GeisterKlassische PastaMittel

Selig sind, die keinen Geist haben (Phasmophobie Teil 1)

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Die Idee kam uns bei einem gemeinsamen Spieleabend. Wir hatten Pizza bestellt und diese mit Bier und Wein, die in der WG immer ausreichend vorhanden waren, heruntergespült, bevor wir uns zum gemeinsamen Zocken vor die Playstation gesetzt. In dem Spiel ging es um Geister, die man aufspüren musste, so dass wir schon bald darüber diskutierten, ob wir an Geister oder generell Übernatürliches glaubten oder sogar schon einmal etwas in der Art erlebt hatten.

Wir, das waren Lea, Yannik und ich, Ole, alle Studenten im Fachbereich Informatik. Übers Studium hatten wir uns auch kennengelernt, waren nach dem ersten Semester aus dem Wohnheim aus und in eine gemeinsame WG eingezogen und verbrachten seitdem auch einen Großteil unserer Freizeit miteinander. Oft gingen wir weg, aber gerne blieben wir auch mal zuhause, bei Pizza zum gemeinsamen Fernsehabend oder eben beim Zocken, wo wir dann oft auch noch mit anderen Freunden vernetzt waren.

So war es auch an diesem besagten Abend, wir zockten mit einigen anderen, gruselten uns gemeinsam, weil wir uns zum Glück alle drei auf das Game und die Atmosphäre einlassen konnten, ohne nur die Programmierung und die KI zu analysieren. Das Studium war eben das Studium und Freizeit war Freizeit. Horrorspiele waren unsere besondere Leidenschaft, denn wir mochten es, wenn wir uns vor billigen Jumpscares erschreckten und uns mitunter auch mal alle zusammen einbildeten, jetzt habe nicht nur im Spiel, sondern auch in der Realität das Licht kurz aufgeflackert.

Vielleicht hat es ja sogar mit unserem streng wissenschaftlichen, analytischen und rationalen Studiengang zu tun, dass wir diese Ausflüge in die Welt des Phantastischen so sehr mochten. Wirklich daran glauben konnte keiner von uns, wie wir auch beim Spiel wieder feststellten. „Die meisten angeblichen Erscheinungen“, so referierte Yannik jetzt, „sind doch damit zu erklären, dass das menschliche Gehirn im Unübersichtlichen nach bekannten Mustern sucht und daher vieles eben als Gestalt oder als Gesicht deutet, wo im Grunde gar nichts ist.“

„Ja sicher, im Laufe der Evolution hat sich das offenbar als erfolgreich erwiesen und daher durchgesetzt“, pflichtete ich ihm bei, „allerdings kann ich mir nicht mehr vorstellen, wo das heute noch hilfreich sein sollte.“ Yannik nickte, denn wir alle waren uns darin einig, dass es durchaus mehr von Vorteil war, die Welt nüchtern zu betrachten als irgendwelchem Aberglauben aufzusitzen.

„Aber letztlich“, meinte nun Lea, „ist es genau wie auch mit jeder Religion. Ein irrationaler Glaube ist in den Gläubigen so tief verwurzelt, dass oft nicht einmal ein eindeutiger Beweis sie vom Gegenteil überzeugen könnte. Wer also an Geister glaubt, den wirst du kaum davon abbringen können.“ Damit hatte sie vollkommen Recht, dachte ich mir und überlegte, ob das nicht ein großer Nachteil für all diejenigen sein konnte, die an irgendetwas glaubte, was sich nicht beweisen ließ.

Yannik dachte jedoch in eine ganz andere Richtung und meinte: „Darum lässt sich mit diesem ganzen Esoterikscheiß und sowas auch so viel Kohle machen. Stellt euch mal vor, wir würden Leuten, die an Geister glauben, weiß machen, wir könnten ihr Haus davon befreien und reinigen oder so. Damit könnten wir uns safe das gesamte Studium finanzieren.“ Das war der Moment, an dem Lea und ich ganz still wurden.

Der Gedanke hatte sich in unseren Köpfen festgesetzt und allmählich wurde, zunächst noch ziemlich diffus, dann immer konkreter ein Plan daraus. Schon am nächsten Morgen zum Frühstück recherchierten wir, wie denn solche angeblichen Geisterjäger vorgingen und was sie normalerweise für Equipment nutzten.

„Auf jeden Fall brauchen wir eine Kamera, ein Tonband und EMF-Gerät, mit dem man angeblich Schwingungen der Geister aufzeichnen kann“, stellte Lea schließlich fest. „Genau“, pflichtete Yannik ihr bei, „und es brauchen noch nicht mal die neuesten und teuersten Geräte sein, dann wirkt es umso authentischer.“ Letztlich, so meinte er schließlich noch, war es sogar egal, ob sie funktionierten, denn wenn wir unseren Kunden am Ende etwas vorsetzen sollten, würden wir das ohnehin am Computer programmieren.

Ja, er sprach tatsächlich von „unseren Kunden“, denn uns war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass wir unsere Idee in die Tat umsetzen und es bei einigen leichtgläubigen Menschen ausprobieren wollten. Zeit für Gewissensbisse ließen wir uns nicht, und letztlich bestätigten wir die Menschen ja nur in ihrem Aberglauben und wenn wir sie überzeugen konnten, dass wir einen Geist aus ihrem Haus vertrieben, taten wir ihnen sogar noch etwas Gutes.

So stöberte Lea in den nächsten Tagen auf Flohmärkten herum und Yannik und ich programmierten testweise einige Tonspuren, auf denen zwischen undefinierbarem Rauschen mit ein bisschen Fantasie Geisterstimmen zu vernehmen waren. Auch ein paar Videos nahmen wir auf, bearbeiteten sie so, dass die Qualität schlechter war und man in die dunklen Ecken alles mögliche hineininterpretieren konnte oder wir mit ein bisschen CGI nachhelfen konnten.

Ein kleines Gerät, das über eine unscheinbare kleine Fernsteuerung grün oder rot blinkte, ließen wir uns von einem befreundeten Maschinenbaustudent zusammenwerkeln, der als Gegenleistung nur verlangte, irgendwann einmal mitkommen zu dürfen, wenn wir auf Geisterjagd gingen. Damit waren wir also Geisterjäger und konnten im Prinzip loslegen, mit dem Humbug ein bisschen zu unserem viel zu geringen BaföG dazuzuverdienen.

„Guckt mal“, überraschte ich am nächsten Tag die anderen, „ich hab da mal eine kleine Website gebaut.“ Ein paar gruselige Bilder aus dem Internet, zusammenkopierte Texte, die unsere Referenzen darstellen sollten, alles nicht zu dick aufgetragen und betont seriös, aber schon spooky genug, um unserer Meinung nach die leichtgläubigen potenziellen Kunden anzusprechen.

„Wir brauchen noch ein Catchphrase, finde ich“, meinte Lea. „Gute Idee“, stimmte Yannik ihr zu, „wie wäre es mit ’selig sind, die da geistig arm sind‘? Da ist dann zwar mehr Wahrheit drin als uns lieb ist, aber das merkt von denen eh keiner.“ Yannik war eben schon immer ein Zyniker, aber irgendwie gefiel uns die Idee. „Heißt es in der Bibel aber nicht ‚geistlich‘?“, fiel Lea auf. „Na dann wandeln wir es ab und schreiben ’selig sind, die keinen Geist haben’“, gab Yannik schlagfertig zurück und irgendwie ging der Satz dann wirklich online.

Nicht nur als Slogan auf unserer Website, sondern auch in den sozialen Medien und sogar in einem Youtube-Spot, den wir noch schnell aus lizenzfreiem Material zusammenschnitten, das auch andere Geisterjäger und viele offenbar sogar ganz unironisch nutzten. Verrauschte Bilder, auf denen im Grunde nichts zu erkennen war, mysteriöse Tonaufnahmen, die sich anhörten wie die verstopften Klos im Studentenwohnheim, und immer wieder Beteuerungen, dass wir lediglich unerklärlichen Phänomenen auf der Spur waren, weil die Geister offenbar uns erkoren hatten, um sich uns zu offenbaren.

Wir wollten also gar nicht freiwillig tun, was wir taten, sondern fühlten uns denen, die vom Übernatürlichen geplagt wurden und auch der geistigen Welt gegenüber verpflichtet, eben weil wir die Erfahrung gemacht hatten, dass die Geister uns erwählt hatten, um mit dieser Welt zu kommunizieren und sich anschließend auch in die jenseitige Welt zu verabschieden. Wir sahen es als unsere Aufgabe an, die unerzählten Geschichten aufzudecken und den Verstorbenen damit die Möglichkeit zu geben, endlich loszulassen.

Am Ende waren wir selbst erstaunt, was für Wohltäter wir doch waren, wenn wir die Geister erlösten und denjenigen, die sie geplagt hatten, damit zu einem ruhigeren Leben verhalfen. „Auf jeden Fall müssen wir uns nicht mal schämen, dafür eine kleine Aufwandsentschädigung zu verlangen“, konstatierte Yannik und Lea und ich stimmte ihm ohne Zögern zu.

Ein bisschen überrascht waren wir dennoch als unser erster Auftrag gar nicht lange auf sich warten ließ. Ein Ehepaar schrieb uns an. Sie hatten ein altes Anwesen abseits der Stadt gekauft, das einige Jahre leer gestanden hatte und das sie nun wieder herrichten wollten. Der Verfall und viele unvorhergesehene Baumängel waren das Eine, doch beiden waren zudem überzeugt, sie hatten Geräusche gehört und neulich nachts auch eine seltsame geisterhafte Erscheinung gesehen.

Natürlich lachten wir über diese Anfrage, doch den beiden war es ernst, sie wollten ihr neues Heim, bevor sie es renovierten, auf jeden Fall auf Spuren der Vergangenheit untersuchen lassen und wissen, was es mit ihren mysteriösen Beobachtungen auf sich hatte. Lea telefonierte mit den beiden und machte schließlich einen Termin aus, an dem wir in dem Gebäude übernachten und uns gründlich umsehen sollten.

„Hey wie cool“, rief Yannik begeistert, „das ist ja ausgerechnet an Halloween!“ Ganz entgegen unserer wahren rationalen Überzeugungen nahmen wir diesen Zufall als gutes Omen für unsere künftige Karriere als Ghostbusters. Vor allem, weil das Ehepaar bereits im Vorfeld anstandslos unser Honorar, ach neun, unsere Aufwandsentschädigung überwiesen hatte.

Am Nachmittag trafen wir uns mit den beiden Hausbesitzern, fuhren gemeinsam zu dem Anwesen, das in einem Waldstück lag und bestimmt einmal sehr ansehnlich gewesen sein musste. Inzwischen war es allerdings deutlich vom Verfall gezeichnet und ich fragte mich, ob die beiden wirklich glaubten, es ohne Millionen auf dem Konto wieder im alten Glanz erstrahlen lassen zu können. Doch vielleicht hatten sie ja sogar die Millionen auf dem Konto und uns deshalb auch ohne mit der Wimper zu zucken bezahlt. In diesem Falle sollten wir dafür sorgen, dass es mehrere Einsätze unsererseits brauchte bis der Geist sich vertreiben ließ.

Interesse heuchelnd und mit einigen Bemerkungen über Gebäude, die die Vergangenheit und alles, was in ihren Räumen passiert ist, speicherten, ließen wir uns im Haus herumführen, packten dabei schon einmal unsere Gerätschaften aus und ließen einige weitere Sätze fallen, die wir in einschlägigen Youtube-Dokumentationen über paranormale Phänomene aufgeschnappt hatten.

Nach einer viel zu langen Zeit verabschiedeten sich die beiden endlich und wünschten uns eine erfolgreiche Nacht. Die würden wir haben, denn neben der Videokamera und dem anderen Zeug hatten wir auch einen Sechserträger Bier und einen recht guten Wein im Kofferraum, um später auf diesen ersten lukrativen Einsatz anzustoßen. Vorher jedoch musste wir ein paar Filmchen drehen und das EMF zum Ausschlagen bringen, damit unsere Kunden auch etwas zu sehen bekamen.

Die Tonaufnahmen mit dem mehr oder weniger verständlichen Gewimmer hatten wir schon vorher aufgenommen. ‚Kann endlich gehen‘ würde man heraushören können und wir würden den beiden die Geschichte einer früheren Bewohnerin auftischen, die den Verfall ihres Elternhauses bedauerte und erst jetzt ins Jenseits gehen konnte, wo sie es in guten Händen wusste. Ein paar Details zur Biografie hatten wir im Internet herausfinden können, so dass wir schon jetzt ein wenig stolz auf uns waren, sowohl den Geist als auch und vor allem unsere Auftraggeber glücklich zu machen.

Wir warteten noch bis es schließlich richtig dunkel war, dann legten wir los und filmten uns dabei, wie wir Raum für Raum durchs Haus schlichen, uns umhörten und hin und wieder fragten: „Ist hier jemand? Wenn ja, dann gib uns ein Zeichen.“ Die Zeichen blieben erstmal aus, doch auch dafür hatten wir natürlich vorgesorgt. Eine dünne Schnur, eine knarrende Tür und dazu ein deutlicher Ausschlag auf unserem Messgerät, das würde die Geistgläubigen schon überzeugen.

Raum für Raum filmten wir alles, von dem wir dachten, es lasse sich später wer weiß was in die Bilder hineininterpretieren. Dazu spielten wir unsere Rollen der seriösen und vom Übersinnlichen überzeugten Geisterjäger und ich war fest davon überzeugt, dass wir unsere Sache recht gut machten. Vor allem durften wir nicht zu dick auftragen, hatte ich den beiden anderen vorher gesagt, denn irgendwann würden unsere Auftraggeber sonst merken, dass wir sie für dumm verkauften.

In Wahrheit dachten wir aber genau das, es mag ein wenig überheblich klingen, doch letztlich dachten wir, dass all diejenigen, die an solchen Spuk glaubten, es nicht besser verdient hatten als von uns abgezockt zu werden. Außerdem machte es uns zunehmend Spaß, dieses Theater für sie aufzuführen und vielleicht konnten wir die Aufnahmen ja später sogar noch bei Youtube hochladen und durch viele Klicks zusätzlich ein bisschen Kohle machen.

Das Haus jedenfalls machte als Kulisse durchaus etwas her, man konnte den früheren Charme noch erkennen und es war ein Lost Place, nach dem sich sogenannte Urbexer wohl die Finger lecken würden. „Es hat mit Sicherheit sogar wirklich eine spannende Geschichte“, mutmaßte Lea später als wir die Kamera erst einmal ausgestellt hatten, unsere Feldbetten und Schlafsäcke aufbauten, die wir in einem Preppershop bestellt hatten und uns das erste Bier genehmigten.

„Auf unsere kleine Ghostbuster-Firma“, sagte ich beim Anstoßen. „Auf die seligen, die keinen Geist haben“, gab Yannik lachend zurück. Lea fiel mit ein und so fühlte es sich bald schon an wie ein besserer Campingausflug. Wir machten Witze über Leute, die sich Akasha-Säulen in den Garten stellten und über Kirchgänger, die an einen am Kreuz gestorbenen Gott glaubten. Für uns hatte beides etwa dieselbe Qualität.

„Ob die sich nun von selbsternannten Heilpraktikern, von Päpsten oder von uns abzocken lassen, macht doch letztlich keinen Unterschied“, stellte Yannik irgendwann fest und ich stimmte ihm widerspruchslos zu. Letztlich schadeten wir niemandem und das unterschied uns sogar von anderen, die mit der Leichtgläubigkeit anderer Geschäfte machen, sagte ich mir. Lea hingegen war etwas zögerlicher. „Naja, so gesehen verkaufen wir ein Produkt, das keinen Sinn macht und den Kunden nur sinnvoll erscheint, weil wir es ihnen einreden“, holte sie aus, „damit sind wir nicht besser als Großkapitalisten, die wir für für ihr schamloses Profitdenken verurteilen würden.“

Obwohl sie damit ja Recht hatte, wollten wir das nicht hören und machten uns lieber noch einmal bereit, einige weitere Geistererscheinungen zu filmen. Die Zeit dazwischen hatten wir bewusst verstreichen lassen, damit wir später am Stand des Mondes beteuern konnten, wir seien mitten in der Nacht von einem Geräusch geweckt worden. Zu leicht durften wir das, was wir taten schließlich auch nicht nehmen und unsere Kunden auch nicht unterschätzen. Auf einige Details würden sie bestimmt achten, so dass wir uns durchaus Mühe geben mussten.

Daher achtete ich auch auf Details als ich die Kamera wieder im Anschlag hatte, während Yannik mit dem Messgerät vor mir her lief. Lea blieb neben mir, mal im Bild, mal nicht, denn im Flur oben hatten wir eine Tür mit dem Faden präpariert, an dem sie gleich von außerhalb des Bildes ziehen sollte.

Doch schon bevor wir vom Teppenhaus aus in den Flur kamen, meinte ich plötzlich, eine Bewegung im Display der Kamera zu erkennen. Mehr oder weniger aus einem Reflex heraus filmte ich noch einmal in die Richtung und erschrak als ich meinte, einen sich bewegenden Schatten gesehen zu haben.

„Wartet mal“, raunte ich den anderen zu, spulte die Aufnahme ein Stück zurück und sah es mir noch einmal an. „Was ist denn?“, fragte Lea. Mir war nun doch ein bisschen mulmig zumute, obwohl ich wusste, dass ich mir das, was ich sah nur einbildete. „Seht mal“, forderte ich die beiden nun auf und zeigte ihnen die Aufnahme noch einmal.

Unverkennbar bewegt sich dort etwas, ein wehender Vorhang oder was auch immer, jedenfalls irgendetwas, das seine Wirkung in unserem Video nicht verfehlen würde. „Was ist das?“, fragte Yannik. „Keine Ahnung“, kam es nun bestimmt von Lea, „aber wir sollten nachsehen, ob wir es nicht noch einmal besser in Szene setzen können.“

Damit machte sie auch schon einige Schritte in die Richtung, in der ich den Schatten gefilmt hatte, auf die Treppe zu, die auf den Dachboden führte. Im Gegensatz zur breiten Freitreppe von unten herauf war es eine schmale Stiege mit schlichten Holzstufen, die nun knarrten als Lea die ersten davon betrat.

„Siehst du etwas?“, fragte ich, die Unsicherheit in meiner Stimme überspielend. „Nee noch nicht, aber komm mit der Kamera her, falls doch noch was zu sehen ist.“ Umgehend tat ich wie mir geheißen, Yannik dicht hinter mir und erstaunlich still. Wahrscheinlich war er nur voll in seiner Rolle, so dass ich auch beschloss, das Ganze erst einmal mitzuspielen.

Einen Vorhang oder ähnliches gab es hier nicht, so dass ich mir nicht erklären konnte, woher der Schatten stammte. Doch wir alle hatten ihn ganz deutlich gesehen, so dass es eine Erklärung und vor allem hoffentlich ein paar glaubwürdige Bilder geben würde. Stufe für Stufe erklomm Lea nun die steile Bodentreppe, wiegte manchmal sogar extra hin und her, weil das Knarzen des Holzes so schön klischeehaft gruselig klang.

Oben gab es eine schlichte Holztür, die nicht verschlossen war und sogar einen Spalt offen stand. Okay, dann war sie vielleicht zugeweht und hatte dabei den Schatten geworfen, den wir als etwas anderes interpretiert hatten. Diese Erklärung beruhigte mich erst einmal, zumindest bis Lea die Tür nun aufschob und sie dabei laut in den angeln ächzte und ein schrilles Quietschen von sich gab.

Dennoch schlichen wir alle drei weiter voran, Lea mit dem ersten Schritt durch die Tür, ich etwa auf der Mitte der Treppe und Yannik direkt hinter mir.

Und dann ging alles ganz schnell. Bevor wir noch reagieren konnten, sah ich vom Dachboden her einen Schatten auf Lea zustürzen, sie wurde fortgerissen, die Tür schlug mit einem lauten und irgendwie endgültigen Knall zu und als Yannik und ich oben an der Treppe ankamen, ließ sie sich trotz allen Rüttelns nicht mehr öffnen.

Wir warfen uns schließlich mit aller Kraft dagegen, bevor wir ein Brecheisen holten und sie aufbrachen. Doch es war zu spät. Auf dem Boden fanden wir Leas Leiche mit vor Schreck geweiteten Augen und aufgerissenem Mund. Sie sah schaurig aus, auch bei Licht betrachtet, das wir jetzt natürlich einschalteten, wies jedoch keine Verletzungen oder sonstige Hinweise auf, was passiert sein konnte.

Zuerst sahen wir uns immer wieder die Aufnahme an, die wir gemacht hatten. In der Zeitlupe war deutlich zu erkennen, dass der Schatten, den wir gesehen hatten, die Form einer Frau in einem langen Kleid hatte und eben auch weiß statt wie für Schatten normal schwarz war.

Es war Yannik, der schließlich wortlos sein Handy zückte und die Polizei rief. Irgendwann tauchte auch ein Streifenwagen auf, doch wir merkten den beiden Beamten deutlich an, dass sie uns kein Wort glaubten. Sie hielten all das sogar für einen schlechten Halloweenscherz, so dass wir sie umgehend auf den Dachboden führten, um zu beweisen, dass wir die Wahrheit sagten. Allerdings gab es dort von Lea jetzt keine Spur mehr. Ihre Leiche, die wir mit eigenen Augen gesehen hatten, war fort als sei sie niemals hier gewesen.

Unser Video wollten sich die Polizisten nicht einmal ansehen, sie drohten uns damit, uns wegen Vortäuschen eines Verbrechens zur Rechenschaft zu ziehen, dann kehrten sie uns den Rücken zu und verschwanden. Natürlich taten wir es ihnen gleich, fuhren völlig aufgelöst nach Hause und verkrochen uns schweigend in unsere Zimmer.

Lea blieb verschwunden. Noch immer weiß ich nicht, was in dem Haus passiert ist, habe keine Erklärung dafür. War es ein Geist, den wir gesehen haben? Gab es also doch übersinnliche Dinge, die wir uns nicht erklären konnten? Und ist das was geschehen ist, vielleicht die Strafe für unser Handeln? Ich weiß nicht, ob ich jemals Antworten auf diese Fragen bekommen werde.

Bewertung: 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Überprüfen Sie auch
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"