Marie ist eine alleinerziehende Mutter. Sie hat einen siebenjährigen Sohn und eine neunjährige Tochter. Zusammen leben sie in einer kleinen Stadt. Diese ist eher ländlich geprägt und man kennt sich noch untereinander in der Nachbarschaft. Da gibt es die nette alte Dame von gegenüber, eine reizende Frau, schon öfter hatte sie Marie und den Kindern Plätzchen vorbei gebracht. Inzwischen weiß schon jeder, wenn das Fenster im oberen Geschoss offen ist und der Duft von frischen Plätzchen in der Luft liegt, dann gibt es wieder was zu holen. Ein herrlicher Duft, besonders in der Adventszeit.
Ein weniger sympathischer Typ ist der Nachbar von Marie. Die meisten Leute meiden den Kontakt mit ihm. Er macht einen doch eher unheimlichen Eindruck. Bereits mehr als einmal hat sie gesehen, wie er stundenlang einfach nur an seinem Fenster stand und die Menschen draußen beobachtet hat. Doch im großen und ganzen kann man wirklich nichts über ihren Wohnort sagen.
Wir schreiben den 20. November. ...
Marie ist eine alleinerziehende Mutter. Sie hat einen siebenjährigen Sohn und eine neunjährige Tochter. Zusammen leben sie in einer kleinen Stadt. Diese ist eher ländlich geprägt und man kennt sich noch untereinander in der Nachbarschaft. Da gibt es die nette alte Dame von gegenüber, eine reizende Frau, schon öfter hatte sie Marie und den Kindern Plätzchen vorbei gebracht. Inzwischen weiß schon jeder, wenn das Fenster im oberen Geschoss offen ist und der Duft von frischen Plätzchen in der Luft liegt, dann gibt es wieder was zu holen. Ein herrlicher Duft, besonders in der Adventszeit.
Ein weniger sympathischer Typ ist der Nachbar von Marie. Die meisten Leute meiden den Kontakt mit ihm. Er macht einen doch eher unheimlichen Eindruck. Bereits mehr als einmal hat sie gesehen, wie er stundenlang einfach nur an seinem Fenster stand und die Menschen draußen beobachtet hat. Doch im großen und ganzen kann man wirklich nichts über ihren Wohnort sagen.
Wir schreiben den 20. November. Der erste Schnee liegt bereits auf den Dächern und die Kinder sind voller Vorfreude. Aufgeregt fragen sie Marie, ob sie denn nach Draußen spielen gehen dürfen. Nach einem: „… aber seid vorsichtig und geht nicht zu weit weg vom Haus.“, erlaubt sie es ihnen schließlich und beide huschen sofort hinaus.
Marie weiß, dass ihre Kinder nur vor dem Haus spielen, dennoch macht sie sich Gedanken. Vor allem, nachdem sie vor einigen Wochen im Radio gehört hatte, dass einige Kinder aus der Region spurlos verschwunden waren. Alle fünf Minuten schaut sie aus dem Fenster, ob denn auch noch alles in Ordnung ist. Auch die alte Dame von gegenüber schaut aus dem Fenster und winkt. Marie ist etwas beruhigt, dass noch jemand aufpasst – leider ist ebenso ihr unheimlicher Nachbar draußen und beseitigt den Schnee von seinem Bürgersteig.
“ …neue Fälle von vermissten Kindern…“, hört sie vom laufenden Fernseher aus dem Wohnzimmer. Marie schaut sich die Meldung an, insgesamt drei weitere Kinder werden vermisst, die Polizei geht von ein und demselben Täter aus. Jetzt bekommt sie doch allmählich ein ungutes Gefühl und beschließt, ihre Kinder rein zu rufen. Sie geht zum Fenster, öffnet es und ihr stockt der Atem. Sie sind weg. Beide. Nur noch der Schneemann von ihnen ist zu sehen. Ohne sich etwas Warmes anzuziehen, rennt Marie panisch nach Draußen und ruft nach ihren Kindern. Vom Lärm neugierig geworden, kommt auch ihr Nachbar aus seiner Garage. War er nicht eben noch dabei, seinen Schnee weg zu schaufeln?..denkt sich Marie und rennt auf ihn zu. “ Wo sind meine Kinder?! Sie haben eben noch hier gespielt!“, schreit sie mit schriller Stimme.
Mit dem üblichen finsteren Blick schaut er Marie an und antwortet: „Beruhigen Sie sich, Sie sind bei der alten Dame, es gab wieder frische Plätzchen.“ Er hat eine überraschend freundliche Stimme. Ihr fällt ein Stein vom Herzen und so rennt sie ohne groß zu überlegen zum Haus der alten Frau. Die Tür ist zu ihrer Verwunderung nicht verschlossen, sondern steht einen Spalt weit offen. Schon beim Eintreten in die Wohnung bemerkt sie sofort diesen köstlichen Duft der Plätzchen. Die Wohnung ist altmodisch eingerichtet. Während Marie immer wieder die Namen ihrer Kinder ruft, folgt sie dem Duft in die Küche. Weiterer Teig steht bereits auf dem Tisch, mit Stückchen drin, wahrscheinlich Schokolade, Rosinen oder ähnliches.
Nach einigen Minuten des Durchsuchen verlässt Marie das Haus. Es ist niemand im Haus. Noch stärker als zuvor kehrt das Gefühl der Panik zurück in ihren Körper. Sie nimmt ihr Handy aus ihrer Hosentasche und ruft die Polizei. Eine weitere halbe Stunde vergeht, bis sie endlich da sind. Dann kommt es ihr plötzlich nur noch wie ein Traum vor, Fragen an sie und den Nachbarn, Durchsuchung des Hauses der alten Frau. Die Zeit vergeht schnell und plötzlich kommen zwei Polizisten zusammen mit der alten Dame aus der Wohnung. Beide bleich wie der Tod. „Versteckter Raum im Keller“, heißt es,“ Kinderleichen überall“. Langsam führen sie die Frau zu dem Polizeiauto. Mit Schatten um den Augen, tiefen Falten und einem breiten Grinsen geht sie an Marie vorbei und flüstert: „Frohe Weihnachten mein Liebes, probier doch beim nächsten mal wieder von meinen Plätzchen, dann werden deine Kinder für immer ein Teil von dir sein!“
Zwei Jahre sind seitdem vorübergezogen und es vergeht kein Tag, an dem Marie nicht an diesen Tag zurück denkt. Inzwischen hat sie wieder einen Freund, er brachte drei Kinder mit in die Beziehung. Das einzige, das sie ansatzweise tröstet, ist der Gedanke, diese Frau im Gefängnis verrotten zu sehen. Bis vor vier Tagen, dem 1. Advent, als sie beim hinausgehen einen Teller mit Plätzchen vor ihrer Tür findet. Mit der Aufschrift: “ Frohe Weihnachten mein Liebes!“.