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Auslöschung

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

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Manchmal wird mir echt schlecht bei dem Gedanken, dass Milliarden von ihnen die Luft auf diesem Planeten einatmen, sie gnadenlos verbrauchen und sie in ihre gierigen Lungen saugen, als würde sie allein ihnen gehören. Wie sie Millionen und Abermillionen wunderbarer Pflanzen und einzigartiger Tiere abschlachten, quälen und auf ihren Tellern zu riesigen Portionen aufhäufen. Portionen, die sie dann unersättlich in sich hineinstopfen, bis sie immer kränker, fetter und hässlicher werden und diese einstmalige Schönheit, diese Glanzlichter der Schöpfung in einen großen stinkenden Haufen Mist verwandelt haben.

Bei jedem Handgriff denke ich darüber nach, welche Schäden diese Kreaturen schon auf diesem Planeten angerichtet haben. Sie hatten ganze Flüsse lebensfeindlich werden lassen, die Atmosphäre verschmutzt, uralte Korallenriffe zerstört, unzählige Tierarten ausgerottet und selbst den Orbit des Planeten mit Satelliten, Raumstationen und Welttraumschrott vollgestopft, als würde es sich dabei um eine kosmische Mülltonne handeln. Sobald sie erst einmal rausgefunden hatten, wie man Kolonien auf anderen Planeten errichtete, würden sie ganz sicher dort weiter machen. Schon jetzt hatten sie ihren Schrott auf dem Mond und dem Mars verteilt. Diese Epidemie musste gestoppt werden, bevor sie sich über das ganze Universum ausbreiten konnte.

An all das muss ich immer wieder denken. Es hilft mir, mein Mitleid auszublenden. Denn auch ich bin eine von ihnen. Auch ich – Dr. Amanda Browning – habe dem Planeten schreckliches angetan. Durch Müll, Abgase, Verschwendung, sinnlose Technik und andere unzählige Verbrechen. Es steckt mir in den Genen. Genau wie dieses verdammte Mitleid. Diese heuchlerische Stimme in mir.

„Er ist doch fast noch ein Kind.“, flüstert sie. „Er hat dir doch nichts getan.“ Nein. Das hat er nicht. Aber er hat dem Planeten etwas angetan. Er hat die Luft mit seinem dreckigen Moped verpestet. Er hat Tag und Nacht sein Smartphone benutzt, dessen Herstellung Mutter Erde tiefe Wunden zugefügt hat, Er hat Müll produziert, Insekten zertreten, Pflanzen zerstört. Er ist nicht unschuldig. Dass er mir nichts getan hat, spielt keine Rolle. Ich bin nur ein Mensch. Ein Parasit. Ein Fremdkörper auf diesem Planeten. Auch, dass er noch so jung ist – gerade einmal 15 – kümmert mich nicht. Darf mich nicht kümmern! Der Erreger muss nun mal an einem jungen Menschen getestet werden. Erst wenn sein noch vitaler Körper keine Chance mehr gegen das Virus hat, ist es reif für den Einsatz auf der ganzen Welt.

Ich hoffe, dass es dieses Mal endlich funktioniert. Die letzte Versuchsreihe hatte die Wirte noch zu schnell getötet. Zwar haben wir genügend Verbündete auf der ganzen Welt, die – zusammen mit dem Wind – dafür sorgen werden, dass der Erreger auf dem ganzen Planeten verteilt wird, aber wenn zu der Zeit auch nur ein paar Menschen in ihren Kellern und Bunkern hocken, die dann womöglich noch auf irgendeinem Weg gewarnt werden würden, würde uns das nicht zum Ziel bringen. Alles unterhalb einer vollständigen Auslöschung ist inakzeptabel. Deshalb müssen die Menschen auch einander anstecken und so das Virus noch zuverlässiger verbreiten.

Es ist bereits über Sex, Hautkontakt, Tröpfchen und Luft übertragbar und hat eine Infektionsrate von 100%. Das beste daran ist aber, dass zwar Haustiere wie Hunde, Katzen, Hamster oder andere arme gefangene Geschöpfe, als Träger des Virus fungieren und so ihre Kerkermeister ebenfalls infizieren, aber selbst auf keinen Fall betroffen werden. Das Virus ist allein auf Menschen zugeschnitten. Bei ihnen aber, ist es in jedem Fall tödlich.

Auch ich und mein Team werden uns dem Virus aussetzen. Und auch alle anderen Mitglieder unserer Organisation. Allerdings erst nachdem sie systematisch die Erde nach Überlebenden abgesucht und jeden einzelnen ausgelöscht haben. Damit keiner von uns auf den Gedanken kommt, doch noch eine neue Zivilisation zu errichten, hat sich jeder einzelne von uns einer irreversiblen Sterilisation unterzogen. Das hatte noch den praktischen Nebeneffekt, dass niemand in unsere Geheimnisse eingeweiht wurde, der nicht vollkommen entschlossen und von unserer Sache überzeugt ist.

Sobald das Virus erst einmal freigesetzt ist, werden unsere Einsatztruppen mit einem Impfstoff behandelt, der sie gegen dessen Wirkung immun macht. Erst wenn der letzte von uns menschlichen Parasiten gefunden und ausgelöscht wurde, werden sie sich ein weitere Mittel spritzen, welches die schützende Wirkung des Impfstoffes aufhebt. Dann wird dieser schöne Planet endlich von seiner größten Geisel befreit sein. Dann werden Tiere und Pflanzen sich endlich wieder frei über den Planeten ausbreiten und die Krebsgeschwüre, die wir Städte nennen, wieder in den natürlichen Kreislauf überführen.

Möglich, dass dann irgendwann wieder neue Intelligenz entsteht: Tiere wie Affen, Raben, Tintenfische oder Delphine haben da durchaus Potenzial. Aber anders als diejenigen in unserer Organisation, die jeden Ansatz von gefährlicher Intelligenz auslöschen und auch die höher entwickelten Tiere mit dem Virus töten wollten, bin ich der Meinung, dass diese Wesen ihre Chance verdient haben. Selbst wir hätten ja mehr aus unserer Gabe machen können. Aber wir haben es einfach zu oft versaut.

Zum Glück sehen es die meisten von uns genauso wie ich: Die Menschheit muss entfernt werden, aber der Rest der Lebewesen auf der Erde, soll verschont werden. Wir hatten ihnen ohnehin schon genug angetan.

Ich betrachte ein weiteres Mal unser Versuchsobjekt, das völlig nackt in einer kleinen gläsernen Röhre aus dickem Glas steht. Es ist männlich, hat kurzes braunes Haar, blaue Augen, eine hagere Statur, ist ca. 1,83 groß und sieht mich gleichermaßen flehend wie resigniert an. Seinen Namen weiß ich nicht. Er spielt auch keine Rolle. Wir nennen ihn einfach „Objekt 11“, denn er ist unser elftes Versuchsobjekt. So einfach ist das Ganze.

Objekt 11 hatte anfangs noch gewütet und versucht zu entkommen, als wir ihm das tödliche Virus in die Luftversorgung seiner Glasröhre gepumpt haben. Er hatte sogar eine zeitlang die Luft angehalten. Aber am Ende, als er bereits kurz vor der Ohnmacht stand, hat er den schleichenden Tod gierig in seine Lungen gesogen.

Seitdem sind 48 Stunden vergangen, in denen sich keinerlei Symptome gezeigt haben. Aber das beunruhigt mich nicht. Im Gegenteil. Die letzten beiden Versuchsobjekte waren bereits nach wenigen Stunden regelrecht zerflossen. Auf diese Weise würden sie all die anderen Menschen, die sich vielleicht noch nicht angesteckt hatten, warnen. Das durfte auf keinen Fall geschehen.

Der Körper von Objekt 11 hatte hingegen 48 Stunden lang keine einzige Auffälligkeit gezeigt. Das Virus hatte geruht und sich behutsam in seinem Körper in Position gebracht. Nun aber, ist es anscheinend bereit zuzuschlagen.

Es beginnt mit einigen kleinen Fältchen auf dem jungen makellosen Gesicht. Zuerst kaum sichtbar, dann immer deutlicher. Der Junge beginnt zu husten. Kleine rote Bröckchen lösen sich dabei explosionsartig aus seinem Mund. Die Falten werden noch tiefer und breiten sich auf seinem Hals, seiner Brust und nach und nach auf seinem ganzen Körper aus. Noch mehr Husten. Es klingt wie das Röcheln eines alten Mannes. Passend dazu bilden sich auf seiner Haut erste Altersflecken. Mit dem nächsten Husten, fallen ein paar Zähne auf den Boden der Glasröhre. Die Augen trüben sich ein, wobei sie noch immer unendlichen Schrecken ausdrücken, der mir trotz aller Überzeugung einen Stich in die Brust versetzt. Der Junge spürt, dass ein Alterungsprozess, für den die Natur Jahrzehnte vorgesehen hat, bei ihm innerhalb von wenigen Minuten abläuft. Es ist hart das mitanzusehen. Es ist schmerzhaft. Aber das ist die Bekämpfung gefährlicher Krankheiten oft. Zwischen zwei blutigen Hustenanfällen bringt der Junge noch ein Wort heraus. Zwar kann ich es wegen der schalldichten Röhre nicht verstehen, aber ich kann es von seinen trockenen alten Lippen ablesen: „Mutter!“. Ein Wort so einfach wie bedeutungsschwer. Nun, immerhin wird ihm seine Mutter schon sehr bald folgen.

Nun geht es immer schneller. Der Junge verliert seine restlichen Zähne und alle Haare. Er verliert die Kontrolle über seine Blase und seinen Schließmuskel und beschmutzt sich. Inzwischen sieht er bereits wie der uralte Mann aus, der er nun biologisch betrachtet auch ist. Er kratzt mit seinen faltigen Händen ein letztes Mal am Glas. Dann stellt sein altersschwaches Herz den Dienst ein und er liegt endlich still. Zufriedener Jubel bricht aus. Das Experiment war erfolgreich.

Trotzdem steckt mir ein Kloß im Hals. Natürlich müssen wir den Planeten von uns befreien. So schnell es geht. Daran besteht kein Zweifel. Aber trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass es einen weniger grausamen Weg gegeben hätte. Leider gibt es den aber nicht. Wir haben wirklich alles versucht. Doch alle bisher getesteten Erreger waren nicht gründlich genug gewesen oder sie töteten zu schnell.

Eine kräftige Hand berührt meine Schulter. Sofort erkenne ich, dass sie Jason gehört. Jason ist mein Kollege und auch so etwas wie mein Freund. Wir verbringen die letzten Tage unseres Lebens zusammen, spenden uns in schwachen Momenten Trost und stärken uns gegenseitig in unserer Entschlossenheit. Vor allem aber haben wir Sex. Und daran ist nichts verkehrt. Dank unserer Sterilisation können wir keine weiteren Schädlinge mehr in die Welt setzen und diese intimen Momente helfen uns beiden dabei, unser Ego ruhigzustellen. Immerhin erfordert es starke Nerven, am eigenen Untergang zu forschen. Davon abgesehen ist der Sexualtrieb ohnehin noch so ziemlich das Ehrlichste an uns Menschen.

„Wir hatten keine Wahl“ flüstert mir Jason zu und streichelt meinen Nacken mit seiner starken Hand. Ich drehe mich um und sehe ihn an. Er hat ein fein geschnittenes sanftes Gesicht und braune sensible Augen in denen man versinken konnte und aus denen helle Intelligenz strahlt. Wäre ich so blind wie der Rest der Menschheit, hätte ich wohl mit ihm sehr glücklich werden können. Auf Kosten des Planeten versteht sich.

Trotzdem ertappe ich mich in manchen Nächten dabei, wie ich darüber nachdenke, ob es nicht doch einen Weg gibt, wie wir in Harmonie mit der Natur weiterleben können. Aber selbst als Veganer, der nur Bio-Produkte kauft, die schlimmsten Umweltsünder unter den Firmen boykottiert und nur alternative Energien verwendet, lebt man noch immer auf Kosten der Natur. Immerhin sind ja auch Pflanzen empfindungsfähig, wie eine Vielzahl von Studien bewiesen haben. Ein Parasit blieb nun mal ein Parasit. Selbst wenn er den Wirt vorsichtig ausbeutet.

Außerdem würden gute Vorsätze schon bald wieder in Faulheit und Hochmut umschlagen und die Zerstörung des Planeten ungehindert weitergehen. Dieses Verhalten liegt uns Menschen einfach im Blut. Nein, es gibt keine Zukunft für uns. Alles was wir tun können, ist uns die letzten Tage möglichst angenehm zu gestalten.

Ich nehme Jasons Hand und streichle sie sanft. „Ich weiß“ antworte ich auf seine tröstenden Worte „Trotzdem macht es das nicht leichter“.

Ich atme tief durch, genieße noch einmal die Wärme seiner Hand und löse mich dann wieder von ihm „Es ist so weit. Wir dürfen nicht zögern“. Einer meiner Kollegen nickt und verschickt die entsprechende Nachricht mit dem genetischen Code des Virus an unsere Verbündeten auf der ganzen Welt. Nun ist es nur noch eine Frage der Zeit. Auf dem großen Monitor in unserem geheimen Labor erscheint ein Countdown:

23:00:00

So schnell? Das überrascht mich schon ein wenig. Allerdings ist ja auch nur eine kleine Anpassung am genetischen Code des Virus notwendig. Einen Moment lang sehe ich dem Countdown beim Herunterzählen zu und denke daran, dass die Befreiung des Planeten mit jeder Sekunde näher rückt. Grüne riesige Wälder, kristallklares Wasser, saubere Luft. Keine Massentierhaltung mehr. Keine Chemie mehr. Keine Ausbeutung mehr. Wieder legte Jason seine Hand auf meine Schulter. Er blickt mir tief in die Augen und ich weiß genau, was er mir mitteilen will. Es ist Zeit für die letzte Nacht in unserem Leben.

11:22:45

Wir haben uns geliebt, gehalten und dann ein letztes Mal so richtig ausgeschlafen. Nun nehmen wir ein Frühstück aus Brot und Marmelade ein. Wir genießen jeden Bissen mit ungekannter Intensität. Bald werden nur noch Tiere sich an den Früchten von Bäumen und Sträuchern bedienen. Genau so wie es gedacht war. Getreidefelder mit Monokulturen und Lebensmittelfabriken wären dann nicht mal mehr eine Erinnerung.

07:34:11

Es kommen Nachrichten aus allen anderen geheimen Einrichtungen herein. Das Virus ist fertig gezüchtet. Nun muss es nur noch für die Freisetzung vorbereitet werden. Was für eine Ironie, dass die einfachste aller Lebensformen, die ja genau genommen nicht mal eine vollwertige Lebensform ist, die vermeintlichen „Herren der Schöpfung„ vom Angesicht dieses Planeten tilgen wird.

03:45:01

Die EMP-Generatoren und die Computerviren, die die Infrastruktur und alle Krankenhäuser und medizinischen Forschungseinrichtungen weltweit lahmlegen werden, sind nun einsatzbereit. Wir wollen nichts dem Zufall überlassen.

01:13:08

Der Alarm wurde ausgelöst. Anscheinend werden wir angegriffen. Irgendjemand hat von unserem Vorhaben Wind bekommen. Hoffentlich nicht die Regierung. Wenn die Menschen gewarnt werden, werden wir die Befreiung nicht vollenden können. Dann wäre alles umsonst.

00:59:24

Mehrere unserer Sicherheitsleute sind tot. Aber das spielt keine Rolle. Sie wären doch sowieso alle bald gestorben. Wichtiger ist, dass die Angreifer nicht von der Regierung sind. Es sind Verräter aus unseren Reihen. Das war zu erwarten. Menschen sind von Natur aus verräterisch. Nicht nur gegenüber der Umwelt und ihren Mitgeschöpfen. Auch gegenüber ihrer eigenen Art.

00:41:17

Die äußerste Sicherheitszone wurde überwunden. Wir haben herbe Verluste erlitten. Vielleicht werden wir es nicht schaffen. Aber das ist egal. Selbst wenn diese Station fällt ist das kein Beinbruch. Wir haben genügend Einrichtungen wie diese. Sie können sie nicht alle ausschalten.

00:23:02

Sie klopfen gegen die Tür. Es sind nur noch zwei Verräter. Alle anderen haben wir getötet. Unsere Sicherheitsleute sind ebenfalls tot. Aber die Türen sind dick. Und wir haben hier drin vier Wissenschaftler, die sich notfalls zu wehren wissen. Wir können es noch immer schaffen. Die Wetterlage ist gut. Die Winde wehen kräftig. Bald wird das Virus verbreitet. Davon bin ich überzeugt.

00:07:33

Sie sind durch die Tür gekommen. Zwei Männer. Einer ist am Bein verletzt. Jason schmettert ihm eine schwere Eisenstange in den Nacken. Er bricht stöhnend zusammen. Ich bin stolz auf Jason. Er ist so standhaft. Der gesunde Mann rennt auf die Konsole zu. Ich werfe mich auf ihn. Bringe ihn zu Fall. Er schießt mit seiner Pistole und erwischt mich am Bein. Aber ich bleibe stark und ignoriere den Schmerz. Jason hilft mir und hält ihn fest. Ich drücke die Finger in seinen Adamsapfel, bis er still liegt.

00:02:11

Die Aufregung in meiner Brust wächst und wächst. Eine Mischung aus Erregung und Angst. Ich halte Jason im Arm. Carina und George schütten uns Sekt ein. Bald ist es so weit. Der ewige Kreislauf aus Zerstörung und Hochmut hat endlich ein Ende.

00:00:00

Der Start ist erfolgt. Wir stoßen an. Der unausweichliche Niedergang der Menschheit ist besiegelt. Kurz frage ich mich, ob wir das Richtige getan haben. Dann aber bringe ich diese zweifelnde Stimme zum schweigen, wie ich es schon all die Jahre über erfolgreich getan hatte. Es war das selbstloseste und konsequenteste, was Menschen je vollbracht haben. Wir konnten stolz auf uns sein.

00:05:30 nach Stunde Null

Alle Stromnetze sind ausgefallen. Im ganzen Land herrscht Dunkelheit. Keine Klinik funktioniert mehr. Kein Smartphone. Kein Internet. Keine Forschungseinrichtung. Aber das Virus funktioniert wunderbar. Wir haben es an Nanobots gekoppelt, um seine Verbreitung zu beobachten. 97,34 Prozent. Tendenz steigend. Unsere Aufräumteams werden nicht viel Arbeit haben.

03:11:11 nach Stunde Null

Die Verbreitung liegt bei 99,99 Prozent. Es ist Zeit zum Feiern. Wir haben uns dazu die heftigsten Drogen und den stärksten Alkohol besorgt. Wir werden glücklich aus dieser Welt entschwinden. Ein letztes Aufflackern menschlicher Dekadenz.

03:20:00 nach Stunde Null

Die Substanzen beginnen Wirkung zu zeigen. Ich nehme meine Umgebung kaum noch wahr. Nur leise höre ich, wie die Lüftung angeht. Das Virus wird auch hier eingeleitet. Die alte Version, die fast sofort tötet. Wir Wissenschaftler haben kein Antidot bekommen. Unser Werk ist getan.

03:22:11 nach Stunde Null

Überall nur bunte Farben. Fraktale. Regenbogen. Blumen wie aus verschmierter Ölfarbe. Alles zerfasert. Irgendwo am Rande meiner Wahrnehmung, spüre ich noch Jason. Seine einstmals starke Hand fühlt sich so dünn und faltig an. So zerbrechlich. Ich höre mich Husten. Spüre warmes Blut auf meiner Brust.

03:22:55 nach Stunde Null

Ein kurzes Aufblitzen von Erinnerungen. Das Gesicht meiner Mutter. Sie hat mich immer Mauli genannt. Weil ich so viel an allem rumgenörgelt habe. Meine Plüschente aus Kindertagen. Meine erste Umweltdemo. Mein erster Freund. Thomas hieß er. Oder Mark? Ich kann mich kaum erinnern. Mein Gehirn hat riesige Löcher. Fühlt sich an wie weiche Watte. Ich entwickle mich zurück. Zum Ursprung. Lang vor dem Bewusstsein. Dann endlich Schwärze. Und Stille. Süße endgültige Stille.

12 Tage 4 Stunden 31 Minuten nach Stunde Null

Lisa ist glücklich. Sie hat dem frechen hässlichen Fuchs erfolgreich das saftige gerade erst gestorbene Kaninchen abgejagt und kaut nun genüsslich auf dem Fleisch herum. Manchmal mischt sich so etwas wie Trauer in Lisas Zufriedenheit. Gelegentlich blitzen verschwommene Bilder von Händen auf, die eine Dose öffnen, die einen Napf füllen, die sie an Stellen kraulten, die sie einfach nicht erreichen kann, so sehr sie sich auch abmüht. Aber diese Hände gibt es nicht mehr. Genauso wenig wie die Gesichter, die sie so oft abgeleckt hatte, wenn sie nach unendlich scheinender Abwesenheit wieder aufgetaucht waren. Die beiden großen Gesichter, das kleine rosige Gesicht, sie alle waren fort. Irgendwann lagen sie reglos auf dem Boden. Wie auch alle anderen. Wie jeder Mensch, den Lisa je gekannt oder gerochen hatte. Niemand hatte Lisa mehr gefüttert oder gestreichelt. Erst hatte sie getrauert, aber dann war sie weitergezogen. Der Hunger war stärker gewesen. Als großer kräftiger Jagdhund konnte sie sich auch ohne Menschen einigermaßen ernähren. Trotzdem fehlten ihr von Zeit zu Zeit die nackten freundlichen Gesichter. Und die hohen aufgeregten Stimmen. Lisa würde ein neues Rudel finden müssen.

Langsam trottet sie umher, bis sie eine interessante Stelle findet, um sich zu erleichtern. Es ist ein großer massiver Stein. Lisa kann natürlich nicht lesen. Ansonsten hätte sie die folgenden Worte dort erblickt:

„Dies ist allen Geschöpfen gewidmet, denen wir je geschadet haben und die dies hier wohl niemals werden lesen können. Wir haben unsere Fehler begriffen. Wir haben daraus gelernt. Und wir haben die einzig mögliche Konsequenz gezogen. Von nun gehört dieser Planet wieder euch. Lebt wohl, vergesst uns und genießt eure Freiheit. – Die Menschheit“

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