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Great Queen Meeting Party

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Denken…

Denken…

Schatten von früher. Ein anderer Mann. Ein anderes Leben.

Sie war so schön damals. Goldenes Haar. Feine Glieder. IIEEK! Die
Häärchen auf ihrer Haut. Aber ihre Augen. Ihre Augen waren anders. Wie
sie das Licht zurückwarfen. IEEK! In viele und mehr Richtungen.

Meine Sätze. So kurz. IEEK! Es tut mir leid. Habe die Worte fast
verlernt. Wie auch das Denken. Brauche es nicht mehr. Aber noch einmal.
Noch einmal muss es gehen. Ein Abschied. Ein Schlussstrich.

Es war im Oktober. Oder doch im November? Jedenfalls in der Zeit, in der
die Blätter verrotten. Meine Freundin Jessica hatte mich verlassen (oder
hieß sie „Jenny“?). Ein Hoch auf das Singleleben. War es nicht genau
dass, was ich mir gewünscht hatte, wann immer wir uns gestritten haben?
Wann immer sie mich bei denen Dingen zurückgehalten hat, die mir Spaß
gemacht hatten? War es da nicht ein Geschenk des Himmels als sie mir
eröffnete, dass das mit uns einfach nicht mehr funktionierte? Dass sie
das augesprochen hatte, was ich aus Feigheit nie aussprechen konnte.
Natürlich tat es dennoch weh. Trennungen tun immer weh. Einsamkeit tut
weh. Das weiß ich jetzt. IEEKK! Dennoch war es genau das was ich wollte.
Einsamkeit, Unabhängigkeit, Freiheit. Die süße, überschätzte Freiheit.

Ich zog aus unserer gemeinsamen Bude in der Innenstadt aus und suchte
mir eine eigene kleine Wohnung am Stadtrand, dort wo die Stadt
zerfranste wie die Enden eines aufgerissenen Strickpullis und
hinüberging in die idyllischen Weiten des Landes. Hey, langsam fällt das
Denken leichter. Ist wohl wie Fahrradfahren. Das war ja geradezu
poetisch. Poesie vermisse ich fast. Aber nur fast. IEEEK! Eigentlich war
ich ein Stadtmensch, für den Natur bestenfalls das war, was sich von
Zeit zu Zeit auf dem Teller befand, wenn man die Geschmacksverstärker,
Farb-, Aroma-, Geruchs- und Konservierungsstoffe einmal Außen vor ließ.
Ansonsten war Natur die Wespe im Auto, die Mücke am Ohr, die Fliege auf
dem Mülleimer und die Ameisenstraße im Vorratsschrank. Kurzum: Nichts
anderes als ein unerwünschter Eindringling.

Aber die Mieten in der Innenstadt waren hoch und da ich kein
Interesse daran hatte, 700 Euro kalt für ein als Wohnung verkleidetes
Dixieklo zu bezahlen, blieb mir nichts anderes übrig als ins Nirgendwo
zu ziehen. Dennoch war die Wohnung nichts, um damit anzugeben, aber sie
löste keine Klaustrophobie aus, war im akzeptablen Zustand und alle
meine Sachen fanden darin Platz. Der Arbeitsweg war natürlich die Hölle,
IEEEK! ARBEIT! IEEK!! und mehr als doppelt so lang wie früher, doch
dafür gehörten die Abenden und Wochenenden wieder mir und nicht …
Jessica (oder doch Jenny?). Alles in allem war es eine gute Zeit.
Irgendwann begannen mich aber zwei Dinge zu stören.

Das Eine war meine Nachbarin. Ich konnte wahrscheinlich schon froh
sein, dass ich eine Nachbarin hatte und es war auch nicht wirklich sie
selbst oder ihr Charakter, der mich störte. Es war ihr Hobby. Falls man
es so nennen konnte, wenn jemand einer Tätigkeit seine ganze Zeit und
Aufmerksamkeit widmete. Die Frau hieß Silvya Schubert, war Ende fünzig,
Frührenterin und vollkommen vernarrt in Insekten. Damit meine ich nicht,
dass sie tote Käfer und Schmetterlinge an ihrer Wand aufspießte. Ich
rede von lebenden Insekten. Sie besaß Ameisenhügel, Termitenhügel,
Bienenvölker, Hornissennester und wenn sie das gekonnt hätte, hätte sie
sicher noch einen Zerg-Schwarmstock irgendwo aufgestellt
(Computerspiele, ich erinnere mich. Spielen. Schön. Aber sinnlos. IEEK!
KLACK-KLACK. IEEK!). Für mich, der immer schon unter einer gewissen
Insektenphobie gelitten hatte, war das damals eine mittelgroße
Katastrophe gewesen.

Es wäre ja nicht so schlimm gewesen, wenn ihre sonderbaren Lieblinge
den Anstand bessesen hätten, auf ihrer Seite des Zauns zu bleiben, aber
wenn man ein Gehirn hat, dass kleiner als eine Erdnuss ist, ist das
vielleicht auch etwas viel verlangt. Jedenfalls kam es zu regelrechten
Völkerwanderungen von fliegenden und krabbelnden Viechern in meine
Wohnung und das, wo ich doch gerade meine Souveränität darüber
zurückgewonnen hatte.

Natürlich habe ich Frau Schubert darauf angesprochen. Aber das
gestaltete sich nicht so einfach wie gehofft. Die Frau war den Umgang
mit Menschen entweder nicht gewöhnt oder nicht besonders von solchen
Begegnungen angetan. Wahrscheinlich lag es auch einfach daran, dass es
Geschöpfe ohne Flügel und mit nur zwei Beinen waren, deren Haut nicht
einmal aus Chitin bestand. Ich erinnere mich sogar jetzt noch an das
Gespräch mit ihr, während sie in Latzhose, einem gelben Shirt, einem
großen Strohhut unter dem ihre blonde Haare wie Stroh herausschauten und
ihrem wettergegerbten Gesicht in ihrem Garten stand.

„Frau Schubert! Ich bewundere Sie ja durchaus dafür, dass Sie so ein
großes Herz für unsere krabbelnden und summenden Mitgeschöpfe haben,
aber so kann es einfach nicht weitergehen. Wissen Sie, es macht einfach
keinen Spaß wenn man einen halben Ameisenstaat in seinem Müsli findet
oder wenn auf auf dem Kuchen mehr Bienen und Hornissen als Erdbeeren
sind. Können Sie ihren Viechern nicht irgendwie Manieren beibringen?“

„Insekten tun was sie tun. Auch sie wollen essen.“ sagte sie, während
sie geistesabwesend auf einen Bienenstock starrte, den auch ich immer
wieder argwöhnisch beäugte. Kleine, pelzige, schwarzgelbe Leiber gingen
darin ein und aus und schienen dabei irgendeinem unsichtbaren Muster zu
folgen.

„Das mag ja sein. Aber ICH will SIE nicht essen.“ erwiderte ich
wütend und bemerkte dabei erschreckt, dass die Bienen plötzlich lauter
und aufgeregter zu Summen begannen. Einige von ihnen kamen mir
gefährlich nah. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es besser wäre sich
zu beruhigen.

Frau Schubert sah mich noch immer nicht direkt an, in ihrer Stimme
lag nun aber etwas sehr Seltsames und irgendwie sogar aggressives. „Das
Gute an staatenbildenden Insekten ist, dass es sie nur kümmert was der
Schwarm will. Menschen hingegen denken immer nur an sich selbst.“

In diesem Moment wurde mir klar, dass ich keinen Erfolg haben würde.
Diese Frau war eigentlich gar kein Mensch. Wohl eher eine Biene im
falschen Körper. „Sie werden trotzdem dafür sorgen, dass Ihre Schwärme
nicht mehr bei mir herumschwärmen.“ ermahnte ich sie, bevor ich mich
resigniert zu meiner Wohnung begeben wollte. Ich rechnete nicht wirklich
damit, dass sie meiner nachdrücklichen Bitte folgen leisten würde. Zum
einen hatte ich nie ein nennenswertes Durchsetzungsvermögen besessen und
zum anderen machte die Frau mir mit ihrer Obsession beinah Angst.

„Warten Sie!“, sagte Frau Schubert, als ich gerade im Begriff war zu
gehen, woraufhin ich mich wieder zu ihr umdrehte. Vielleicht kam sie ja
doch noch zur Vernunft. „Ja? Was ist?“

Statt etwas zu sagen, kam Sylvia Schubert mit drei großen Schritten
auf mich zu, nahm mich in den Arm und drückte mir einen dicken Kuss auf
die Lippen. Sofort hörte ich ein leises Summen in meinem Kopf. Ihr
Körper fühlte sich warm an. Wärmer als bei jedem anderen Menschen, dem
ich je begegnet war. Und ihre Lippen schmeckten nach Honig. IIEEK! Einen
Moment lang war ich von ihr angezogen. Unabhängig davon, dass sie
doppelt so alt war wie ich, noch dazu wahrscheinlich selbst in ihrer
Jugend nicht mein Typ, und dass sie mir im Grunde nicht einmal
sympathisch war. Dann aber löste ich mich von ihr und der seltsame
Zauber fiel ab. Auch das Summen verstummte, vom Summen der Bienen einmal
abgesehen. „Haben Sie den Verstand verloren, Sie bescheuerte Kuh? Das
ist sexuelle Belästigung!“, sagte ich empört. Ich war wütend, umso mehr,
da ich einen kleinen Stich im Rücken fühlte. Hatte die Irre mich auch
noch gekratzt?

Sie schüttelte traurig den Kopf. „Selbst Kühe sind klüger als Sie. Kühe haben eine Herde.“

Ich überlegte kurz, meiner Wut Luft zu machen, wollte aber nur noch
nach Hause. Wortlos drehte ich mich um und ging in meine Wohnung zurück.
Von Frau Schubert hatte ich fürs Erste genug.

Zuhause angekommen suchte ich erst Einmal meinen Rücken nach Kratzern
ab, konnte aber nichts finden. Dafür wurde ich wieder mit meinem
zweiten großen Problem konfrontiert: Der Einsamkeit. Das Singledasein
mochte ganz amüsant sein, wenn man wenigstens Freunde hatte, mit denen
man sich die Zeit totschlagen und ausgiebig über seine Ex-Frau lästern
konnte. Wenn dem aber nicht so war – wie in meinem Fall – büßte es nach
einigen Wochen an Attraktivität ein. Ganz besonders, IIEEK! KLACK.
KLACK. wenn man am Arsch der Welt wohnte.

Zwar konnte ich jetzt all die Dinge tun, die ich wollte, aber das
Problem dabei war, dass man keinen so richtigen Spaß mehr daran hat,
wenn man niemandem davon erzählen und es mit niemandem teilen konnte.
Einsamkeit ist wie ein Geschwür, dass lange Zeit gutartig ist und keine
Beschwerden verursacht, irgendwann aber zu wachsen beginnt und früher
oder später lebensbedrohlich wird, wenn man nichts dagegen unternimmt.
Selbst das Internet ist ein erbärmlich mieses Mittel dagegen.

Es dauerte dennoch nicht lange, bis ich mein Glück in verschiedenen
Partnerbörsen versuchte. Ich schoss dutzende von Selfies, bis ich
endlich eines produzierte, von dem ich hoffte, dass es die Frauenwelt
nicht vergraulen würde und feilte studenlang an meinem Profiltext, wobei
ich auf der feinen Linie zwischen plumper Lüge und charmanten
Euphemismen balancierte. Während ich darauf wartete, dass meine digitale
Selbstvermarktung erste Früchte tragen würde, warf ich ab und an einen
neugierigen Blick durchs Fenster auf Frau Schuberts Garten wo die
insektoiden Horden sich zum nächsten Großangriff auf meine Wohnung
sammelten.

Einmal sah ich dabei etwas besonders Merkwürdiges. Es war bereits
Nacht, aber da der Vollmond schien, konnte ich dennoch einiges erkennen.
Und was ich erkannte, jagte mir einen ziemlichen Schrecken ein. Denn
plötzlich sah ich dort eine Bewegung. Eine Bewegung, die weder von
Sylvia Schubert selbst, noch von ihren Insekten verursacht wurde. Es
handelte sich um eine große Gestalt, die Ähnlichkeit mit einem Mann
besaß, nur dass sie seltsamerweise auf allen Vieren kroch und sehr groß
und dünn zu sein schien. Die Gestalt schien sich umzusehen, wobei ihre
Bewegungen seltsam ruckartig wirkten, nahm irgendetwas aus ihrem Garten
und verschwand dann wieder scheinbar im Nirgendwo. Eigentlich – redete
ich mir beruhigend ein – konnte es sich dabei ja nur um einen Einbrecher
handeln. Jede andere Möglichkeit – und meine Phantasie präsentierte mir
eine ganze Reihe davon – schloss ich ganz bewusst und schon allein aus
Rücksicht auf meine geistige Gesundheit aus.

Natürlich hätte ich damals die die Polizei rufen sollen IIIEEEK!,
aber meine Wut auf Frau Schubert saß tief und insgeheim hoffte ich, dass
womöglch irgendein Irrer ihre Viecher stehlen oder vergiften würde. Das
ist vielleicht nicht nett, aber so war ich damals SCHRIIIIEEKK!
TZSCHIRP. TZSCHIRP. Egoistisch bis ins Mark.

Jedenfalls schien ohnehin nichts dergleichen passiert zu sein, denn
Frau Schubert arbeitete ungerührt weiter im Garten und machte nicht den
Eindruck irgendwie traurig oder verärgert zu sein. Ich dagegen, war es
schon.

Natürlich war es albern zu hoffen, dass Samstagmorgen direkt die
große Liebe auf der Matte steht, wenn man Freitagabend erst sein Profil
erstellt hat, aber am Wochenende schmerzte die Einsamkeit immer
besonders. Da traf es sich gut, dass ich, als ich gerade den Spaziergang
zum Bäcker antreten wollte, auf etwas stieß, dass dies für immer ändern
würde.

Der Gegenstand, der mein Leben für immer veränderte, war dünn, aus
Papier, im Format DIN A6 gedruckt und lag direkt auf meiner Türschwelle.
Es war ein Flyer, auf dem in großen Lettern stand:

„Great Queen Meeting Party“.

Der Titel hätte vielleicht auf eine Tribute Party hingedeut, auf der
Hits der Rockikonen um den längst verstorbenen Freddie Mercury
dargeboten wurden und da ich jemand war, der Olle Kamellen hasste, hätte
ich den Flyer in diesem Fall direkt in meinen Mülleimer befördert. Aber
irgendwie glaubte ich das nicht. Zum einen erweckte schon die die
Gestaltung überhaupt nicht diesen Eindruck. Es war ein schwarzer Flyer,
auf dem ein großes Herz abgebildet war, dass von einer angedeuteten
Wabenstruktur umgeben war. Rund um diese Wabe waren kleinere Herzen, von
denen einige direkt an der Wabe klebten und andere um sie
herumschwirrten. Keine Spur von Queen also. Zum anderen wies auch der
restliche Text auf etwas anderes hin.

„Nie wieder einsam!“ stand darunter in verspielter, geschwungener
Schrift. Die Adresse, die auf der Rückseite des Flyers angegeben war,
kannte ich ebenfalls. Es war das „Wildhoney“ ein Club in der Innenstadt
in dem ich früher einmal mit Jessica (oder Jenny?) gewesen war. Beginn
der Veranstaltung wäre heute um 21 Uhr.

„Warum eigentlich nicht?“, dachte ich mir. Zwar waren Single-Partys
mir grundsätzlich peinlich, aber es war immer noch besser als
verzweifelt vor dem PC zu sitzen und darauf zu warten, dass irgendjemand
auf meine digitalen Märchen hereinfiel.

Als ich pünktlich um 21 Uhr vor der Tür des „Wildhoney“ stand, fiel
mir auf, dass es dort bemerkenswert ruhig war. Keine Musik drang hinaus
und auch sonst wirkte es recht ausgestorben. Ich IEEEK!! SCHRIIIRK!
vermutete zuerst, dass es nur ein dummer Scherz war. Andererseits sollte
man meinen, dass an einem Samstagabend zumindest irgendeine
Veranstaltung in einem solchen Club stattfinden sollte. Es gab auch
keinen Hinweis darauf, dass der Club seine Pforten für immer geschlossen
hatte.

Stattdessen hing an der Tür eine Plakatversion des Flyers, durch den
ich auf die Party aufmerksam geworden war. „Great Queen Meeting Party“
stand dort und darunter „Zutritt nur für Flyerbesitzer“. War das der
Grund, warum viele Passanten enttäuscht einen Blick auf die Tür warfen
und dann wieder verschwanden? War das eine von diesen Exklusivpartys?
Und warum zum Teufel war ich dann eingeladen worden? Es gab wohl nur
einen Weg das in Erfahrung zu bringen. Ich öffnete die Tür.

Innen war es beinahe dunkel. Es gab nur eine schwache, schummrige
Beleuchtung. Außerdem fiel mir ein leichter Honiggeruch auf, den ich –
unabhängig vom Namen des Clubs – hier noch nie wahrgenommen hatte.
Irgendwie musste ich unwillkürlich an Frau Schubert und ihre krabbelnden
Mitbewohner denken, was mir beinah die Stimmung verdarb. Ich suchte
nach jemandem, der meinen Flyer sehen wollte, konnte aber absolut
niemanden erkennen. Alles was ich sah, war die etwas heller beleuchtete
Treppe, die in den Tanzbereich führte. „Hallo!“ rief ich. „Ist hier
jemand? Ich habe einen Flyer und will zu dieser Party.“

Einen Moment lang geschah nichts und ich kam mir ziemlich dumm vor.
Dann aber antwortete eine helle, glasklare Stimme, die mich sofort in
ihren Bann schlug. Sie kam eindeutig von unten. „Ich weiß es. Komm
herunter.“ Ich hatte noch nie so eine schöne Stimme gehört und auch wenn
das albern klingt, breitete sich sofort das aufgeregte Kribbeln der
Verliebtheit in meiner Brust aus. Ich musste diese Frau unbedingt sehen.
Sicher war sie wunderschön. Dennoch fragte ich „Woher willst du es
wissen? Du hast mich doch gar nicht gesehen?“. „Das stimmt!“ rief sie.
„Aber ich habe es gerochen.“

Nun kamen leichte Zweifel in mir hoch. Gerochen? Handelte es sich
hier um eine Verrückte? Und wo war die Musik? Wo waren die Stimmen der
anderen Besucher?

Aber das Gefühl der Verliebtheit wurde so stark und vermischte sich
so subtil mit dem allgegenwärtigen Honiggeruch, dass ich letztlich doch
nach unten ging. Mit so einer verrückten würde ich notfalls auch eine
Gummizelle teilen.

Die ersten Stufen der Treppe ging ich noch zögernd hinunter. Aber der
Honiggeruch und das Gefühl unendlich verknallt zu sein, wurden immer
stärker, so dass ich ich letztlich rannte, mehrere Stufen auf einmal
nahm und fast gestolpert wäre. Dennoch stand ich am Ende unversehrt in
dem großen Raum, in dem ich schon das ein oder andere Mal gefeiert
hatte. Meine Augen fielen sofort auf die Schönste Frau der Welt.

Sie hatte goldenes Haar, wie aus gesponnenen Sonnenstrahlen mit einem
bronzenen Honigglanz. Ihr Gesicht war weich, glatt und ebenmäßig. Das
aufrichtige Lächeln ihrer vollen, fast dicken Lippen vertrieb jede Spur
von Zweifel, Angst und Einsamkeit und ihr Körper besaß verlockende und
aufregende Rundungen. Ihre intelligenten Augen schienen das schummrige
Licht in tausend Richtungen zu reflektieren. Sie trug ein weißes, langes
Kleid, dass im Wind zu flattern schien, auch wenn hier natürlich kein
Wind wehte. Sie strahlte Abenteuer und Geborgenheit aus wie ein
Heizstrahler und ich hatte nur noch einen Gedanken in mir: Ich musste zu
ihr.

Jede Schüchternheit war fort. Ich rannte, um die wenigen Meter die
uns trennten, so schnell wie möglich zu überbrücken und schloß sie in
die Arme. Sie ließ mich nicht nur gewähren, sondern schloss ihrerseits
ihre Arme um mich. Ich durfte ihren warmen, weichen Körper an meinem
spüren, und ich war dafür unendlich dankbar. Mein Hochgefühl wurde noch
mal auf die Spitze getrieben, als sie meinen Kopf, den ich an ihren Hals
gelehnt hatte, sanft mit einer Hand nach oben schob und mir dann einen
leidenschaftlichen Kuss direkt auf den Mund gab. Diese Frau würde mir
gehören dachte ich und dann: Nein, ich würde IHR gehören.

Ein warmes, öliges Gefühl kroch wie ein Schauer oder eine süße
Flüssigkeit meine Kehler herunter, während sie ihre Lippen auf Meine
presste. Und erst als sich mein Schluckreflex meldete, realisierte ich,
dass es tatsächlich eine Flüssigkeit war, die in immer größeren Strömen
aus ihrem Mund in Meinen lief. Wie ein Stachel aus Dunkelheit bohrte
sich die Angst in meine Harmonie. Grob stieß ich die Frau, die ich
gerade noch so vergöttert hatte, von mir. In meiner Kehle und meinem
Magen fühlte ich es Kribbeln. Ein klebriges Gefühl breitete sich in
meinem ganzen Körper aus. „Was war das für ein Zeug?“ fragte ich
ängstlich und angewiedert. Sie sah mich traurig und zugleich mütterlich
an „Das Ende deiner Einsamkeit. Wie versprochen.“

Erst jetzt realisierte ich, dass ich nicht allein mit ihr in diesem
Raum war. IEEKH! SCHRIRR! KLACK. KLACK. Rings um uns herum saßen und
lagen verschiedene Männer auf dem Boden. Wobei Männer bei den Meisten
wohl nicht mehr der richtige Ausdruck war. Viele von ihnen hatten
Mandibeln, die ihnen direkt aus ihren Mundwinkel wuchsen. Bei einigen
waren sie noch kaum vorhanden, während sie bei anderen fast ihren Mund
ersetzt hatten. Wieder andere hatten dicke schwarze Insektenhaare auf
ihrem Körper und bei dem ein oder anderen waren die Augen dabei, sich in
Facettenaugen zu verwandeln. Besonders beunruhigend waren aber die
rudimentären Flügel, die angedeuteten Stachel und die zusätzlichen Beine
aus Chitin, die den Meisten aus ihren Körpern wuchsen und auch ihre
natürlichen Beine, die dabei waren immer dünner zu werden und
zusätzliche Gelenke auszubilden. Erst jetzt fiel mir auf, dass meine
Sicht auf einem Auge bereits leicht verschwommen war und das seltsame
ziehen in meinen Beinen und an den anderen Stellen meines Körpers
verhieß auch nichts Gutes. „Was passiert mit mir!“ schrie ich panisch.

„Deine Einsamkeit endet.“ wiederholte die sanfte Hongistimme. „Du
wirst nie mehr allein sein. Du wirst nie mehr Angst haben. Und bald
wirst du auch nicht mehr denken müssen. Deine Königin erlaubt es nicht.
Du dienst mir und ich diene Euch. Perfekte Harmonie. Perfektes Leben.“

Zu diesem Zeitpunkt versuchte ich noch zu fliehen, auch wenn mein
Gang immer wackeliger wurde und sich meine Knie wie zum zerreissen
gespanntes Gummi anfühlten. Aber ich konnte es nicht. Unter der Angst
gab es immer noch das starke Gefühl der Verliebtheit und die Vorstellung
sich von dieser Frau – meiner Königin IEEK! – zu entfernen war
schlimmer als jede noch so groteske Verwandlung. So blieb ich mit den
anderen und wartete auf das was kommen würde.

Nach einem unbestimmten Zeitraum krabbelte ich mit den anderen
Drohnen und Arbeitern in Richtung des Hinterausgangs. Unsere Königin
befahl es. Ohne Worte. Nur mit Gerüchen. Mit reiner Chemie. Reiner,
göttlicher Chemie.

Draußen wartete Frau Schubert mit einem weißen Bus. Sie lächelte mich
kurz an. „Endlich hast du deinen Frieden. Deine Herde. Deinen Schwarm.“
Ja, dachte ich. Da hatte sie recht.

Wir fuhren zu Frau Schuberts Garten. Direkt neben meiner Wohnung, die nun nicht mehr meine Wohnung war. Nie mehr.

In ihrem Garten gab es en großes Loch. IEEEKH! Dort hatte ich den
Mann gesehen, der keiner war. Er begrüßte mich mit seinen Duftstoffen.
Reden konnte er nicht mehr. Musste er nicht mehr. Wie auch ich. Wir alle
krabbelten in das Loch. Dort gab es Tunnelsysteme. Wabenstrukturen.
Eine Kammer, wo die Königin thronte und Frau Schubert, die Imkerin, die
von Draußen über unseren Stock wachte. Von nun an bestand mein Leben aus
sammeln. Bringen. Bauen. Riechen. Handeln. Denken wurde seltener. Es
schwindet. Lange nicht mehr so viel gedacht. Gehirn nicht mehr dafür
gemacht. IEEKH!! SCHRIIIEK! Wie ein schwindender Muskel. Wird kleiner.
Wird einfacher. Gebe das Denken nun auf. Kostet wertvolle Kraft. Doch
ein letzter Gedanke. SCHRIEEK! SCHRIRRR!.

Endlich weiß ich, warum ich mich von Jessica (oder Jenny?) getrennt hatte. Zwei Personen gaben einen erbärmlichen Schwarm ab.

SCHRIEEK!

IEEKH!

KLACK. KLACK.

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