Schuldbekenntnis Wolkentief – Vierter Akt
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
VIERTER AKT
ERSTE SZENE
Studierzimmer des Barons
—
Baron, Musikanten, Hermann, Antonia
(Licht ist noch aus)
MUSIKANTEN:
(spielen Mozarts „Rondo Alla Turca“ auf der Violine)
(Lichter gehen nach und nach wieder an)
BARON:
(sitzt an seinem Schreibtisch und ist über einige Zettel vertieft)
Nun werden wohl die feinen Herren, wohlgeschult in Gottesfurcht und Ethikfragen, nach der Antwort darauf dursten, inwiefern solches Wissen nützlich ist; welchem Sinn es folgt, einen Menschen vollkommener Fremdbestimmung zu unterwerfen, derer er sich selbst nicht bewusst ist. Um darauf zu antworten, bedarf es Mut, denn nicht jeder ist Mann genug um zuzugeben, welcherlei Absichten man damit verfolgen könnte. Ich persönlich denke dabei an Marionettenspielereien im Sinne des Macchiavellismus. Machen wir Könige zu unseren Sklaven, machen wir die Welt zu unserer Welt. Frei von Krieg und Blutvergießen würden wir fortan für unsere Interessen kämpfen … kein preußischer König muss jemals alle deutschen Lande erobern, wenn sie sich ihm alle unterordnen. Kein Soldat muss im Kriege sein liebes Leben lassen … französische Kaiser werden unsere blanken Sohlen küssen, und liebreizende Mädel unsere Arne füllen. Hinfortgeküsst die Prüderie, ohne jemals Lippe auf Lippe legen zu müssen … ach wie mächtig jener, der den Verstand so gut studiert wie ich. Meine Werkzeuge sind unsichtbar, doch verändern sie Verstand wie Seele einem Künstler gleich, der mit Hammer und Meißel aus Marmor Leben schlägt. Bewusst, einem Plan folgend, stets das Rechte nur im Sinn … eine neue Ära der Diplomatie und Machtpolitik. Nicht der Heilige Gral der Königskunst, doch an Macht nicht zu unterschätzen. Ferner gilt zu bedenken, dass diese …
HERMANN:
(stolpert tapsig auf die Bühne und unterbricht jäh den Baron) Hochwohlgeboren, mein Herr … jemand ersucht Eure Audienz.
BARON:
(blickt grimmig auf) Wer will mich in meiner Arbeit stören? Ihr wisst doch wohl, dass ich um diese Zeit mit meinen Forschungen beschäftigt bin … wer kann denn so wichtig sein, mich hierbei unterbrechen zu wollen?
HERMANN:
Welchen Ranges Euer Besucher ist, kann ich nicht vom Gesichte ablesen. Es handelt handelt es sich um eine hochgewachsene Frau mit wallendem flammenden Haar, kunstvoll gebunden, mit tiefen Augen und einem glänzenden Kleid aus weinrotem Stoff, violette Stickereien überall … es wirkte äußerst kostbar.
BARON:
(Grimmigkeit weicht aus seinem Gesicht, steht auf und stellt sich zum Diener)
HERMANN:
Sie sprach mit einem interessanten Akzent … es könnte Spanisch sein. Eine Stimme klar wie die Wellen, und so tief wie die See.
BARON:
So nennt mir ihren Namen! Von ihrem Exterieur werde ich mich schon noch selbst überzeugen können!
HERMANN:
Sehr wohl Hochwohlgeboren. Sie stellte sich vor als Señora Antonia Leonor Álvarez de Saberón, in einem sehr flüssigen Deutsch, und wartet momentan in der Eingangshalle. Soll ich nach Ihr schicken lassen?
BARON:
(überrascht) Nach ihr schicken lassen? Lauft und holt sie her, so schnell Euch eure Beine tragen können. Schickt daraufhin nach dem besten Wein aus meinem Keller, und bringt davon einige Flaschen in meine Privatgemächer. Gebt der Küche darüber Bescheid, heute für eine zusätzliche Person kochen zu müssen, und weist sie an, so zu kochen als käme der König persönlich zu Speis und Trank vorbei. So eilt Euch, eilt Euch!
HERMANN:
Sehr wohl Hochwohlgeboren. (geht laufend von der Bühne ab)
BARON:
(lehnt sich aufgeregt an seinen Schreibtisch und gibt den Musikanten ein Zeichen)
MUSIKANTEN:
(stoppen abrupt in ihrem Spiel. Einer setzt sich an das Piano, der andere verbleibt mit der Violine. Beginnen damit, Beethovens “Mondscheinsonate” zu spielen)
ANTONIA:
(tritt nach einiger Zeit ein und schmiegt sich, bevor sie Anstalten macht, den Baron zu begrüßen, mit geschlossenen Augen der Musik an)
BARON:
(nähert sich an) Du kommst unerwartet, doch nicht unwillkommen. Herzlich willkommen in meiner bescheidenen Residenz (küsst ihre Hand) Was verschafft mir die Ehre deiner Anwesenheit? Erst vor einigen Stunden habe ich einen Brief an dich aufgesetzt, in dem ich mich nach deiner Gesellschaft verzehre …
ANTONIA:
(schmiegt sich weiterhin der Musik an, öffnet die Augen nur leicht) Du kennst mich, Randolf. Ich weiß vieles schon vorher als die Meisten, und setze mich daher schon früher in Bewegung. Ich spüre die Zukunft, und reise bereits in der Vergangenheit, um stets zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Das hast du doch nicht vergessen, oder? Zumindest meine Liebe für Beethoven hast du nicht vergessen … einen schöneren Klang als diesen wird wahrlich kaum jemand Anderes mehr erzeugen können.
BARON:
Damit magst du wohl Recht haben. Doch beantwortet dies nicht meine Frage nach dem Grund deines Erscheinens … oder hast du euch einfach nur so sehr nach meiner Gegenwart verzehrt?
ANTONIA:
(kichernd, die Augen vollkommen öffnend) Etwas von allem, etwas von allem, mein Liebster. Ich kam für die Schönheit deiner Festung, die Ruhe dieser Wälder … und natürlich auch die Zärtlichkeit deiner Worte und Hände. (küsst ihn inbrünstig) Doch ebenso komme ich aus Gründen, die meinem Innersten entsprungen sind. (aufgeregt) Visionen, mein Liebster, Visionen! Und ich weiß, dass auch du sie hattest!
BARON:
(überrascht) Ja, tatsächlich hatte auch ich einige Visionen, ich schrieb davon in meinem Brief an dich … was meinst du: Sollen wir dies bei einem kleinen Spaziergang durch meine Gärten näher erörtern? Für unser leibliches Wohl wird bereits gesorgt, und Karaffen voll Wein gedeihen zwischen Blumen und Bäumen am besten. Wollen wir sie etwa unnötig warten lassen? (hält ihr seine Hand hin)
ANTONIA:
Ein verlockendes Angebot … etwas Anderes hätte ich von dir allerdings auch nicht erwartet. Nun denn, gehen wir, mein lieber Freund. Sprechen wir etwas … für Bauchtänzeleien haben wir noch später reichlich Zeit … (nimmt seine Hand und geht gemeinsam mit ihm von der Bühne ab)
ZWEITE SZENE
Kerkerzelle der Gefangenen
—
Johann, August und Wilhelm (Stimme)
JOHANN:
(kauert auf den Boden herum, und wirft verzweifelte Blicke durch die Luft)
(jammernd) Die Dunkelheit um mich herum, die mich vorher noch mit Wut und Fluchtesdrang erfüllte, lässt nun nichts Anderes als Furcht und Elend in mein armes Herz hinein. Was für ein Narr ich war … ich lernte nicht aus den Worten eines Lahmen, und schlug aus Zorn einen Diener Gottes nieder, weil er mir die Wahrheit brachte; ich lästerte über seine Ideale, seine Einstellungen, und nun sitze ich hier, im Vorhof zur Hölle, und habe flehend dem Herrgott mein Leid geklagt. Die Erkenntnis führte mich zu dem, was ich vorher ächtlich verschmäht, doch nichts veränderte sich an meiner Lage. Ob Gott mich wohl verlassen hat? Jene, die ihm zuwider handeln, haben nichts als seine Rache zu erwarten, für sie ist seine Gnade längst verglüht. O Heiligkeit, ich bin wahrlich verloren.
AUGUST:
(hinter der Bühne, nur die Stimme ist zu hören) Wahrlich, das seid Ihr. Ihr verschmähtet meine Worte, und schlugt mich für meine Botschaft, tratet meine Weisheit mit Füßen …
JOHANN:
(überrascht) August? Seid Ihr das? Ja, ich habe Euch mit Zornesklauen gezeichnet, und nun erst bemerke ich, in welche Abgründe es mich hinabgestoßen hat.
AUGUST:
Damit habt Ihr recht. Eure Narretei hat Euch zu dem gemacht, zu diesem elendigen Häufchen, das gerade kauernd vor mir liegt. Ihr wart zu stolz dazu, euer Schicksal zu akzeptieren … und doch erwartet es Euch, unablässig, unverändert.
JOHANN:
(verzweifelt) Es war die Angst … die Angst hat mich zu solcher Schandtat hingetrieben. Meine Reue ist unendlich, ich war nichts als ein Sklave meiner Triebe … nichts als ein Spielball dieser erdrückenden Dunkelheit.
AUGUST:
Das mag wohl stimmen. Doch sollte das eure einzige Entschuldigung sein, so habt Ihr nichts gelernt. Niemand außer Gott kann Euch nun noch vergeben … doch diese Chance habt Ihr schon vertan, bevor Ihr jemals diese kargen Mauern betreten habt. Eure Amnesie entschuldigt nichts von euren Taten, und Ihr wart von Anfang an verdammt. Ebenso wie ich, und ebenso wie Wilhelm. Ihr beiden wart zu blind, jenes zu erkennen … und die Furcht, die Ihr fühlt, ist nichts als ein Ergebnis dieser Entwicklung.
WILHELM:
(hinter der Bühne, nur die Stimme ist zu hören) So hört bloß nicht auf ihn, er selbst ist nichts als ein Sklave seines Glaubens, seiner beschränkten Wahrnehmung. Ich wusste die ganze Zeit über, dass ich nicht für das verantwortlich bin, was mir von diesen Folterknechten vorgeworfen wurde, und bis zum Ende habe ich nicht daran. Ihr seid nichts als ein opportunistischer Feigling, der seine Stimmung je nach Lage verändert, ohne aktiv etwas schaffen zu wollen. Und trotz jmeiner lahmen Beine stehe ich nach wie vor aufrechter als Ihr.
JOHANN:
(weinerlich) Nein, dass bin ich nicht. Ich war es doch, der zuerst an Flucht und Ausbruch dachte. Die Gründe meines Aufenthaltes waren mir völlig egal, ich wollte nur fort, und habe mich tunlichst darum bemüht, dem nachzukommen.
WILHELM:
Und dann seid ihr kläglich eingeknickt. Kaum wart Ihr allein in dieser Dunkelheit hat eure Furcht übernommen, und Euch dazu verleitet, Euch an das Einzige zu klammern, was Euch noch im Gedächtnis blieb; die Worte eines beschränkten Gottesdieners. Ihr habt euren Geist der Furcht geopfert und weint nun wie ein kleines Kind, tränenvoll den Tod erwartend. Und ich glaubte in Euch unseren Befreier zu sehen … Ihr seid wohl auch nichts Anderes als ein Feigling.
AUGUST:
Nein, kein Feigling ist er. Er war nur blind, und sah das Licht der Erleuchtung erst, als es bereits viel zu spät für ihn war. Diese furchttriefende Dunkelheit, die Verzweiflung, die sich in Johanns Geist ausgebreitet hat, ist die erste Konsequenz seines falschen Handelns. Die Verdammten sollten nicht nach Gnade fragen; höchstens erhöht sich ihre Qual.
JOHANN:
(verzweifelt, schreiend) Doch was soll ich tun? Ich höre schon geisterhafte Stimmen von Männern, aller Wahrscheinlichkeit schon tot, die sich schmähend über mich ergehen und mein Schicksal nur noch schlimmer machen. Was soll ich tun, was, was, was, was? Sagt es mir!
AUGUST:
Euer Schicksal habt Ihr selbst bereits besiegelt, und außer der Akzeptanz eurer Verdammnis gibt es nichts, dass Ihr noch tun könnt.
WILHELM:
Euer Geist ist gebrochen; damit ist nichts mehr anzufangen. Kein Tränensack kann aus einem Gefängnis wie diesem entfliehen. Niemand kann, der den todessüchtigen Philosophien eines senilen Priesters wehmütig nachträumt. Ihr seid todgeweiht, und habt Euch selbst in eine unauswegliche Situation gebracht. Nach eurem Erwachen in diesen Kavernen habt Ihr es nicht fertiggebracht, euren Geist aufrecht zu erhalten, und wurdet nun von eurer eigenen Unfähigkeit erdrückt. Es gibt keine Erlösung für Euch.
AUGUST UND WILHELM:
(im Chor) Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch.
JOHANN:
(kreischend, hält sich die Ohren zu) So hört auf, hört doch auf!
AUGUST UND WILHELM:
(im Chor) Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch. Die Verdammnis erwartet Euch.
JOHANN:
Ich bin schuldig, ich bin schuldig, ich bin schuldig!
(vergebliches krächziges Schreien, Schluchzen bis die Stimmen von August und Wilhelm verstummen. Daraufhin folgt leises Gewimmer)
DRITTE SZENE
Karger Korridor in der Nähe der Zelle
—
Friedrich und Agrippa
FRIEDRICH:
Glücklich blicke ich der nahen Zukunft entgegen … denn schon bald hat mein Dienst in dieser Finsternis ein Ende. Nach der Abfertigung des letzten Gefangenen kann ich endlich wieder zu einem stilvollen Dienste zurückkehren.
AGRIPPA:
(Lachen) Ihr seid ein seltsamer Vogel Friedrich. Dass Ihr euch so nach dem Springen, Singen und Stiefellackverschlingen sehnt … aber gut, Bücklinge sind wohl auch nur zum Bücken gut. Um Euch wieder auf eure alten Pflichten einzustimmen, könntet Ihr ja die Zelle der Gefangenen so lange säubern, bis ich Sauce von den Steinen lecken kann.
FRIEDRICH:
Solange ich zum Säubern eure Zunge nutzen kann … die ist sowieso schon vollkommen verdreckt und schmutzig.
AGRIPPA:
Das ist wohl wahr … doch immerhin hat sie nicht vom schwarzbraunen Nektar der Kerkerbienen hier getrunken, so wie Ihr. (Gelächter)
FRIEDRICH
Lacht nur wie Ihr wollt, ihr ekelhafter Menschenquäler, und erzählt mir lieber davon, wie wir nun fortfahren sollen. Johann Werlher ist der Letzte, richtig? Aus welchem Grund ist er hier? Und was habt Ihr mit ihm vor? Wollt Ihr ihn durch die Hand anderer das Leben entreißen oder wieder große Reden bei stählernenem Beile schwingen? Oder verbleibt es diesmal vielleicht bei einem einfachen Schwertstreich mitten ins Herz?
AGRIPPA:
Nun, werter Friedrich, dieser Johann Werlher trägt nicht grundlos das Königsblau der preußischen Armee. Kein einfacher Bürger trägt diesen roten Kragen, und kein Bürger zieren die güldenen Epauletten unserer Preußenkämpfer. Doch auch trägt kein Soldat solch eine zerschlissene Uniform; er müsste doch glatt fürchten, von seinem Feldwebel geprügelt zu werden, für solch eine Fahrlässigkeit. Was schließt Ihr daraus, Friedrich?
FRIEDRICH:
Augenscheinlich handelt es sich wohl um einen Deserteur der Armee, oder einen Kasernendieb … oder einen Soldatenmörder.
AGRIPPA:
Ganz richtig, Ihr habt doch noch etwas Verstand, der nicht beim Bücken herausgelaufen ist. Der Gefangene Werlher ist eine Art Konglomerat aus euren drei Vermutungen. Er verpflichtete sich vor einigen Jahren für die Armee seiner Majestät, und ging dabei still wie heimlich Sabotage und Diebstahl nach. Er verkaufte das Pulver unserer Soldaten an zwielichtige Händler aus den Königreichen Sachsen und Hannover, stahl die Uniformen für die neuesten Rekruten, und versilberte die Säbel hochrangiger Offiziere mit tückischem Handel … er verkaufte sogar an die Franzosen, diese elenden Hunde! Als wäre die Schmach, die wir durch Napoleon erlitten, nicht genug für ihn. Die Demütigung unseres heiligen Preußenlandes im Austausch für ein paar lausige Münzen. Doch das Schlimmste kommt erst noch.
FRIEDRICH:
(gespannt) Was tat er, was hat dieser Verräter noch getan? Erzählt es mir, schnell!
AGRIPPA:
Vor einigen Monaten flogen seine schmutzigen Machenschaften auf; er wurde beim Diebstahl von einem Kameraden ertappt, der daraufhin einem anwesenden Leutnant Bericht erstattete. Erzürnt über Werlhers Ehrlosigkeit und Verrat raste mit zwei Searganten zu ihm, um ihn für seine Verbrechen zu bestrafen. Doch der Zorn hatte die Wahrnehmung des Leutnants getrübt, ein Tropfen Milch in klarem Wasser, und ehe er auch nur den Säbel zücken könnte, hatte der Tod bereits seine arme Seele umarmt und mit sich genommen. Werlhers Klinge hatte sein Herz durchstoßen, und binnen Sekunden waren auch die Hälse der zwei Searganten durchtrennt und ergossen sich auf den kalten Boden. Die Kompanie besiegte ihn erst mit einer Manneskraft von über zehn, und schlossen ihn daraufhin in einem Karren ein, der ihn schnell in unsere gerechten Hände fuhr und uns mit der Vergeltung beauftragte. Und, Friedrich, was glaubt Ihr, ist die Vergeltung für dreifachen Mord und jahrelangen systematischen Diebstahl?
FRIEDRICH:
Ich … weiß es nicht. Ich wollte fast sagen “Der Tod!”, doch mittlerweile kenne ich Euch, und weiß, dass dieser für Euch noch eine milde Strafe ist. Euer Verstand gebärt weitaus grässlichere Bestrafungen für jene, die in euren Mauern hausen … mir fehlt dieser Leidenstrieb, und mir fällt daher keine Strafe in eurem Sinne ein.
AGRIPPA:
Glaubt doch nicht immer, dass Ihr so viel besser seid als ich. Schließlich dienen wir dem selben Herren, oder etwa nicht? (finsteres Gelächter)
FRIEDRICH:
(verwundert, doch gibt keine Antwort)
AGRIPPA:
Aber wenn Ihr noch immer an dieser Ansicht festhalten wollt, könnt Ihr das meinethalben gerne tun. Allerdings erzähle ich Euch dann auch nicht vorher von meinen Plänen zur Bestrafung des Gefangenen … dann wird es ihn ebenso überraschen wie es Euch überraschen wird.
FRIEDRICH:
(lustlos) Gut, wenn dem so sein soll; tut Euer Schlimmstes, bald bin ich hier heraus, zurück bei meinen alten Pflichten. So lasst uns dann auch beginnen, kommt mit! Trödelei ist wahrlich keine gute Eigenschaft! (geht nach links von der Bühne ab)
AGRIPPA:
(zu sich, süffisant) O Friedrich, ihr elender Narr … ob ein knörriger Ast oder eine leuchtende Blüte … beide sind wir doch nur Teile eines größeren Ganzen. Ihr tätet gut daran, es zu verstehen … ansonsten wird es Euch in Stücke reißen und mit schallendem Gelächter fressen. Und den Chor des Gelächters werde ich dirigieren. (finsteres Gelächter, geht nach links von der Bühne ab)
VIERTE SZENE
Kerkerzelle der Gefangenen
—
Johann, Friedrich und Agrippa
JOHANN:
(sitzt auf dem Boden und starrt hoffnungslos und leise jammernd Löcher in die Luft)
AGRIPPA:
(tritt von rechts auf die Bühne stellt sich vor das Gitter) Guten Abend Herr Werlher. Ich hoffe doch sehr, meine Schläge haben Euch keine allzu großen Schwierigkeiten bereitet (kindisches Lachen)
FRIEDRICH:
(tritt von rechts auf die Bühne stellt sich neben Agrippa, wütend) Bei Gott, so spart Euch doch eure elenden Monologe. Sie triefen nur so vor Süffisanz, und mit jeder durch Euch vertrödelten Minute rückt mein Ausweg aus diesen Schreckensgemäuern ferner in die Zukunft. So nehmt ihn doch einfach mit, ich kann eure vorlaute Stimme nicht mehr hören!
AGRIPPA:
(dreht sich jäh um und schaut Friedrich bedrohlich an) Was war das? Bisher habe ich mich Euch gegenüber stets nach den mir bestmöglichen Manieren verhalten und geziemt. Solltet Ihr nun doch den Bogen überspannen, zögere ich nicht, auch Euch wie Dreck zu behandeln.
FRIEDRICH:
(eingeschüchtert, weicht einen Schritt zurück) In Ordnung, in Ordnung, tut nur was Ihr müsst. Ich will es einfach nur hinter mich bringen.
AGRIPPA:
(schlägt Friedrich mitten ins Gesicht, woraufhin dieser unter Schmerzen taumelnd zu Boden fällt)
Benehmt Euch. Hier unten bin nach wie vor ich die einzige Befehlsgestalt, und meine Worte sind Gesetz. Stellt Euch dagegen, und Ihr werdet der nächste Gefangene in dieser Zelle werden. Und versucht gar nicht erst, wie ein kleiner Bengel davonzulaufen. Die Wachen hier unten kennen euren Auftrag, und meine Befehle. Ihr geht erst, wenn ich es gestatte. Und nun steht auf ihr elender Wurm, oder ich prügle Euch bis an die Decke!
FRIEDRICH:
(steht unter Murren auf und bleibt mit Abstand zu Agrippa an der Zelle stehen)
AGRIPPA:
Gut. Und nun zu Euch, blutiger Soldat. (öffnet die Zellentür und geht hinein)
JOHANN:
(steht ängstlich auf und meidet Augenkontakt zu Agrippa) Was … was habt Ihr Monster mit August gemacht? Und was habt Ihr mit mir vor?
AGRIPPA:
(amüsiert) Vom Schicksal eurer Freunde und von eurem eigenen kann Euch nur die Zeit berichten. Ihr werdet es früh genug verstehen, vertraut mir. (laut) Und jetzt stellt Euch gefälligst hin wie es Euch gebührt! Tötet drei Soldaten, stiehlt für die Franzosen, und vermag es nicht einmal, mit erhobenem Haupte zu stehen?
JOHANN:
(nimmt schützend seine Hände hoch und stellt sich gerade hin, Augenkontakt nach wie vor meidend)
AGRIPPA:
Schaut mich an Ihr elender Dreckhaufen! (dreht Johanns Kopf brutal um und schaut ihm finster in die Augen) O wie süß ist der Odem eines Ängstlichen … davon wird das Blut immer so wundervoll warm und dampfend!
JOHANN:
(versucht sich abzuwenden, schafft es jedoch nicht, panisch)
AGRIPPA:
So gefallt Ihr mir schon wesentlich besser, ihr dreckiger Wurm. Und jetzt kommt, Ihr habt noch ein kleines Rendezvous mit euren Schandtaten …
JOHANN:
(zu sich selbst, flüsternd) Was habe ich getan? Ich … ich habe Menschen ermordet … ebenso wie August es vermutet hatte. Mein Blut ist kälter als der russische Winter, und meine Hände strotzen vor Blut … ich weiß nicht, was …
AGRIPPA:
Spart Euch eure Selbstgespräche für nachher auf, denn anndere Gesprächspartner werdet Ihr so schnell nämlich nicht mehr finden. Solche verzweifelten Reuebekundungen haben immer so etwas Melancholisches an sich … Tränen sind das Blut der Gefühle, nicht wahr? (greift sich Johanns Arm und zerrt ihn ruppig aus der Zelle heraus)
FRIEDRICH:
(weicht zurück)
JOHANN:
(zu sich selbst, flüsternd) … ein Mörder, ein Mörder … ich bin wirklich schuldig … all diese Lügen meines eigenen Verstandes … und ein Feigling bin ich noch dazu, zum schlimmsten aller Tode verdammt … o August, o Gott, du hast mich verlassen … die Flammen erwarten mich … die Verdammnis erwartet mich … o Jesus … o Wilhelm …
AGRIPPA:
(geht mit Johann weiter nach rechts) Heda Friedrich, Euch habe ich nicht vergessen! Kommt mit mir und haltet den anderen Arm von diesem Schmutzkrieger fest. So los doch, eilt Euch!
FRIEDRICH:
(kommt langsam zu Agrippa und hält Johanns anderen Arm fest)
AGRIPPA:
(verpasst Johann eine Ohrfeige) Und nun will ich nichts mehr hören … die Ruhe vor dem Sturm muss man genießen, wie eine frische Meeresbriese am norddeutschen Strand. (lacht in sich hinein und zerrt Johann mit Friedrich nach rechts von der Bühne)
FÜNFTE SZENE
Garten des Schloss von Wolkentief. Mehrere verschnörkelte Stühle und ein Tisch in der Mitte, ringsherum bunte Blumen und hohe Sträucher. Auf dem Tisch stehen eine Silberkaraffe mit Wein und zwei Kelche.
—
Baron, Antonia, Diener mit Violine
BARON:
(tritt mit Antonia unter dem Arm von rechts auf die Bühne auf)
ANTONIA:
Deine Blumen sind so schön wie immer … seit meinem letzten Besuch hat keine von ihnen ihren Glanz verloren. Sie scheinen sich ein Vorbild an dir zu nehmen.
BARON:
Du bist eine Schmeichlerin, mich alten Herren mit leuchtenden Blüten gleichzusetzen. Und ich bin ein Narr, nichts zu finden, mit dem man die deinige Schönheit beschreiben könnte …
ANTONIA:
Du bist zu gütig. Dein Charme wird dich noch überdauern …
BARON:
(schiebt einen Stuhl in ihre Richtung) Komm, setz dich doch, und nimm an meiner Seite Platz. Entspannt erzählt und trinkt es sich besser. (schenkt ihr und sich einen Kelch Wein aus der Karaffe ein)
ANTONIA:
Sehr gerne (nimmt Platz und schnappt sich einen vollen Kelch)
BARON:
(setzt sich) Doch ach, wo habe ich nur meine Manieren gelassen … (laut) Musikus! Untermalt unser Gespräch mit einer fröhlichen Weise!
DIENER:
(kommen hastig vom Bühnenrand mit Violinen in der Hand herbeigeeilt, stellen sich mit etwas Abstand zum Baron und Antonia auf und spielen Bachs „Konzert für zwei Violinen“)
BARON:
(zufrieden) Schon weitaus besser.
ANTONIA:
Man könnte fast meinen, du seiest von Musik so abhängig wie andere von Alkohol und Opium. Nach wie vor ist die Stille dein wahrlich größter Feind, und deine tiefste Furcht … doch bin ich nicht nur zum Plauschen hier, sondern komme aus Träumen heraus, die eine goldene Zukunft unserer Sache beschreiben.
BARON:
Natürlich, natürlich, du hast Recht. Konzentrieren wir uns auf die größere Sache als kleine irdische Freuden. Du sprachst bei deiner Ankunft von Visionen, die dich zur Reise in mein Schloss veranlassten, richtig?
ANTONIA:
Ja, ganz genau. Ich träumte nächtelang denselben Traum, doch immer mit anderen Augen. Zuerst hing ich weit oben in der Luft, gekettet an einen hohen Kathedralenturm, mit nichts am Leibe außer meiner Haut und meinem Haar. Unter meinen Füßen brannte ein immenses Feuer, und von allen Seiten leckten die Flammen an meinen zarten Körper. Ich fühlte weder Schmerz noch Angst; mit jeder neuen Flamme stieg mehr Glückseligkeit in meinem Geiste auf, und ich fühlte eine ewige Ruhe voller Lebendigkeit, bis irgendwann mein irdischer Körper vollkommen zu Staub zerfallen war und die Morgensonne mich aus meinem Schlummer weckte.
Ein anderes Mal tanzte ich zu Füßen dieser mächtigen Kathedrale. Rote Seidenbänder waren um meine Arme und Beine gewickelt, und allein dem Feuer gab ich meine weiblichen Reize preiß. Meine Bewegungen waren monoton, doch voller Kraft und Energie; eine Ekstase, die nur brennende Liebe möglich macht. Vor meinem geistigen Auge sah ich das Gesicht eines schönen Mädels, mit leuchtenden Augen und einer markanten Nase, und reinste Liebe rann durch meine Seele im Gedanken an sie. Unaufhörlich tanzte ich, tanzte zur Verbrennung des Flammenträgers am Haupt des Kathedralenturms, und aus meinem Herzen quoll liebender Eifer wie Blut aus geschächteten Schweinen, bis alsbald die Flammen erloschen, die Kraft meinen Körper verließ und ich wie nach tausend Höhepunkten friedlich zusammensackte und in meinem Schlafgemach voller Unglauben an das Geträumte erwachte. Und diese Träume durchlebte ich tagelang, wochenlang, ein stetiger Perspektivenwechsel … und ich glaube, diese Träume sind Visionen, ein Zeichen unserer zukünftigen Siege … eine Botschaft der Sonne.
BARON:
Deine Worte klingen so vertraut, denn ich durchlebte in meinem gestrigen Traum ein ähnliches Szenario: Zwar hing ich weder an einem Kathedralenturm, noch tanzte ich zu dessen Füßen, doch sah trotzdem alles so wie du: mir war, als betrachtete ich die Szenerie durch die Augen eines Vogels, der langsame Kreise zog und sich nach einigen Momenten auf einem Hausdach niederließ, um mir einen vollkommenen Blick auf die Geschehnisse zu geben. Ich sagte und dachte nichts; nur fühlte ich ein nagendes Verlangen: das Verlangen nach dir und dem Fortschritt unserer Sache. Und nach der Schilderung deiner Träume fühle ich es nur noch mehr.
ANTONIA:
Wahrlich dünken wir beide nicht nur durch Liebe, sondern auch durch eine Pflicht verbunden zu sein. Wir erhielten diese Visionen aus Gründen; wir sind beide dazu verpflichtet worden, dafür zu sorgen, diese Träume in die Tat umzusetzen. Die Sonne scheint brennt hell in unseren Seelen, und hat die unsrigen verbunden.
BARON:
Doch was sollen wir tun? Ich weiß weder wo sich diese Kathedrale befindet noch wer die tanzende Frau zu deren Füßen ist, geschweige denn des brennenden Mannes an des Turmes Spitze.
ANTONIA:
O mein Liebster, das ist unser kleinstes Hindernis. Ich habe es nämlich bereits herausgefunden. (nimmt einen Schluck Wein)
BARON:
(aufgeregt) Was? Was für eine wunderbare Fügung! Doch woher weißt du es? Und wo ist sie?
ANTONIA:
Gemach gemach, nicht so stürmisch; haben wir beide doch mehr als genug Zeit. Über die Person, die hell flackernd an der Kirche hängt, weiß ich nichts; aber ich weiß, wer befreit von jedem Kleide hochekstatisch tanzen wird. Ihr Name ist Alejandra María Vazquéz, und sie lebt in meiner Heimat, dem schönen Städtchen Saberón. Eine bisweilen fromme Kirchgängerin, die Jesus, Gott und den Heiligen Geist tief in ihrem Herzen trägt. Doch gibt es jemanden, den sie noch tiefer in ihr Herz geschlossen hat. Die Person, die ich in meinem Traum mit liebenden Augen bewundert habe; die vor meinem geistigen Auge fröhlich lächelte und mit den schönen Äuglein zwinkerte. Ihre gleichgeschlechtliche Liebe trägt sie tief vor aller Welt verborgen, denn für ihren Herrgott ist es eine Sünde; es zermartert sie, mit jeder Minute ihres Lebens. Und genau an diesem Punkt können wir ansetzen, und sie aus der verdrehten Welt des Christengottes zu befreien und in einer vollkommen neuen Domäne der Freiheit willkommen heißen zu können. Liebe für sie, und Fortschritt für uns, unsere Sache, als loyale Jünger unserer flammenden Herrin.
BARON:
Dein Wissen um alles, das Gestrige, Heutige und Morgige, vermag es stets, mich aufs Neueste zu verblüffen. Interessant meine Liebe, interessant. Doch wo steht die Kathedrale, an der die Vision Realität werden soll?
ANTONIA:
(nimmt einen großen Schluck von ihrem Kelch) Sie liegt fern von dir und im Moment auch fern von mir, doch werde ich ihr während meiner Rückkehr täglich näherkommen, bis das Ende meiner Reise mich zum Ziel meiner Träume führen wird. Die Kathedrale, um die es sich handelt, trägt den Namen Catedral de Santa Juan Soflama, und steht inmitten meiner Heimatstadt, in der ebenfalls die Frau aus unseren Visionen lebt. Es ist, als seien wir dazu vorherbestimmt, als hätte das Schicksal seine Fäden auf diesen Moment genau gezogen, unsere Leben genau auf diesen Moment hindrigiert.
BARON:
Das trifft vielleicht auf das deinige Schicksal zu, doch bin ich weit entfernt von deiner spanischen Heimat, und würde eine so lange Reise voraussichtlich nicht gut überstehen. Das Alter nagt an mir.
ANTONIA:
Nur weil du nicht Zeuge der Geburt unseres Anliegens wirst, heißt das nicht, dass du keine Rolle darin spielen wirst. Du hast die Visionen nicht ohne Grund erhalten, und bei ihrer Gerechtigkeit, du wirst dich ebenso hervortun können wie ich. Außerdem benötige ich ohnehin deine Hilfe bei der Planung für die Konversion; allein würde mir diese Prüfung zu schwer, und ich bedarf deiner planenden Hand dabei.
BARON:
Nun gut (füllt Antonias Weinkelch auf und nimmt seinen Eigenen in die Hand) Doch wollen wir zuerst einmal auf eine glorreiche Zukunft trinken? (erhebt seinen Kelch) Eine Chance wie diese haben wir beide schon seit Jahrzehnten erwartet, und nun wird sie endlich Wirklichkeit! Auf die Zukunft!
ANTONIA:
Hört hört! Auf die Zukunft! (stößt mit dem Baron festlich an und leert ihren Kelch in wenigen Zügen)
BARON:
(nimmt einen großen Schluck aus seinem Kelch) So … dann erzähl mir doch einmal von dieser Dame Alejandra, die in ihren eigenen Gefühlen eingesperrt …
SECHSTE SZENE
Kleiner Kerkerraum mit einem scharfen Schwert an der Wand
—
Johann, Friedrich und Agrippa
AGRIPPA:
(zieht Johann von links auf die Bühne und stößt ihn auf den Boden)
JOHANN:
Wo … wo sind wir hier?
AGRIPPA:
Dies, mein lieber Freund, ist euer Wendepunkt. Die Wände sind aus kaltem Stein, die Decke trieft vor Schimmel und die Luft schmeckt nach Verzweiflung. Karg wie eine verlassene Höhle, und finster wie die Himmel des Jüngsten Gerichtes.
FRIEDRICH:
(tritt hervor) Eine weitere Gefängniszelle? Warum haben wir ihn nicht einfach in der alten belassen?
AGRIPPA:
(dreht sich jäh zu Friedrich um) Weil mein Plan eine karge Kerkerzelle für den Gefangenen vorsieht, ohne Licht und ohne Fenster. Haltet eure Lippen beieinander und lasst mich Euch durch meine Arbeit erleuchten.
JOHANN:
Was … was soll das hier … ich bin ein Sünder, ein Missetäter … Blut klebt wie Honig an meinen Händen, und meine ganze Vergangenheit besteht nur aus Verbrechen … und Ihr … ihr werft mich in eine andere Zelle?
AGRIPPA:
(belustigt) Grämt Euch nicht Johann, dies hier ist erst der Anfang vom Ende. Vorher will ich allerdings etwas von Euch wissen: Warum seid Ihr hier?
JOHANN:
Wie? Warum ich hier bin? Das sagtet Ihr doch bereits, weil ich ein Mörder bin! Weil ich ein grässlicher Soldat war, muss ich mich nun eurer Folter beugen und durch eure Hände sterben … warum fragt Ihr mich das?
AGRIPPA:
(hämisch) Nun ja, das habe ich wahrlich gesagt. Doch seid Ihr Euch dessen auch gewiss? Seid Ihr sicher, diese Schandtaten begangen zu haben?
JOHANN:
(irritiert) Ob ich mir … dabei sicher bin? Ich … ich … ja, natürlich bin ich mir sicher. Nur ein kaltblütiger Mörder hätte ohne ein Wimperzucken einen alte Greis niedergeschlagen wie ich es tat. Nur ein engstirniger Mann würde das große Ganze aus dem Blick verlieren und vergeblichen Hoffnungen frönen … ich habe es gehört, ich bin verdammt …
AGRIPPA:
O, das seid Ihr auf jeden Fall. Aber seid Ihr Euch wirklich sicher, rechtens hier zu sein? Ist Euch das Gewicht eurer Sünden wirklich bekannt oder glaubt Ihr nur daran? So wie Ihr seit Neuestem dem Herrgott eure Treue und euren Glauben schenkt … ich habe spitze Ohren, müsst Ihr wissen.
JOHANN:
(verzweifelt) Ihr meint, ich könnte meine Hände in vollkommener Unschuld waschen und müsste trotzdem diese Qualen hier durchleben? Was wollt Ihr denn von mir? Tut was Ihr müsst, Ihr allein wisst um meine Vergangenheit … mein Verstand ist ein einziger turbulenter Ozean …
AGRIPPA:
Ich vertraue Euch dabei, mittlerweile genug über eure Vergangenheit zu wissen. Ohne Erkenntnis gibt es keine wirkliche Reue.
JOHANN:
(weinerlich) Aber ich bereue doch so gut ich kann … ich bereue die blutigen Schläge gegen August, mein närrisches Verhalten, meine Feigheit … August schimpftte mich einen Narren, weil ich die Umgebung nicht direkt als endgültige Wahrheit und mein unausweichliches Ende interpretierte … doch Wilhelm schalt mich für meine Feiglingshaltung … ich war nicht stark genug dazu, meinen Kopf aufrecht zu erhalten … doch wie soll ich meinen Kopf aufrecht halten, wenn das Ende unausweichlich ist? Wohin mit meiner Angst, mit meinen seelischen Qualen? August war ein Fels in dieser Brandung von Angstgefühlen, und Wilhelm ließ sich bis Ende nicht aus seiner Haltung reißen … und nun kauere ich hier, mit nichts als Furcht und Verwirrung inmitten meines Herzens und weiß nicht einmal dem Folterknecht richtig zu antworten … wie soll ich denn wissen, wenn mein Verstand zerstört, wie soll ich stehen, wenn alle Säulen niedergeworfen, wie soll ich akzeptieren, wenn mir die Dinge nicht klar wurden?
AGRIPPA:
(hämisches Kichern) Eines kann ich Euch mit Sicherheit anvertrauen: Ihr wirkt wahrlich wie ein Feigling. Was eure Freunde zu ihrem Schicksal zu sagen und über euer Verhalten zu lamentieren hatten ist mir egal. Ich will nur eines wissen: Glaubt Ihr, all dies hier wahrlich verdient zu haben?
JOHANN:
(schreiend) Was glaubt Ihr denn? Ich weiß es nicht … ich weiß nichts, und Schuldgefühle zernagen langsam meinen Verstand … alles was ich tat wirkt falsch, und doch weiß ich nichts darüber, was in diesen dreckigen Kavernen wirklich Wahrheit ist! Ich weiß nicht, warum ich hier bin, ich kenne nur eure Worte; ich weiß nicht, ob dies alles rechtens ist; ich weiß nicht, ob Wilhelm und August Narren waren, oder ob ich selbst zum weinerlichen Narren geworden bin … ich weiß es nicht, ich weiß es nicht! Ich weiß es nicht, ihr elender Folterknecht! So tut es doch endlich, so beendet diesen Alptraum doch endlich!
AGRIPPA:
Mit Verlaub, das wäre doch viel zu einfach für einen Mann meines Kalibers und ein Würmchen wie Euch. Ich werde Euch nicht einfach töten, allein schon aus Gründen der Gerechtigkeit … was ist schon eine Strafe, die jegliches Leiden binnen Sekunden einfach beendet? Strafe muss vergeltend sein, und zu euren Taten passen. Genauso vollzog ich es bei euren Mitgefangenen, und keiner von ihnen starb durch meine Hand. Ihre Strafe haben sie erhalten … doch diese liegt fernab von zivilisierten Methoden des Strafvollzuges.
JOHANN:
(widerspenstig) Ihr schwadroniert von Bestrafung, und doch sehe und höre ich nichts außer eurer knöchrigen Gestalt, die mir unnütze Fragen stellt … ihr fragt mich danach, ob dies alles rechtens ist, und kündigt meine Bestrafung in jedem eurer Sätze an. Was zur Hölle wollt Ihr denn damit bezwecken? Mich verunsichern? Meine Wahrnehmung noch weiter zerstückeln und mich in den Wahnsinn treiben? Ist das meine Strafe? Quälende Gespräche mit Euch, dem Kerkermeister der höllischen Pforten?
AGRIPPA:
Vielleicht will ich das. Oder vielleicht bin ich auch einfach nur ein kranker Irrer, der mit entführten Bürgern seine makaberen Späße treibt. Wer weiß das schon? Ihr? Bestimmt nicht? Ich? Manchmal zweifle ich daran. Ich könnte Euch erzählen was ich will und Ihr würdet es mir am Ende glauben, egal wie offensichtlich meine Lügen sind. Denn Ihr könnt einfach nicht anders; alle anderen Möglichkeiten sind mit eurem Eintritt in diesen Kerker an der Eingangspforte abgestorben.
JOHANN:
Also bin ich gar kein Mörder? Wurde ich einfach nur durch meine Angstgefühle zu meinen Taten getrieben und nur zu eurem Amusement dieser Seelenfolter ausgesetzt? Ich bin also überhaupt kein Missetäter und muss gar keine Strafe von Euch erwarten?
AGRIPPA:
O, die Strafe bekommt Ihr auf jeden Fall. Ich sagte doch bereits, dass Ihr so oder so bereits verdammt seid. Die Frage ist, ob Ihr Euch selbst damit arrangieren könnt. Und die Antwort darauf könnt Ihr nur alleine finden, in den Untiefen eures zerrütteten Geistes. Eure Strafe wird Euch treffen, keine Sorge.
JOHANN:
(verzweifelt) Aber Ihr sagtet doch gerade, dass ich womöglich gar keine Strafe verdiene … und nun ist sie doch schon in Stein gemeißelt … hört doch auf mit euren Spielchen und vollstreckt sie einfach, ich flehe Euch an!
AGRIPPA:
Nun gut, nun gut, wenn Ihr so ungeduldig sein müsst. Eure Strafe ist einer weitaus seelischeren Natur als es bei den anderen beiden Gefangenen der Fall war. Man könnte es auch meinerseitige Güte nennen … Schmerzen an Armen, Beinen, Brust und Kopfe bleiben Euch erspart. Ihr habt sogar eine wirkliche Chance darauf, diesem Gefängnis hier zu entfliehen und euer wahres Leben erneut beginnen zu können. (geht zur hinteren Wand der Zelle und hebt einen daran lehnenden Säbel auf)
Diesen Säbel gebe ich nun in euren Besitz über. Ihr seid nun der Gebieter über dieses Säbels Todeskraft, und könnt als Einziger damit den Schlüssel zu eurer Gefangenschaft erkennen, ergreifen und zur Flucht ins heißgeliebte Sonnenlicht benutzen. Und versucht gar nicht erst, mich oder Friedrich hinterrücks damit erstechen zu wollen; die Wachen hören alles, und sind ebenso in der Kunst des Leidens geschult wie ich. Außerdem vergeht dabei eure einzige Chance auf die vollkommene Freiheit.
JOHANN:
(kreischend) So sprecht doch, was soll ich tun? So sprecht, und hört auf mit diesen unnützen Floskeln!
AGRIPPA:
(Kichern) In Ordnung … diese Klinge hat genau zwei Nutzen; Ihr könnt sie benutzen, um Euch selbst zu töten. Ich bin mir sicher, Ihr wisst wie das funktioniert. Oder aber Ihr benutzt sie gar nicht, legt die Klinge zur Seite und übt Euch in Geduld. Denn irgendwann werde ich wiederkehren, Euch die Tür weit öffnen und aus diesem dunklen Kerker hinausgeleiten. (drückt Johann den Säbel in die Hand) Wählt weise, mein werter Freund. Und denkt doch noch einmal darüber nach, ob Ihr dies hier wirklich verdient … das hat doch etwas wunderbar Romantisches. Lebt wohl Johann … auf einen neuen Tag! (wendet sich ab, packt Friedrich am Arm und zieht mit ihm im Schlepptau von der Bühne ab, schließt dabei die Tür hinter sich)
JOHANN:
(rennt zur Tür und hämmert daran, kreischend) He, kommt zurück! Ihr könnt mich doch nicht mit einer Waffe hier zurücklassen und mich mit womöglich falschen Hoffnungen abspeisen … ihr elender Hundesohn, so kommt doch zurück und gebt mir die Wahrheit! Die Wahrheit! Ich weiß doch nichts … ich weiß doch nichts! Nicht weiß außer euren Worten … vielleicht sind es Lügen .. vielleicht die Wahrheit … Wahnsinn, Wahnsinn kriecht durch meine Glieder … Ihr Made, so kehrt doch zurück und zeigt mir was die Wahrheit ist … so bestraft mich doch endlich. Die Wahrheit … die Wahrheit … die Wahrheit!
(sackt auf dem Boden zusammen, greift nach dem Schwert und betrachtet es etwas. Daraufhin wirft er es unter wütendem Grunzen hinfort und verkriecht sich wimmernd in einer Ecke der Zelle)
(Alle Lichter gehen aus)
SIEBENTE SZENE
Karger Korridor
—
Friedrich und Agrippa
AGRIPPA:
Nun, mein werter Friedrich, mir deucht, dass ich meine Aufgabe nach allen Regeln der Kunst vollendet und Euch stetig dabei an meiner Seite behalten habe. Der Baron hatte mich angewiesen, tunlichst darauf zu achten, Euch an allem zumindest durch die Augen teilhaben zu lassen; ich versuchte zwar am Anfang, Euch mit einzubinden, doch eure Zögerlichkeit beim Prügeln des Gefangenen Wilhelm Entze hat mir nicht gefallen, und ich zog es daher vor, die Dinge mit meinen eigenen Händen zu erledigen.
FRIEDRICH:
Zögerlichkeit bei der Anwendung von Gewalt ist keine schlechte Charaktereigenschaft; Ihr hättet mich auch einfach vorher über seine kriminelle Natur aufklären können, dann wäre Euch die Zögerlichkeit und mir die Schelte erspart geblieben.
AGRIPPA:
Wenn Ihr das sagt. Ich muss zugeben, von Anfang an mehr Hoffnung in Euch gesetzt zu haben, doch das Gros dieser Hoffnungen ist innerhalb der letzten Stunden fortgebrannt. Ich verstehe nicht, was der Baron in Euch gesehen hat, Euch mit solcher Aufgabe zu betreuen. Bücklinge vermögen es eben einfach nicht, die schmutzige Arbeit meiner Wenigkeit zu verrichten.
FRIEDRICH:
Warum ich all dieses Ekel zu durchleben hatte, ist auch mir ein einziges Rätsel; ob mich der Baron wohl bestrafen wollte? Oder wollte er mir eine Lektion erteilen? Oder, womöglich, sogar meinen Geist für kommende neue Befugnisse erweitern? Vielleicht sieht er mehr in mir als einen Kammerdiener, und hegt den Gedanken, mich zu Höherem emporzuheben … seinem Sekretär vielleicht, oder dem Verwalter seines Hofes … ob er mich vieleicht sogar zum Studieren schickt, um juristisch tätig werden zu können?
AGRIPPA:
Macht Euch keine Hoffnungen Friedrich. Ihr seid ein Bückling, und könnt nichts als nur noch tiefer fallen. Hochwohlgeboren ist nicht für seine Liebe zu seinen Dienern bekannt, und noch weniger für das Finanzieren eines Studiums für Menschen unter seinem Zepter. Ich glaube eher daran, dass er Euch bestrafen wollte, für eine schändliche Tat, die Ihr im wachen Dienst verrichtet.
FRIEDRICH:
(empört) Ich habe niemals, und ich sage niemals, unter dem Dienste des Barons Schandtaten jeglicher Art begangen. Stets war ich bemüht, eifrig, loyal und admirabel. Ich wurde von den niederen Adligen wie Dreck behandelt, und mit einem glänzenden Lächeln antwortete ich ihnen stets. Ich kümmerte mich stetig um das Wohl des Barons, in jeglicher Hinsicht, und las ihm alle Wünsche von den Augen ab. Auch wenn ich gerade kurz diesen Gedanken äußerte; nein, eine Bestrafung sollte dies hier wahrlich niemals sein. Und falls doch, könnte ich mir nicht ausmalen weshalb.
AGRIPPA:
Der Baron hat seltsame Eigenarten. Er kommt öfter hier hinunter als Ihr vielleicht glauben mögt. Vielleicht hat er Euch einfach nur aus Spaß an der Freude hier hinuntergesandt, um mir zu assistieren.
FRIEDRICH:
Der Baron? Öfter hier? Ich glaube Euch kein Wort … er weiß bestimmt von euren obskuren Methoden, doch sich an diesem Leiden noch ergötzen … nein, das glaube ich Euch nicht. Ich kenne diesen Mann schon seit Jahren, und von eurem Kaliber ist er wahrlich nicht. Erzählt mir was Ihr wollt, doch mich könnt Ihr nicht so einfach in die Ungewissheit schwafeln wie vor kurzem noch den Johann Werlher.
AGRIPPA:
(lachend) Gut Friedrich. Vielleicht müsst Ihr diese Lektion erst am eigenen Leibe erfahren, bevor Ihr meinen Worten Glauben schenkt. Und dabei dachte ich, Ihr hättet mittlerweile gelernt, dass ich Euch gegenüber stetig ehrlich war und noch immer bin. Doch in einer Sache habt Ihr wirklich Recht; so einfach wie gerade den Gefangenen kann ich Euch nicht in die Verzweiflung sprechen … o der arme Narr … diese Tür wird sich niemals wieder öffnen …
FRIEDRICH:
Ihr seid ein Monster Agrippa, und ich verstehe nicht, wie der Baron euer hiesiges Treiben dulden kann. Ich verstehe nicht einmal, wie Ihr es schafft, so aufrecht durch das Leben zu marschieren, mit all dieser Last von Folteropfern auf euren Schultern. Ich bin sehr erfreut darüber, gerade meine letzten Momente in diesen Schreckenskavernen zu erleben.
AGRIPPA:
(erheitert) Friedrich, ihr Wurm, nichts hindert Euch mehr an der Rückkehr in die oberen Gefilde von Wolkentiefens Etagere. Dafür, mich so abstoßend zu finden, scheint Ihr am Pläuschchen mit mir doch noch recht interessiert … gebt es zu, Ihr mögt mich. Ihr könnt gar nicht anders als Männern mit starken Händen zu folgen. Bücklinge folgen nur der Macht, und die Macht hier bin ich. Ganz sicher: Ihr habt mich mögen gelernt.
FRIEDRICH:
(irritiert) Euch mögen? Euch Menschenquäler? Der mich mit Fäkalien gespeist und Schlägen behandelt hat? Der mir die bizarrsten und abartigen Bestrafungen von Verbrechern mit einer fröhlichen Inbrunst präsentierte, die man sonst nur bei Zirkusartisten findet? Ganz gewiss, an Euch ist kein Stückchen Liebenswertes, und die Welt, die Ihr nach eurem Tod erlebt, wird grässlicher sein als all die Schrecken, die Ihr aus diesen kalten Mauern hervorbeschwören könntet. Und nun genug von diesem Thema, ich werde nun schnellen Fußes dorthin zurückkehren, wo die Luft nicht nach Tod und Verwesung stinkt. (geht zum rechten Bühnenrand)
AGRIPPA:
In Ordnung Friedrich Granthelm, gepuderter Bückling. Aber denkt immer daran: Man sieht sich immer zweimal im Leben. (finsteres Kichern)
FRIEDRICH:
(zurücktretend) Was meint Ihr?
AGRIPPA:
Das müsst Ihr schon für Euch selbst herausfinden. Ich habe lange genug eure Hand gehalten und euren Augen das geboten, was für sie bestimmt war. Und nun eilt Euch, macht Euch davon … ich muss meinen Pflichten als Menschenquäler nachgehen. (finsteres Gelächter, geht nach links von der Bühne ab)
ACHTE SZENE
Karger Korridor
—
Friedrich
FRIEDRICH:
(erheitert) O Glückseligkeit, o geliebtes Sonnenlicht, gleich werde ich erneut in deinem Glanze atmen können, befreit aus diesen schrecklichen wie toddurchtränkten Kerkermauern. Hinter mir liegen die gräulichen Bestrafungen dreier Gefangener, geboren aus dem kranken Verstande eines leidenssüchtigen Folterknechtes, und mir erschloss sich eine ganz neue Seite der menschlichen Natur und Triebe; eine Seite, derer ich niemals wieder habhaft werden möchte. Den Ersten, ein brutaler Mörder, ließ er von der Tochter eines seiner Opfer töten … dem Zweiten hackte er die Hände ab, um ihm eine Lektion über Apathie zu erteilen und dessen Geist vollkommen zu brechen, zum Sterben im Wald zurückgelassen … und den Dritten strafte er mit der Qual der Gedanken; dem Zyklus von aufkeimender und vergehender Hoffnung. Johann wird sich nur durch den Stich der Klinge wahrlich befreien können, das Angebot mit der sich bald erneut öffnenden Tür war nur ein finsterer Scherz Agrippas … doch wozu dies alles? Wozu diese grundlose Quälerei … und weshalb vor allem musste ich zu dessen Zeuge werden?
Was will der Baron bloß von mir? Will er mich bestrafen? Mehr und mehr glaube ich schon selbst daran … doch wofür bloß sollte er das tun? War ich nicht stets ein guter und fügsamer Diener? Kein Wunsch war mir zuviel, keine Schläge mir zu schmerzhaft, keine Demütigung zu tiefschürfend … oder ist dies hier vielleicht erst der Anfang einer noch viel größeren Bestrafung? Wie ein Inquisitor seinen Opfern sein Arsenal an Folterinstrumenten zeigt, um die Angst bereits ohne den Einsatz seiner Marterklingen aufflammen zu lassen … ob ich mich bald auch in einer dieser Zellen wiederfinden werde? Die Erinnerung der drei Gefangenen war wie hinfortgespült, sie wussten weder war sie waren noch was sie getan hatten, und wurden trotzdem aufs Brutalste bestraft … bin ich vielleicht der Nächste in diesem grässlichen Spiel, und bin nur zu blind es zu verstehen?
(gibt sich selbst eine Ohrfeige) Ach, so hört doch auf. Diese finsteren Kavernen haben meinen Verstand mit ihrer dunklen Essenz durchdrungen und nagen schon an meiner geistigen Gesundheit wie meinem Verstand. Es gibt keinen Grund mich zu bestrafen, und es wird sicherlich für meine Stationierung hier eine sinnvolle Erklärung geben.
Ich hoffe nur, der Baron ist noch wach. Hier unten habe ich mein Gefühl für Zeit vollkommen verloren und weiß nicht, ob es noch hellichter Tag oder schon dunkle Nacht geworden ist. Den Baron zu wecken ist niemals eine gute Idee, und geziemt sich nicht für einen einfühlsamen Diener. Nicht dass ich noch meine Pflicht versäume, Hochwohlgeboren sein Abendmahl zu servieren … nach Schwarzsauer hatte er verlangt, sein absolutes Lieblingsmahl … doch, was tue ich hier eigentlich? Spintisiere vor mich hin, schwadroniere von meiner Rückkehr in die warmen Stuben des Schlosses, und stehe doch noch wie festgenagelt auf dem Boden dieser finsteren Kavernen … närrisch Friedrich. Närrisch närrisch. (geht kopfschüttelnd und schnellen Schrittes nach rechts von der Bühne ab)
– ENDE DES VIERTEN AKTES-
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