MittelSchockierendes Ende

Shutdown

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Vollkommenheit

Als er erwachte und die Augen aufriss, befand er sich in
endloser, undurchdringlicher Finsternis.

So dunkel, dass Daniel sich nicht einmal sicher war, ob er
die Augen wirklich geöffnet hatte. Das Gefühl des Blinzelns mit Selbigen,
bestätigte es ihm jedoch. Diese Regung, war alles, wozu er sich im Stande sah.

Daniel hatte Angst. Aber nicht irgendeine Angst. Nicht die Form von Angst, die sich als langsam heranrückendes Grauen zeigt. Welche die Krallen nach einem austreckt, einen sacht berührt und erst nur einen Schauer über den Rücken jagt, bis die Klarheit über die gegenwärtige Situation vollends in das Bewusstsein sickert und einen in Panik verfallen lässt. Oh nein, Daniels Angst war anderer Natur, sie war vollkommener.

Diese Form von Angst, war kein schleichendes, sich langsam
näherndes Grauen, dass erst nach und nach seine hässliche Fratze zeigte. Diese
Form, war einfach da. Von jetzt auf eben, erschien sie Daniel in voller Pracht
und Schrecklichkeit. Sie lähmte ihn, machte es ihm unmöglich, sich zu bewegen
oder einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Herz raste, doch sein Atem ging
langsam und beständig. Das war es zumindest, was er fühlte.

Damit kommen wir zum Grund seiner Angst.

Die Dunkelheit war eine Sache. Sie war unnatürlich. Oder
vielleicht auch nicht. Daniel vermochte es nicht zu sagen. Ihm kam es so vor,
da er noch nie eine so vollkommene Finsternis erblickt hatte, in der nicht
einmal der leiseste Funke eines Restlichtscheins zu erspähen war. Sie war so
vollkommen wie seine Angst und doch nicht, der Grund für eben jene. Zumindest
nicht alleine.

Was die Angst vollkommen machte, waren zweierlei weitere
Dinge.

Zum einen, wäre da die Abwesenheit eines jeden Geräuschs. Daniel hörte rein gar nichts. Ebenso, wie er rein gar nichts sah. Er hörte nicht einmal seinen eigenen Atem und das war furchtbar, da nur das Gespür, seines sich bewegenden Brustkorbs ihm verriet, dass er überhaupt noch atmete. Das er noch lebte. Diese absolute – vollkommene (langsam begann er das Wort zu hassen) – Stille, war erdrückend. Erdrückender noch als die Finsternis.

Es war alles andere, als wie er es oft in Büchern gelesen hatte. Von wegen, die Stille wäre ohrenbetäubend. Nein, sie war nicht ohrenbetäubend, darüber hätte er sich vermutlich noch glücklich geschätzt, denn ein ohrenbetäubendes Dröhnen – und stamme es auch nur aus seinem Kopf – wäre immerhin etwas gewesen.

Der letzte Fakt, der seine Angst vollkommen machte, war das Gefühl
der Schwerelosigkeit.

Daniel meinte, auf einem harten Untergrund zu liegen, doch
irgendwie schien dieser nicht richtig da zu sein. Er hatte gleichzeitig das
Gefühl, durch die endlose Finsternis zu fallen und doch auf festem Boden zu
liegen. Dabei war es kein Gefühl des Schwebens, sondern schlicht ein Zwischenstadium.
Zwischen liegen und fallen. Als wäre er in einem ewigen Falltraum gefangen.

Schon jetzt verursachte dieser Zustand ein mulmiges Gefühl
in seiner Magengegend und Daniel befürchtete, dass er sich nicht daran gewöhnen
können würde. Ganz im Gegenteil, es würde nur immer schlimmer werden, je länger
er dieser Schwerelosigkeit ausgesetzt war.

Dies waren die drei Gründe für seine vollkommene Angst:
Blindheit, Taubheit und die Unsicherheit darüber, ob er nun lag oder fiel.

Langsam sickerten ein paar Gedanken durch seinen Kopf. Keine
klaren Bilder, oder Worte, aber zumindest Ansätze davon, die ihn beruhigten.
Immerhin lebte er noch. Er konnte nicht sagen wo er sich befand oder wie er
hierhergekommen war, aber er lebte noch. Das war doch schon mal was.

Ganz genau alter Knabe, ewige Dunkelheit und völlige Geräuschlosigkeit, aber sonst? Alles Palletti. Kein Grund sich zu fürchten! Der erste, klare Gedanke und er ließ Daniel auflachen. Nun, zumindest meinte er, dass er lachte. Er spürte, dass er den Mund öffnete, aber hörte keinen einzigen verdammten Laut über seine Lippen kommen. Abrupt schloss er den Mund wieder.

Scheiße, dachte er und unter anderen Umständen, hätte er darüber vermutlich wieder gelacht – Daniel hatte sich selbst oder seine Umwelt noch nie sonderlich ernst genommen, ein Umstand, der ihn ein ums andere Mal an eine Konfrontation mit seiner Frau gebracht hatte.

Elizabeth! Der Name riss ihn förmlich aus seiner Paralyse. Daniel schreckte hoch, schwer atmend und mit weit aufgerissenen Augen – weiter als ohnehin schon. (Als hätte er die Dunkelheit mit aufgerissenen Augen eher durchdringen können… Aber versuchen Sie mal, ihren Körper, der unter panischer Angst und einem Schockzustand leidet, mit Logik davon zu überzeugen, dass er die Augen genauso gut schließen konnte… Wir laufen trotzdem, mit offenen Augen durch die Finsternis. Immer in der Hoffnung, doch irgendetwas zu erspähen, dass uns möglicherweise böses will, ganz gleich der Tatsache, dass wir keinerlei Chance haben es zu sehen).

Plötzlich war alle Angst von Daniel abgefallen. Nein,
eigentlich war sie das nicht, er bemerkte sie nur nicht mehr ganz so präsent und
allgegenwärtig, da er nun etwas anderes hatte, auf das er sich fokussieren
konnte. Elizabeth, seine Frau. Er wusste nicht woher, aber ihn überkam, dass
unbestimmte Gefühl, dass etwas nicht mit ihr stimmte, dass sie seine Hilfe
benötigte. Denn ob sie sich oft genug wegen seiner schlechten Witze in den
Haaren hatten, so liebten sie einander doch innig, waren füreinander bestimmten
und wollten nie, ohne den anderen sein.

Ich muss sie finden. Ein aberwitziger Gedanke. Wie sollte er sich hier in dieser Dunkelheit zurechtfinden? Doch Daniel gab einen Scheiß drauf. Er erhob sich und lief einfach blindlings los – die Augen weiterhin weit aufgerissen -, die Arme ausgestreckt um ein mögliches Hindernis zu erfühlen, bevor er dagegen rannte und das Gefühl der Bodenlosigkeit unter sich ignorierend.

Daniel lief mindestens hundert Schritte, ohne auf ein Hindernis,
eine Wand oder überhaupt irgendetwas zu stoßen. Der Grund unter ihm, blieb eben…
naja, soweit er sich eben anfühlen konnte. Seine Füße bemerkten keinen
Unterschied, sagen wir es so. Daniel war sich sicher, dass er geradeauslief,
aber was hieß das schon in absoluter Dunkelheit und ohne einen Gegenstand oder
dergleichen, an dem er sich orientieren konnte? Er konnte genauso gut im Kreis
laufen, ohne es zu merken.

Der Gedanke ließ Daniel lächeln – mehr nicht, bloß nicht
wieder lachen und feststellen, dass er das eigene Lachen nicht hören konnte, oh
nein, darauf konnte er gut und gerne verzichten! Sich vorzustellen, wie er
blind durch die Dunkelheit tapsend im Kreis lief, belustigte ihn. Allerdings
nur für ein paar Sekunden. Daniel mochte sich selbst ja nicht sonderlich ernst
nehmen, aber er war kein Idiot. Er befand sich an einem äußerst seltsamen Ort
und als ihm dieser unumstößliche Fakt langsam wieder gewahr wurde, bekam er es
gleichermaßen, wieder mit der Angst zu tun.

Die Angst wuchs schnell, doch dieses Mal lähmte sie ihn
nicht. Stattdessen versetzte sie ihn in blanke Panik. Daniel wusste nicht, ob
er schrie, während er ohne Rücksicht auf Verluste einfach losrannte – wie auch,
er konnte sich ja selbst nicht hören. Er rannte einfach, rannte und rannte und
rannte, bis ihm die Lungen brannten und sein Herz raste. Was bedeutete, dass er
vermutlich noch nicht sonderlich lange rannte – Daniel war nie sonderlich
sportlich gewesen und hatte sich in den letzten Jahren ziemlich gehen lassen.

Irgendwann hörte er auf zu rennen. Nicht weil die Panik
nachließ, sondern, weil er einfach nicht mehr konnte. Er atmete schnell und unrhythmisch,
während er in gebeugter Haltung die Hände auf die Knie stützte. Auf die bloßen
Knie, wie er nun erschrocken feststellte. Langsam ließ er seine Hände weiter
nach oben fahren und bemerkte zum ersten Mal, dass er vollkommen unbekleidet
war.

„Was für ein scheiß Spiel wird hier gespielt!“, fluchte er,
ohne dass ein Laut über seine Lippen kam. Keiner, den er hören konnte zumindest.
Während er spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss, bedeckte Daniel seine
Scham und sah sich zu allen Seiten um.

Wurde er etwa beobachtet? Gefilmt? War das hier so eine Art
Prank? Ein Spaß, auf Kosten anderer? Wenn ja, dann war er nicht sonderlich
witzig. Und das sagte jemand, der in jeder anderen Situation über sich selbst
herzlich lachen konnte.

„Lasst den Scheiß und holt mich hier raus!“, brüllte Daniel,
wobei nur die Anstrengung seiner Stimmbänder ihm verriet, dass er tatsächlich
schrie. Es war betrübend. Und gleichzeitig, machte es ihn stinksauer. Scheiß
auf die Angst! Scheiß auf die Pisser, die sich hier einen Spaß mit ihm erlaubten!
Wenn er hier rauskam, würden sie eine gänzlich andere, nicht mehr so witzige
Seite von ihm kennenlernen!

Doch das war eine leere Drohung und das wusste Daniel. Er
hatte sich nie geprügelt, war nie gewalttätig geworden. Er war die Sanftmut in Person.
Wenn er ehrlich zu sich selber war, wollte er einfach nur hier raus und die
ganze Sache vergessen, ganz gleich wer dahintersteckte.

Aber daraus sollte nichts werden. Statt seiner Befreiung,
erlebte er von einem Moment auf den anderen, unbeschreibliche Pein. Schmerzen, in
Form von einer donnernden Stimme, die von überallher gleichzeitig zu kommen schien.
In der vollkommenen Stille, die Daniel umgab, war dies der ohrenbetäubende Klang und er meinte, dass die vibrierenden
Worte, die darin mitschwangen, ihm den Kopf platzen lassen müssten.

Daniel sank vor Schmerz auf die Knie, hielt sich die Ohren
so fest zu, wie er nur konnte, doch es brachte nichts. Die Stimme brachte gnadenlos
ihre Frage zu Ende, wobei jedes Wort wie ein Kanonenschlag in Daniels Kopf
hämmerte.

„Fühlt er überhaupt noch etwas?“

Der Moment war so schnell vorbei, wie er gekommen war.
Dankbar rannen Daniel Tränen über die Wangen. Dankbar dafür, dass der Schmerz
so kurz – und doch so unendlich lang! – gewesen war. Er hoffte nur, dass er nie
wiederkommen würde. Eher wollte er in endloser Stille leben, als jemals wieder
solch eine gewaltige Stimme zu vernehmen!

Und was hatte das überhaupt zu bedeuten? Fühlt er überhaupt noch etwas? Was für eine Frage und an wen gerichtet? Daniel verstand die Welt nicht mehr. Er musste hier raus. So schnell wie möglich. Irgendwie. Egal wie.

Er erhob sich wieder und rannte los.

Nun ja, dass war es zumindest, was er vorgehabt hatte, aber
aus einem unerfindlichen Grund, war Daniel dazu nicht mehr in der Lage. Er war
nicht gelähmt vor Angst, wie vorher – ganz im Gegenteil, Angst verspürte er
keine mehr, nur den Willen von hier zu verschwinden und in sein normales Leben
zurückzukehren – er war einfach nur nicht dazu in der Lage, sich zu bewegen.

Daniel sah an sich herab – nicht in der Hoffnung etwas zu
sehen, scheiße, er konnte nicht einmal die eigene Hand vor Augen sehen – oder
zumindest versuchte er es, doch auch das, schien ihm nicht mehr möglich.
Langsam bekam er wieder Panik.

Daniel bewegte die Augen, blinzelte. Vermeintlich. Er wusste es nicht. Je länger er darüber nachdachte, desto mehr kam er zu dem Schluss, dass er sich nicht nur nicht mehr bewegen konnte, sondern dass er rein gar nichts fühlte!

Fühlt er überhaupt noch etwas?

Der Gedanke schoss wie ein Blitz durch seinen Kopf. Wie eine
Klinge, schnitt sie in seinen Geist und ließ ihn zusammenzucken. Eventuell. Er war
sich sicher, dass er es unter normalen Umständen getan hätte.

Was hatte das zu bedeuten, verdammt noch mal?! War er nun
gelähmt? Vollständig bewegungsunfähig? Oder war er durchaus noch zur Bewegung
fähig, spürte eben jene Abläufe seines Körpers aber nicht mehr?

Mit grausamer Klarheit, wurde Daniel sich darüber bewusst, dass
er seine eigene Atmung nicht mehr spürte. Atmen, ein so natürlicher Vorrang,
dass wir zu neunundneunzig Komma neun Prozent unseres Lebens, nicht einmal den
Hauch eines Gedankens daran verschwenden. Ein Automatismus, der einfach zum
Leben dazugehört und jetzt, in seiner Unfähigkeit ihn zu spüren, wünschte Daniel
sich nichts sehnlicher, als sich den Rest seines Lebens aufs Atmen konzentrieren
zu können.

Atmen zu können, bedeutete dass man lebte! Wenn er nicht
mehr spürte, dass er noch atmete, wie konnte er dann sicher sein, dass er noch
lebte? Scheiße noch mal, er spürte ja nicht einmal mehr seinen eigenen
Herzschlag! Er spürte nichts! Rein gar nichts!

Alles was er noch konnte, war denken. Leere, sinnlose
Phrasen denken, die ihn niemals hier rausbringen würden. Wenn es einen Ausgang gab,
wie sollte er ihn jetzt noch finden können? Allein in völliger Finsternis, wäre
das vielleicht noch möglich gewesen – irgendwann hätte er schon eine Wand erreicht,
der Raum, oder wo immer er auch war, konnte ja nicht endlos sein, auch wenn die
Dunkelheit diesen Eindruck erweckte – aber jetzt, da er nichts mehr spüren
konnte, konnte er sich ja nicht einmal sicher sein, ob er lief, ob seine Beine
sich überhaupt bewegten! Und selbst wenn, selbst wenn er eine Wand erreichen
würde, er würde sie nicht erfühlen! Keiner seiner Sinne, würde ihm verraten,
dass er gerade unablässig gegen eine Wand lief.

Daniel brach zusammen. Oder zumindest glaubte er das.
Zusammenbrechen, war eine logische Reaktion, auf eine derart schreckliche Erkenntnis
und da er sich selbst gut genug kannte, war er sich ziemlich sicher, dass er zusammengebrochen war.

Nichts hatte mehr einen Sinn. Er würde nie hier rauskommen.
Er war allein in endloser Dunkelheit, mit seinen Gedanken. Zu nichts anderem
mehr in der Lage, als zu denken. Ein schwebendes Bewusstsein, irgendwo im
Nirgendwo.

Noch merkte er es nicht und schon bald, würde er gar nichts
mehr merken, doch in diesem Augenblick, begann Daniel sich zu verlieren. Ohne
seine Sinne, ohne die grundlegenden Funktionen seines Körpers auch nur zu spüren,
war er nicht mehr, als ein einziger, vollkommener Denkprozess, der sich zwischen
zwei Optionen entscheiden konnte: Den Rest seiner Existenz damit zu verbringen,
zu denken oder einfach damit aufzuhören.

Einfach nur zu denken, bedeutete, in Erinnerungen zu
schwelgen. Bilder hervorzurufen, Klänge im Geist nachzuspielen. So lange, bis
die Klänge verklangen, da die Erinnerungen verschwammen und die Bilder an Form und
Farbe verloren. Bis sich alles zu einem grauen Einheitsbrei in der Nichtigkeit
verlor. Wenn dieser Punkt erst einmal erreicht war, blieb nur noch, sich mit den
Grundlagen des Lebens zu beschäftigen.

Mathematische Formeln und physikalische Gesetzte spielten
keine Rolle mehr. Man konnte sich eine Weile lang mit ihnen beschäftigen, aber
wozu? Selbst wenn der rastlose Geist in seiner Vollkommenheit, eine
allumfassende Erkenntnis erreichen würde, mit wem sollte er sie teilen? Er
konnte sie nicht aussprechen, konnte sie nicht beweisen, konnte sich nicht an
ihr probieren – außer im Denkprozess selbst, in einer Fantasiewelt, die jedoch ebenso
schnell an Form und Farbe verlor, wie die Erinnerungen. Denn aus was schufen
wir denn Fantasiewelten in die wir uns zu flüchten vermögen? Ganz Recht, aus
Erinnerungen. Fantasiewelten sind nichts anderes, als Verknüpfungen zwischen
Erfahrungen, Gesehenem, Gelesenem, Gehörtem oder Gespürtem.  Und zu keinem dieser Dinge, war Daniel mehr
fähig.

Also blieben die Grundlagen des Lebens. Philosophien. Warum lebten wir? Was bedeutete es zu leben? Wenn man nichts mehr hatte, begannen solche Fragen plötzlich an Bedeutung zu gewinnen. Man hatte alles verloren und fragte sich, wie man sein Leben bis dahin verbracht hatte und kam möglicherweise zu der erschreckenden Erkenntnis, dass man nichts Wertvolles in seinem Leben erreicht hatte, nichts, was von Bestand war, nichts, was übrigblieb. Oder man stellte fest, dass man zufrieden war. Man war nicht perfekt, nicht vollkommen, bei Weitem nicht. Es gab so vieles zu sehen, zu erleben, zu tun, man hatte nicht einmal die Hälfte all dessen geschafft, aber man hatte sich Mühe gegeben hatte gelebt und das war gut so. Es
reichte.

Daniel tat nichts dergleichen. Er entschied sich von
vornherein für die zweite Option – zu deren Ergebnis Erste unweigerlich auch
irgendwann führte – er hörte einfach auf zu denken. Er schwelgte nicht in
Erinnerungen, flüchtete sich nicht in Fantasiewelten, hinterfragte nicht die
Grundlagen der Mathematik oder des Lebens. Er stellte seinen Denkprozess und
mit ihm zusammen auch sämtliche anderen Prozesse einfach ein. Schaltete sich
ab. Fuhr sich herunter.

Entscheidung

 „Elizabeth, wir warten nur noch auf ihre Bestätigung.“

Ihre Bestätigung? Dieses Wort rang Elizabeth ein müdes Lächeln
ab. Sie antwortete nicht sofort, sondern schaute noch ein letztes Mal, auf ihren
Mann herab.

Die Bestätigung, auf die man hier wartete, war die Bestätigung
dafür, dass man ihn tötete. Aber das stimmte nicht ganz, oder? Wenn Elizabeth Daniel
so betrachtete, fragte sie sich nicht zum ersten Mal, ob er nicht schon vor
einem Jahr gestorben war.

Der Unfall hatte ihr alles genommen, was sie so sehr an ihm
geliebt hatte. Seine Güte, seinen Sanftmut, seine dummen Witze, wegen denen sie
sich ständig stritten.

Vor ihr lag nur noch eine Hülle. Eine leblose Hülle, die zum
Leben gezwungen wurde. Durch Maschinen. Schläuche bedeckten diese Hülle. Unablässig
piepten die Maschinen, maßen irgendwelche Funktionen und gaben Werte wieder.
Doch da war nichts mehr zu bewerten.

Die Ärzte waren sich nicht sicher, ob Daniel nun hirntot war
oder nicht. Alles was sie wussten, war, dass er im Koma lag und vermutlich nie
wieder daraus erwachen würde. Er reagierte auf keinerlei äußerlichen Reize,
nichts ließ darauf schließen, dass sein Hirn noch richtig arbeitete, doch ganz
ausschließen konnte man es auch nicht.

Elizabeth hatte es sich ein Jahr lang angesehen. Ein Jahr
lang, war sie jeden Tag hierhergekommen, hatte neben ihm gesessen, mit ihm
geredet und ihn dabei beobachtet. Angeblich sollen Komapatienten ja
mitbekommen, wenn man mit ihnen sprach. Elizabeth hatte keinen einzigen
Augenblick auch nur den Hauch eines Gefühls davon, dass Daniel sie hörte. Er
lag einfach nur da, beatmet und ernährt von Maschinen und schlief. Schlief
seinen endlosen Schlaf.

Alles was sie hoffen konnte, war, dass er friedlich schlief.
Das ihren geliebten Ehemann, keine Albträume plagten.

Und wenn doch, dann würde sie ihm jetzt eine Gnade erweisen
und die Albträume endlich beenden, damit er wahrhaften Frieden fand. „Schalten
sie ihn ab“, erwiderte Elizabeth mit klarer, aber tonloser Stimme.

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