MittelPsychologischer Horror

Der Sammler im Wald

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Ganz früh bin ich aus dem Bett gestiegen und mit der Bahn bis an den Stadtrand gefahren, um den Samstag mit einem Waldspaziergang zu starten. Jetzt atme ich den Duft der Blätter und der Blüten ein und die Morgensonne wärmt meine Haut. Ein Eichhörnchen huscht durch die Blätter und hin und wieder werden Vögel von mir aufgeschreckt und fliegen davon. Menschen sehe ich wenige. Ich begrüße innerhalb einer ganzen Stunde auf dem Waldpfad nur einen älteren Herren mit einem Rauhaardackel, ein Ehepaar und einen ganz hübschen jungen Mann mit schulterlangen Haaren. Dann komme ich an einem Wiesenstück an, auf dem ich mein Picknick – Tomaten-Mozzarella-Sandwiches und Obst – auspacke. Eine Weile will ich lesen, dann werde ich den kürzeren Weg zurück, an einer alten Festungsruine vorbei, einschlagen.

Doch als ich mein Buch auspacke, steht wie aus dem Nichts der Mann von eben vor mir.

„Hallo. Kann ich mich zu dir setzen?“

Er ist wirklich gutaussehend und seine intensiven blauen Augen fesseln mich. Der Tag wird immer besser. Ich bejahe und biete ihm meine Weintrauben an, die er aber liegen lässt. Wir plaudern ein wenig. Über das Wetter, den Sommer und so weiter. Ich erzähle ihm von mir.

„Ich bin Studentin und Sportlerin. Sechs Mal die Woche gehe ich laufen, aber samstags reicht ein Spaziergang. Aber Bewegung muss bei mir sein. Und du? Was machst du?“

„Ich bin Sammler.“ sagt er.

„Was sammelst du denn?“ frage ich und muss an reife Blaubeeren denken.

Er sieht mir in die Augen und sagt: „Unbehagen.“

Ich runzele die Stirn. „Wie bitte?“

„Ich sammle Unbehagen. Das, was du jetzt fühlst.“

Ich spüre ein beklemmendes Gefühl in meiner Brust. Sein Blick lässt nicht von mir ab und ich bekomme Gänsehaut.

„Ich fühle kein Unbehagen.“ behaupte ich natürlich und unschöne Gedanken rasen mir durch den Kopf.

Er ist tatsächlich ein wenig seltsam. Seine Augen kleben an meinen, allerdings ohne über meinen Körper zu wandern. Er hat überhaupt etwas Starres, bewegt sich kaum und scheint nicht zu blinzeln.

„Doch, das tust du. Du sitzt völlig allein im Wald mit einem Fremden, der dir erzählt, er sammle Unbehagen. Wie sollst du dich da sonst fühlen?“

Bloß weg hier. Ich reiße meinen Rucksack hoch und lasse den Rest liegen.

„Ich muss jetzt los.“

Er nickt. „Das habe ich mir gedacht.“

Mit klopfendem Herzen drehe ich mich um und laufe auf den Weg, der an der Ruine vorbei zur Stadt führt. Ein Teil von mir will rennen, der andere langsam gehen, um ihm zu zeigen, dass er mir keine Angst macht. Doch ich habe sehr wohl Angst. Davor, seine Schritte hinter mir zu hören und dass er mich packt…. Aber ich höre nur mein eigenes Herz pochen. Als ich mich noch einmal umdrehe, sitzt er seelenruhig im Gras, schaut mir allerdings unverwandt nach. Ich verschwinde in den Bäumen und außerhalb seines Sichtfeldes beschleunige ich meine Schritte nun doch. So schnell werde ich nicht mehr in diesen Wald kommen, das steht fest. Der Weg zur Ruine erscheint mir endlos, doch endlich tauchen die Mauerreste auf. Ich muss nur dieses Stück durchqueren, dann stehe ich vor einer Mauer, an der rechts ein Trampelpfad abgeht und dann…

„Ich sammle auch Angst.“

Mein Herz gefriert praktisch, als ich seine Stimme hinter mir höre. Nur wenige Meter hinter mir. Ich fahre herum und der unheimliche Mann kommt auf mich zu. Er hat eine seltsam fließende, fast schwebende Art zu gehen. Er bewegt sich langsam und ohne schnelles Atmen, obwohl er gerannt sein muss, um mich einzuholen. Und während er sich nähert, blähen sich seine Nasenflügel auf und es scheint, als würde er etwas einatmen wollen.

Kopflos und voller Angst renne ich auf den Trampelpfad.

„Ich sammle auch Panik!“ ruft er mir hinterher.

Ich renne durch den Wald, stolpere über Stöcke und Steine, schürfe mir die Knie an Sträuchern auf. Mein Herz rast die ganze Zeit und ich keuche vor Erschöpfung, obwohl ich eine trainierte Läuferin bin. In meinem Kopf jagen die Gedanken durcheinander. Ein Triebtäter, war mein erster Gedanke. Doch dieser Mann ist so anders, seine Art sich zu bewegen und mich anzusehen so merkwürdig, dass ich fast an eine übernatürliche Erscheinung glaube. Vor allem schien er mich – meine Angst – einatmen zu wollen. Panik ist genau das richtige Wort für meine Gefühle. Wilde, kopflose Panik.

Ich habe keine Ahnung, ob er hinter mir ist, denn ich traue mich nicht, mich umzudrehen. Die vielleicht fünfzehn Minuten bis zur Straße kommen mir unendlich lang vor. Doch tatsächlich komme ich an und vor und hinter mir sind plötzlich wieder andere Menschen. Ich komme zum Stehen, lehne mich an eine Ampel und lasse erstmal meinem keuchenden Atmen seinen Lauf. Die Fußgänger um mich herum geben mir Sicherheit. Eine Frau sieht mich erstaunt an, aber fragt nicht nach dem Grund für meinen Sprint. Ich weiß auch gar nicht, wie ich die Situation hätte beschreiben sollen, damit man mir glaubt.

Der Mann ist glücklicherweise nirgendwo zu sehen.

Meine Beine sind noch ganz weich und ich brauche ein paar Minuten, bis ich mich wieder in Bewegung setzen kann. Ganz langsam normalisiert sich mein Puls. Die akute Angst ist vorbei, doch mir ist mehr als mulmig zumute. Zum Glück kommt eine Straßenbahn und bringt mich weg von diesem Ort. Ich mustere die Gesichter um mich herum, aber der Mann ist nicht hier. Ich bemühe mich, einen klaren Gedanken zu fassen. Hier, nicht mehr allein mit ihm im Wald, frage ich mich, ob ich mir das Übernatürliche an dieser Begegnung nur eingebildet habe. Aber dieses Einatmen… mir wird richtig schlecht, wenn ich daran denke.

„Ich sammle Unbehagen.“ Was für ein widerlicher Typ. Niemals wieder will ich in diesen Wald. Aber ich sollte ihn anzeigen, denke ich. Auch wenn es mir schwerfallen wird, über das soeben Erlebte zu sprechen. Ich sehe schon den Polizeibeamten vor mir, vielleicht ein Typ kurz vor der Rente mit Nickelbrille und schütterem blonden Haar, wie er die Augenbrauen hochzieht, mich mustert und sagt: „Wie bitte? So, als würde er ihre Angst einatmen wollen?“

Aber was, wenn ich ihn nicht anzeige und er anderen Frauen nachstellt?

Zuerst fahre ich nach Hause. Ich werde Steffi, meine Mitbewohnerin bitten, mich zur Polizei zu begleiten. Alleine stehe ich das nicht durch.

Den ganzen Weg von der Haltestelle bis zu unserer Wohnung bin ich alarmbereit und drehe meinen Kopf in alle Richtungen, dabei kann er mir gar nicht so schnell ohne Straßenbahn oder Auto gefolgt sein. Er kann überhaupt nicht gesehen haben, wie ich in die Bahn gestiegen bin, beruhige ich mich.

Erleichtert schließe ich die Tür auf und Steffi streckt den Kopf aus ihrem Zimmer. „Wie siehst du denn aus?“ fragt sie statt einer Begrüßung. „Hast du ein Gespenst gesehen?“

„So ähnlich. Ich brauche gleich deine Hilfe, aber gib mir einen Moment, um mich kurz zu setzen.“

Sie runzelt die Stirn, nickt aber und ich öffne die Tür zu meinem Zimmer.

„Ich sammle auch Erleichterung.“ steht in riesigen, dunkelroten Lettern mir gegenüber an der Zimmerwand. Ich taumele einen Schritt nach hinten. Mein Herz verkrampft sich.

Aus einer Zimmerecke kommt er mir entgegen, mit diesen fließenden Schritten, die den Boden nicht zu berühren scheinen und mit geblähten Nasenflügeln. Ein Lächeln umspielt jetzt seine Lippen, fast so, als würde er einen süßen Duft genießen.

Ein schauriges Gefühl, schlimmer noch als die Angst vorhin im Wald, macht sich in mir breit.

„Ich sammle auch Entsetzen.“

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