Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Die Wohnung ist leer. Die Möbel sind ausgeräumt, die kahlen weißen Wände frisch gestrichen. Sogar die Fliegen und der Geruch nach verdorbenem Fleisch sind verschwunden. Sobald der billige Teppichboden entfernt und das Laminat verlegt ist, wird nichts mehr an den Menschen erinnern, der hier noch vor wenigen Wochen gelebt hat. Dann wird das Apartment eine frisch geputzte Tafel sein, bereit, neu beschrieben zu werden.
Er weiß wenig über die Person, die hier gestorben ist. Sie war jung, gerade mal 30. Genauso alt wie er selbst. Ein Drogenabhängiger, der von der Stütze lebte. Wenig soziale Kontakte. Deshalb haben die anderen Hausbewohner seine Abwesenheit auch erst bemerkt, als der Verwesungsgestank ins Treppenhaus w
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Die Wohnung ist leer. Die Möbel sind ausgeräumt, die kahlen weißen Wände frisch gestrichen. Sogar die Fliegen und der Geruch nach verdorbenem Fleisch sind verschwunden. Sobald der billige Teppichboden entfernt und das Laminat verlegt ist, wird nichts mehr an den Menschen erinnern, der hier noch vor wenigen Wochen gelebt hat. Dann wird das Apartment eine frisch geputzte Tafel sein, bereit, neu beschrieben zu werden.
Er weiß wenig über die Person, die hier gestorben ist. Sie war jung, gerade mal 30. Genauso alt wie er selbst. Ein Drogenabhängiger, der von der Stütze lebte. Wenig soziale Kontakte. Deshalb haben die anderen Hausbewohner seine Abwesenheit auch erst bemerkt, als der Verwesungsgestank ins Treppenhaus waberte. Der Sommer ist heiß gewesen. Vielleicht eine Überdosis. Aber ist das eigentlich wichtig? Außer, um sich moralisch überlegen zu fühlen?
Die Möbel und sonstigen Habseligkeiten haben die Eltern vor einigen Tagen abgeholt. Sie wohnen weiter weg. Der Kontakt war nur spärlich. Ihre oder seine Entscheidung? Ebenfalls unwichtig. Es ist zu spät, etwas daran zu ändern. Trauer gehört zu dem wenigen, was bleibt. Wenn man denn trauert. Bedauern. Wenn man es denn bedauert. Erleichterung, möglicherweise. Und Scham über diese Erleichterung. Obwohl sie verständlich ist. Man ist von einer Last befreit. Selbst, wenn man sie gern getragen hat.
Er sucht sich eine Ecke und beginnt, den Teppichboden herauszureißen. Zum Glück ist er nur nachlässig verklebt. Das erleichtert die Arbeit. An ein paar Stellen bleibt der Schaumrücken dennoch am darunterliegenden PVC haften. Die müssen später mit dem Spachtel abgeschabt werden. Eine elende Arbeit. Diese wenigen Flecken zu entfernen wird länger aufhalten als der gesamte Teppichboden. Egal. Ärgern nützt nichts. Nur schaben.
Ein Zettel wird hochgewirbelt. Winzig. 65 Millimeter hoch, 45 Millimeter breit. Knapp 30 Quadratzentimeter. Weißes, unliniertes Papier. Stärker als normales Kopierpapier. 110 Gramm pro Quadratmeter, schätzungsweise. Am rechten Rand ein winziger brauner Fleck. Ein scharf abgegrenzter Bereich von einem Millimeter Durchmesser, darum ein Halo von einem Millimeter Breite, der nach außen hin heller wird. Wahrscheinlich ein Brandfleck. Möglicherweise von Zigarettenasche. Wer weiß?
Die Seite mit dem Brandfleck ist mit blauem Kugelschreiber beschrieben. Trotz der Winzigkeit sind die Worte gut lesbar. 26 Worte in elf Zeilen. 161 Zeichen, eine Unterstreichung. Nicht gerade ein Testament. Aber eine Art Vermächtnis. Die Überschrift lautet: Tuor & Gondolin. Er kennt die Bedeutung der Worte. Tuor ist einer der wenigen Menschen, die eine Elbin zur Frau nahmen, Gondolin die verborgene Stadt, im Land Beleriand in den Tagen des 1. Zeitalters, das unterging, als die Welt sich wandelte.
Er erinnert sich an die Worte Gandalfs in Der Herr der Ringe:
„Viele Namen habe ich in vielen Ländern. Mithrandir heiße ich bei den Elben, Tharkûn bei den Zwergen; Olórin war ich in meiner Jugend im Westen, der vergessen ist, im Süden Incánus, im Norden Gandalf; in den Osten gehe ich nicht.“
Es ist noch nicht lange her, seit er diese Sätze gelesen hat. Der Tote war also auch ein Tolkien-Liebhaber, genau wie er. Aus dem Drogentoten wird mit einem Mal ein Mensch. Ein Mensch ohne Gesicht, aber mit Interessen, Wünschen, Ängsten, Leidenschaften. Ein Leben auf knapp 30 Quadratzentimetern. Nicht einmal ein Quadratzentimeter pro Lebensjahr. Was hat ihn hergeführt? In diese wenigen Räume sozialen Wohnungsbaus? Zu diesem unbemerkten, einsamen Tod in Vergessenheit?
Wieviele Male ja statt nein oder nein statt ja, wie oft links anstelle von rechts oder rechts anstelle von links haben ausgereicht, dass er es ist, der jetzt diesen Teppich herausreißt? Wie viel oder wenig hat es bedurft, dass er nicht derjenige war, dessen verwesenden Leichnam sie vor wenigen Wochen hinaustrugen? Und was wird von ihm einmal bleiben? Was wird er der Nachwelt hinterlassen? Wird es mehr sein als ein kleiner, vergilbter Zettel mit Notizen? Mehr als knapp 30 Quadratzentimeter?
Anbei findet der geneigte Leser meine Vertonung dieser Geschichte. Der Ton ist ziemlich hallig, aber ich rede mich damit heraus, dass es in einer leeren Wohnung halt so klingt und daher eine gaaanz bewußte, künstlerische Entscheidung war:
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Anbei findet der geneigte Leser meine Vertonung dieser Geschichte. Der Ton ist ziemlich hallig, aber ich rede mich damit heraus, dass es in einer leeren Wohnung halt so klingt und daher eine gaaanz bewußte, künstlerische Entscheidung war:
sehr gute Story.
Regt zum nachdenken an.