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Gelbe Ruinen

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Der Mensch denkt nicht weit genug.

Eine einfache Erkenntnis, aber ich bin
mittlerweile davon überzeugt, dass sie wahr ist. Sag mir, hast du schon einmal
einen Science-Fiction-Film gesehen? Natürlich hast du. Erinnerst du dich noch,
wann die Handlung gespielt hat? Eher im Jahre 2286 oder betrug das Datum doch
eine siebenstellige Ziffer? Ich wette mit dir, dass in neunzig von hundert
Fällen das erste der Fall war. Seltsam oder? Warum eine Zeit wählen, die unsere
Ur-Ur-Urenkel vielleicht noch erleben werden statt die Zukunft weiter ins
Unendliche zu dehnen? Meinen Erfahrungen nach lautet die Antwort Angst vor der
Ungewissheit. Wir können schätzen, was auf unserer Welt in den näheren Jahrhunderten
abläuft und das macht das Genre spannend. Die Frage; „Könnte das wirklich
passieren?“ Aber der Millionen- und Millardenbereich, das ist uns zu hoch. Wie viele
Generationen sind das von hier? Zu viele, um einen bedeutungslosen Nachnamen
beizubehalten. Zu viele, um eine biologische Evolution aufzuhalten oder… eine
synthetische.

Ich bekam den ersten Traum, als mein Sohn
Tom sieben wurde, das weiß ich noch genau, weil es mein letzter unbeschwerter
Tag für lange Zeit werden sollte. Er war immer schon ein schwieriges Kind, 8 %
Asperger, IQ von 132, Anzahl der Freunde gegen Null. Also feierten wir allein,
nur ich, er und meine Frau. Tom bekam mindestens ein dutzend Bücher, die selbst
wir teilweise nicht verstanden. Er lächelte, bedankte sich bei jedem und verzog
sich nach der Torte auf sein Zimmer. Es war ein schöner Tag, auch wenn viele
Eltern das vielleicht nicht so sehen würden. An diesem Abend fiel ich todmüde
ins Bett und dachte noch, wie heil meine Welt doch war.

Es war nur das Fragment eines Splitters von
einem Bild, aber es reichte, um mich schweißgebadet aufwachen zu lassen. Schon
komisch, ich kann mich heute nicht mehr erinnern, was ich sah, aber ich weiß
noch, welchen Schlafanzug meine Frau an hatte, als sie mich fragte, ob alles
okay sei. Damals dachte ich noch, es wäre eine einmalige Ausnahme, etwas, was
jeder mal hatte. Ich lag falsch.

Die Träume kamen von nun an in
unregelmäßigen Abständen, mal hatte ich sie in drei Nächten aufeinander und
dann war für zwei Wochen Ruhe. Ich verlor die Fähigkeit, mich länger als fünf
Minuten auf eine Sache zu konzentrieren, ohne daran zu denken, was mich in der
nächsten Nacht erwarten könnte. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich die
Bilder immer noch. Sie waren niemals schlimm im eigentlichen Sinne, aber trotzdem
so scharf wie ein Messer. Meist handelte es sich um eine tief dunkelgelbe Wüste
unter einem klaren Tageshimmel mit einem gut sichtbaren Mond. Auf dem Mond
waren rauchende Trümmer.

Als es nicht besser wurde, ging ich zum
Psychologen. Das Geld hätte sich die Krankenkasse sparen können. Ich nahm die
Tabletten, die der Doktor mir gab und folgte seinen ach so kostbaren Tipps.
Aber je mehr Sitzungen ich bei ihm hatte, desto depressiver wurde ich. Ja, ich
hab an manchen Abenden getrunken, weil ich Angst hatte, ins Bett zu gehen. Ein-
oder zweimal bin ich auch in meiner eigenen Pisse aufgewacht, die Kehle rau vom
nächtlichen Schreien. Mein Chef musste mich in unvorhersehbar langen Urlaub
schicken, weil ich am Schreibtisch einschlief. Zum Glück verdient meine Frau
mit ihrer Arbeit als Schriftstellerin viel Geld. Unsere Priorität lag in dieser
Zeit vor allem darin, all das von Tom fernzuhalten, er hasste es, wenn jemand
in seiner Umgebung litt. Alles in allem gelang es uns wohl relativ gut, wenn er doch mal fragte, was mit
mir war, konnte ich ihn mit der Antwort „Papa hat Kopfschmerzen“ stets
zufrieden stellen. Zumindest am Anfang.

Der Nervenzusammenbruch kam im neuen Jahr,
drei Tage nach Silvester. Ich weiß nicht
mehr viel von diesem Morgen, will es auch gar nicht wissen. Meine Frau sagte
mir, ich hätte angefangen zu weinen und zu schreien, als sie ein gelbes Kleid
aus dem Schrank holte. Den restlichen Januar verbrachte ich traumlos im
Krankenhaus, zu schwach um auch nur aufzustehen. Die Röntgenbilder zeigten
nichts, die Pillen brachten nichts, der Seelenklempner brachte nichts! An
manchen Tagen wünschte ich mir, sie hätten einen Tumor gefunden. Irgendwas
normales, erklärbares. Aber sie fanden nichts und als ich wieder gehen konnte,
musste ich wieder nach Hause zurück. Das Verhältnis zu meinen Freunden brach
immer mehr ab. Das war die Zeit, in der ich nur noch mit Nachtlicht einschlafen
konnte, weil die Träume zurückkehrten. Und die Zeit, wo ich täglich trank. Ich
war ein gebrochener Mann.

Ostern beschloss meine Frau, dass es wieder
einmal Zeit wäre, meine Schwiegermutter in Florida zu besuchen, aber allein
beim Gedanken an Fliegen musste ich kotzen. Wir stritten uns, heftig. Am Ende
beschloss sie, dass sie Zeit bräuchte, um über uns nachzudenken, also flog sie
allein mit Tom in die Staaten. Sie ließ mich allein, in diesem gottverdammten
Haus in diesem beschissenen Bett! Im Nachhinein glaube ich, dass sie Angst vor
mir hatte, Angst davor, dass die Leute recht hatten, die die Straßenseite
wechselten, sobald sie uns sahen und das Wort verrückt wisperten, sobald
sie glaubten, ich könne sie nicht mehr hören. So etwas wie das, was ich
durchlebte, kann man einfach nicht verstecken.

Die erste Nacht war schlimm. Als ich um vier
Uhr stockbesoffen auf der Couch einschlief, wurden die Bilder schneller,
wilder, schmerzhafter als je zuvor. Ich wanderte erstmalig durch die Wüste,
nein, ich flog knapp über dem unfruchtbaren Boden, wie durch die Augen eines
Adlers. Ich bemerkte, dass es keine gewöhnliche Landschaft war. Vielleicht ist
es dir nie aufgefallen, aber die meisten Wüsten sind voll mit Leben, auch wenn
es nur Kakteen und Skorpione sind. Aber dieser Traum war leer, fast schon
steril, eine gerade, gelbe Erde ohne Makel, die auf mich radioaktiv und
bedrohlich wirkte. Eine Sekunde, bevor ich schreiend aufwachte, sah ich die
Stadt.

Den ganzen folgenden Tag tat ich gar nichts, ausser in Decken verhüllt auf dem Sofa zu verwesen und mich mit Fernsehen abzulenken.
Meine (Ex?)Frau ging nicht ans Handy, egal wie oft ich sie anschrieb oder
anrief. Nicht zum ersten Mal hatte ich diese Fantasien, mir eine Rasierklinge
zu nehmen und dieser ganzen Scheiße ein Ende zu setzen. Aber wie du unschwer
merkst, bin ich noch hier und das hat einen Grund. Ich glaube, ich habe
mindestens eine Stunde auf das Bild gestarrt, das aufgenommen wurde, als mein
kleiner Junge geboren wurde. Meine Frau war drauf, Tom und der Mann, der ich
einst gewesen war. Ich schaltete den Fernseher aus. Ich stand auf. Und zum
ersten Mal seit einer Ewigkeit ging ich freiwillig und nüchtern ins Bett. Es
war erst acht Uhr. Ich wollte meinen Albtraum zu Ende träumen.

Dieses Mal erkannte ich die Ruinen der Stadt
genauer, auch wenn gerade die Sonne unterging. Sie waren genauso gelb wie die
Wüste, aber… alles andere als menschlich. Sie wirkten wie ein großes,
biologisches Konstrukt, ein oder mehrere Kreaturen, die unförmige Gebäude
bildeten, ähnlich wie Korallen. An manchen Stellen konnte ich vertrocknete 
Adern im Mauerwerk erkennen und an den Fundamenten hing geronnener Schleim.
Erneut flog ich im Traum über diese verseuchte Welt und zum ersten Mal konnte
ich Leben an diesem Ort sehen. Es war nicht vertrauter als die Architektur.

Weißt du, was eine ökologische Nische ist?
Kurz gesagt, so bezeichnet man Umweltfaktoren, die von einer Spezies genutzt
werden können um sich in eine neue Richtung zu entwickeln. Wenn jetzt zum
Beispiel alle Raubkatzen in Afrika aussterben würden, wäre die Nische des
primären Raubtiers frei und andere fleisch- oder allesfressenden Arten wie
Ratten oder Paviane könnten diese Lücke ausfüllen und zu den neuen Herrschern
der Serengeti werden. Tom hat mir es mal genauer erklärt. Was das mit den
Geschöpfen dieser Ruinen zu tun hat? Nun, als ich sie sah, wie sie aus den
Eingängen ihrer Häuser krochen, schoss mir ein grässliches Gedankenexperiment
durch den Kopf: Was, wenn alles Leben bis auf den Menschen ausstirbt und wir
uns in unserer Gier nach Perfektion künstlich den Nischen anpassen, in verschiedene Spezies aufteilen, die nun an diesem
Ort zusammengepfercht werden mussten, weil der Rest der Erde verstrahlt ist?
Glaub mir, ich sah… Dinge. Eine Frau mit dem Gesicht eines Schweins und
unnatürlich langen Fingern wurde von einem Rudel Hundsmenschen mit
schrecklichen Warzen zerfleischt. Ein Reptilienwesen mit kugelförmigem
Körperbau und zu vielen Gliedmaßen lief senkrecht eine Hauswand hoch und jagte
faustgroße Schaben. Neben mir schoss ein Mädchen mit einem Fledermaustorso
schreiend in die Dämmerung, in ihren Krallen hing eine tote Ratte mit Menschengesicht.
Ihre Silhouette zeichnete sich wie ein Scherenschnitt vor dem qualmenden
Vollmond ab. Diese Dinger schienen Blutfehden miteinander auszukämpfen, aber
ich flog weiter, ungesehen, unbeachtet, unaufhaltsam.

In der Mitte dieser Stadt war ein großer
gelber Turm, auf den ich schließlich zusteuerte, verwachsen mit etwas, das wie
verrottende Tentakeln aussah. Ich durchschritt seine Wand, ohne die Struktur
auch nur zu kratzen. Im Inneren saßen ein dutzend rot gekleideter
Schaf-Mensch-Hybriden, die im Kreis knieten, sie sangen mit grotesken,
blöckenden Stimmen und beteten eine Säule an, auf deren Spitze die Büste eines
Mannes stand, eines echten Mannes. Leider war sein Gesicht zu
verwittert, als das ich es hätte erkennen können. Aber auch an diesem Ort blieb
ich nicht lange, ich flog weiter, immer schneller, immer schneller in das
Innere das Turms. Das Singen der Schafe und das Schreien der Viecher auf den
Straßen vermischte sich in meinem Kopf zu einem schmerzhaften Brei aus Schall, aber ich konnte mir nicht die Ohren
zuhalten, mich nicht bewegen, ich war wie in einer Trance. Aus Minuten des
Umherirren wurden gefühlt Stunden, vielleicht sogar Tage. Bis ich schließlich
keine Konturen und Töne mehr ausmachen konnte, nur das Singen, das
Schreien und das Gelb. Und plötzlich, Stille.

Ich flog nicht mehr. Ich stand nicht
aufrecht. Ich war einfach nur ein körperloses Bewusstsein, ein Gedanke in der
Leere. Und vor mir erhob sich… er.

Ich habe bis zu diesem Zeitpunkt versucht,
dir die Wesen in der Stadt so gut wie möglich zu beschreiben. Aber diese
Kreatur stand über meinem Wortschatz und über meiner Fantasie. Was ich damit
sagen will ist, dass es keine Möglichkeit gibt, sie dir genauer zu beschreiben,
glaub mir, ich habe im Duden nachgeguckt. Es gibt nichts, womit ich es
vergleichen kann. Es war kein Mensch. Es war kein Tier. Es war nichts
dazwischen. Diese Ausgeburt vor mir war vage humanoid, trug so was wie eine
Tunika in einer unaussprechlichen Farbe und sie war riesig, so groß, dass sie
fast meine gesamte Sicht ausmachte. Aber ihr Gesicht… tut mir leid, das kann
ich nicht erklären, es sei denn, du hast mehrere Stunden Zeit. Das einzige,
wobei ich mir bei dieser Kreatur sicher bin, ist, dass sie sehr alt war. Älter
als irgendwas, das die Menschheit kennt, vielleicht Millionen oder sogar
Milliarden Jahre. Aber trotzdem… ich wusste auch, dass ihre Entstehung noch
weit in der Zukunft lang, wenn nichts von unserer Erde noch übrig sein würde.

Und dann sprach das Ding zu mir.

Du musst den Schöpfer vernichten.“,
donnerte seine Stimme weit über das Nichts. Diese Kreatur sprach zwar extrem
laut, aber so ruhig, als würde es in mein Ohr flüstern. Jedes Wort war klar
verständlich und die Betonung passte eher zu einem Mathelehrer als zu einer
übersinnlichen Entität. Es sprach weiter: „Er ist der erste und der letzte der fleischlichen Götter. Er hörte nicht auf mich, lachte, als ich ihn anflehte, nicht die kalten Waffen zu zünden, er lachte, er lachte! Du musst ihn vernichten, ehe er diese Welt zerstören kann. Du bist die letzte Rettung für deine Erde. Diese Ruinen dürfen nicht das Letzte sein…“, Mittlerweile schien jedes Wort diesem
Monster Schmerzen zu bereiten, seine Fratze oder das, was ich dafür hielt,
verkrümmte sich, als er denselben Satz wieder und wieder brüllte, die ehemalige
Ruhe war wie weggewischt: „Tu es! Tu es! TU ES!!!

Ich wachte auf. Ich schrie nicht. Ich hatte
keine Schmerzen. Blut lief aus meiner Nase. Ich spürte auf einmal ein tiefes
Gefühl von Frieden und von unendlicher Müdigkeit. Auch wenn ich die Hölle
gesehen hatte, alles was ich in diesem Moment wollte war ungestörter traumloser
Schlaf. Ich musste nicht lange warten. Nach kurzer Zeit gelang es mir wieder
einzuschlafen. Doch bevor ich die Augen zumachte, schwor ich mir eins: Ich
würde den Befehl dieses Monsters ignorieren, nie mehr an diese Zeit
zurückdenken und mein Leben so gut wie möglich leben. Ein Gefühl sagte mir,
dass diese Tortur nun endgültig vorbei war und ich hatte recht. Ich habe nie
mehr von gelben Ruinen geträumt.

Als meine Frau wieder kam, gab sie mir noch
eine Chance. Ich nutzte sie. Mein Chef stellte mich wieder ein. Mein Sohn bekam
Freunde. Ich fand langsam ins Leben zurück. Und es gelang mir, zu vergessen, so
gut es ging.

Das ist jetzt alles zwei Jahre her. Es ist
Sommer und ich sitze mit der Liebe meines Lebens im Garten auf einer
Picknickdecke. Wir erwarten ein zweites Kind. Tom liegt gegenüber von mir im
Gras, natürlich ist er wieder am Lesen.

Es ist ein Buch über Gentechnik.

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