ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Sie durfte es nicht vergessen. Es war wichtig.
Einatmen. Ausatmen.
Man fand sie; lediglich bekleidet mit einem halb zerfetzten, ehemalig weißen und nun verfärbten Kleid, überhäuft von blauen Flecken, Kratzern und blutigen Stellen, an denen ihre Haut ein wenig außeinanderklaffte.
Ihre Haare waren verworren und verfilzt. Einige Blätter hatten sich darin verfangen, sowie etwas Erde, die sich in den Strähnen verkrustet hatte. Es stank. Sie stank. Nach Verwesung, Gerinnung und Tod.
Das Mädchen zuckte in ungleichmäßigen Intervallen zusammen, als würde ihr gesamter Körper von Spasmen geschüttelt werden. Dabei verkrampften sich ihre Finger stets am heftigsten, sodass die bis zum Beet abgenutzten und schmutzigen Nägel besonders zur Geltung kamen.
Mit blutunterlaufenen Augen umrahmt von dunklen Schatten war sie auf den Suchtrupp zugestolpert, und schließlich auf die Knie gegangen. Manche wichen vor ihrem grausigen Anblick zurück, während andere wie festgefroren stehenblieben. Schließlich sah sie aus wie eine wandelnde Leiche. Wie ein Monster.
Keiner konnte es fassen.
Das sollte Rose Martinez sein? Die hübsche, freundliche und allseits beliebte junge Schülerin, die seit zwei Tagen als vermisst galt? Unmöglich. Keine Chance. War diese Gestalt überhaupt ein Mensch?
Aber als das Mädchen sie endlich entdeckte, huschte ein so zerbrochener Ausdruck von Hoffnung über ihre irgendwie sanften Gesüchtszüge, dem ein Laut zwischen Weinen und Schluchzen folgte, dass alle Anwesenden nichts anderes tun wollten, als sie in den Arm zu nehmen, und zu beschützen. Die Kleine schien sogar so verstört zu sein, dass sie erst versuchte, von den Leuten wegzukriechen, die mit beruhigenden Worten auf sie zukamen.
Einatmen. Ausatmen.
Es dauerte eine Weile, bis das Mädchen sich helfen ließ. Später versuchte sie im Ausgleich dafür (Kreischen, Um-sich-schlagen, Um-sich-treten, Fauchen, Sich-umher-werfen) möglichst ruhig zu bleiben und keine Probleme zu verursachen. Eingewickelt in eine dicke Decke, mit einer dampfenden Tasse in der Hand, schilderte sie, was die DREI ihr angetan hatten.
Als jedoch ein Sanitäter eher beiläufig Routineuntersuchungen durchführen wollte, striff er sie ein wenig, wonach sie sich sofort verkrampfte, und begann, wild um sich zu schlagen. Ein Schrei löste sich unwillkürlich aus ihrer Kehle.
Und dieser Schrei ließ allen, die ihn hören konnten, eine Gänsehaut über den Rücken laufen, während er in der Nacht verhallte. Die Leute hielten bei ihren Tätigkeiten inne.
Es klang kaum mehr menschliches in diesem Geräusch mit, und es war weder gellend laut, noch besonders hoch. Dafür aber kehlig, und einfach so…
So leer.
Als hätte sie stundenlang nichts anderes getan, als pausenlos zu schreien, und nun nicht einmal mehr dazu die Kraft übrig.
Man sagte ihr, sie solle einfach…
Einatmen. Ausatmen.
Und das tat sie auch. Sie achtete penibel genau, nicht hektisch, oder vernehmbar zu atmen. Es klang so, als würde jemand sich verschanzen und verzweifelt versuchen, jeglichen Ton zu unterdrücken, der einem Menschen entweichen könnte.
Man atmete so, wenn man sich vor jemandem unter dem Bett versteckte, der unmittelbar davor stand.
Man atmete so, wenn man seine eigene Existenz verzweifelt rückgängig machen wollte.
Sie erzählte irgendwann unaufgefordert, aber stockend weiter. Von der „Jagd“. Dem perversen Spiel, dass die DREI sich ausgedacht hatten. Ihre Tasse wurde wieder aufgefüllt. Sie trank, obwohl es ihr unangenehm war.
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Sie sei mit ihrem „Freund“ – Paul Walker, Student – zusammen ausgegangen, berichtete sie, wobei sich ihre linke Hand um nichts als kühle Luft ballte, während die Rechte den Griff der Tasse schmerzlich fest umschlossen hielt. Er habe sie zu einem romantischen Waldspaziergang in der Nacht eingeladen, und sie habe trotz Bedenken (den zahlreichen, verschwundenen Mädchen) eingewilligt. Nach diesen Worten strich sie sich mit der freien Hand einige widerspenstige Strähnen aus dem Gesicht. Die Helfer waren schockiert, wie mädchenhaft und unberrührt diese Geste sie wirken ließ.
Er habe scherzhaft versprochen, sie zu beschützen.
Der junge Mann hatte auf einer Lichtung ein Picknick vorbereitet, und wollte sie mit möglichst vielen Umwegen dorthinführen, sozusagen als Möglichkeit, einander von dem Rest der Welt abgeschottet nahe zu sein, doch sie kamen nie an.
Stattdessen wurden sie abgefangen.
Von Axt, Schlagring und Messer.
(Die Helfer fragten mehrmals nach ihren Namen, doch das Mädchen sagte aus, sie höchstens vom Sehen zu kennen. Natürlich klang das sehr unglaubwürdig, doch sie hatte genug durchgemacht. Niemand wollte nachbohren.)
Ihren „Freund“ knockten die DREI einfach aus, als dieser sich ihnen in den Weg stellte und schienen danach nicht mehr das geringste Interesse an ihm zu haben.
An ihr jedoch, als sie versuchte sie abzuschütteln, und sich neben den jungen Mann zu knien, waren sie mehr als nur interessiert.
Die Regeln waren einfach.
Sie sollte wegrennen. Die DREI würden sie jagen. Wenn sie gefunden wurde, hatte sie verloren.
Das Mädchen hielt es nicht für eine einzige Sekunde für einen Scherz. Sie konnte einfach nicht daran Zweifeln, dass die ganze Situation bitterer Ernst war, obwohl sie so abwegig schien. Es war krank, dass sie dem so einfach glaubte, während man sie früher erst von sogenannten „Wundern“ überzeugen musste.
Man stieß sie zu Boden, mit kehligem Lachen. Das Mädchen rappelte sich auf. Die DREI zählten von zehn abwärts. Sie rannte los.
Tiefhängende Äste peitschten ihr ins Gesicht, zerkratzten ihre Arme und Beine. Mehrmals rutschte sie auf Moos oder Schlamm aus, nur um danach heulend wieder loszusprinten. Sie presste ihre Hand auf ihren Mund, um die verräterischen Geräusche zu dämpfen. Suchte hinter einem Busch Deckung.
Einatmen. Ausatmen.
Und so hörte sie das Knacken im Dickicht. Das Johlen hinter ihr. Die DREI kamen unaufhaltsam näher.
Sie wurde gefunden. Zuerst von Schlagring, der sich lediglich ein wenig an ihr verging, bis er sie wieder laufen ließ, mit dem hilfreichen Ratschlag „nicht noch einmal erwischt“ zu werden, weil nur er auch auf diese Art der Folter abfuhr. Er hatte sie an den Haaren hervorgezerrt.
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Sie musste kurz pausieren.
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Mit dem Schmerz im Unterleib sei sie nicht weit gekommen, sodass sie bald ein zweites Mal – diesmal jedoch von Axt – gefunden wurde. Messer stieß später dazu. (Das Mädchen musste kurz unterbrechen, um einen der Helfer entgeistert anzustarren, welcher über den Wortwitz lachen musste. Sofort begann er zu husten, entschuldigte sich überschwänglich und wandte sich peinlich berührt ab.) Gemeinsam hatten sie den Spaß, ihr kleine Verletzungen zuzufügen, während sie sich wand und kreischte. Es war nichts Tiefes. Aber das Gefühl von brennendem Stahl auf ihrer eiskalten Haut würde sie niemals vergessen.
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Hier musste sie ihre Ausführungen abermals kurz unterbrechen.
Einatmen. Ausatmen.
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Dann wurde sie wieder laufengelassen. Diesmal mit einem geradezu großzügigem Vorsprung. Es sei dunkel gewesen. Sie habe jeglichen Orientierungssinn verloren gehabt. In jedem Schatten schienen die DREI zu lauern, sich ins Fäustchen lachend. Ihr nur mit Gedanken schreckliche Schmerzen bereitend.
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Das Mädchen begann wieder zu zucken. Unkontrolliert verspannten und entspannten sich ihre Muskeln, während ihre Augen in den Höhlen rollten.
Niemand konnte ihr in diesem Moment helfen, und so forderten sie abermals, diesmal dringlicher, die nötige Verstärkung an, und warteten, bis es vorüberging.
Ihre Selbst lag wie ein Haufen Scherben vor ihnen, und niemand wollte sich daran schneiden.
Sie erzählte dennoch weiter.
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Natürlich wurde sie auch das letzte Mal gefunden. Und diesmal ließ man ihr keine „Chance“ mehr. Diesmal tobten sie sich aus.
Sie erzählte mit erstickter Stimme, wie die DREI später – in dem Glauben, sie sei tot – ihren Körper hastig eingebuddelt hatten. In einem selbstgemachten Sarg. Neben der Stelle, an der sie sie vergraben hatten, hatte sie aus halb geschlossenen Augen die unauffälligen Hügel – 9 müssten es gewesen sein – entdeckt, bevor sie abgedriftet war.
Sie erwachte oberhalb der Erde. Außerhalb ihres „Grabes“.
Denn die Typen hatten mir ihr gespielt, bis zur letzten Sekunde. Denn sie hatten sich an ihr vergangen, obwohl sie sich sicher waren, dass sie tot war. Sie hatten sie ausgegraben.
Über Stunden hinweg.
Tage?
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Und sie stellte fest, dass sie es den mitfühlenden Helfern nicht ohne Beschönigungen erzählen konnte, obwohl es irgendwie Notwehr gewesen war. Obwohl es irgendwie verständlich war, was sie getan hatte. Sie konnte diesen um sie besorgten und mit ihr leidenden Leuten einfach nicht erklären, was sie getan hatte. Der übrige, winzige Teil von Rose Martinez in ihr konnte nicht. Dennoch sprach sie ein wenig gepresst weiter.
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Sie hatten sie wieder einmal ausgegraben gehabt, und kurz unbeaufsichtigt liegen gelassen. In diesem Moment sei sie einfach losgerannt, obwohl ihre Beine drohten, nachzugeben.
Einatmen. Ausatmen.
Irgendetwas habe sie angetrieben. Ein Adrenalinschub? Ihr Überlebensinstinkt? Gott? Sie habe sich nicht umgedreht. Sie sei gerannt.
Bald waren die DREI natürlich wieder hinter ihr her gewesen. Und Schlagring habe sie schließlich erreicht. Er warf sich auf sie, und schlug zu. Er schlug so fest zu, dass selbst Axt und Messer die Blicke abwenden mussten, und zurückzuckten. Es eskalierte.
Sie erzählte, dass Messer und Axt Schlagring schließlich von ihr runtergezogen hatten, als er sich abermals an ihr zu schaffen machte. Sie erzählte, dass Schlagring auf die Beiden losging. Dass sie einander in einem unerbittlichen Kampf die Köpfe eingeschlagen hatten. Dass sie gerannt war, als sich die Möglichkeit ergeben hatte.
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Und dann unterbrach sie sich abermals.
Denn das war gelogen.
Ihre zweite Lüge.
Die erste? Eine Konstante.
Es waren nämlich die VIER, von Beginn an.
Die Bisspuren an den Innenseiten ihrer Schenkel flammten kurz auf. Die Kratzspuren an ihrem Rücken. Die Fingerabdrücke an ihren Hüften. Sie konnte den Atem an ihren Hals fühlen.
Axt. Messer. Schlagring.
Und Hand.
Sie hatte Axt, Messer und Schlagring wehgetan. Auch ihrem „Freund“ – er bevorzugte seine Hände als Werkzeug – wollte sie solange in seine hässliche Visage treten, bis von dieser nicht mehr übrig war, als eine schleimige Pampe.
Er war niemals auf ihrer Seite gewesen. Er hatte sie dorthin gelockt.
Der Erste, der sich an ihr vergangen hatte, war er gewesen.
Auch der Letzte.
Sie beschmutzte Schlagrings Namen. Dieser hatte nämlich ihren „Freund“ von ihr heruntergezerrt, während Messer und Axt tatenlos gegafft hatten. Doch sie hatte sie gefunden.
Mit den Anderen hatte sie bereits abgerechnet. Das verschwieg sie ebenfalls.
Sie hatte ihnen Gliedmaßen ausgerissen. Sie verstümmelt. Sie geschändet. Ihnen wehgetan. Schlagring war glimpflich davongekommen. Wenngleich es nicht einmal annährend an ihre selbst erduldete Folter kam, hatte sie mit einem Gefühl der Zufriedenheit gerechnet.
Doch sie schämte sich.
Weil diese Typen etwas mit Rose Martinez angestellt hatten. Mit dem Mädchen, dass Blut nicht sehen konnte, und von Herzen überzeugte Pazifistin war.
Einatmen. Ausatmen.
Sie war nicht mehr Rose Martinez. Das war sie nicht mehr, seitdem sie die Erde eingekeilt unter ihrem „Freund“ berührt hatte, und er sich in sie hinein gedrängt hatte. Die Erde, in die die VIER sie eingegraben, und aus der sie sie ausgegraben, eingegraben und ausgegraben hatten.
Wie eine abgefuckte Art von Wiedergeburt.
Sie dachte daran, wie eng es dort gewesen war. Wie schwer zu atmen. Wie es ihre Brust abgeklemmt hatte. Wie es sie geschmerzt hatte. Wie sie einfach nicht atmen konnte, und langsam zu ersticken schien.
Einatmen. Ausatmen.
Warum sie nicht einfach vor dem Suchtrupp geflohen war, war ihr selbst ein Rätsel. Vielleicht hatte sie geglaubt, alles könnte gut werden? Dass alles irgendwie gut werden würde, wenn sie sich auf diese Normalität einließ. Doch ihr wurde schnell klar:
Nichts konnte gut werden.
Sie würde nie ihre Ruhe haben, bis das Blut
des VIERTEN
des Letzen/Ersten
des Lügners
ihres „Freundes“
des Verantwortlichen
des Schuldigsten
an ihren Händen klebte. Die anderen waren nur Mitläufer gewesen. Krank. Dumm. Gefolgsam.
Also würde sie einen günstigen Moment abwarten, und fliehen. Bestenfalls wenn alle beschämt ihre Augen abwandten, sobald ihr Körper wieder in die schmerzhafte Starre verfallen wollte. Oder sie tat so, als hätte man sie gerettet? Zwar würde sie sich weiterhin sämtlichen Untersuchungen entziehen müssen, die ihre weiße Unschuld, welche sie wie eine Aura umgab, rot färben könnten. Aber vielleicht würden die Leute ihren „heldenhaften“ „Freund“ ja schneller finden, als sie es konnte, nachdem er gesehen hatte, was sie mit Messer angestellt hatte. Sie würden nach ihm suchen, mit der angeblichen Kopfverletzung in Gedanken. Und sie würden ihn finden.
So würde ihn Nicht-Rosa-Martinez ebenfalls finden.
Einatmen. Ausatmen.
Einatmen. Ausatmen.
Sie fand es irgendwie komisch: Wie schwierig es werden konnte, etwas zu tun, dass man nicht mehr musste. Sie durfte es nur nicht vergessen. Besonders, wenn jemand versuchte, ihren Puls zu fühlen, oder ein anderer bemerkte, dass sie langsam in die Leichenstarre verfiel. Früher hatte sie es automatisch gemacht. Jetzt musste sie sich konzentrieren.
Einatmen. Ausatmen.
Schließlich war es schwierig, lebendig zu wirken, wenn man nicht atmete.