KurzTiere

Herbstspaziergang

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Die frisch gefallenen bunten Blätter knirschen unter meinen Füßen, als ich den schmalen Pfad zwischen den Bäumen entlang gehe, die graue Kunstlederleine zusammengerollt in der rechten Hand haltend, den Blick gedankenverlorend über die zu dieser Jahreszeit bereits nahezu vollständig kahlen Kronen der Bäume schweifen lassend.
Ein leichter, frischer Wind fährt durch die Zweige und lässt sie leise rascheln und knacken, meine Haare wehen mir ins Gesicht, geistesabwesend streiche ich sie zurück, ein im Grunde reichlich sinnloses Unterfangen.
Ich liebe diesen Wald, besonders im Herbst, um diese Zeit, wenn die Dämmerung bereits herein bricht, alles in ein warmes, orangefarbenes Licht taucht…an solchen Tagen kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als hier spazieren zu gehen.
Ein lautes Bellen durchschneidet die Stille.
Ich drehe den Kopf, blicke mich suchend um, stoße dann einen lauten Pfiff aus.
”Pearl! Komm her!”
Einen Moment lang ist nichts außer dem Rauschen des Windes zu hören, dann vernehme ich das Trippeln von Pfoten auf mit laubbedecktem Boden, Zweige knacken und zerbrechen und dann schiebt Pearl sich aus dem Gebüsch, hechelt, schüttelt sich kurz und kommt dann schwanzwedelnd auf mich zu. Stupst mich auffordernd an und legt den Kopf schief.
Lächelnd knie ich mich vor sie, greife in meine Jackentasche, hole eines der kleinen , angeblich nach Minze schmeckenden Leckerlies heraus, die sie so sehr liebt und halte es ihr hin.
Während sie kaut, streichle ich ihr über das Fell, und sie schmiegt sich an mich.
Fast scheint es, als würde auch sie lächeln. Stupst mich erneut an, doch ich hebe nur entschuldigend die Hände. “Tut mir leid, Dicke! Ich hab nichts mehr für dich.”
Ihr Blick wirkt, als würde sie am liebsten weinen, und ich muss lachen. “Guck nicht so! Mehr gibts nicht!”
Dann schweige ich. Kraule Pearls Fell, genieße die beinah vollkommende Stille.
In diesem Moment kann ich mir nicht Schöneres vorstellen, als hier zu sitzen, mit Pearl, die ich kenne solange ich denken kann, für mich soetwas wie meine beste Freundin ist, die Einzige mit der ich reden kann wenn es mir schlecht geht, die mir zuhört.
Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne sie tun würde…
Minutenlang sitzen wir so da, fast völlig regungslos, Pearls Fell mittlerweile vom Wind ebenso zerzaust wie meine Haare, als die Hündin plötzlich den Kopf hebt, die Ohren spitzt und anfängt zu knurren.
Langsam lasse ich meine Hand sinken. Blicke sie fragen an, setze zu einer Beruhigung an, doch da springt sie auf. Bellt, und noch bevor ich reagieren und sie am Halsband packen kann macht sie einen Satz nach vorne und sprintet los. Ins Gebüsch, dabei wild kläffend, wie von der Tarantel gebissen.
Perplex blicke ich ihr hinterher, dann springe ich auf.
Dass meine Chancen, sie einzuholen, gering sind, ist mir durchaus bewusst, doch ignoriere ich diese Tatsache, hetze los, dem Gebell nach, bleibe jedoch nach wenigen Metern mit Jacke und Haaren im Gestrüpp hängen, was mir wertvolle Zeit raubt.
Ich muss Pearl einholen. Das weiß ich einfach. Wenn ich sie nicht einhole, dann…ich will diesen Gedanken nicht zuende denken.
Der Wald ist groß. Und nicht selten verirren sich Leute hier. Ich muss Pearl einholen…
Meine Lunge beginnt zu brennen und meine Rippen schmerzen, doch ich renne weiter, immer weiter, dem Gekläffe nach…und endlich…endlich scheint es näher zu kommen. Sie muss stehengeblieben sein.
“PEARL!”, brülle ich, doch ist es viel mehr ein Keuchen als ein Brüllen. Wahrscheinlich hört sie mich gar nicht…
Und dann verstummt das Bellen.
Mein Herz setzt einen Moment lang aus. Nein…nein das kann nicht…
Versuche, mich zu beruhigen. Es ist gut, dass sie jetzt ruhig ist…ja…wirklich…
Doch ich kann mich nicht davon überzeugen, dass das wahr ist. Ein ungutes Gefühl wächst in mir…
Die Bäume lichten sich langsam. Das Gestrüpp wird weniger. Das Licht heller.
Keuchend bleibe ich stehen, blicke auf die von Blättern bunt gemusterte Lichtung vor mir. Ringe nach Luft, muss husten.
Von Pearl keine Spur. Sie ist nicht da.
Langsam, mit verschwommenem Blick, gehe ich weiter, die Arme vor der Brust verschränkt als wäre mir kalt.
Überquere die Lichtung und bleibe dann vor dem kleinen Steinhaufen in ihrer Mitte stehen, direkt unter der großen alten Eiche mit dem zerfurchten und mit Schnitzereien bedeckten Stamm.
Betrachte das kleine, dunkle, mittlerweile morsche und verwitterte Holzkreut an seinem Fuße.
Die schwarzen, mit wasserfestem Edding geschriebenen Worte.

R.I.P. Pearl.

Nur wenige Buchstaben, doch ich merke, wie mir Tränen übers Gesicht laufen. Schnell wische ich sie weg. Muss schlucken.
Im Grunde habe ich gewusst, dass das passieren wird. Auch wenn ich gehofft habe, dass es diesmal anders ist…wie ich es jedesmal tue.
Und immer werde ich enttäuscht.
“Gib es auf.”, murmle ich, während ich mich abwende, zurückgehe, mit gesenktem Blick. “Hör auf, dir Hoffnungen zu machen…”
Doch ich weiß, dass ich das nicht tun werde.
Ich werde wieder hier herkommen, immer und immer wieder, so wie die unzähligen Male zuvor, seit dem Tag, an dem ich Pearl hier begraben habe, an jenem Dezembertag vor 13 Jahren.
Und ich werde nicht aufhören, zu hoffen.
Darauf, dass sie irgendwann einmal bei mir bleibt.

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