ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
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Eigentlich war ich nie ein besonders strenger Vater gewesen. Klar, hier und dort mal eine Ermahnung, ein klares Wort. Das gehört zum „Eltern sein“ wohl einfach dazu, schätze ich.
Aber als streng, oder gar autoritär würde ich mich bei bestem Willen nicht bezeichnen. Nein.
In dieser einen Nacht jedoch, in der unser 10 jähriger Sohn bereits zum dritten Mal infolge nach uns rief, und uns damit aus dem sowieso schon ziemlich rar gesäten Schlaf riss, hatte auch ich so langsam die Nase voll. Dies war in den letzten Wochen gehäuft bei ihm aufgetreten. Müsste ein 10 jähriger nicht schon längst raus aus so einem Alter sein? =
Durch das Rufen unseres Sohnes war auch meine Frau aufgewacht. Sie sah mich von ihrer Seite des Bettes aus gereizt und gleichzeitig fragend an. Ihre Augen waren hellrot verfärbt, sie hatte wohl auch nicht viel Schlaf bekommen. Das dachte ich zu diesem Zeitpunkt zumindest.
„Was hat er denn nun schon wieder, Schatz?„
fragte sie. „Keine Ahnung, aber ich hoffe, dass er einen guten Grund hat. Vielleicht schläft er ja auch gleich einfach wieder ein.„ Erwiderte ich. Dies war eigentlich mehr ein Wunschgedanke als alles andere. Nach einigen stillen Minuten, in denen ich meinen Kopf bereits wieder in Richtung Kissen hatte fallen lassen, ertönte das Rufen unseres Sohnes abermals, diesmal jedoch um einiges eindringlicher als zuvor.
„Das muss doch jetzt langsam mal ein Ende haben!„ sagte meine Frau. Mit ihren müden, rötlichen Augen sah sie fast so aus, als hätte sie in dieser Nacht noch kein Auge zu bekommen. „Ich seh‘ mal nach, was bei ihm los ist. Das darf ja nicht wahr sein.„ sagte ich an meine Frau gewandt.
Also stand ich auf, verließ die behagliche Wärme unserer dicken Daunenbettdecke und machte mich auf den Weg zu Edwards Zimmer. Falls ich es bis hierhin noch nicht erwähnte, Edward ist der Name unseres Sohns.
Nachdem ich einige Meter durch unsere des Nachts so viel größer aussehende Wohnung ging, kam ich schließlich am Türrahmen seines Zimmers an. Noch in Gedanken versunken, was Edward denn jetzt schon wieder haben könnte, rief meine Frau plötzlich von unserem Schlafzimmer aus: „Verdammt nochmal, ich halt‘ es nicht mehr aus, das Ganze muss einfach ein Ende haben. Hier und jetzt!„
Ich hielt diese Worte für eine mehr oder weniger normale Reaktion eines übermüdeten und angeschlagenen Elternteils und antwortete nicht darauf. Verdammt, ich war doch selbst müde, musste an diesem Morgen früh raus und hatte arbeitsbedingte Sorgen.
Doch dies alles musste jetzt erst einmal warten, also trat ich in das Kinderzimmer ein. Auf dem Bett saß Edward, kerzengerade und ohne sich auch nur einen Zentimeter zu rühren.
Auf meine Frage hin, was denn mit ihm los sei und wieso er dort so steif säße, blickte er mich nur warnend an und hob langsam seinen Zeigefinger vor den Mund.
Mit immer noch vorgehaltenem Finger formten seine Lippen allmählich zwei Worte: „Im Schrank.„
Ich weiß nicht genau wie ich es beschreiben soll, aber sein Gesichtsausdruck, den ich zuvor bei noch keinem gleichaltrigen beobachtet hatte, verbunden mit diesen verängstigt-gehauchten Wörtern versetzten mich sofort in Alarmzustand.
Edward hatte zwei große Schränke in seinem Zimmer, einen rechts, und einen links von seinem Bett. Ich wand mich dem linken Schrank zu. Man sollte eigentlich denken, als Elternteil kennt man die zahlreichen Monstergeschichten der eigenen Kinder nur zu gut. Wenn all diese erdachten Wesen Realität wären, könnte man das besagte Zimmer vor lauter Greifarmen, Gespenstern und Zombies gar nicht mehr betreten.
Und eben dies war der springende Punkt. Durch das Vorfinden eines völlig verängstigen Edwards, wie er da versteinert in seinem Bett saß, hatte ich für einen Moment völlig den Sinn für die Realität verloren. Und so kam es dazu, dass es auch mich einiges an Überwindung kostete, die Schranktür zu öffnen.
Es handelte sich dabei übrigens nicht um einen dieser IKEA-Schränke, sondern um einen alten, massiven Eichenholzschrank, den wir vor Jahren beim örtlichen Antiquitätenladen besorgten.
Der ebenfalls alte, etwas schrullige Besitzer des Ladens meinte zu uns damals, dass der Schrank wohl aus dem Mobiliar eines Freizeitparks stammen würde. Dieser musste aus bis heute unbekannten Gründen schließen. Entweder das, oder ich erinnere mich einfach nicht mehr. Jedenfalls war der Schrank wohl zu schade zum verschrotten gewesen, und so fand er wohl seinen Weg in dieses Antiquitätengeschäft, und von dort aus dann zu uns.
Wie dem auch sei, ich öffnete die Schranktür. Obwohl es eigentlich klar war, dass der Schrank nichts als Kleider beherbergte, fiel mir doch ein kleiner Stein vom Herzen. „Hey Ed, hier ist überhaupt ni…„ begann ich, wurde doch mitten im Satz von seiner flüsternden Stimme unterbrochen. „Im anderen Schrank.„
Ich erstarrte, als ich plötzlich ein Klopfen aus dem Schrank hinter mir hörte. Es klang wie ein Klopfen an einer Wohnungstür, nur langsamer. Ich spürte, wie mir der Angstschweiß auf die Stirn trat. Mir wurde plötzlich kalt und heiß, immer wieder abwechselnd, jeweils für ein paar Sekunden. Ich konnte natürlich nicht einfach so dort sitzen bleiben, während was weiß ich was dort hinten im Schrank meines Sohnes lauerte. Vielleicht war es nichts bedeutendes? Vielleicht ist ein Kleiderstapel im Schrank gegen die geschlossene Tür gefallen?
Nein, das würde nicht das jetzt bereits wieder verstummte, doch eben noch ganz klar dagewesene rhythmische Klopfen erklären. Ich drehte mich um.
Und nein, dort stand kein untotes Wesen, und es lief auch kein Blut aus dem Schrank. Dort war nichts.
Ich starrte die Schranktür auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes an, nur um gleich darauf eine Erfahrung zu machen, die ich mein Leben lang nicht mehr vergessen sollte. Ich starrte die Tür des Schranks noch einige Minuten lang an. Es passierte nichts, und ich war bereits auf halbem Wege, dies alles nur als Einbildung und mögliche Folge des wenigen Schlafes abzustempeln. Ich wandte kurz den Blick vom Schrank ab, um auf meine Armbanduhr zu schauen. Seitdem ich sie im Urlaub gekauft hatte, hatte ich sie ständig um. Es war jetzt kurz nach halb vier morgens. Noch während ich das grün erleuchtete Zifferblatt begutachtete, nahm ich plötzlich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr, gefolgt von einem leisen quietschen.
Die Schranktür öffnete sich. Zwei feuerrote Augen kamen zum Vorschein, genau wie ich sie zuvor bei meiner Frau beobachtet hatte. Ich weiß, es wäre eigentlich Zeit gewesen, mit Ed diesen verfluchten Raum für immer zu verlassen, doch die Augen hielten mich in ihrem Bann. Sie sahen menschlich aus, doch aus welchen Gründen auch immer wusste ich, dass sie es ganz gewiss nicht waren.
Mit einem Ruck flog die Schranktür plötzlich ganz auf, und ich kam endlich zur Besinnung. Ich nahm Edward auf den Arm, der nun zu schreien begonnen hatte. Kaum hatte ich den Flur vor der Zimmertür erreicht, knallte ich die Tür zu und schloss sie ab. Drinnen war ein poltern zu hören, doch ich nahm es gar nicht mehr richtig wahr. Ich wollte in diesem Moment nichts anderes, als uns alle heil da raus holen. Dies war in meinem panischen Kopf der einzig greifbare Gedanke, alles andere war wie weggefegt. Ich rannte, immer noch mit Edward im Arm, die Treppen hinunter, bis ich schließlich die Wohnungstür erreichte. Der Schlüssel steckte. Ich setze Edward auf die Rückbank unseres Autos, schloss die Türen ab und sagte ihm, dass ich gleich zurück wäre. Ich musste noch einmal hoch, meine Frau holen. Eigentlich hoffte ich, sie würde bereits unten warten, dies war jedoch nicht der Fall. Als ich an unserer Schlafzimmertür ankam und in das Zimmer eintrat, fand ich sie jedoch nicht im Bett vor. Ich rief nach ihr, suchte jeden Raum im Haus ab, außer das immer noch verschlossene Kinderzimmer. Das Poltern war verschwunden, und mit ihm meine Frau.
Seit diesem Tag habe ich sie nie wieder gesehen, Edward feierte seine nächsten Geburtstage ohne Mutter. Er und ich verließen an diesem Tag unser altes zu Hause und kamen nie wieder zurück. Wir durften bei meinen Eltern leben, solange wir keine Wohnung hatten.
Anfangs verdrängte ich diesen Vorfall, doch nach einigen Wochen wurde auch der Gesprächsbedarf von Edwards Seite größer. Das ist klar, er wollte natürlich wissen, was mit seiner Mutter ist. Doch ich konnte ihm diese Frage nie so recht beantworten, zumal ich selber einfach keine Antwort wusste. Ich meldete meine Frau bei der Polizei als vermisst und erzählte ihnen von dem Vorfall mit dem Schrank. Ich denke, sie mussten mich damals wohl für verrückt gehalten haben, wobei ich es ihnen bei so einer Geschichte auch nicht unbedingt verübeln kann. Jedenfalls durchsuchte die Polizei im Zuge der daraufhin anlaufenden Untersuchungen auch unsere alte Wohnung. Im besagten Schrank fanden sie in einem völlig verwüsteten Kleiderberg einen goldenen Ring. Es war der Ehering meiner Frau.
Seit dieser Erkenntnis wurden meine sowieso schon belastenden Alpträume noch einmal eine Stufe schlimmer. Eine Szene tauchte immer wieder aufs Neue auf: Meine Frau, neben mir im Bett sitzend, mit einem merkwürdigen, in Schatten gestellten Körper und leuchtenden, feuerroten Augen, die aus den Höhlen hervor stachen wie Leuchtsignale. Nach einer kurzen Zeit wird dieses Leuchten dann so hell, dass es alles andere übertönt und mich blendet. Dann höre ich immer wieder die Worte, die meine Frau vor einigen Jahren in dieser schicksalshaften Nacht durch die Wohnung rief: „Das Ganze muss ein ein Ende haben.„
Nachdem diese Worte einige Male von einer hallenden Stimme wiederholt worden sind, wache ich für gewöhnlich schweißgebadet in meinem Bett auf. Dies ging so weit, dass ich wegen häufig auftretender Angstzustände, den damit verbundenen Schweißausbrüchen, Hitzewallungen und Schüttelfrostattacken, krankgeschrieben wurde.
Ja, und nun sitze ich in meiner leeren Wohnung und schreibe dies hier. Edward ist längst ausgezogen und wohnt mit seiner Freundin zusammen. Es scheint so, als könne er das alles viel leichter verarbeiten und vergessen, doch ich kann das nicht. Ich werde wohl nie ganz darüber hinwegkommen, was in dieser Nacht geschehen ist und was mit meiner Frau passiert ist. Zu was sie geworden ist.
Und jetzt klopft es auch noch an meiner Tür. Ich habe eigentlich Niemanden, der mich großartig besucht. Ist es für Post nicht schon zu spät?
geschrieben von Finn