
Gott ist nicht tot, er versteckt sich nur
Das Anubis-Experiment
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Sie nannten es das „Anubis-Experiment“, ein ominöser Name für den Zweck, Menschen vorübergehend zu töten, um mit Gott in Kontakt zu treten.
Wie sich herausstellte, war ein Erfolg das schlimmstmögliche Resultat für das Projekt, und als ihre erste und einzige Versuchsperson konnte ich die Antworten finden, nach denen wir so verzweifelt suchten.
Zwanzig Minuten waren alles, was ich bekam. Einer der verschrobenen Ärzte in der Einrichtung führte ein neues Medikament ein. Er erklärte, es sei ein antimitotisches intravenöses Kühlmittel, etwas, das meine Zellen vor dem Absterben bewahrt. Nicht, dass mir diese Worte etwas sagten; ich war ahnungslos, aber sehr bereitwillig.
Es hört sich verrückt an, sich freiwillig und ohne Sicherheitsgarantie so nah an den Rand des Lebens zu begeben, aber nachdem man bei mir Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert hatte, war ich verzweifelt auf der Suche nach Antworten. Mein Körper verfiel zusehends und nahm Tag für Tag einen Teil von mir selbst weg. Die Beine konnte ich schon nicht mehr gebrauchen, und irgendwann würde ich nicht mehr in der Lage sein, mich zu ernähren oder zu atmen.
Die Fragen, die ich über das Leben nach dem Tod hatte, sollten mithilfe von Doktor Müller beantwortet werden, einem Mann, der eher an eine Frankenstein-Figur als an einen echten Arzt erinnerte. Er war ebenso exzentrisch wie genial.
Mit dem Versprechen, Antworten auf die entscheidende Frage zu erhalten, und einem ansehnlichen Gehaltsscheck, meldete ich mich umgehend an.
Nur wenige Stunden, nachdem ich mich für das Experiment registriert hatte, erhielt ich einen Anruf von Dr. Müller persönlich – in einer Geschwindigkeit, die ich noch nie zuvor in einer regulären Klinik erlebt hatte. Er bat darum, dass ich mich mit einem Psychiater treffen sollte, der meinen geistigen Zustand überprüfen würde, um Selbstmordkandidaten und religiöse Spinner auszusortieren.
Am Tag des Experiments wurde ich an mehr Kabel angeschlossen, als ich Hautfläche zur Verfügung hatte. Diverse Maschinen, die ich nicht einmal ansatzweise verstehen konnte, wurden um mich herum aufgestellt und gaben akustische Signale ab, um allen mitzuteilen, dass ich noch am Leben war.
Sie würden während des Experiments eine Kraniotomie durchführen müssen. Dabei würden sie meinen Schädel öffnen und mit Elektroden herumstochern, um zu sehen, ob irgendwelche Aktivitäten stattfanden, während ich betäubt war.
Müller hielt eine kleine Nadel mit einer klaren Flüssigkeit in der Hand. Komischerweise hatte ich etwas Offensichtlicheres erwartet, um mich zu töten, vielleicht ein gewaltiges Gerät mit einer grünen, blubbernden Flüssigkeit, die im Dunkeln leuchtete oder etwas in der Art.
Aber so wie es war, wirkte es ein wenig antiklimaktisch.
„Das wird sehr weh tun, sehr weh. Dies ist Ihre letzte Chance, sich noch einmal zu entscheiden.“ sagte Müller ruhig und wusste genau, dass ich nicht aufgeben würde.
Ich hatte alle Papiere unterschrieben und war über die Prozedur, die „Unannehmlichkeiten“, die Reha und die Zeit, die ich unter dem Mikroskop verbringen würde, aufgeklärt worden, wobei jeder Aspekt meines Wesens untersucht wurde.
Schmerzen waren nichts, was ich fürchtete, aber ohne Antworten zu sterben, das wäre die reinste Tortur.
„Aber Sie haben mir doch schon den Kopf rasiert.“ scherzte ich. Wenn ich schon sterben musste, wollte ich, dass meine letzten Worte wenigstens amüsant waren, aber niemand schien diese Meinung zu teilen.
Kurzerhand injizierten sie mir die Substanz in den Arm. In der Sekunde, in der die Flüssigkeit in meine Venen gelangte, brannte es, als wäre eine Kolonie von Feuerameisen unter meine Haut gekrochen.
Es vergingen nur ein paar Sekunden, bevor mein Herz stehen blieb, ein Moment des Schmerzes einsetzte und schließlich Dunkelheit eintrat.
Die Menschen sprechen immer von dem weißen, grellen Licht, das sie während einer Nahtoderfahrung wahrnehmen, von dem ekstatischen Gefühl des Friedens und davon, wieder bei geliebten Menschen zu sein.
Das ist nicht das, was ich erlebt habe.
Ich schwebte einfach in einer endlosen Leere umher, losgelöst vom Konzept von Zeit und Raum, nicht existent und nicht besorgt darüber, wieder ins Leben zurückzukehren.
Minuten, Tage, Jahre hätten vergehen können, doch nach einer Ewigkeit in der Leere wurde ich weiter ins Jenseits katapultiert. Himmel oder Hölle, ich hatte mich auf die falsche Seite des Lebens begeben.
Das Jenseits nahm die Form eines schwach beleuchteten Zimmers an. Ich trug den Krankenhauskittel, in dem ich gestorben war, aber meine Beine funktionierten wieder, ich konnte mich aus eigener Kraft fortbewegen, als hätte es meine Krankheit nie gegeben.
Ich war seit über einem Jahr nicht mehr gelaufen, aber ich war nicht erfreut darüber. In der Tat konnte ich keinerlei Emotionen empfinden, ich existierte einfach in dem unendlich großen Raum, ohne Angst, ohne Neugier, ohne Zorn…
… gar nichts.
Meine nackten Füße fühlten sich nass an, als ich über den Boden lief. Ich konnte nicht erkennen, woraus er bestand, aber er war weich und pulsierte mit jedem Schritt unter mir.
Die Art und Weise, wie der Raum beleuchtet war, wirkte sonderbar. Es gab keine erkennbaren Lichtquellen, aber alles schien gleichermaßen hell zu sein, als ob jede Oberfläche für sich beleuchtet wäre. Eine Stelle leuchtete jedoch heller als der Rest, eine Zahl, die an die Decke geschrieben war,
„4,815,162,341.“
Während ich mich herumbewegte, wurde mir klar, dass die Wände und die Decke schmaler wurden, bis zu dem Punkt, an dem der Raum nicht größer als ein Schiffscontainer war.
In der ganzen Konfusion bemerkte ich nicht das einzige Möbelstück, das den Raum schmückte: ein bizarrer Stuhl aus Fleisch und Knochen.
In dem Stuhl saß ein ausgemergelter Junge, der sich gerade noch so am Leben halten konnte. Schwarze Ranken verbanden ihn mit der Umgebung, und peristaltische Strömungen liefen von ihm aus.
Der gesamte Raum nährte sich von dem Kind.
Der Anblick einer so schwachen Darstellung des Lebens ließ mich fast vergessen, dass ich gerade getötet worden war, doch ich war nicht in der Lage, etwas für den kränklich aussehenden Jungen zu empfinden.
„Hallo?“, fragte ich leise.
Das Kind hob langsam seinen Kopf zu mir, seine Augen waren weit aufgerissen und enthielten ein Gemisch aus Furcht und Erstaunen.
„Wie bist Du hierhergekommen?“, fragte er mit zitternder Stimme.
„Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich glaube, ich bin tot.“ stotterte ich zurück, die Worte kamen mir unwirklich vor, als ich sie sprach.
Meine Erinnerung war unklar, ich konnte mich vage an das Experiment erinnern, an dem ich teilgenommen hatte, und an die tödliche Injektion, die Müller mir verabreicht hatte, aber es kam mir eher wie ein schwacher Traum vor als ein wichtiger Teil meines Lebens.
„Bist Du einer von ihnen?“, fragte er nervös.
„Einer von…“ Ich konnte den Satz nicht zu Ende bringen, irgendwie wusste er, was ich sagen wollte. „Du darfst nicht hier sein, sie werden uns finden!“
Der Junge erhob sich vom Stuhl und zerriss dabei die Ranken, aus denen eine dicke, schwarze Flüssigkeit floss. Er schien erstaunlich beweglich zu sein, bedenkt man, dass er hauptsächlich aus Haut und Knochen bestand.
„Wir müssen hier raus, wenn Du den Weg hierher gefunden hast, dann könnten sie Dir gefolgt sein.“
„Was, Moment mal, wer sind die?“
„Die Schöpfer.“
Der Junge zog an meinem Arm, seine Berührung brannte durch meine Haut. Ich spürte das Gefühl von glühendem Fleisch, aber ich konnte den Schmerz nicht empfinden. Der Abdruck glich nicht der Hand, die mich berührt hatte, es war vielmehr ein seltsames Symbol, das ich nicht entziffern konnte.
„Beeil Dich!“
Wir stürmten geradewegs auf die Wand zu, und als wir uns ihr näherten, zog sie sich einfach in sich selbst zurück und brach auseinander, um eine Tür zu bilden, und wie bei den Ranken quoll aus den Rissen schwarze Schmiere.
Die Gänge im Inneren waren dunkel und feucht, und ein Erwachsener hatte kaum genug Platz, um sich zu bücken, um durchzukommen. Bei jedem Schritt und bei jedem Mal, bei dem ich mich gegen die Wände lehnte, um mich abzustützen, pulsierte es und zuckte reflexartig mit meiner Bewegung.
Nach einem kurzen Durchlauf betraten wir schließlich einen Raum, der exakt so aussah wie der erste, nur dass auf der Zahlenanzeige jetzt „4.815.162.342“ stand.
„Sind wir hier sicher?“
„Nein, aber es verschafft uns etwas Zeit.“
„Vor wem genau verstecken wir uns hier? Wer bist Du?“
Das Kind sah auf meine Frage hin traurig aus.
„Es tut mir leid, ich habe mein Bestes getan, um Dich zu verstecken.“
„Mich zu verstecken?“
„Nein, Euch alle, die Menschheit.“
„Wovon redest Du?“
“ Pssst!“
Das Kind lauschte aufmerksam dem Gang, aus dem wir gerade herausgekommen waren. Die lebendige Wand wuchs darüber hinweg und hinterließ keine Spur davon, dass es jemals einen Durchgang gegeben hatte.
„Wer bist Du?“
Ohne zu antworten, griff das Kind wieder nach meinem Arm, genau an der gleichen Stelle wie zuvor, nur dieses Mal spürte ich das brennende Gefühl, das durch meine Adern strömte und bis zu meinem Hals ausstrahlte. Ich fühlte eine Freude, wie ich sie in meinem Leben noch nie erlebt hatte, und plötzlich wusste ich, was er mir sagen wollte.
Einen Moment lang fühlte und wusste ich alles.
„Du bist Gott?“, fragte ich halb und stellte halb fest.
„Das ist nur einer der vielen Namen, die mir von meiner eigenen Schöpfung gegeben wurden, doch ich bin kein unendliches Wesen, so wie Du es glaubst.“
„Warum siehst du aus wie ein Kind?“
„Die Wahrnehmung, deine Vorstellung hat diese Form geschaffen.“
Meine Gedanken rasten, ich konnte die Antworten auf die einzelnen Fragen, die aus meinem Mund kamen, nicht einmal ansatzweise verarbeiten.
„Was ist mit dem Himmel, der Hölle? Ist das das Leben nach dem Tod?“
Der Junge lachte.
„Es gibt keinen Himmel und keine Hölle, das ist ein Hirngespinst der Menschen. Ich habe dich erschaffen, weil ich glaubte, du könntest so sein wie ich, doch die Schöpfer verfolgten andere Absichten, und deshalb habe ich dich schon so lange verborgen.“
„Welche Pläne?“
„Ihr seid nichts weiter als Sklaven, und sobald ihr eure Zeit auf der Erde beendet habt, werdet ihr als Ersatz verwendet, damit die Schöpfer in physischer Form existieren können. Sie sind so mächtig, wünschen sich aber nichts sehnlicher, als einfach nur zu leben und alles zu spüren, was zum Menschsein gehört. Sie brauchen sowohl eure Energie, die ihr einfallsreich als Seele bezeichnet habt, als auch die Überreste, aber ich habe es geschafft, dass zumindest eure Energie verborgen bleibt.“
„Wie?“
„Indem ich sie vernichtet habe, bevor sie mich erreichen konnte. Ich weiß nicht, wie du hierhergekommen bist, vielleicht ist es einfach nicht deine Zeit, oder vielleicht hat dich jemand absichtlich hierher geschickt.“
„Aber-“
Bevor ich mit meiner Befragung fortfahren konnte, wurde ich unterbrochen.
„Keine weiteren Fragen, bis du eine von mir beantwortet hast.“
Diese Aussage ließ mich innehalten, denn was wollte Gott schon von einem Niemand wie mir wissen?
„Wie bist du hierhergekommen?“
„Hm, da war dieses Experiment, ein Arzt hat mir eine Substanz injiziert, die mich vorübergehend tötet.“
„Warum hast du dem zugestimmt?“
„Sie wollten, dass ich Gott finde, sie wollten dich finden.“
„Du Narr, das ist ein furchtbarer Fehler, wie konntest du das nicht erkennen?“
Wut und Enttäuschung leuchteten in seinen Augen auf und brannten sich wie Feuer in meine Seele. Die Scham und der Selbstekel, die er in mir weckte, waren beispiellos. Ich musste keine Fragen mehr stellen, die Informationen wurden in meinen Kopf gepresst. Unerbittliche Mengen an Wissen füllten jeden meiner Gedanken aus, und obwohl ich tot war, war der Schmerz noch immer so präsent.
Gott führte mir das Gesicht der Schöpfer vor Augen, er zeigte mir, was sie nach unserem Ableben mit uns machten.
Sie stehlen das, was von uns übrig bleibt, unsere Seelen, unser Fleisch, und ermöglichen es ihnen, zeitweilig unter uns auf der Erde zu wandeln, verschleiert als Freunde, Arbeitskollegen, Politiker und…
… Ärzte mit einer Vorliebe für zwanghafte Experimente.
„Sage ihnen nichts.“ Dies waren die letzten Worte, die er zu mir sprach.
Sobald er sie ausgesprochen hatte, riss mich etwas mit ungeheurer Vehemenz durch die Leere zurück und ehe ich realisieren konnte, was geschah, schreckte ich keuchend in meinem eigenen Körper auf und erwachte in einem Krankenhausbett in der realen Welt.
„Du bist aufgewacht!“, rief Doktor Müller freudig aus, als er bemerkte, dass ich meine Augen geöffnet hatte.
Dabei war ich noch gar nicht lange tot, neunzehn Minuten, um genau zu sein. Das Experiment hatte mich nach der Injektion für drei Wochen ins Koma versetzt.
Ich sprach nicht, sondern schwieg, während ich herauszufinden versuchte, inwieweit das Ganze nur ein lebhafter Albtraum gewesen war.
In den nächsten Tagen führten sie alle möglichen kognitiven Tests durch, um sicherzugehen, dass mein Gehirn nicht durch die neunzehn Minuten des Todes geschmolzen war, die ich erlebt hatte.
Was auch immer ihre Maschinen taten, sie stellten eine Menge Aktivität fest, während ich im Koma lag, Dinge, die sie bei einem Durchschnittstoten nicht feststellen würden.
Wochenlang, nachdem meine körperliche Gesundheit wiederhergestellt war, stocherten sie in mir herum und fragten mich nach allem Möglichen, aber ich tat, was das Kind mir gesagt hatte: Ich schwieg und lieferte nur unwichtige Details über das, was ich sah. Ich erzählte ihnen, dass ich ein Licht gesehen hatte, dass ich mich friedlich fühlte und all den anderen Hokuspokus, den man bei einer Nahtoderfahrung erzählt.
Schließlich gaben sie auf und schickten mich nach Hause. Sie sagten mir, sie würden in Kontakt bleiben und ich solle anrufen, wenn ich mich an etwas Nützliches erinnern könne.
Bevor ich nach Hause zurückkehrte, konnte ich nicht sicher sein, ob die ganze Tortur eine Erfindung meines eigenen sterbenden Geistes war oder ob sie wirklich stattgefunden hatte, aber eine Sache, die ich aus dem Jenseits mitbrachte, war die Fähigkeit zu gehen.
Es gab keine Heilung für ALS, doch irgendwie war mein Körper wieder gesund geworden. Diese Tatsache blieb nicht lange verborgen und das Wunder, dass ich wieder gehen konnte, erregte in den Medien große Beachtung. Also nahm ich das wenige Geld, das ich gespart hatte, und begann zu laufen, in der Hoffnung, dass sie, die Schöpfer, mich nicht finden würden.
Der einzige Weg, ihnen zu entkommen, ist zu sterben und Gott meine Seele zerstören zu lassen.
Vor einem Jahr hätte ich mich gerne umgebracht, um der Folter zu entgehen, die sie für mich bereithalten, aber der Tod ist zu einem furchterregenden Konzept geworden…
… weil ich weiß, dass auf der anderen Seite nichts für uns übrig ist.
Original: RichardSaxon