt war, zerriss ein Ohrenbetäubender Donner den Morgen und der Sturm holte erneut Atem, um stärker und gnadenloser zum finalen Angriff zu blasen.
Unser Schicksal war besiegelt.
Rungholt war gefallen.
Die Sturmflut nahm sich die Häuptlingswarft und riss beinahe alle Menschen in einen kalten, eisigen Ertrinkungstod. Ein Schreien und Entsetzen schwoll an, als die Wellen die Halle erreichten und nach den ersten Menschen griffen. Das Schreien schwoll an und wurde zu einer Panik, als wir begriffen, dass es keinen Ausweg mehr gab, als den Tod. Und es verebbte in einem Gurgeln, als die Menschen ertranken. Dann war alles still. Nur der Wind pfiff über die Warft.
Welche Götter nun letzten Endes Rache nahmen, sie schickten ihre Opfer auf den Grund einer kalten, dunklen See.
Wie ich gerettet wurde…ich weiß es nicht. Und wie viele Tage ich auf einem Holzbalken trieb, bis ich an die Küste getrieben wurde und von euch gnädigen Menschen ins Warme gebracht wurde, ich weiß es nicht. Doch, so wahr ich hier vor euch stehe, ich schwöre vor allen Göttern dieser Welt: Als ich aufs Meer hinausgerissen wurde, läuteten hinter mir, in der versinkenden Stadt die Kirchenglocken.
Rungholt liegt jetzt auf dem dunklen Grund der Nordsee und die Geister der Toten gehen jetzt in den Häusern ein und aus. Welche Götter an uns Rache genommen haben? Ich weiß es nicht. Auch nicht, warum ich überlebt habe. Doch ich sage euch: Lästert die Götter nicht, wenn ihr nicht an einem sicheren Ort seid. Und lästert sie nicht, wenn ihr eure Deiche nicht gesegnet habt.
Wenn ihr draußen, wo Rungholt war, Kirchenglocken hört, dann flieht.
Denn dann kommt ein Sturm.