ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Häuser atmen.
Ein: Das Laub im Garten raschelt wie trockenes Papier, knochige Äste kratzen an deinen Fenstern. Irgendwo in den Gedärmen dieser dich umschließenden Konstruktion knarzt ein Rohr.
Aus: Gelbliche Maden tummeln sich in den Ritzen. Eine Ratte hält ein rosa, zuckendes Näschen in die nach Flieder duftende Nacht. Im Badezimmer tropft ein Wasserhahn.
Häuser atmen, so hatte es Annie ihre Mutter erzählt.
Ihre nach Honig und warmen Holz duftende Mutter, ihre Mutter mit den Korkenzieherlocken- fein säuberlich abends eingedreht, ihre Mutter:
Ein zerschlagenes Kunstwert am Straßenrand, ein Gesicht voller Splitter, irgendetwas am Ende eines Armstumpfes, matschig und rot. Irgendetwas, das Annie in’s Gesicht tropft und metallisch schmeckt, sie spuckt es aus, sie versucht es, aber alles an ihr scheint gelähmt zu sein. Also schluckt sie es hinunter.
Annie liegt wach in diesem Bett, das nicht das ihre ist und starrt angestrengt in das vom
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Jetzt anmelden oder registrierenHäuser atmen.
Ein: Das Laub im Garten raschelt wie trockenes Papier, knochige Äste kratzen an deinen Fenstern. Irgendwo in den Gedärmen dieser dich umschließenden Konstruktion knarzt ein Rohr.
Aus: Gelbliche Maden tummeln sich in den Ritzen. Eine Ratte hält ein rosa, zuckendes Näschen in die nach Flieder duftende Nacht. Im Badezimmer tropft ein Wasserhahn.
Häuser atmen, so hatte es Annie ihre Mutter erzählt.
Ihre nach Honig und warmen Holz duftende Mutter, ihre Mutter mit den Korkenzieherlocken- fein säuberlich abends eingedreht, ihre Mutter:
Ein zerschlagenes Kunstwert am Straßenrand, ein Gesicht voller Splitter, irgendetwas am Ende eines Armstumpfes, matschig und rot. Irgendetwas, das Annie in’s Gesicht tropft und metallisch schmeckt, sie spuckt es aus, sie versucht es, aber alles an ihr scheint gelähmt zu sein. Also schluckt sie es hinunter.
Annie liegt wach in diesem Bett, das nicht das ihre ist und starrt angestrengt in das vom Mond nur spärlich erleuchtete Zimmer. An den Rändern ihres Sichtfeldes tanzen zuckende, schwarze Konturen.
Seit dem Unfall reißt sie ihre Augen stets weit auf auf, anstatt sie bei aufkommender Panik fest zusammenzupressen. Sie kann nichts dagegen tun, es ist ein Reflex, ähnlich wie dem Reflex des Schluckens, ein winziger Teil ihres Körpers der nach dem Aufprall noch zuverlässig funktionierte.
Häuser atmen, Annie, es ist nichts dabei.
Ich weiß, Mama, aber dieses Haus ist anders.
Es ist dir nur fremd, Annie. Versuch’ zu schlafen, ich sing’ dir ein Lied.
Aber niemand singt ihr ein Lied, stattdessen quietscht irgendwo ein Fensterladen. Aus.
Als sie hier ankam, nahm sie eine bleiche, hochgewachsene Figur in Empfang. Alles an Annies Tante schien auf den ersten Blick aus Wachs zu sein. Ihre Gesichtszüge wirkten wie angeschmolzen, oder unfertig- als hätte Gott sie erschaffen und dabei auf halbem Wege das Interesse an ihr verloren. Dünne, strähnige Haare, durch die bleiche, kahle Kopfhaut schimmerte. Augen wie verglimmende Kohlen. Und knacksende Fingerknöchel, einer nach dem anderen.
Das sollte die Schwester ihrer Mutter sein? Annie verstand sofort, weshalb es hier keine gemeinsamen Familienbesuche gegeben hatte, nicht einen.
Die Sozialarbeiterin fuhr sie an den Rändern endloser Felder entlang. Je mehr die beiden sich der Farm von Annies letzter verbliebener Angehörigen näherten, umso trister wurde die Umgebung. Es war, als hätten die Natur ihre Farben Kilometer um Kilometer ausgeblutet. Gelber, starker Weizen beugte sich sacht unter dem Druck einer unbarmherzigen Hand, verlor sein gelblich schimmerndes Strahlen, bis das Auto schließlich nur noch an geknickten, grauen und kümmerlichen Stängeln vorbeizog, die nur noch entfernt an das stattliche Korn erinnerten.
Die Wälder am Wegesrand hatten, viel zu früh für diese Jahreszeit, sämtliche Blätter abgeworfen. Knorrige, schwarze Äste reckten sich einem grauen, von fliehenden Wolken bedeckten Himmel entgegen.
Als es schließlich regnete, hätte Annie schwören können es regne Quecksilber. Selbst die Sozialarbeitern runzelte die Stirn und unterdrückte ein Gähnen. Das Radio hat den Empfang bereits vor ein paar Kilometern vollständig verloren.
Dauert länger als erwartet, meine Kleine. Aber bald müssten wir da sein.
Ein. Die Eingangstüre knarzt. Im Garten dumpfe, schmatzende Geräusche.
Etwas schleicht dort herum, wird angezogen vom warmen Atem des Hauses, keine Angst, Annie. Ein Fuchs könnte es sein, oder vielleicht ein Marder. Es nähert sich, es nähert sich auf Pfoten, oder in Schuhen, vielleicht auf langen Krallen anstatt auf leisen Sohlen.
Aus.
Annie schläft, traumlos.
Als sie erwacht, muss es geschneit haben, mitten im Spätsommer. Annie denkt, sie träumt, es ist der Halbschlaf, den sie sich aus den Augen reiben will. Vor dem Fenster dann auch kein Winterwunderland, kein Weihnachten, sondern grauer Matsch. Er tropft, wo er tropfen kann. In den tiefen Furchen der nassen Erde hinter dem Haus bilden sich glatte Pfützen und Annie glaubt zu sehen, dass sich nichts darin spiegelt, keine Wolke, kein Baum. Wie seltsam das ist, sie tritt näher an das Fenster heran um besser zu sehen- da öffnet sich die Türe.
Sie öffnet sich sacht, leise knarzend, ein Spalt gerade breit genug für ihre Tante. Verglimmende Kohlen und geschmolzenes Wachs, im Flur schält sich die Tapete knapp über der kahlen Kopfhaut in Fetzen von den Wänden.
Es ist Zeit, sagt das knochige Wesen, dessen Blick auf Annie herunterfällt wie der Strahl einer grellen Lampe in einem leeren, dunklen Zimmer.
Hat da ein Tier gekratzt, fragt sie, schüchtern und zitternd, denn ihr Nachthemd ist dünn, die bloßen Füße wippen nackt auf dem aufgeriebenen Parkett. Sie wird sich einen Spreißel einziehen, wenn sie nicht aufpasst.
Sei höflich, Annie, flüstert ihre Mutter, sei höflich, auch wenn du Angst hast. Höflichkeit ist der Schlüssel zum Herzen alter, verbitterter Leute.
Hier gibt es keine Tiere, sagt die Tante. Wenn ich eines sehe, dann erschieße ich es.
Jedes Tier, fragt Annie, ihre Stimme ist ganz dünn, ihre Stimmbänder fühlen sich an wie zartes Seidenpapier, gespannt auf einer Streckbank.
Jedes Tier, bestätigt ihre Tante, wenn du eines siehst, gibst du mir sofort bescheid. Nicht später, nicht am nächsten Tag, sondern sofort. Du rufst mich, hast du das verstanden?
Ja, sagt Annie, ja. Und weil sie begreift, dass sie mit dieser Frau alleine ist und plötzlich gefallen will, aufgerüttelt von einem kindlichen Überlebensinstinkt einen Zugang zu ihr finden will, fügt sie hinzu: Gestern Nacht im Garten ist etwas um das Haus geschlichen, ich dachte, es wäre ein Fuchs.
Die Fingerknöchel knacksen, einer nach dem anderen, die Stille wirkt plötzlich monströs.
Dann:
Mein Name ist Wendelin, und so wirst du mich rufen.
Im Keller stapeln sich die Kartoffeln, sie schlagen bereits knollige Wurzeln, die Annie an die Tumore aus ihrem Biologiebuch erinnern. Wenn Annie den muffigen Raum betritt, scheint immer eine Kartoffel über den erdigen Boden aus einer dunklen Ecke hervor zu rollen. Es ist, als hätte sie jemand aufgehoben, nur um sie dann erschrocken wieder fallen zu lassen. Immer dann, jedes Mal, wenn Annie gerade den Raum betritt.
Das Haus ist klein und zugig. Es atmet, es atmet so schwer wie kein anderes Haus aus Annies Erinnerungen je zuvor geatmet hat.
Und was ihr die Sozialarbeitern in ihrem zitrusfarbenen Kleid als blühende Farm beschrieben hatte, ist nur noch ein Skelett vergangener Zeiten. Die Scheune ist eine Ruine, über die sich kränklich aussehende Ranken schlängeln. Vom Stall ist nichts mehr übrig, bis auf eine niedrige Grundmauer, bestehend aus mit Flechten bedeckten Steinen.
In einem kleinen, eingezäunten Garten drücken sich schwere Blätter platt gegen die immer nasse Erde.
Und ständig durch und um das Haus ziehend: Wendelin. Wendelin, die putzt und schrubbt und stickt und erntet, die Annie beschäftigt hält, in einem fliegenden Trab, die nicht mit ihr isst sondern ihr fettige, flockige Milch und harte Kanten Brot oder weiche, matschige Kartoffeln Abends wie Morgens vor die Zimmertüre stellt.
Bald muss ich wieder in die Schule gehen, bemerkt Annie am fünften Tag, bald sind die Ferien vorbei. Sie hat mitgezählt, so gut sie konnte. Es gibt hier keine Kalender, keinen Fernseher, kein Radio, es gibt hier nur Arbeit und eine Bibel in der Kommode ihres Nachtkästchens, deren Sprache sie nicht versteht.
Ihre Finger schimmern rötlich vom eisigen Putzwasser, der Apfelessig hat Annies Haut angefressen als wäre er ein ständig nagendes, saugendes Tier an ihren Fingerspitzen.
Der Sommer ist noch lange nicht vorbei, antwortet Wendelin, die zum ersten Mal lächelt, wenn auch grimmig. Ein dünner, blutleerer Strich in einem zerfurchten Gesicht. Noch lange nicht vorbei, mein Kind.
Ich bin nicht dein Kind, denkt Annie. Aber sie sagt es nicht.
Das Mädchen zieht sich einen Spreißel ein, bevor es in sein Bett kriecht. Als Annie den Fuß zu ihrem Gesicht dreht, um die Sohle zu begutachten, sieht sie einen Punkte bläulich tief unter ihrer Hornhaut schimmern. Es schmerzt, aber sie traut sich nicht um Hilfe zu bitten.
Sie besitzt keine Pinzette. Sie besitzt, wenn sie genau darüber nachdenkt, überhaupt nichts mehr. Ihr Vater liegt, angeschlossen an Maschinen, in einem weißen Krankenhausbett. Alles dort piepst und leuchtet grün. Als sie ihn das letzte Mal besuchen konnte, roch er nach Kot und Urin. Was ihr gehört, gehört ihm und solange er schläft, befindet sich Annie in einem Wartesaal, weit entfern von ihrem eigenen Zimmer, ihrem Zuhause. All die schönen Dinge, ein Teil von ihr, der irgendwo verstaubt.
Annie denkt an den Strand, an dem ihre Mutter in einen Seeigel trat. Der goldene, warme Boden, in dem sie ihre Zehen vergraben konnte. Der rot-weiß gestreifte Sonnenschirm, die gelben Felsen einer sonnenverbrannten Küste. Das türkis leuchtende Blau, in dem ihre Mutter lachend verschwunden war, bis sie schreiend vor Schmerzen zusammen mit einer weißen Krone aus Schaum zusammen mit einer Welle wieder davon ausgespuckt wurde.
Ihr Vater, der vor ihrer Mutter in dem einfachen Familienbungalow kniete. Die blauen Mosaikfließen im Badezimmer, die sich tröpfelnd hellrot färbten, wenn wieder ein schwarzer Stachel zu Boden fiel. Ihre Mutter, die weinte und lachte. Ich kann mich nicht beschweren, sagte sie, ich habe zwar vielleicht eine Seeigel im Fuß, aber was ist das schon gegen: Alles.
Beschwer dich nicht, Annie. Es hat keinen Sinn, sich zu beschweren, das steckt schon im Wort: Du beschwerst dich- du legst dir selbst einen Haufen Wut und Kummer in die Arme. Und dann kannst du den ganzen Haufen nicht mehr fallen lassen, wenn er dir nicht abgenommen wird.
Annie schläft, sie träumt. Im Garten schleichende Schritte. Sie reißt die Augen auf und etwas klebt an ihrer Zimmerdecke, etwas mit langen Gliedern, etwas ohne Augen und feste Konturen. Es regnet Quecksilbertropfen durch das offene Fenster herein. Sie möchte schreien, aber sie verschluckt sich, ein metallischer Geschmack auf ihrer Zunge, in ihrem Rachen, zermatscht und rot. Ein Auge hängt an einem roten, dünnen Faden.
Annie, ruft ihre Mutter von einer weit entfernten Klippe, Annie, ich habe mich geirrt. Das Haus, es atmet, aber nicht, weil es dir fremd ist. Annie! Es tut mir leid! Annie, Annie, Annie.
Als sie aufwacht, ist der Zimmerboden feucht. Vor dem Fenster ist das Holz aufgequollen. Im Flur die schlurfenden Schritte von Wendelin, das Geschirr in ihren Händen klappert. Was ist das für ein Haus, in dem sogar das Geschirr unfreundlich klingen kann.
Annie untersucht ihren Fuß, aber der Spreißel ist verschwunden. Die Haut ist glatt und rosig, weich. Sie streicht mit dem Finger darüber, die Stelle ist taub.
Seit Tagen fühlt sie sich so, als könnte sie ihren ständig müden Körper nicht mehr trennen von dem Körper, der sich Abends zur Ruhe legen sollte. Annie ist ständig müde, es ist die Arbeit, die so sinnlos erscheint, sie wischt mit einem feuchten Lappen über den verstaubten Plattenspieler, dreht sich um und der Staub hat sich längst wieder niedergelassen.
Der Staub ist hier zuhause, nicht Annie.
Abends prasselt im Wohnzimmer ein kümmerliches Feuer, Wendelin sitzt auf verschlissenen Polstermöbeln und starrt aus dem Fenster in eine sternlose Nacht. Annie fragt sich, wann sie eigentlich zum letzten Mal den Mond gesehen hat. Immer diese Müdigkeit, beinahe fällt ihr der Polierlappen aus der Hand. Sie braucht noch einen Schluck Milch, ihr Mund ist staubtrocken, auf dem Tisch verschwimmen die Maserungen des Holzes.
Morgen wirst du Holz hacken, sagt sie, aber zieh dir Handschuhe an. Nicht, dass du dir einen Spreißel ziehst.
(Fortsetzung folgt.)
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