
Ich bin kein Schwächling
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Marcus schreckte schweißgebadet auf. Ihm wurde plötzlich schlecht und er rannte durch das Esszimmer ins Bad. Er übergab sich, schaffte es dennoch rechtzeitig. “Ach Schatz, hattest du wieder diese Albträume? Werden sie wieder schlimmer?”, fragte seine Mutter besorgt. Er nickte, spülte ab und wusch sich die Hände und sein Gesicht. Als er aufsah, sah er sein Gesicht. Er sah müder aus, seine Augenringe dunkler und tiefer als in den letzten Wochen. Seine Mutter nahm ihn in den Arm und er vergrub sein Gesicht darin. “Was stimmt nicht mit mir, Mutter?”, man konnte die Angst in seiner Stimme hören. Sie drückte ihn nur fester und sagte kein Wort.
Seit nun genau drei Wochen hatte Marcus Albträume. Wenn man sie denn so nennen kann. Es waren Bilder und Ausschnitte von Ereignissen, die sich so real anfühlten, dass es ihn verrückt machen konnte. Sie zeigten Tiere, die gefoltert und auf brutale Weise getötet wurden. Sie wurden erschlagen, gegen Wände geworfen, ertränkt oder lebendig geköpft. Marcus machte das alles Angst, da er selbst ein großer Tierfreund war und allein die Vorstellung, dass etwas Ähnliches mit seinem Hund oder seine Katze passieren könnte, ließ ihn mit einem Kloß im Hals zurück.
Er machte sich für die Schule fertig, war duschen, packte seine Sachen. Wie jeden Morgen umarmte er seine Mutter, ging vor seinem Hund in die Hocke und wuschelte ihm über den Kopf. Seine Katze streichelte er im Vorbeigehen. Er ging aus dem Haus und traf sich mit Christian, seinem besten Freund, wie gewohnt an der Bushaltestelle. Christian war ein sehr ruhiger Mensch, was vermutlich der Grund war, weshalb die beiden nicht sonderlich beliebt waren und eher als Freaks abgestempelt wurden. Klar, denn im Gegensatz zu den anderen trugen sie nicht die neusten Klamotten, hatten nicht die neusten Smartphones und gaben generell nicht besonders viel Wert auf ihr Erscheinungsbild. Sie redeten auch miteinander nicht besonders viel, nicht mehr als notwendig. Sie waren eigentlich nur beieinander, weil sie sich so das Leid teilen konnten, das die anderen Schüler auf die beiden ausübten. Und falls es irgendwann mal zu körperlicher Gewalt käme, könnten sie sich gegenseitig schützen. Das hatten sie zumindest ausgemacht. Kaum in der Schule, fing es schon an. Sie wurden mit zusammengeknüllten Blättern beworfen, Marcus wurde bespuckt und ihm wurde auf den Hinterkopf geschlagen. Wenn Lehrer das mitbekamen, versuchten sie es gekonnt zu ignorieren, oder Marcus sagte, es sei nichts als nur ein Spiel unter Schülern.
Marcus saß im Unterricht, sogar in seiner Lieblingsstunde, Kunst. Frau Wilhelm war die einzige, die sich wirklich Sorgen um ihn machte, drang aber noch nicht zu ihm durch. Zu seinem Nachteil “durfte” er immer ganz vorne sitzen, damit Frau Wilhelm ihn im Auge hatte. War sie allerdings kurz weg, fing es wieder an. Er wurde beworfen, mit Kartonrollen geschlagen und ihm wurde sogar vorgeworfen, er sei in Frau Wilhelm verliebt. Das Ganze machte ihn sehr nervös und er zog seinen Kopf etwas ein und nahm seine Schultern hoch. Frau Wilhelm machte das Ganze nur noch unangenehmer, als sie dann fragte, was denn los sei. “Nichts, es ist alles gut.” Frau Wilhelm war natürlich misstrauisch, wollte aber nicht weiter nachhaken, da sie die Situation nicht noch unangenehmer für Marcus machen wollten. Nach Schulschluss ging er Richtung Bushaltestelle, als er hinter sich eine Gruppe Jungs bemerkte. Natürlich die aus seiner Klasse. Er gab sich Mühe, normal weiterzulaufen, nur etwas schneller. “Wovor läufst du denn weg, Angsthase? Hast du ein Date mit Frau Wilhelm?”, rief einer der Jungs und kassierte zustimmendes Gelächter der Gruppe. Marcus antwortete nicht und er bemerkte, wie ihm langsam heiß unter seinem schwarzen Pullover wurde und sein Herz anfing, schneller zu schlagen. Die Gruppe holte auf. Denis, der zuvor gerufen hatte, zog Marcus am Ranzen, so fest, dass er nach hinten fiel. Denis spuckte ihn an, als er am Boden lag. Als der arme Junge aufstehen wollte und schon auf Knien und Händen war, traf ihn ein Tritt in die Rippen. Marcus wusste nicht, wie ihm geschah. Er war noch nie zuvor in einer solchen Situation, er wusste nicht, was er machen sollte. Plötzlich trafen ihn weiter Tritte, diesmal auch von den anderen. Er zog die Knie an den Oberkörper und versuchte seine Arme schützend vor sein Gesicht zu halten, leider klappte das nicht ganz wie gewollt. “Ach lass uns gehen! Er ist den Ärger eh nicht wert”, sagte Denis zu seinem Gefolge, als er nochmal auf Marcus spuckte.
Sichtlich irritiert stand Marcus auf, als er sich sicher war, dass die Anderen außer Reichweite waren. Er spürte in dem Moment kaum Schmerz. Nur Verwirrung und Zweifel an sich selbst. Er nahm an diesem Tag nicht den Bus, sondern lief die acht Kilometer nach Hause. Er war unendlich froh, als er sein Haus sah. Er war verwundert, als er ein fremdes Auto vor dem Haus sah, dachte sich aber nichts weiter dabei. Er öffnete die Haustür und wurde vom freudigen Bellen seines Hundes begrüßt. Marcus kniete sich hin und nahm ihn in den Arm. Ihm lief eine Träne die Wange hinunter. Es war eine Mischung aus Freude und Traurigkeit. Sie gingen gemeinsam weiter hinein. Als er ins Esszimmer kam, war er schockiert. Dort saß seine Mutter mit seiner Kunstlehrerin. Seine Mutter stand mit Tränen in den Augen auf und ging auf Marcus zu. Er warf seinen Rucksack in ihren Weg und rannte in sein Zimmer, um sich dort einzusperren.
Seine Mutter wusste von all dem nichts. Weder, was in der Schule, noch, was in ihrem Sohn vor sich ging. Und sie war bestürzt. So kannte sie ihn nicht. Sie dachte, alles sei in Ordnung, bis Frau Wilhelm ihr alles erzählte.
Marcus saß gegen seine Tür angelehnt. Frau Wilhelm ging und seine Mutter wurde immer besorgter und klopfte gegen die Tür. Rief, dass sie sich Sorgen machte und die Beiden über alles reden könnten und eine Lösung fänden.
In Marcus Gedanken sah es düster aus. Der einzige Mensch, der ihm wichtig war, der einzige Mensch, der ein normales Bild von ihm hatte und dem er stolz gegenübertreten konnte, wusste nun, was für ein Schwächling Marcus doch war.
Er saß dort für Stunden, bis es letztlich dunkel wurde und die Mutter die Hoffnung aufgab, mit ihm zu reden. Marcus stand auf. Öffnete seine Zimmertür und setzte sich an den Esstisch. Er nahm das Besteck und fing an, das Abendessen zu essen.
Ein Gedanke ließ nicht von ihm los. “Ich bin kein Schwächling.”
Er wiederholte diesen Satz immer und immer wieder. Erst in Gedanken und später flüsternd.
“Ich bin kein Schwächling. Ich bin kein Schwächling. Ich bin kein Schwächling.”
Sein Hund saß wie immer, wenn es Essen gab, neben ihm und hoffte, dass er etwas vom Tisch bekam, meistens leider erfolglos.
Marcus stand auf, ging wortlos ins Zimmer und holte einen seiner Holzstäbe aus dem Zimmer, mit denen er früher immer gespielt hatte. Er ging auf den Hund zu. “Ich bin kein Schwächling.”
Marcus holte aus.